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ITALIEN/475: 200.000 Demonstranten in Rom gegen den arbeiter- und migrantenfeindlichen Kurs der faschistischen Meloni-Regierung (Gerhard Feldbauer)


200.000 Demonstranten in Rom gegen den arbeiter- und migrantenfeindlichen Kurs der faschistischen Meloni-Regierung

von Gerhard Feldbauer, 8. Oktober 2023


200.000 Demonstranten sind nach Angaben der Reporter von Manifesto am Samstag in Rom dem Aufruf der CGIL, der mit 5,7 Millionen Mitgliedern stärksten Gewerkschaft Italiens, dem sich mehr als 200 Verbände sowie soziale und territoriale Netzwerke angeschlossen haben, gefolgt, um der faschistischen Meloni-Regierung den Kampf anzusagen. Es waren Gewerkschafter, Antifaschisten, Sozialdemokraten, Kommunisten und Parteilose, berichtete Manifesto. Das habe, so das linke Blatt, "die besten Prognosen der Organisatoren übertroffen". Die Veranstaltung stand unter der Losung "Via Maestra", was heißen soll, dass der Kampf gegen den arbeiter- und migrantenfeindlichen Kurs der faschistischen Meloni-Regierung auf der Hauptstraße geführt wird. Es demonstrierten, wie die Online-Plattform Collettiva der CGIl meldete, Menschen unterschiedlicher Herkunft, jung und alt, Frauen und Männer, Atheisten oder Gläubige, "vereint in der Verteidigung der Verfassung der Italienischen Republik, ihrer demokratischen und antifaschistischen Grundsätze". Sie kamen aus ganz Italien, mit Sonderzügen und Reisebussen und einem Schiff von Sardinien aus, nach Rom.

Zwei Demonstrationszüge starteten von der Piazza della Repubblica und der Piazzale dei Partigiani und füllten die Piazza San Giovanni mit einer unüberschaubaren Menschenmenge. Auf der Tribüne versammelten sich die Redner mit CGIL-Generalsekretär Maurizio Landini an der Spitze.

Äußerungen zum Krieg in der Ukraine wurden eher vermieden. Der Generalsekretär des Partisanenverbandes ANPI Gianfranco Pagliarulo, sagte, dass "Antifaschismus wie nie zuvor Frieden und Arbeit bedeute". Artikel 11 der Verfassung besage, "Italien lehnt den Krieg ab." Von der Verteidigung der Verfassung ging auch Landini aus, der betonte, dass sie "nach dem Sieg über den Faschismus geboren wurde". Es sei "Zeit, von der Resignation wegzukommen, von der Vorstellung, dass man nichts ändern kann, dass man leiden muss." Er führte an, dass die finanziellen Belastungen überall zunehmen - bei Einkäufen aller Art, beim Treibstoff, Hypotheken und Mieten, in Schule und Gesundheitsversorgung. Den Mindestlohn gibt es nicht mehr, ein Lohn von 4, 5 oder 6 Euro brutto pro Stunde ist "ein Hungerlohn".

"Wir fordern Veränderungen und Reformen", so Landini. Die Löhne müssten steigen, um die verlorene Kaufkraft wiederzugewinnen. "Wir wollen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik mitreden." Die angekündigten Privatisierungen helfen, wie die Vergangenheit lehrt, dem Land nicht, sondern schwächen es vielmehr auf industrieller Ebene. "Wenn die Regierung nicht auf uns hört, werden wir streiken", warnte der Gewerkschaftsführer. Im Schlusswort erklärte er: "Unsere Stärke liegt darin, unterschiedliche Realitäten zu vereinen. Wir werden nicht aufhören, bis sich das Land verändert."

Marco Bersani, Sprecher von Attac, stellte fest: "Es ist lange her, dass ein Teil des Landes auf diese Weise auf die Straße gegangen ist." Er mahnte an, die neue Rolle des Finanzkapitalismus, der nicht mehr derselbe ist wie vor 30 bis 40 Jahren, sei klar aufzuzeigen. Auf der Tribühne stand auch der katholische Priester und entschiedene Kämpfer gegen die Mafia Don Ciotti, der bekundete, die Meloni-Regierung betreibe einen "Ausverkauf der Verfassung, zu dem wir nicht schweigen können". Simona Abate von Greenpeace sprach zu Klima und Umweltschutz und argumentierte, dieses Thema müsse mit sozialer Gerechtigkeit Hand in Hand gehen. Paolo Notarnicola vom Netzwerk der Mittelschüler prangerte an, dass es "Tausende nicht gezahlte Stipendien" gibt und es "an Betten für die Anspruchsberechtigten mangelt". Er forderte im Haushaltsgesetz eine Zuweisung von mindestens zwei Milliarden Euro, um in öffentliche Studentenwohnheime und Stipendien, den Universitätsverkehr und in den Gesundheitsbereich zu investieren.

Die Sekretärin des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) Elly Schlein nahm mit Mitgliedern ihres Sekretariats an einem der CGIL-Märsche unter der Melodie des legendären Partisanenliedes "Bella Ciao" teil. In San Giovanni umarmte sie auf der Tribühne Maurizio Landini und applaudierte begeistert seiner Rede, so Manifesto. Die Fünf-Sterne-Bewegung war zwar auch mit einer Delegation vertreten, aber ohne ihren Führer Giuseppe Conte, der seinen Stellvertreter geschickt hatte. Conte versicherte aber, er werde die Sterne-Partei in allen Teilen Italiens gegen die Politik der Regierung mobilisieren.

Der Sekretär der Partei der Kommunistischen Wiedergründung (PRC), Maurizio Acerbo, die mit einer großen Delegation vertreten war, drückte die Hoffnung aus, dass dieser Tag der Beginn eines Weges der sozialen Opposition wird, die mit der unter der Regierung Draghi verfolgten Politik bricht, was ein deutlicher Wink an Schlein war, deren PD diese mitgetragen hatte. Nicola Frattoianni, Vorsitzender der Sinistra Italiana (SI), erklärte, die von Landini zur Mobilisierung gegen Meloni dargelegte "Plattform" sei eine Basis, "die Oppositionen zu vereinen".

Die von der CGIL ausgehende Initiative kann ein großer Schritt vorwärts bei der Mobilisierung der Massen gegen die faschistische Regierung werden. Ihre Grenzen zeigen sich u. a. darin, dass es keinen Aufruf gibt, dass mit dieser Regierung Schluss gemacht werden müsse. Das Gegenteil ist sogar der Fall, denn die CGIL ist bereit, wie Landini einräumte, mit Meloni zu verhandeln, um, wie er sagte, "in der Wirtschafts- und Sozialpolitik mitzureden". Diese Sozialpaktstrategie hat in der Vergangenheit immer dazu geführt, dass - wie die CISL und UIL - auch die CGIL letzten Endes für ein paar Brosamen nachgegeben hat.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 10. Oktober 2023

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