Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → POLITIK

SICHERHEIT/052: EU-Schlachtgruppen - Speerspitze für Angriffskriege (guernica)


guernica Nr. 4/2007, August/September 2007
Zeitung für Frieden & Solidarität, Neutralität und EU-Opposition

EU-Schlachtgruppen ("battle groups") als "Erst-Zutritts-Streitmacht"
Speerspitze für Angriffskriege

Von Gerald Oberansmayr


Die EU-Schlachtgruppen ("battle-groups") dienen als Speerspitze für Angriffskriege. Der Ballhausplatz tischt jede Menge Schnurren auf, um österreichische Truppen am Schlachten zu beteiligen.


Die Aufstellung der EU-Schlachtgruppen läuft seit Beginn, 2007 auf Hochtouren. Als im Jahr 2004 die EU-Verteidigungsminister den Beschluss zur Aufstellung der Schlachtgruppen fassten, sollten 13 dieser Kampfeinheiten geschaffen werden, die jeweils ca. 1.500 Mann/Frau umfassen. Inzwischen hat ein hektischer Vermehrungsprozess eingesetzt. Derzeit sind bereits 22 Battle-Groups fix zugesagt und terminisiert worden, für weitere werden noch entsprechende Truppengebernationen gesucht (sh. Tabelle unten). Österreich hat die Teilnahme an einer EU-Schlachtgruppe - unter deutschem Kommando mit 200 Soldaten zugesagt, Darabos kann sich mittlerweile aber auch mehr Soldaten und die Führung einer eigenen Battle-Group vorstellen.

Die Schnurren des Verteidigungsministers. Auf die Frage, wie denn die Teilnahme an diesen Schlachtgruppen mit der Neutralität vereinbar wäre, antwortet Verteidigungsminister Darabos: "Die Neutralität sei dabei dreifach abgesichert. Erstens müssten die EU-Mitglieder Einsätze einstimmig beschließen, womit Österreich ein Veto einlegen könnte. Zweitens könne kein Staat gezwungen werden, an einer Operation teilzunehmen. Drittens werde Österreich in Missionen mit Kampfeinsätzen nur dann ziehen, wenn ein UN-Mandat vorliege. (Standard, 06.09.2007).

Eine Auseinandersetzung mit diesen drei Argumenten enthüllt den doppelten Boden der österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik:

Zum Ersten: Grundsätzlich ist es richtig, dass in der EU-Außen- und Sicherheitspolitik noch das Einstimmigkeitsprinzip gilt, aber es sind gerade die Spitzen der österreichischen Parlamentsparteien, die sich für die Aufhebung dieses Einstimmigkeitsprinzips einsetzen. So fällte etwa der nationale Sicherheitsrat mit den Vertretern von SPÖ, ÖVP, Grünen und FPÖ am 1. Dezember 2004 einstimmig den Beschluss, dahin zu wirken, dass "eine gemeinsame EU-Außenpolitik auf Basis von Mehrheitsentscheidungen ermöglicht wird. " Die Regierung beruft sich also auf eine Regelung, die sie selbst zu Fall bringen will. Zudem steht bereits jetzt im EU-Primärrecht, dass die Mitglieder verpflichtet sind, "die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen." Bei der Eilfertigkeit, mit der das österreichische Establishment unter den Rockzipfel der deutschen Machteliten kriecht, um militärisch "in der Lokomotive des europäischen Zuges mit vorne dabei zu sein" (Ex-Verteidigungsminister Fasslabend (1)), ist nicht damit zu rechnen, dass ein Veto vom Ballhausplatz kommt, wenn in Berlin der Marschbefehl erteilt wird.

Zum Zweiten: Das ist zunächst einmal grundsätzlich falsch. Wäre es ein Charakteristikum der Neutralität, souverän über die Teilnahme an Kriegen zu entscheiden, wäre auch George W. Bush der Präsident eines neutralen Landes. Auch die USA haben souverän den Krieg gegen den Irak begonnen. Nicht die Souveränität der Entscheidung, ob man Kriege führt, charakterisiert die Neutralität sondern die bedingungslose Selbstverpflichtung gegenüber der Völkergemeinschaft, an keinen Kriegen oder Einheiten teilzunehmen, die der Vorbereitung und Durchführung von Kriegen dienen. Doch selbst die von Darabos behauptete Souveränität in Bezug auf das Mitmarschieren bei den Schlachtgruppen stimmt nicht. So weist ein hoher EU-Beamter darauf hin, dass ein Land seine Soldaten von den sog. "Dienst habenden Truppen", die jeweils halbjährlich von drei bis fünf EU-Staaten gestellt werden, nicht mehr zurückziehen kann. "Wenn man dabei ist, kann man dann nicht mehr über Einsatz oder Zu-Hause-Bleiben diskutieren, sonst führt sich der Begriff, 'Dienst habend' ad absurdum", so der Kommissionsexperte (Standard, 8./9.09.2007)

