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WIRTSCHAFT/126: Sollbruchstelle Krisenkurs - Auswirkungen der neuen Wirtschaftsgovernance auf das Europäische Sozialmodell (FES)


Friedrich-Ebert-Stiftung
Internationale Politikanalyse

Sollbruchstelle Krisenkurs
Auswirkungen der neuen Wirtschaftsgovernance auf das Europäische Sozialmodell

von Björn Hacker
November 2013




Inhalt

1.0 Einleitung

2.0 Konstitutionelle Asymmetrien in der EU

3.0 Bridge Over Troubled Water: Der weiche Steuerungsansatz

4.0 Schneller, höher, weiter: Ein Feuerwerk neuer Steuerungspakete und -pakte
4.1 Neue Instrumente im ersten Krisenjahr: 2010
4.2 Neue Instrumente im zweiten Krisenjahr: 2011
4.3 Neue Instrumente im dritten und vierten Krisenjahr: 2012/2013

5.0 Ein definitiver Prioritätenwechsel? Neue Wirtschaftsregeln setzen die Wohlfahrtsstaaten unter Druck
5.1 Die Wachstumsstrategie Europa 2020
5.2 Löhne und Tarifverhandlungen
5.3 Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme

6.0 No Balance Palace: Die EU auf ihrem Weg zu einem liberalen Europäischen Sozialmodell

Literatur


• »Das Europäische Sozialmodell ist Vergangenheit«, äußerte Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, 2012 angesichts der Krise in der Eurozone und den zu ihrer Überwindung eingeleiteten Reformen. Die schon immer bestehende konstitutionelle Asymmetrie zwischen ökonomischer und politischer Dimension des Integrationsprozesses hat eine neue Phase erreicht.

• Tatsächlich konzentriert sich das vorherrschende Krisenmanagement seit fast vier Jahren auf eine größere Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten. In Ermangelung eines politischen Willens und der Einigkeit, dass eine Generalüberarbeitung der Fundamente notwendig ist, auf denen die Währungsunion aufbaut, rückten die Austeritätspolitik und eine Feinabstimmung der bestehenden Elemente der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU in den Mittelpunkt.

• Dieser Krisenkurs könnte das Ende des Europäischen Sozialmodells im Sinne einer sozial ausgewogenen Marktwirtschaft mit starker staatlicher Regulierung der Märkte und einem umfassenden Arsenal an wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen bedeuten.

• Die Auswirkungen der bislang umgesetzten Instrumente der neuen wirtschaftspolitischen Governance auf Wachstum und soziale Inklusion, auf Löhne und Tarifverhandlungen sowie auf die soziale Sicherung offenbaren eine »Kannibalisierung« der sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen. Der Anspruch zur Marktgestaltung wird aufgegeben, anstatt die Krise als Druckmittel zur Etablierung einer veritablen sozialen Dimension zu nutzen.

*

1.0 Einleitung

Die andauernde Krise der Eurozone ist mit Sicherheit eine der schwierigsten Situationen, in denen sich die Europäische Union (EU) je befand. Gleich nach dem Abklingen der 2007 einsetzenden globalen Finanzkrise geriet die EU in eine neue Dimension von Wirtschaftskrise, die mit der Aufdeckung von Griechenlands wahrer Staatsverschuldung durch die neu gewählte Regierung Papandreou im Oktober 2009 begann. Seitdem arbeitet die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) permanent in einem Modus des Krisenmanagements. Auch wenn es unter Wirtschaftswissenschaftlern und Politikern heftig umstritten ist, ob die Ursachen der sogenannten Eurokrise eher systemischen Charakter durch Defizite in der Architektur der WWU haben oder aber als ein Problem der Staatsverschuldung einiger Mitgliedstaaten einzustufen sind, bestimmt letztere Auffassung die Entscheidungen im Krisenmanagement (Busch 2012). Die Krise löste eine Reaktion aus, die man als Ansatz der »konditionierten Solidarität« bezeichnen könnte. Staaten mit Refinanzierungsproblemen erhielten Kreditlinien, für die ihre Nachbarn in der WWU Bürgschaften übernahmen, mit der Auflage einer strengen Austeritätspolitik bei den Staatsausgaben.

Auch bestehende Rechtsvorschriften wie die des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) wurden verschärft und eine Reihe neuer Instrumente und Maßnahmen eingeführt, um die Krise zu überwinden und ähnliche Entwicklungen zukünftig zu verhindern. Nach über drei Jahren ständiger Reformaktivitäten ist deutlich, dass die Krise die WWU grundlegend geprägt hat. Während es vor der Krise noch ein absolutes Tabuthema war, sprechen Politiker jetzt offen über die Notwendigkeit, die europäische Integration durch eine neugestaltete Architektur der europäischen wirtschaftspolitischen Steuerung voranzutreiben. Einige fordern Schritte in Richtung der Einführung einer Fiskalunion, andere malen sich eine »Europäische Wirtschaftsregierung« aus, und wieder andere sehen die beste Lösung in der Stärkung und Ausweitung des bestehenden Instrumentariums der Governance-Architektur.

