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AUSSEN/138: Menschenrechte - der rote Faden durch alle EU-Außenpolitiken (Europäisches Parlament)


Europäisches Parlament - Pressemitteilung vom 16.12.2010

Menschenrechte - der rote Faden durch alle EU-Außenpolitiken


Eine starke und effektive EU-Menschenrechtspolitik, die mehr Kohärenz zwischen Innen- und Außenpolitik der Europäischen Union sicherstellt, steht im Zentrum des ersten Menschenrechtsberichts des Parlaments nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags, der am Donnerstag im Plenum verabschiedet wurde. Die EU-Abgeordneten hoben einige Länder mit schlechten Daten in Bezug auf Menschenrechte hervor, darunter Russland, China, Iran, Kongo und Kuba hervor.

Mit Einrichtung des Außendienstes der EU (EAD) hat die parlamentarische Berichterstatterin Laima Liucija ANDRIKIENÈ (EVP, Lettland) die Hohe Vertreterin und Vizepräsidentin der Commission, Catherine ASHTON, dazu aufgerufen, Menschenrechte und Demokratieaufbau zum "roten Faden, der sich durch alle Bereiche der EU-Außenpolitik zieht" zu machen und darauf zu achten, dass "Menschenrechte aus der Struktur nicht verschwinden".

Ein eigenes Direktorat für Menschenrechte sollte eingerichtet werden, dass sicherstellt, dass die Menschrechte das Herzstück europäischer Außenpolitik werden. Überdies fordern die Abgeordneten die Einrichtung eines Postens des speziellen Vertreters für Menschrechte mit einem klaren Mandat.


Weltweites Moratorium für die Todesstrafe

Die EU lehnt die Todesstrafe unter allen Umständen ab, so in der durch Handzeichen angenommenen Entschließung über den Jahresbericht über die Menschenrechte in der Welt 2009 und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich. Die Kampagne gegen die Todesstrafe muss weiterhin eine Priorität der EU bleiben. Ausreichende finanzielle Unterstützung muss NGOs via dem Europäischen Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) zur Verfügung gestellt werden, betonen die EU-Parlamentarier.

Die Abgeordneten begrüßen die Absicht der Behörden Weißrusslands, einen Vorschlag zur Verhängung eines Moratoriums für die Todesstrafe zu erarbeiten, sind aber zugleich besorgt darüber, "dass in Belarus weiterhin Todesurteile vollstreckt werden, womit Belarus das einzige Land in Europa ist, das die Todesstrafe immer noch anwendet".

Irans Führungskräfte werden dringend aufgefordert, ein Gesetz zu erlassen, das Steinigungen als gesetzliche Strafe unmissverständlich verbietet. Die Abgeordneten verurteilen Steinigungen als "die barbarischste Form der Todesstrafe". Die Abgeordneten fordern die Kommission dazu auf, Sanktionen wie EU-Einreiseverbote oder das Einfrieren von Auslandskonten gegen eine Reihe von Menschen in Betracht zu ziehen, die für Menschenrechtsverletzungen wie Folterungen, Zensur, Vergewaltigungen, Exekutionen oder außergerichtlichen Hinrichtungen verantwortlich sind.

Die Europaabgeordneten sind besorgt darüber, dass China nach wie vor die weltweit größte Anzahl von Hinrichtungen ausführt. Sie appellieren an die chinesischen Behörden, die nationalen Hinrichtungszahlen öffentlich bekannt zu geben, um eine transparente Analyse und eine öffentliche Debatte über die Todesstrafe zu ermöglichen. Sie fordern Peking dringend dazu auf, Menschenrechtsaktivisten und den Friedensnobelpreisträger 2010 Liu Xiaobo sofort und bedingungslos freizulassen und die für seine Frau Liu Xia geltenden Einschränkungen aufzuheben.


Ein effektives System internationaler Justiz

Die Wirksamkeit des internationalen Justizsystems ist davon bedingt, dass eine größtmögliche Anzahl von Ländern das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) ratifiziert. Die Abgeordneten begrüßen daher die Ratifizierung des Römischen Statuts durch Bangladesch, die Seychellen, St. Lucia und Moldau, womit sich die Gesamtzahl der Unterzeichnerstaaten auf 114 erhöht. Sie bestehen darauf, dass die Entscheidungen des IStGH und Kooperation mit dem IStGH im Rahmen der EU-Erweiterungsverhandlungen zur Sprache gebracht werden.


Gewalt gegen Frauen und Rechte von Kindern

Die Entschließung des Europäischen Parlaments fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, jedes politische Mittel anzuwenden, um die Annahme einer UNO-Resolution voranzutreiben, in der ein weltweites Moratorium für die weibliche Genitalverstümmelung gefordert wird.

Die Abgeordneten verurteilen nachdrücklich den Einsatz von Vergewaltigungen als Kriegsinstrument sowie die wiederholten Massenvergewaltigungen in der Demokratischen Republik Kongo. Sie fordern eine vollständige Aufklärung über das Unvermögen der Friedenstruppe MONUSCO, den Massenvergewaltigungen Einhalt zu gebieten.

