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SICHERHEIT/066: INDECT - "Traum der EU vom Polizeistaat" (SOLIDAR WERKSTATT)


SOLIDAR WERKSTATT für ein solidarisches, neutrales und weltoffenes ÖSTERREICH
WERKSTATT-Blatt Nr. 2/2012

INDECT - "Traum der EU vom Polizeistaat"



INDECT bedeutet soviel wie "Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Entdeckung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung."


Das EU-finanzierte Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, eine Sicherheitsarchitektur zu entwerfen, die sämtliche bestehenden Technologien - Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Telekommunikation, Gesichtserkennung, Websites, Diskussionsforen, Usenet-Gruppen, Datenserver, P2P-Netzwerke sowie individuelle Computersysteme - und alle vorhandenen Datenbanken wie Namen, Adressen, biometrische Daten, Interneteinträge, polizeiliche, geheimdienstliche, militärische, forensische und zivile Datenbanken, Daten von luft- und seegestützten Plattformen und Satelliten logisch miteinander verknüpft, in Echtzeit auswertet und verwaltet. Aus den zusammengefassten Daten sollen dann mittels intelligenter Computeranalyse von Verhalten und Sprache kriminelle und "abnormale" Aktivitäten und Bedrohungen automatisch frühzeitig erkannt und gemeldet werden (sh. Domingo Conte, nomenom.blogspot.com).

Indect definiert abnormales Verhalten unter anderem so: "Rennen, zu langes Sitzen an einem Ort, Treffen mit vielen Personen, Schreien, hektisch Autoschlüssel suchen."

Einmal vom System als verdächtig eingestuft, wird ein Gefahrenprofil erstellt. D.h. es werden umgehend weitere Daten über Sie via Gesichtserkennungssoftware, Internet (z.B. Facebook), SMS-/E-Mail- oder Telefonüberwachung und sonstige verfügbare Datenbanken eingeholt. INDECT verständigt die zuständigen Sicherheitskräfte zur "Sicherstellung". Was wie Sience Fiction klingt, soll bald zur Realität werden.


Exzessive Bürgerüberwachung

INDECT soll laut Plan der EU-Kommission bis Ende 2013 fertig entwickelt und ab 2014 einsatzbereit sein. Es soll u.a. Themen wie Bürgerschutz und Kriminalprävention aufgreifen, nur geht es noch viel weiter.


Ausspionieren sozialer Netzwerke

INDECT soll außerdem die automatisierte Kontrolle des Internets und Mailverkehrs perfektionieren: d.h. Auffinden illegaler Downloadmöglichkeiten, Ausforschen von persönlichen Beziehungsnetzen - all das, was bislang mühselige Kleinarbeit von Menschen war, soll nun der Computer blitzschnell analysieren. INDECT rundet damit die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ab. Auch in Österreich werden seit 1. April 2012 alle BürgerInnen durch anlasslose Speicherung sämtlicher Telekommunikationsverbindungsdaten kriminalisiert.

Netzexperte Erich Moechl (ORF-futurezone, 10.5.2012): "INDECT ist ein Prototyp für ein System zur Rundumüberwachung der urbanen Zivilgesellschaft... Das technische Set-Up sieht einer modernen militärischen Gefechtsfeldzentrale dabei zum Verwechseln ähnlich. ... Die Funktionen der einzelnen Elemente von INDECT ergeben zusammen ein für den Einsatz in der urbanen Zivilgesellschaft adaptiertes C4-ISR-System, wie sie in allen Kriegsgebieten zum taktischen Einsatz kommen."

An der permanenten Überwachung rund um die Uhr durch Bündelung von Hard- und Software verschiedener Überwachungstechnologien sind Unternehmen und Polizeibehörden aus neun EU-Ländern und 17 Hochschulen beteiligt. Wobei jedes Institut, Unternehmen nur einen kleinen Teil zum großen Indect-Puzzle beiträgt, indem es nur in seinem Fachbereich daran arbeitet. 1,4 Milliarden Euro entfallen im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU auf den Sektor Sicherheit, 15 Millionen Euro davon auf Indect. In den Verhandlungen für das nächste Forschungsrahmenprogramm wird eine massive Erhöhung der Mittel für "Sicherheitsforschung" angedacht. Von 1,4 Mrd. im laufenden Programm auf 3,8 Milliarden Euro.

Das österreichische Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gewährte im Jahre 2009 rund 44.000 Euro der an Indect forschenden Fachhochschule Technikum Wien. Diese forscht an einem intelligenten, lernfähigen Kamerasystem, das in gefährlichen Situationen automatisch Alarm schlägt. In Österreich ist außerdem das Multimedia-Unternehmen X.Art beteiligt, welches an einer Expertise zur automatisierten Inhaltsanalyse von Videoaufnahmen arbeitet.


Meinungs- und Gewissensfreiheit bedroht.

Die Gestaltung des eigenen Lebens aufgrund eigener Entscheidungen, frei von Zwängen, Beobachtung und Beeinflussung seine Meinung zu äußern und neue Ideen zu entwickeln, ist ein Menschenrecht und wichtig, um durch Versuch, Irrtum und aber auch Fehler zu neuen Erkenntnissen, Entwicklungen und Produkten zu kommen. Nur in einer Gesellschaft frei von Beobachtung, ohne Angst vor Verfolgung, in der Menschen nicht fürchten müssen, dass neue, unausgegorene Ideen missverstanden werden und ihr Tun als "verdächtig" eingestuft wird, entstehen neue fortschrittliche Entwicklungen. Durch INDECT wird der "gläserne Mensch" immer mehr zur Realität. Als "Traum der EU vom Polizeistaat" bezeichnet die "Zeit" diese Rundum-Bespitzelungstechnologie. (Die Zeit, 29.9.2009)


Ausstieg aus INDECT!

Die Solidarwerkstatt fordert den sofortigen Ausstieg österreichischer Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Orwell'schen EU-Projekten wie INDECT.

"Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren."
(Benjamin Franklin)

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Quelle:
WERKSTATT-Blatt (guernica) 2/2012, Seite 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2012