Obwohl das ökonomische Funktionieren der Einheitswährung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, muss die Frage gestellt werden, inwiefern sich die krisenbedingten Veränderungen auf die europäische Landschaft der Wohlfahrtsstaaten und das Europäische Sozialmodell auswirken werden. Bedeutet dieser Krisenkurs das Ende des Europäischen Sozialmodells im Sinne einer sozial ausgewogenen Marktwirtschaft mit starker staatlicher Regulierung der Märkte und einer umfassenden Palette an sozialstaatlichen Maßnahmen, mit denen ein hohes Maß an Dekommodifizierung zu erreichen ist? Gehört das Europäische Sozialmodell als soziales und politisches Projekt (Jepsen/Pascual 2005), als normative Idee einer Annäherung an den Wohlfahrtsstaat mit dem Ziel der sozialen Kohäsion (Aust/Leitner/Lessenich 2002) schon der Vergangenheit an, wie es der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi 2012 erklärte?

Diese Analyse zeichnet die Veränderungen in der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU nach und weist auf ihre möglichen Auswirkungen auf Europas soziale Dimension hin. Um fundierte Schlüsse ziehen zu können, ist es notwendig, zuerst zu erklären, wie sich die Situation der wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungsprozesse vor der Krise in Europa darstellte. Daher werden in Abschnitt 2 zunächst die zugrundeliegenden und seit Langem existierenden konstitutionellen Asymmetrien der europäischen Integration zwischen marktschaffenden und marktkorrigierenden Entwicklungen erläutert. In Abschnitt 3 werden dann die Erfahrungen mit den weichen Steuerungsinstrumenten aus der Zeit der Lissabon-Strategie in Erinnerung gerufen, während es in Abschnitt 4 um die sechs wichtigsten neuen Steuerungsinstrumente geht, die während der Krise der Eurozone zwischen 2010 und 2012/2013 eingeführt wurden. In Abschnitt 5 werden vorliegende Einschätzungen der jüngeren Entwicklungen in drei sozialpolitischen Kernbereichen in den EU-Ländern zusammengestellt und analysiert. Dabei geht es insbesondere um die Auswirkung der neuen Architektur der wirtschaftspolitischen Steuerung auf die sozialen Bestandteile der europäischen Wachstumsstrategie Europa 2020, auf Löhne und Tarifverhandlungen sowie auf die Koordinierungsbemühungen bei den sozialen Sicherungssystemen. Der letzte Abschnitt reflektiert diese Veränderungen unter Einbeziehung vorliegender Pläne zur Stärkung der sozialen Dimension der WWU. Und nicht zuletzt kommen hier auch die Elemente zur Sprache, die in der neuen Governance-Architektur fehlen.



2.0 Konstitutionelle Asymmetrien in der EU

Schon lange vor der derzeitigen Krise war klar, dass die EU in eine asymmetrische Entwicklung von positiver und negativer Integration gespalten ist (Scharpf 1999). Der Abbau aller tarifären und nichttarifären Handelsschranken sowie die Garantie des freien Wettbewerbs und grenzüberschreitenden Handelsverkehrs gehören zum negativen Integrationsprozess, der vorwiegend als marktschaffend zu begreifen ist. Die positive Integration zeichnet sich durch die Umsetzung gemeinsamer regulativer und politischer Kompetenzen aus, die als marktkorrigierende Interventionen im freien Spiel der Märkte definiert werden können (Tinbergen 1954/1965; Pinder 1968).

Es war Joseph Weiler, der den Dualismus zwischen supranationalem europäischem Recht und der europäischen zwischenstaatlichen Politik im europäischen Integrationsprozess in den Blickpunkt rückte (Weiler 1981). Fritz Scharpf stellt eine Verbindung zwischen diesen beiden markanten Ebenen her (Scharpf 1996): In der Geschichte der EG/EU habe vor allem die negative Integration vom supranationalen Recht profitiert. Dies käme in primärrechtlichen Verpflichtungen zum Ausdruck, mit denen zunächst die internationalen Zölle und quantitativen Einfuhrbeschränkungen abgeschafft und später die uneingeschränkte Freizügigkeit der vier Marktelemente garantiert wurden: freier Verkehr von Waren, Arbeitskräften, Kapital und Dienstleistungen. Vertragsverletzungen würden von der Europäischen Kommission geahndet, und der Geltungsbereich der negativen Integration würde durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in seinen Urteilen festgelegt. Im Gegensatz dazu sei die positive Integration, die auf die Einführung neuer gemeinsamer politischer Strategien und Instrumente abziele, in hohem Maße auf politische Übereinkommen im europäischen Mehrebenensystem angewiesen, insbesondere auf Übereinkommen, denen die nationalen Regierungen zustimmen müssten. Daraus resultiere die konstitutionelle Asymmetrie zwischen den negativen und positiven Integrationsgelegenheiten in der europäischen Politik (Scharpf 1999: 53).

