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MELDUNG/010: Neue EU-Entscheidungsregeln in Kraft (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Dienstag, 01. März 2011

Komitologie: Neue EU-Entscheidungsregeln in Kraft


Der EU-Ministerrat hat neue Regeln für die politische Entscheidungsfindung in der EU beschlossen, die heute in Kraft treten. Ähnlich wie das bisher geltende Komitologieverfahren werden bestimmte Detailentscheidungen in Ausschüssen der EU-Mitgliedstaaten unter Vorsitz der EU-Kommission getroffen.

Mit der neuen Verordnung (EU) Nr. 182/2011(*), die der EU-Ministerrat am 14. Februar beschlossen hat, sollen die durch den Lissabonvertrag eingeführten Änderungen in EU-Recht übertragen werden. Es geht dabei um die Ausgestaltung der im Artikel 292 [1] im Vertrag der Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) erwähnten Durchführungsbefugnisse beziehungsweise die im Artikel 290 [2] erwähnten "delegierten Rechtsakte". Beide Regelungen finden immer dann Anwendung, wenn es um die konkrete Ausgestaltung von Verordnungen, Richtlinien oder anderen Rechtsakten geht, bei der die EU-Kommission die Befugnis erhält, unter bestimmten Bedingungen, "Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen".

Die neue Verordnung "zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren" enthält zwei Verfahren: das Prüfverfahren (examination procedure) und das Beratungsverfahren (advisory procedure). Der Hauptunterschied ist, dass ein Beratungsverfahren mit einfacher Mehrheit im Ausschuss vonstatten geht und die EU-Kommission das Ergebnis nur "soweit wie möglich" berücksichtigen muss. Das Prüfverfahren ist strenger, hier kann die EU-Kommission sich über eine Ablehnung des Ausschusses mit qualifizierter Mehrheit nicht einfach hinwegsetzen, es sei denn, es drohen Gefahren wie "eine erhebliche Störung der Agrarmärkte oder eine Gefährdung der finanziellen Interessen der Union". Die EU-Kommission kann nach einer festgesetzten Frist einen neuen Vorschlag vorlegen oder es findet ein Vermittlungsverfahren statt.

Welches der beiden Verfahren angewendet wird, soll im Basisrechtsakt festgelegt werden. Das Prüfverfahren soll unter anderem im Bereich der Agrar- und Fischereipolitik, aber auch bei Durchführungsrechtsakten für Umwelt, Sicherheit oder den Schutz der Gesundheit oder der Sicherheit von Menschen, Tieren und Pflanzen.

Artikel 11 der neuen EU-Verordnung 182/2011 schreibt außerdem ein "Kontrollrecht des Europäischen Parlaments und des Rates" vor. Darin heißt es:

"Wurde der Basisrechtsakt nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen, so können das Europäische Parlament oder der Rat die Kommission jederzeit darauf hinweisen, dass der Entwurf eines Durchführungsrechtsakts ihres Erachtens die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse überschreitet. In diesem Fall überprüft die Kommission den Entwurf des Durchführungsrechtsakts unter Berücksichtigung der vorgetragenen Standpunkte und unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat darüber, ob sie beabsichtigt, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts beizubehalten, abzuändern oder zurückzuziehen."

Eine erklärende Grafik (englisch) ist in einer Pressemitteilung des Ministerrates (**) zu sehen, der die endgültige Entscheidung am 14. Februar getroffen hat. Das EU-Parlament hatte vorher bereits zugestimmt, insofern konnte der Rechtsakt in Kraft treten. [jg]


[1] Artikel 291 des VERTRAGS ÜBER DIE ARBEITSWEISE DER EUROPÄISCHEN UNION
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen alle zur Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union erforderlichen Maßnahmen nach innerstaatlichem Recht.
(2) Bedarf es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union, so werden mit diesen Rechtsakten der Kommission oder, in entsprechend begründeten Sonderfällen und in den in den Artikeln 24 und 26 des Vertrags über die Europäische Union vorgesehenen Fällen, dem Rat Durchführungsbefugnisse übertragen.
(3) Für die Zwecke des Absatzes 2 legen das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen im Voraus allgemeine Regeln und Grundsätze fest, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren.
(4) In den Titel der Durchführungsrechtsakte wird der Wortteil "Durchführungs-" eingefügt.

[2] Artikel 290 des VERTRAGS ÜBER DIE ARBEITSWEISE DER EUROPÄISCHEN UNION
(1) In Gesetzgebungsakten kann der Kommission die Befugnis übertragen werden, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen. In den betreffenden Gesetzgebungsakten werden Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt. Die wesentlichen Aspekte eines Bereichs sind dem Gesetzgebungsakt vorbehalten und eine Befugnisübertragung ist für sie deshalb ausgeschlossen.
(2) Die Bedingungen, unter denen die Übertragung erfolgt, werden in Gesetzgebungsakten ausdrücklich festgelegt, wobei folgende Möglichkeiten bestehen:
a) Das Europäische Parlament oder der Rat kann beschließen, die Übertragung zu widerrufen.
b) Der delegierte Rechtsakt kann nur in Kraft treten, wenn das Europäische Parlament oder der Rat innerhalb der im Gesetzgebungsakt festgelegten Frist keine Einwände erhebt.


(*) http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:055:0013:0018:DE:PDF

(**) http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/EN/genaff/119270.pdf


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Quelle:
EU-News, 01.03.2011
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2011