Schätzungsweise rund 215 Millionen Kinder sind Opfer von Kinderarbeit, wovon drei Viertel die schlimmsten Formen von Kinderarbeit verrichten (Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation, 2009). Große Sorge bereitet den Abgeordneten die Tatsache, dass weltweit noch immer Millionen Kinder Opfer von Vergewaltigung, häuslicher Gewalt sowie physischem, emotionalem und sexuellem Missbrauch werden, darunter auch sexuelle und wirtschaftliche Ausbeutung. Es gibt Staaten, die ihren Verpflichtungen zur Umsetzung der UNO Rechte des Kindes nach wie vor nicht nachgekommen sind.


Menschenrechtsklauseln in internationalen Verträgen

"Menschenrechts- und Demokratieklauseln sowie wirksame Streitbeilegungsmechanismen in Handelsabkommen, einschließlich Fischereiabkommen zwischen der EU und Nicht-EU-Staaten sind unverzichtbar", hebt der Bericht hervor. Diese Klausel benötigt einen Durchsetzungsmechanismus, darunter die Festlegung klarer Zielvorgaben für den Bereich der Menschenrechte, damit es für beide Parteien einen klaren Standard und ein Verständnis dahingehend gibt, bei welchen Situationen und Maßnahmen derartige Menschenrechtsklauseln anzuwenden sind.


Schutz von Menschenrechtsverteidigern

Hinrichtungen von Journalisten in Russland und Ruanda, willkürliche Inhaftierungen von Aktivisten im Iran und die schwere Notlage von Hu Jia, Gewinner des Sacharow-Preises 2009 sind die bekanntesten Beispiele von Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger, die das Parlament in diesem Berichtszeitraum beklagt.

Die Inhaftierung von Menschenrechtsverteidigern stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar. Das Parlament fordert deshalb die kubanische Regierung auf, "die politischen Gefangenen nicht ins Exil zu schicken und es ihnen zu ermöglichen, Kuba zu verlassen und wieder nach Kuba zurückzukehren, ohne inhaftiert zu werden." Der kubanische Dissident Guillermo Fariñas, Gewinner des Sacharow-Preises 2011 für geistige Freiheit, musste am Mittwoch bei der Preisverleihungsfeier in Strassburg durch einen leeren Stuhl vertreten werden.


Der Fall Magnitski in Russland

Die Abgeordneten forderen die russischen Justizbehörden eindringlich auf, die Ermittlungen zum Tode des russischen Rechtsanwalts Sergej Magnitzki vom 16. November 2009 voranzutreiben. Dieser Fall sei immer noch ein "überdeutliches Beispiel für die gravierenden Mängel im Justizsystem des Landes. Menschenrechtsverteidiger sind oft einer harten Behandlung ausgesetzt und erhalten Gerichtsverfahren, die die Strafprozessordnung der Russischen Föderation außer Acht lassen, während diejenigen Personen, die sich Angriffen gegen oder gar der Ermordung von Menschenrechtsverteidigern, unabhängigen Journalisten und Rechtsanwälten schuldig machen, allzu oft Straffreiheit genießen", heißt es in der Entschließung.

Das Europäische Parlament ruft den Rat dazu auf, wenn die russischen Behörden keinen positiven Willen zur Zusammenarbeit und Untersuchung des Falls von Sergej Magnitzki an den Tag legen, darauf zu bestehen, dass die russischen Behörden die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, und ein Einreiseverbot in die EU und das Einfrieren von Bankguthaben für die russischen Beteiligten an dem Fall in Erwägung zu ziehen und ermuntert die Rechtsdurchsetzungsagenturen der EU, beim Einfrieren der Bankguthaben dieser russischen Amtsträger in allen EU-Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten.


Das Gefangenenlager Guantánamo

Obwohl US-Präsidenten Barack Obama beschlossen hat, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen, wurde diese Entscheidung noch nicht vollständig umgesetzt. Das Parlament fordert die Mitgliedstaaten auf, die USA durch Anerkennung des Flüchtlingsstatus für ehemalige Häftlinge, die nicht wegen Verbrechen angeklagt sind und die nicht in die Vereinigten Staaten zurückgeführt oder umgesiedelt werden können, zu unterstützen. Bis jetzt haben sich nur 11 EU-Mitgliedstaaten zur Aufnahme von Häftlingen bereit erklärt: Deutschland, Irland, die Slowakei, Dänemark, das Vereinigte Königreich, Spanien, Portugal, Belgien, Frankreich, Ungarn und Italien.


Hintergrund

Der Bericht des Parlamentes ist eine Reaktion auf den von der Hohen Vertreterin in der Juni-Plenarsitzung in Straßburg vorgelegten EU-Bericht zu "Menschenrechten und Demokratie in der Welt". Der Bericht bezieht sich auf den Zeitraum zwischen Juli 2008 und Dezember 2009. Von 2010 an wird sich der Bericht auf das vorangegangene Kalenderjahr beziehen.

Zum ersten Mal beinhaltet der Parlamentsbericht zwei Anhänge mit einer Liste individueller Fälle sowie mit den vom Parlament während des Berichtszeitraums angenommenen Entschließungen.

REF. : 20101215IPR10432

Jens POTTHARST
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E-Mail: jens.pottharst@europarl.europa.eu
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Quelle:
Pressemitteilung vom 16.12.2010
http://www.europarl.europa.eu/de/pressroom/content/20101215IPR10432/html/Menschenrechteder-rote-Faden-durch-alle-EU-Außenpolitiken
Europäische Parlament - Presseraum
Internet: www.europarl.europa.eu


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2010