In einem rein neoklassischen und monetaristischen Verständnis sei die negative Integration eine wichtige Voraussetzung für einen wachsenden ökonomischen Wohlstand in den Mitgliedstaaten des Integrationsraums. Dagegen sei die positive Integration nur insofern akzeptabel, als sie unmittelbar marktschaffenden Zwecken diene, wie der so wesentlichen Durchsetzung von Marktfreiheiten, der Wettbewerbsregulierung oder der Gewährleistung einer gemeinsamen Währungspolitik. Von einem keynesianischen Wirtschaftsstandpunkt aus betrachtet sei eine zu große Betonung auf marktschaffende Maßnahmen allerdings als problematisch anzusehen. Aus dieser Perspektive müsse die negative Integration unbedingt durch marktkorrigierende Maßnahmen flankiert werden. Diese würden über die »marktkonforme« Bandbreite an positiver Integration hinausgehen und ihre korrigierende Wirkung des freien Spiels der Marktkräfte durch die Etablierung einer verbindlichen Sozial-, Beschäftigungs-, Arbeitsmarkt-, Finanz- und Umweltpolitik entfalten (Scharpf 1999: 49 ff.; ähnlich: Leibfried/Pierson 1992: 336 f.).

Bei den meisten konfliktgeladenen Auseinandersetzungen über die europäische Integration geht es um die Frage der sozialen Kompetenz der Europäischen Union (Platzer 2009: 95). Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass es dem Nationalstaat eine ganze Weile gelang, sein kapitalistisches Wirtschaftssystem mit einem angemessenen Grad an sozialer Sicherheit auszutarieren. Je mehr der Einzelstaat jedoch seine souveräne Kontrolle über die Wirtschaftspolitik verlor, desto weniger Möglichkeiten hatte er, marktkorrigierende Maßnahmen einzuführen. Dieser Verlust an Kontrolle ist dem Prozess der europäischen Wirtschaftsintegration und den zunehmenden globalen Interdependenzen durch den wachsenden Welthandel und die Öffnung der Kapitalmärkte geschuldet. Diese Tatsache wurde den Wohlfahrtsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erstmals mit dem wirtschaftlichen Abschwung nach der Ölkrise von 1973 bewusst. Damals endeten das »Goldene Zeitalter« des Wirtschaftswachstums und die Ausweitung des Wohlfahrtsstaates im Nachkriegseuropa (Scharpf 1996: 16). Seitdem nahm die als gegensätzliche Spannung zwischen wirtschaftlicher und sozialpolitischer Integration in der EU zu verstehende Asymmetrie zwischen negativem und positivem Integrationsprozess erheblich zu (Scharpf 2002: 665 f.).

Die europäische Integration war bis jetzt vorwiegend ein Prozess der wirtschaftlichen Vereinigung von europäischen Ländern, in deren Mittelpunkt die Realisierung zweier zentraler Projekte stand: der Binnenmarkt und die Währungsunion. Im Bereich der positiven Integration ist ein Prozess kleiner Schritte zu beobachten, mit denen mehrere Phasen unterschiedlicher marktkorrigierender Maßnahmen eingeführt wurden. Hier kann insbesondere der Maastrichter Vertrag als entscheidendes Moment herausgestellt werden. In diesen Vertrag wurden erstmals auch Rechtsverordnungen zu Fragen des Arbeitsmarkts und der Geschlechtergleichstellung aufgenommen, die bis dahin lediglich als Begleiterscheinungen der Binnenmarktintegration galten. Die Abschaffung der zuvor notwendigen Einstimmigkeit im Rat bei einigen sozialpolitischen Themen hat dazu beigetragen, der von Scharpf (1985) beschriebenen »Politikverflechtungs-Falle« in der EU-Sozialpolitik zu entkommen. Darüber hinaus hat die Bedeutung und zunehmende Macht der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen, die beispielsweise in den Europäischen Betriebsräten und der Institutionalisierung des Sozialen Dialogs ihren Ausdruck fanden, zur Überwindung der »korporatistischen Entscheidungslücke« geführt, wie Wolfgang Streeck (1995) feststellte. Des Weiteren wurde die EU-Genderpolitik zu einem eigenen primärrechtlichen Handlungsfeld der sozialen Dimension, dessen Geltungsbereich und Bandbreite in erster Linie durch die umfassende Rechtsprechung des EuGH konstitutionalisiert wurden.

