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ITALIEN/479: Generalstreik in 58 Städten - Transportarbeiter kontern Verbot Minister Salvinis (Gerhard Feldbauer)


Arbeitsniederlegung in Italien

Transportarbeiter kontern Verbot Minister Salvinis

Generalstreik in 58 Städten

von Gerhard Feldbauer, 17. November 2023


Der Generalstreik im Transport- und Verkehrswesen hat heute um 9 Uhr im Lazio, Umbrien, Marchen, Abruzzo, Molise und Toscana geschlossen begonnen, berichtet die Online-Plattform der Gewerkschaft CGIL Collettiva. "Wir stoppen Italien, um die Regierung nach Hause zu schicken", verkünden die Arbeiter, sie gehen heute auf die Straße, um der Regierung zuzurufen: "Genug ist genug!".

Nach harten Auseinandersetzungen mit dem Infrastrukturminister und Vizepremier der faschistischen Meloni-Regierung, Matteo Salvini von der Lega, begann ein vierstündiger Generalstreik im Transportsektor, zu dem die Gewerkschaften CGIL und UIL aufgerufen haben. Ursprünglich waren acht Stunden vorgesehen, die nach einer einstweiligen Verfügung von Salvini auf vier Stunden, von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr, verkürzt wurden. Der Luftverkehr war bereits vorher vom Streik ausgenommen worden. Die Reduzierung sei beschlossen worden, da den Gewerkschaften bei Missachtung des Gebots Geldstrafen bis zu 100.000 Euro gedroht hätten, auch den einzelnen Arbeitnehmern, die nicht zu den festgelegten Zeiten zur Arbeit erscheinen, waren Sanktionen angedroht worden, erklärte CGIL-Generalsekretär Maurizio Landini. Zusammen mit UIL-Generalsekretär Pierpaolo Bombardieri kündigte er an, gegen die Verfügung gemäß Artikel 28 der Verfassung, der das Streikrecht garantiert, wegen gewerkschaftsfeindlichen Verhaltens Einspruch zu erheben. Während Landini das Vorgehen Salvinis als einen beispiellosen Akt in der Nachkriegszeit bezeichnete, nannte Bombardieri es "institutionellen Terror".

Zwar bedeute laut dem linken Manifesto die "Halbierung" des Generalstreiks eine Entwertung im politisch relevantesten Bereich der Wirtschaft, das halte aber die Beschäftigten, wie die Online-Plattform der CGIL Collettiva berichtete, nicht davon ab, wie angekündigt um 9 Uhr in 58 Städten die Arbeit niederzulegen. Im ganzen Land sollen über 100 Demonstrationen stattfinden, darunter auch in Rom auf der Piazza del Popolo.

Bei den öffentlichen Bus- und Bahndiensten wird ein weitgehender Stillstand des Verkehrs erwartet. Die Streiks sind nach Landesteilen gegliedert. So findet am Freitag in Mittelitalien ein Generalstreik in allen Sektoren statt, also im öffentlichen Dienst genauso wie in der Privatwirtschaft. In Norditalien und damit in Südtirol streikt dagegen am Freitag nur der öffentliche Dienst, der Privatsektor wird dort am 24. November die Arbeit niederlegen. Am Donnerstag hatte laut Contropiano bereits eine Gruppe der Gewerkschaft Unione sindacale di Base (USB) "mit einer Blitzaktion" unter dem Motto "Keine weiteren Angriffe auf das Streikrecht" vor dem Sitz der Lega in Rom protestiert.

Der Ausstand ist ein Protest gegen den von der Meloni-Regierung vorgelegten Haushalt für 2024, den das kommunistische Magazin Contropiano auf seinem Online-Portal "ein "Blut-und-Tränen-Manöver" nennt. Er sei ein Kriegshaushalt, der die Militärausgaben, die laut SIPRI mit 1,7% des BIP 33,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 betrugen, auf 2% des BIP nach NATO-Vorgaben in den kommenden Jahren erhöhen soll. Die Sozialausgaben werden dagegen bisher beispiellos gesenkt: Streichung der Mindesteinkommen, bei Renten, in der Bildung und dem Gesundheitswesen - kein Bereich wird verschont. Über 63% der italienischen Familien können nur mit Schwierigkeiten ihren Lebensunterhalt bestreiten. In Schweden, Deutschland, den Niederlanden, Finnland und Luxemburg dagegen liegt der Prozentanteil bei ca. 25%, stellte Collettiva der CGIL klar. Auch die Anzahl derer, die unter der Armutsgrenze leben, liegt in Italien mit 24,2% über dem EU-Mittelwert (21,6%). CGIL und UIL fordern, die Löhne und Renten an die Teuerung anzupassen, sie wollen gegen die wachsende Ungleichheit vorgehen und für eine gerechtere Steuerpolitik, gegen Steuerhinterziehung und für ein besseres Bildungs- und Gesundheitswesen kämpfen.

Die dritte große Gewerkschaft CISL hat sich dem Generalstreik nicht angeschlossen, was ein weiteres Mal zeigt, dass die Gewerkschaften gespalten bleiben. Um die Teilnahme der USB am Streik am Freitag haben sich CGIL und UIL gar nicht erst bemüht, so hat diese für den 24. November zu einem landesweiten Luftverkehrsstreik zur Erneuerung der Tarifverträge der Beschäftigten der Abfertigung aufgerufen.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. November 2023

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