Zum Dritten: In keinem einzigen EU-Dokument ist der Einsatz der Battle-Groups zwingend an ein UNO-Mandat gebunden. Die EU-Kommissarin Ferrero-Waldner selbst unterläuft die Verlogenheit am Ballhausplatz: "Die EU werde ihre geplanten Battlegroups unter besonderen Umständen auch ohne die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats in Einsätze schicken." (Standard, 11.09.2007) Wollen sich die Regierungsspitzen selbst an ein solches Mandat binden. Mitnichten! SPÖ und ÖVP haben 1998 im Zuge der Novellierung des Artikels 23f B-VG eine Erläuterung beschlossen, in der präzisiert wurde, dass die Teilnahme an EU-Militärmissionen "vollumfänglich auch für den Fall gilt, dass eine solche Maßnahme nicht in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ergriffen wird." (2) Der Bevölkerung wird die Einhaltung des Völkerrechts vorgegaukelt, nachdem man klammheimlich die Bereitschaft zu dessen Bruch sogar in die Verfassung eingeschleust hat!

Neutralität am Hindukusch verteidigen? Natürlich ist die Teilnahme an den Battle-Groups mit den Pflichten eines neutralen Landes unvereinbar. Die Battle-Groups dienen dazu, die Speerspitze von Angriffskriegen zu bilden. In der nüchternen Militärsprache: "Die Battle-Groups könnten als Teil einer Erst-Zutritts-Streitmacht ('initial entry force') für higher-end-Operationen" (also im oberen Eskalationsbereich) verwendet werden (3). Javier Solana, der Mr. Außenpolitik der EU, formuliert blumiger: "Die Battle-Groups sollen am Boden ein Klima für den Einsatz weiterer Truppen schaffen." (Eupolitix.com, 5.4.2004) Der Einsatzradius der EU-Schlachtgruppen soll 6.000 Kilometer rund um Brüssel betragen - also von Zentralafrika bis zum Kaukasus. Es werden deshalb Battle Groups für alle klimatischen und topographischen Bedingungen ausgebildet - für den Dschungel-, Hochgebirgs-, Wüsten- und Städtekrieg. Das Bundesheer soll sich als Gebirgsjägertruppe der EU profilieren. Darabos: "Ich will in Zukunft das Profil bei internationalen Einsätzen schärfen, sodass österreichische Soldaten künftig zum Beispiel bei Einsätzen im Gebirge besonders gefragt sind." (Presse, 22.08.2007) Es wird nicht mehr lange dauern und Darabos wird uns treuherzig erklären, dass ab sofort die österreichische Neutralität am Hindukusch verteidigt wird.


Anmerkungen:
(1) in: Wehrtechnik IV/2004
(2) Nationalratsbeschluss v. 18.06.1998
(3) EU-Institut für Sicherheitsstudien, Februar 2007


*


EU-Battle Groups (derzeitiger Stand)
Länder
Führungsnation
Bereitschaftszeit
F
GB
I
D + F
SP +I + GR + POR
F + D
D + NL + FIN
F + B
I + UNG + SLO
GR + BUL + ROM + ZY
SP + POR + D + F
SWE + FIN + NOR + EST
D/F + B + LUX + SP
GB
I + SP + GR + POR -           
CZ + SVK -           
POL + D + SLK + LET + LIT
GB + NL
L + ROM + TR -           
NL + D + FIN
SWE -           
-           
D + Ö + CZ
SP
     F
     GB
     I
     D
     SP
     F
     D
     F
     I
     GR
     SP
     SWE
     D
     GB
     I -       
     CZ -       
     POL
     GB
     I -       
     NL
     SWE -       
-       
     D
     SP
1. Hj. 2005  
1. Hj. 2005  
2. Hj. 2005  
1. Hj. 2006  
1. Hj. 2006  
2. Hj. 2006  
1. Hj. 2007  
1. Hj. 2007  
2. Hj. 2007  
2. Hj. 3007  
1. Hj. 2008  
1. Hj. 2008  
2. Hj. 2008  
2. Hj. 2008  
1. Hj. 2009  
1. Hj. 2009  
2. Hj. 2009  
2. Hj. 2009  
1. Hj. 2010  
1. Hj. 2010  
2. Hj. 2010  
2. Hj. 2010  
1. Hj. 2011  
1. Hj. 2011  
2. Hj. 2011  
2. Hj. 2011  
2012      

Quelle: Lühr Henken, OSFK-Sommerakademie, Schlaining 2007


*


Quelle:
guernica Nr. 4/2007, August/September 2007, Seite 3
Herausgeberin und Redaktion: Werkstatt Frieden & Solidarität
Waltherstr. 15, A-4020 Linz
Tel. 0043-(0)732/77 10 94, Fax 0043-(0)732/79 73 91
E-Mail: office@werkstatt.or.at
Internet: www.werkstatt.or.at

guernica kostet 1 Euro pro Ausgabe.
Abonnement: mind. 9 Euro für 10 Nummern.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2007