Trotz all dieser Beispiele hinkt die positive Integration weit hinterher im Vergleich zum gemeinschaftlichen europäischen Besitzstand in Bezug auf die Arbeitsweisen des Binnenmarktes und der Währungsunion. Für die politischen Entscheidungsträger ist es immer leichter, Marktrestriktionen abzuschaffen, als neue, marktgestaltende Maßnahmen durchzusetzen. Das war insbesondere in den Verhandlungen zur Einführung der Währungsunion zu beobachten. Die Kosten der monetären Integration eines Landes sind niedriger und der Nutzen höher, je offener die Volkswirtschaft gegenüber dem Währungsgebiet ist (Molle 1997: 405). Deshalb ist eine gewinnbringende Währungsunion am wahrscheinlichsten, wenn die teilnehmenden Länder einen weitreichenden Prozess realer Integration durchlaufen haben. Obwohl der innereuropäische Handel stetig zugenommen hat, kann man in Bezug auf die Wirtschafts- und Fiskalpolitik nicht von einer tiefgreifenden Integration der Eurozone sprechen. Die Ursachen dafür sind in dem scharfen Konflikt zwischen der monetaristischen Sichtweise einer Finanzdisziplin und der keynesianischen Perspektive auf eine wirtschaftliche Koordinierung zur Zeit der Aushandlung und Einführung der WWU zu suchen. Am Ende behielten das Konzept der starken Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten und die Preisstabilität als wichtigstes Ziel der Zentralbank die Oberhand. Bis heute gibt es kein fiskalpolitisches Gegenüber, das der von der EZB verfolgten gemeinsamen Geldpolitik gleichkommt (Pisani-Ferry 2006). Die makroökonomische Koordination im Rahmen des 1999 begonnenen Kölner Prozesses blieb schwach, und auch die Eurogruppe als kleinere Einheit des ECOFIN-Rates zeigte bis zum Auftreten der Krise nur wenige Anzeichen von Selbstständigkeit.


3.0 Bridge Over Troubled Water: Der weiche Steuerungsansatz

Schon der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) wie auch der Makroökonomische Dialog und die Grundzüge der Wirtschaftspolitik waren Instrumente, um die Lücke aufgrund fehlender gemeinsamer europäischer Gesetzgebung für die Haushalts- und Fiskalpolitik durch einen weichen Governance-Ansatz zu überbrücken. Die Mitgliedstaaten einigten sich auf gemeinsame Regeln, aber deren Einhaltung liegt bei ihnen selbst. Dasselbe gilt für die Lissabon-Strategie, die im Jahr 2000 als Zehnjahresagenda eingeführt wurde. Sie begann mit der Idee, die Wirtschafts- und Sozialpolitik in der EU eng zu koordinieren. Innerhalb von zehn Jahren sollte die Europäische Union zum »wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt« gemacht werden und dabei gleichzeitig ein »nachhaltiges Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und stärkerem sozialen Zusammenhalt« erreichen. Die Lissabon-Strategie folgte dem Konzept einer »Doppel-Verpflichtung«, nämlich wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Sicherheit zu fördern (Hemerijck 2007). Das ehrgeizige Reformprogramm ging weit über das bis zum damaligen Zeitpunkt erreichte Integrationsniveau hinaus, indem politische Bereiche miteinbezogen wurden, in denen die Mitgliedstaaten nach wie vor weitgehend souverän waren und die EU wenige regulatorische Kompetenzen hatte. Sein zentrales Instrument bestand in der Offenen Methode der Koordinierung (OMK), einem rekursiven vierfachen Prozess mit:

• der Entscheidung über gemeinsame europäische Richtlinien und Zielsetzungen,

• der Festsetzung quantitativer und qualitativer Indikatoren und Maßstäbe zur Fortschrittsmessung,

• der Umsetzung der europäischen Richtlinien in nationale politische Projekte und der regelmäßigen Überwachung, Evaluierung und gegenseitigen Bewertung anhand eines umfassenden Berichtssystems durch die Mitgliedstaaten und die EU.

Die OMK wurde nach und nach in den Bereichen soziale Eingliederung, Renten, Gesundheit und Langzeitpflege eingeführt. Schon die Einführung der Europäischen Beschäftigungsstrategie (EBS) 1997 war mit der Hoffnung verbunden gewesen, die soziale Dimension in der EU mit gemeinsamen Zielsetzungen und einem Überwachungsprozess für die Beschäftigungspolitik der einzelnen Staaten zu stärken (Goetschy 1999). Die Idee einer offenen Koordinierung hätte einen Prozess des voneinander Lernens in Gang setzen sollen, bei dem die Mitgliedstaaten ihre Sozialpolitik koordinieren und gleichzeitig in den betreffenden politischen Bereichen ihre nationale Souveränität bewahren. Diese weichen Steuerungsinstrumente zielten darauf ab, die Kluft zwischen der weitreichenden wirtschaftlichen Integration der EU auf der einen Seite und dem relativ niedrigen Niveau sozialer Integration auf der anderen Seite zu überwinden.

