Urteil gegen Terrorist des Anschlags in Bologna 1980 offenbart,
Italiens Ministerpräsidentin Meloni steckt knietief im faschistischen Sumpf
von Gerhard Feldbauer, 29. September 2023
Das Berufungsgericht von Bologna hat unter dem Vorsitz von Richter Orazio Pescatore die lebenslange Haftstrafe für den ehemaligen Terroristen und Vertreter der neofaschistischen subversiven Gruppe Nuclei Armati Rivoluzionari (NAR) Gilberto Cavallini im Prozess zum Massaker am Bahnhof von Bologna vom 2. August 1980 (85 Tote, über 200 Verletzte) bestätigt, berichtet ANSA. Die staatliche Nachrichtenagentur verschweigt, dass es sich bei der NAR um eine pseudorevolutionär getarnte Gruppe handelte, einem Ableger der Terrororganisation Ordine Nuovo, ihrerseits eine Abspaltung der 1946 als Nachfolger der Partei Mussolinis gegründeten Movimento Sociale Italiano (MSI), aus der - später umbenannt in Alleanza Nazionale - schließlich die Brüder Italiens (FdI) Melonis hervorgingen. Das Urteil ist ein Schritt zu einer historischen und juristischen Wahrheit, die seit über vierzig Jahren vom Staatsapparat (und nicht nur) durch Irreführung, Falschaussagen und Vertuschungen behindert wird, schreibt das kommunistische Magazin Contropiano auf seinem Online-Portal.
Eine nähere Betrachtung zeigt wieder einmal, dass die Ministerpräsidentin knietief im faschistischen Sumpf steckt. Nachdem die Ermittlungsbehörden jahrelang versucht hatten, linksradikale Gruppen als Organisatoren des Anschlags von Bologna vor Gericht zu zerren, bewies der Untersuchungsrichter Felice Casson 1996, dass die Täter Neofaschisten waren, u.a. von der von Pino Rauti gebildeten Ordine Nuovo. Auf ihrem Gründungskongress 1956 in Mailand bekannte diese sich zur Salò-Republik Mussolinis und zum "Dritten Reich", erklärte sich zum "Kämpfer für die Vorherrschaft der weißen Rasse", erkor zu ihrem Wahlspruch den der deutschen SS "Unsere Ehre heißt Treue" - und wählte zu ihrem Symbol eine Doppelaxt auf rotem Grund im weißen Kreis, das später durch das keltische Kreuz ersetzt wurde.
Die Tochter des 2012 verstorbenen Rauti, Isabella, ist in Melonis Regierung Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, dessen Chef der Mitbegründer ihrer FdI, Guido Crosetto, ist. Mit der Rauti-Tochter hat Meloni sich eine reinblütige Faschistin in ihr Kabinett geholt. Die 1962 Geborene schloss sich bereits als Jugendliche der Jugendorganisation "Fronte della Gioventù" des MSI an, die Meloni in den 90er Jahren leitete. Sie ist die Ex-Frau des ehemaligen Bürgermeisters von Rom (2008-2013) Gianni Alemanno, eines führenden MSI-AN-Faschisten, Vizepräsident der AN, der wegen Verwicklung mit der Mafia 2019 in erster Instanz zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Die Berufungsverfahren laufen noch. 2014 trat er der 2012 von Meloni mit Mitgliedern der im Verfall befindlichen AN gegründeten Brüderpartei bei.
Wegen Teilnahme an dem Anschlag in Bologna wurde auch das in den NAR und in der Ordine Nuovo Rautis aktive MSI-Mitglied Stefano Delle Chiaie 1988 in erster Instanz verurteilt, in der Berufungsverhandlung jedoch freigesprochen. Der 2019 verstorbene Delle Chiaie war Mitglied der faschistischen Putschloge Propaganda Due (P2) und der geheimen CIA-Truppe Stay Behind, die in Italien Gladio hieß und bei der Ermordung des Führers der Democrazia Cristiana Aldo Moro die Fäden zog.
Rauti wurde auch wegen Teilnahme an dem Terroranschlag am 28. Mai 1972 auf der Piazza della Loggia in Brescia, der acht Tote und 102 Verletzte forderte, angeklagt, aber wegen Mangel an Beweisen freigesprochen. Giorgia Meloni hielt das nicht davon ab, unmittelbar nach ihrem Amtsantritt am 22. Oktober 2022 am 15. November in Brescia ein Studium-Zentrum ihrer FdI-Partei nach "dem Gründer der Ordine Nuovo Pino Rauti zu benennen".
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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 6. Oktober 2023
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