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ENTWICKLUNGSHILFE/037: EU soll Hilfe koordinieren, gemeinsame Position für Busan geplant (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. September 2011

Entwicklung: EU soll Hilfe koordinieren - Gemeinsame Position für Busan geplant

Von Daan Bauwens


Brüssel, 13. September (IPS) - Die Europäische Kommission will über weitere Reformen der europäischen Entwicklungspolitik vier Milliarden Euro für zusätzliche Hilfsprojekte generieren. Eine gemeinsame EU-Position soll auf der hochrangigen Konferenz vom 29. November bis 1. Dezember im südkoreanischen Busan vorliegen.

Laut Europäischer Kommission, dem Exekutivarm der EU, konnte der europäische Staatenbund die Effektivität seiner Entwicklungshilfe in den letzten Jahren beträchtlich steigern. Derzeit stellt die EU ihren Partnerländern 53 Milliarden Euro zur Verfügung. "Wir sind froh darüber, dass die Art unserer Hilfeleistung besser ist als je zuvor", meinte Catherine Ray, Sprecherin der Europäischen Union, im IPS-Gespräch. "Es gibt eine viel größere Transparenz als noch vor fünf Jahren. Jetzt müssen wir noch weiter vorwärts gehen."

In dem Bericht schlägt die Kommission die rigorose Umsetzung der Abkommen von Paris und Accra vor. Das Paris-Abkommen wurde am 2. März 2005 auf dem zweiten hochrangigen Forum über die Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit angenommen. Es beinhaltet konkrete Maßnahmen für eine qualitative Verbesserung der Entwicklungshilfe. Ein Kontrollsystem soll sicherstellen, dass sich Geber und Empfänger an ihre Abmachungen halten. Der im September 2008 beschlossene Aktionsplan von Accra wiederum soll das Vorankommen der Pariser Ziele beschleunigen.

Zu den vorgeschlagen Reformen gehört auch eine bessere Absprache zwischen den Gebern. "Das lässt sich mit Hilfe gemeinsamer Programmabläufe erreichen", ist Ray überzeugt. Nach dem Erdbeben in Haiti im letzten Jahr teilte die EU-Außenkommissarin Catherine Ashton den Vereinten Nationen mit, dass die Hilfsleistungen der EU erstmals nach dem Prinzip der Arbeitsteilung erfolgen würden. Seit Juli führt die EU ferner gemeinsame Hilfsprogramme im Südsudan durch.


Koordination verbessern

Der Kommission zufolge muss diese Vorgehensweise ausgebaut werden. "Studien belegen, dass wir vier Milliarden Euro einsparen könnten, würden EU und Geberländer ihre Hilfe besser koordinieren", versicherte Ray. "Auch die Koordination auf internationaler Ebene muss verbessert werden. Länder wie die USA, Frankreich, Italien, Kanada und Belgien aber auch Institutionen wie die Kommission haben alle eigene Programme, die es gilt, aufeinander abzustimmen."

Doch zivilgesellschaftliche Organisationen mahnen zur Vorsicht. "Derzeit gibt es bereits 15 Indikatoren für die Effektivität der Hilfe", gab Franz Berger von CONCORD zu bedenken, der europäischen Vereinigung der Hilfs- und Entwicklungs-Nichtregierungsorganisationen. "Die Kommission hat vorgeschlagen, sieben Indikatoren fallen zu lassen. Dies würde nur zu einem Verlust der globalen Rechenschaftspflicht und einem Nachlassen des sozialen Drucks auf die Geber führen."

Ebenso kritisch sieht CONCORD den Vorschlag der Europäischen Kommission, den Privatsektor stärker in die Entwicklungszusammenarbeit einzubeziehen. "Das ist wirklich unsere größte Sorge", meinte Berger. "Der Bericht erklärt nicht, inwieweit die Beteiligung des Privatsektors die Entwicklungshilfe effektiver machen könnte."

Sowohl die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als auch die Europäische Kommission sind sich einig darin, dass im Kampf gegen die Armut der Privatsektor in den Empfängerländern ausgebaut werden muss. "Doch manchen EU-Ländern dient die Entwicklungshilfe lediglich dazu, für ihre Unternehmen neue Märkte zu erschließen", meinte Berger. "Es gibt nur eine sehr feine Trennlinie zwischen einer EU, der es um neue globale Chancen für ihre Unternehmen geht, und der Entwicklung eines lokalen Privatsektors in Entwicklungsländern."


Entwicklungshilfe nutzt vor allem den Gebern

CONCORD vermisst in dem Bericht der Europäischen Kommission die explizite Bereitschaft, von der sogenannten 'gebundenen' Entwicklungshilfe Abstand zu nehmen, die den Empfängerländern auferlegt, die im Rahmen von Entwicklungsprojekten benötigten Güter aus den Geberstaaten zu beziehen.

Einer Untersuchung von Eurodad zufolge, einem europäischen NGO-Netzwerk, das sich für eine faire Entwicklungsfinanzierung einsetzt, profitieren Unternehmen und Berater aus den reichen Staaten zu mehr als 60 Prozent von allen Verträgen, die mit bilateraler Hilfe finanziert werden. Offiziell sind derzeit 82 Prozent der EU-Hilfe ungebunden. Angestrebt für letztes Jahr waren 87 Prozent. Doch nach Erkenntnissen von Eurodad profitieren auch in diesem Fall die Unternehmen und Dienstleister der Industriestaaten von der ungebundenen Hilfe.

"Ungebundene Hilfe ist ein wichtiges Thema", räumte die EU-Kommissionssprecherin Ray ein. "Wir haben in den letzten fünf Jahren mehr nationale Waren und Dienstleistungen eingekauft, doch müssen wir für eine gute Balance sorgen, um sicherzustellen, dass das Geld der Steuerzahler (...) so ausgegeben wird, dass ein höchstes Maß an Rechenschaftspflicht und Managementstandard gewährleistet wird."

Die Kommission empfiehlt ferner, die Kredite von Gebern und Entwicklungsbanken wie der Europäischen Investitionsbank oder der Afrikanischen Entwicklungsbank einzusetzen, um zusätzliche Mittel für Entwicklungsvorhaben zu generieren. "Dahinter steckt die Idee, dass es zu wenig Hilfe gibt und diese deshalb dazu verwendet werden sollte, Anreize für private Unternehmen und Banken zu schaffen, damit sie in den Entwicklungsländern investieren", erläuterte Berger.

"Das Problem ist nur, dass private Unternehmen auf Profit und Wachstum aus sind. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass eine solche Maßnahme den Menschen wirklich aus der Armut helfen wird", meinte Berger. "Anstatt die Bedeutung der Entwicklungshilfe herabzuwürdigen, sollte die EU lieber ihr Versprechen einhalten, bis 2015 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe bereitzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste die EU zusätzliche 50 Milliarden Euro extra mobilisieren."

Die EU-Entwicklungsminister haben bis 14. November Zeit, um eine gemeinsame EU-Position auf Grundlage des Kommissionsberichts vorzulegen. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://ec.europa.eu/index_de.htm
http://www.eurodad.org/whatsnew/articles.aspx?id=4640
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105054

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IPS-Tagesdienst vom 13. September 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2011