Während die wirtschaftliche Integration mit den Binnenmarktvorschriften und einer gemeinsamen Währungspolitik beschleunigt wurde, gab es keinen Konsens für eine Intensivierung der positiven Integration. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Der Ausbau der positiven Integration hätte natürlich die nationale Souveränität in Bereichen wie Haushalts- und Steuerpolitik, öffentlichen Investitionen, Sozialausgaben und Gestaltung der wohlfahrtsstaatlichen Institutionen beschnitten. Die Mitgliedstaaten wollten diesen Weg nicht beschreiten (Knelangen 2005: 34 ff.). Angesichts der wenigen Fortschritte bei den gesetzlichen Maßnahmen zur positiven Integration schließen einige Wissenschaftler auf einen »regulatorischen Minimalismus« (Keller 2008) und sehen die neuesten Entwicklungen beim Lissabon-Vertrag als Verbleib in einem »Status quo ante« (Platzer 2009: 96). Die Alternative war die zunehmende Tendenz zu einer freiwilligen, rechtlich nicht bindenden Koordinierung von politischen Maßnahmen in der EU (Leiber/Schäfer 2008). Die Anwendung weicher Steuerungsmethoden macht deutlich, dass die EU in den betreffenden politischen Bereichen über die geringste Legitimität verfügt (Cram 2011: 645).

Dieses Konzept konnte jedoch den tiefen Graben der zunehmenden Asymmetrien in der EU nicht füllen. Im Rahmen der WWU konkurrieren die Mitgliedstaaten in einem Regime »vergemeinschafteter« monetärer, aber weitgehend national bestimmter Fiskalpolitik um Kapitalinvestitionen, Produktionsstandorte und Arbeitsplätze und profitieren dabei von vergleichsweisen Vorteilen, die sich aus niedrigen Löhnen und Lohnnebenkosten sowie niedrigen Steuern ergeben. Im Binnenmarkt hat das Wettbewerbsprinzip durch die Gewährung der Freizügigkeit - des freien Verkehrs von Menschen, Waren, Kapital und Dienstleistungen - einen höheren Stellenwert als der Schutz der nationalen Arbeitsmärkte und sozialen Standards (Höpner/Schäfer 2010: 18). Durch die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit bietet die Währungsunion so »politische Anreize zur Trittbrettfahrerei« (Collignon 2010: 4) auf Kosten der Partnerländer. Da dieses System eher auf Wettbewerb als auf Solidarität beruht, konnte es die sozioökonomischen Heterogenitäten in der Gemeinschaft nicht mindern. Stattdessen haben die wirtschaftlichen Asymmetrien und sozialen Disparitäten innerhalb der EU beträchtlich zugenommen (Dauderstädt 2010). Dies zeigt sich beispielsweise an den unterschiedlichen Spar- und Investitionsquoten, den größer werdenden Einkommensungleichheiten und der ungleichen Verteilung der Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite der EU-Staaten zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Krise der WWU.

Die konstitutionelle Asymmetrie in der EU zwischen den marktschaffenden und marktkorrigierenden politischen Instrumenten wird durch den eingeschlagenen Pfad des maximalen Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten merklich intensiviert. Eine Verstärkung des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten als Prinzip der Gemeinschaftsorganisation ist eine Verhöhnung der dringenden Notwendigkeit einer politischen Koordinierung angesichts der zunehmenden Herausforderungen für alle - beispielsweise durch die fortschreitende Globalisierung der Märkte, den Klimawandel und die Ressourcenverknappung, ganz zu schweigen von der demografischen Entwicklung. Die Asymmetrien, denen nicht entgegengewirkt wird, sind deshalb eine wichtige Ursache für die Kulmination der Krise der Eurozone.


4.0 Schneller, höher, weiter: Ein Feuerwerk neuer Steuerungspakete und -pakte

Am Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts fielen in der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik zwei Entwicklungen zusammen: Zum einen lief die erste jemals für die EU ausgearbeitete Wachstumsstrategie - die Lissabon-Agenda - aus und wurde durch die Europa-2020-Strategie ersetzt. Und zum anderen deckte die neu gewählte griechische Regierung von Giorgos Papandreou im Oktober 2009 eine sehr viel höhere Staatsverschuldung Griechenlands auf als vorher angenommen. Mit den folgenden Refinanzierungsproblemen des Landes begann eine neue Phase, die als Anfangspunkt der noch immer andauernden Krise in der Eurozone angesehen werden kann. Die Entwicklung der neuen Steuerungsinstrumente im Jahr 2010 stand daher sehr unter dem Einfluss der ersten Eindrücke der Krise und auch der aus der Lissabon-Strategie gezogenen Lehren. Um der sich verschärfenden Krise entgegenzuwirken sahen sich die europäischen Politiker gezwungen, weitere Instrumente zu entwickeln. All diese neuen Strategien, Pakete und Pakte haben die zur Jahrtausendwende bestehende Struktur der wirtschaftspolitischen Steuerung grundlegend verändert. Von besonderer Relevanz für die Einschätzung der Auswirkungen auf die soziale Dimension sind die Europa-2020-Strategie, das Europäische Semester, der Euro-Plus-Pakt, das Sixpack, der Fiskalpakt und das Twopack. Diese sechs in den letzten vier Jahren implementierten Elemente der neuen wirtschaftspolitischen Governance in der EU werden in den folgenden Abschnitten näher beleuchtet.


