Italiens Ex-Präsident Giorgio Napolitano verstorben
Der Totengräber des PCI war Heny Kissingers "favourite Communist"
von Gerhard Feldbauer, 26. September 2023
Italiens Ex-Staatspräsident Giorgio Napolitano ist am Freitag im Alter von 98 Jahren verstorben. Die faschistische Regierung von Giorgia Meloni hat für Dienstag ein Staatsbegräbnis beschlossen. Im Palazzo Madama (Sitz des Senats) wurden die Flaggen auf halbmast gesetzt und eine Trauerkapelle errichtet. In der Abgeordnetenkammer, die ebenfalls halbmast flaggt, findet dagegen eine weltliche Zeremonie statt, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur ANSA, die den früheren Kommunisten wie auch die Mainstream-Medien als "König George" feiert, der als erster Präsident der Republik das Amt zweimal ausübte und die "politische Geschichte der Republik prägte". Sein Nachfolger Sergio Mattarella sagte, Napolitano habe die Rolle des Garanten der Werte mit Treue zur Verfassung und scharfer Intelligenz interpretiert und große Aufmerksamkeit für die Erneuerungswünsche der Gesellschaft gehabt. Für Ex-Premier Mario Draghi war er "ein absoluter Protagonist der italienischen und europäischen Gesellschaft". Unter Kondolenzschreiben aus aller Welt befindet sich eines von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Napolitano als "beeindruckenden Staatsmann", der "in schwierigen Zeiten ein Stabilitätsanker für sein Land und zutiefst davon überzeugt war, dass ein geeintes Europa im Interesse seiner Bürger ist", würdigte.
Die bürgerliche Presse feiert Napolitano, weil er, wie das kommunistische Magazin Contropiano in seinem Online-Portal schreibt, "die Rolle des Führers der Rechten in der PCI (der kommunistischen Partei) übernahm, die auf die Sozialdemokratisierung der Partei, den Beitritt zur Sozialistischen Internationale, zu guten Beziehungen zu Craxis Sozialistischer Partei (PSI) abzielte", was unter seinem maßgeblichen Einfluss 1989/90 zur Umwandlung des PCI in eine sozialdemokratische Linkspartei PDS führte. Später wurde klar, dass nicht einmal der "demokratische Sozialismus" die revisionistischen Ängste Napolitanos befriedigte und er schnell "zu einem angelsächsischen Liberalismus gelangte, der für Koalitionen mit Gemäßigten und Konservativen zugänglich war".
Nach seinem Bekenntnis zur NATO, unter der er sich "sicherer" vor einer Einmischung des Warschauer Paktes fühlte und die er nicht mehr als "ein gefährlich-aggressives Instrument" sah, nannte ihn der damalige US-Außenminister Henry Kissinger seinen "favourite Communist" (Lieblingskommunisten). So protegiert erhielt Napolitano als erster Kommunist ein Visum zur Einreise in die USA, wo er u. a. auf Veranstaltungen des Center for Strategic and International Studies (CSIS), einer getarnten Einrichtung der CIA, ein gern gesehener Gast war.
Seit 2006 im Amt des Staatspräsidenten verhinderte er nach dem Fall der faschistischen Regierung Berlusconis im November 2011 aus Angst vor einem Wahlsieg des 2007 aus der Linkspartei hervorgegangenen Sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) Neuwahlen und bildete statt dessen unter dem früheren EU-Kommissar Mario Monti eine Übergangsregierung, in die er Berlusconis Forza Italia (FI) aufnahm und so ihre Fortexistenz absicherte. Zum Dank dafür stimmte Berlusconis FI 2013 für seine Wiederwahl, womit Napolitano die erforderliche Mehrheit erreichte. Kissinger teilte danach seinem "lieben Giorgio" mit, dass ihm der nach ihm benannte "Premio Kissinger" verliehen werde.
Das linke Manifesto schreibt, sie nannten ihn "König George" und er war "tatsächlich eher ein Monarch als ein Präsident". Er war der erste Führer einer kommunistischen Partei, der im Namen des "allgemeinen Interesses" vorschlug, "die Löhne der Arbeiter zu senken, um die Krise zu bewältigen". Damit war er "der Wirtschaftsmanager der PCI und in dieser Funktion vertrat er Allianzerfahrungen mit der Democrazia Cristiana (DC)", was "der erste Schritt in Richtung des Kompromisses war, den PCI-Sekretärs Enrico Berlinguer vertrat".
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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 26. September 2023
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