4.1 Neue Instrumente im ersten Krisenjahr: 2010

Nachfolgerin der Lissabon-Strategie war die 2010 eingeführte Europa-2020-Strategie. Diese Strategie konzentrierte sich auf fünf gemeinsame Ziele: Unter der Überschrift, ein »intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum« zu fördern, wurden quantitative Ziele festgelegt. Dementsprechend koordinieren die EU-Mitgliedstaaten ihr politisches Handeln in folgenden Bereichen:

• bei der Beschäftigungsförderung: Bis 2020 sollen 75 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig sein;

• bei einer Verbesserung der Bedingungen in Forschung und Entwicklung: Bis 2020 soll 3 Prozent des BIP der EU in diesen Bereich fließen;

• bei der Erreichung der europäischen Klimaschutz- und Energieziele: Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Niveau von 1990 um 20 Prozent verringert werden, der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 20 Prozent steigen und die Energieeffizienz um ebenfalls 20 Prozent erhöht werden;

• bei der Steigerung des Bildungsniveaus: Bis 2020 soll die Quote der Schulabbrecher unter 10 Prozent sinken und der Anteil der Hochschulabsolventen unter den 30- bis 34-Jährigen um mindestens 40 Prozent zunehmen;

• bei der Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung: Bis 2020 sollen mindestens 20 Millionen Menschen weniger vom Armutsrisiko betroffen sein.

Diese fünf Ziele werden in sieben Leitinitiativen spezifiziert. Dazu gehören unter anderem die Verbesserung der grundlegenden Bedingungen für Forschung und Entwicklung im Rahmen einer »Innovationsunion«, die Aufstellung einer »digitalen Agenda für Europa« und die Einrichtung einer »europäischen Plattform zur Armutsbekämpfung«. Für die Steuerung der Strategie, die Formulierung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik und die Verabschiedung der zehn formulierten - integrierten - Richtlinien zur Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik ist der Europäische Rat zuständig. Die Mitgliedstaaten müssen regelmäßig über die von ihnen zur Erreichung dieser gemeinsamen Ziele eingeführten Maßnahmen berichten. Die Europäische Kommission überwacht und bewertet auf der Grundlage einer Reihe von Indikatoren den Gesamtfortschritt und erörtert politische Empfehlungen zur Orientierung der einzelnen Mitgliedstaaten mit den zuständigen Ministerräten (Europäische Kommission 2010a).

Neben der neuen Wachstumsstrategie wurde 2010 auch ein neues politisches Koordinierungsinstrument auf EU-Ebene eingeführt: das Europäische Semester. Es ermöglicht der EU, zwei formal unabhängige Steuerungsströme miteinander zu verbinden: die finanzielle Überwachung unter dem Stabilitäts- und Wachstumspakt und die wirtschaftliche Überwachung und thematische Koordinierung unter den integrierten Leitlinien von Europa 2020. Das Europäische Semester beginnt jedes Jahr im November mit einem Wachstumsbericht der Kommission, in dem die makroökonomische Entwicklung der EU beschrieben wird und die anstehenden Herausforderungen benannt werden. Auf der Grundlage dieses Berichts spricht der ECOFIN-Rat im März des Folgejahres seine politischen Empfehlungen aus. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, im Monat darauf ihre Stabilitäts- und Konvergenzprogramme vorzulegen, in denen sie ihre mittelfristige Haushaltsplanung mit Blick auf den SWP erklären. Darüber hinaus müssen sie ihre Nationalen Reformprogramme einreichen, in denen sie Brüssel ihre Reformpläne in Bezug auf die Europa-2020-Strategie darlegen. In der Juni-Sitzung des Rates werden die Programme ausgewertet und länderspezifische Empfehlungen erteilt. In der zweiten Jahreshälfte sollen die Mitgliedstaaten die EU-Empfehlungen in politische Maßnahmen auf nationaler Ebene umsetzen (Europäische Kommission 2010b).

Dieser neue Zyklus politischer Koordinierung begann genau zu der Zeit, als die Eurozone von der schweren Krise getroffen wurde, nachdem sich Griechenland mit seinem Refinanzierungsproblem auf den Finanzmärkten hilfesuchend an seine europäischen Nachbarn gewandt hatte. Und in der Tat wurden jetzt im Gefolge der Krise ältere Pläne zur besseren Anpassung verschiedener politischer Koordinierungszyklen in der EU wieder aus der Schublade geholt: »Die Krise in Griechenland hat gezeigt, dass ein robuster Rahmen für das Krisenmanagement der Euroraum-Mitglieder nötig ist« (Europäische Kommission 2010d: 11).


4.2 Neue Instrumente im zweiten Krisenjahr: 2011

Auf dem Märzgipfel des Europäischen Rats 2011 wurde der ursprünglich als »Pakt für Wettbewerbsfähigkeit« bezeichnete Euro-Plus-Pakt beschlossen, eine französisch-deutsche Initiative, die von allen Eurostaaten sowie Bulgarien, Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien unterzeichnet wurde. Mit dem Pakt sollte die Wettbewerbsfähigkeit und finanzielle Konsolidierung gestärkt werden. Die beteiligten Mitgliedstaaten einigen sich auf gemeinsame Grundsätze, wobei der Schwerpunkt auf Bereichen liegt, die in die einzelstaatliche Zuständigkeit fallen. Im Pakt wird empfohlen, die Lohnbildungsverfahren und Indexierungsmechanismen auf den Prüfstand zu stellen, um die Beschäftigungssituation zu fördern, und zwar durch eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und eine Senkung der Sozialabgaben, eine Anpassung des Rentensystems an die nationale demografische Situation und die Umsetzung der im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgeschriebenen finanzpolitischen Regelungen in nationales Recht, beispielsweise in Form von Schuldenbremsen (Europäischer Rat 2011: 13-20). Die neuen Selbstverpflichtungen werden in die nationalen Reform- und Stabilitätsprogramme aufgenommen, da der Euro-Plus-Pakt in die bestehenden wirtschaftlichen Überwachungsprogramme einbezogen werden soll (ebd.: 14).

Nach einer langen Zeit interinstitutioneller Diskussionen und Veränderungen trat am 13. Dezember 2011 das sogenannte Sixpack, ein neuer Satz an Vorschriften für die wirtschaftliche und finanzielle Überwachung, in Kraft. Es besteht aus fünf Verordnungen und einer Richtlinie und zielt mit den folgenden Elementen auf eine Stärkung des bestehenden Stabilitäts- und Wachstumspakts ab:

• Einem präventiven Arm mit einem länderspezifischen, mittelfristigen Haushaltsziel (Medium-Term Objective, MTO), an das die Haushaltsbilanz der Mitgliedstaaten sich annähern soll.

• Einem korrektiven Arm, bei dem das Ziel des öffentlichen Schuldenstands von 60 Prozent des BIP genauso im Blickpunkt steht wie das Haushaltsdefizitkriterium von 3 Prozent. Wenn diese Obergrenze nicht beachtet wird, soll gegen das betreffende Land ein Verfahren wegen übermäßigem Defizit eingeleitet werden, auch wenn das Land ein Haushaltsdefizit von weniger als 3 Prozent hat. Die Kluft zwischen dem Schuldenstand und der 60-Prozent-Marke muss jährlich um ein Zwanzigstel verringert werden (im Durchschnitt über drei Jahre).

• Das Verfahren bei übermäßigem Defizit (Excessive Deficit Procedure, EDP) wird mit unterschiedlichen Niveaus an Überwachung und Sanktionen bis hin zu einer Strafe von 0,5 Prozent des BIP eingeführt. Die meisten Sanktionen können durch ein Verfahren umgekehrter Mehrheit (Reverse Qualified Majority Voting) angenommen werden. Das heißt, eine Finanzstrafe kann durch den Rat aufgrund einer Kommissionsempfehlung auferlegt werden, wenn keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten dagegen stimmt.

• Vollkommen neu ist das Verfahren gegen übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte (Macroeconomic Imbalance Procedure, MIP). Dies ist ein Frühwarnsystem, das ein Scoreboard von Indikatoren nutzt, um das Entstehen großer Leistungsbilanzdefizite zwischen den Mitgliedstaaten zu erkennen und zu vermeiden. Zu den Indikatoren des Scoreboards gehören beispielsweise die Entwicklung nationaler Investitionen, Lohnstückkosten, Schulden im Privatsektor oder die Arbeitslosenrate. Die Überschreitung bestimmter Schwellenwerte führt zu einem Verfahren gegen übermäßiges Ungleichgewicht (Excessive Imbalance Procedure, EIP). Ein auf den letzten drei Jahren beruhender Durchschnitt der Leistungsbilanz als Prozentsatz des BIP, mit einer Obergrenze des aktuellen Leistungsbilanzüberschusses von höchstens +6 Prozent des BIP und ein Leistungsbilanzdefizit von höchstens -4 Prozent des BIP sind zulässig. Ein Verstoß gegen diese im Scoreboard festgelegten Richtgrößen kann ebenfalls ein EIP-Verfahren auslösen.

Insgesamt wird die bestehende Struktur des SWP durch mehrere Maßnahmen gestärkt: durch einen neuen Fokus auf den Staatsschuldenstand neben dem dreiprozentigen jährlichen Defizitkriterium, durch einen vereinfachten Entscheidungsmodus über Verfahren und durch eine Vorab-Steuerung für Defizite und makroökonomische Ungleichgewichte (eine Zusammenfassung findet sich in Europäische Kommission 2011).


4.3 Neue Instrumente im dritten und vierten Krisenjahr: 2012/2013

Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung der Wirtschafts- und Währungsunion (SKS-Vertrag), kurz Fiskalpakt, wurde im März 2012 als ein neuer intergouvernementaler Vertrag unterzeichnet. Dieser Vertrag steht außerhalb der allgemeinen EU-Gesetzgebung und wurde von 25 Mitgliedstaaten der EU unterzeichnet (das Vereinigte Königreich und die Tschechische Republik unterzeichneten ihn nicht). Er ist lediglich für die Mitglieder der Eurozone bindend; für die anderen ist die Erfüllung der Kriterien freiwillig. Der Fiskalpakt trat am 1. Januar 2013 in Kraft, nachdem die festgeschriebene Mindestzahl von zwölf Vertragsstaaten, deren Währung der Euro ist, den Vertrag ratifiziert hatte. Die Staaten, die den Vertrag ratifizierten sind Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Österreich, Portugal, Rumänien, Spanien, Slowenien und Zypern. Der Vertrag soll innerhalb von fünf Jahren in das Regelwerk der EU einbezogen werden.

Mindestens zweimal im Jahr sollen die Regierungschefs der Eurozonen-Länder auf einem Sondergipfel mit der Kommission und der EZB Fragen der wirtschaftspolitischen Steuerung erörtern. Der Hauptteil des Vertrags besteht aus Verordnungen für die nationalen Haushalte, die prinzipiell ausgeglichen oder im Plus sein sollen (Balanced Budget Rule). Das jährliche strukturelle Defizit (ohne konjunkturelle Effekte) sollte den Schwellenwert von 0,5 Prozent des BIP nicht überschreiten. Spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Vertrags soll eine Regelung wie beispielsweise eine Schuldenbremse in die nationale Gesetzgebung des teilnehmenden Landes eingeführt werden, vorzugsweise mit Verfassungsrang. Dies bezieht sich auf und ergänzt die schon durch das Sixpack eingeführte Schuldenbremse (siehe oben): Ein Land mit einem höheren Defizit als 60 Prozent des BIP ist verpflichtet, seine Schulden jährlich auf der Basis eines Dreijahresdurchschnitts um ein Zwanzigstel zu reduzieren.

Wenn die Umsetzung auf nationaler Ebene nicht rechtzeitig durchgeführt oder die Regel des ausgeglichenen Haushalts nicht erfüllt wird, kann der Europäische Gerichtshof finanzielle Sanktionen gegen den Mitgliedstaat verhängen, bis hin zu einer Strafzahlung in Höhe von 0,1 Prozent des BIP. Der Fiskalpakt bezieht sich auf den Sixpack und stärkt einige seiner Bestandteile, zum Beispiel dass alle Phasen des Defizitverfahrens, alle Vorschläge der Kommission und alle Empfehlungen des Rates tatsächlich umgesetzt werden, wenn nicht eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten dagegen stimmt (SKS-Vertrag 2012).

Das sogenannte Twopack, das auf zwei von der Kommission vorgeschlagenen Verordnungen beruht, baut auf dem Sixpack auf und zielt auf die Verbesserung sowohl der Ex-ante-Finanzüberwachung als auch der Ex-post-Überwachung ab:

• Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, der Kommission im November ihre Haushaltsentwürfe für das Folgejahr zu schicken, noch bevor diese in den jeweiligen Parlamenten verabschiedet wurden. Wenn diese Haushaltsentwürfe nicht mit den Regeln und Empfehlungen des SWP und des Europäischen Semesters im Einklang stehen, kann die Kommission ihre Überarbeitung fordern.

• Mitgliedstaaten mit ernsthaften Finanzschwierigkeiten, die zum Beispiel Finanzhilfen aus EFSF oder ESM benötigen oder schon in Anspruch nehmen, sollen automatisch unter die verstärkte Finanz- und Wirtschaftsüberwachung fallen. Dazu sollen verschiedene Maßnahmen gehören: Überprüfungsmissionen und eine vierteljährliche Berichterstattung durch die Kommission, die Verpflichtung des Mitgliedstaats zur Verabschiedung von Maßnahmen, die den Instabilitäten entgegenwirken, sowie ein Verfahren zur Entscheidung über und Überwachung von makroökonomischen Anpassungsprogrammen. Wenn der Mitgliedstaat diese Auflagen nicht erfüllt, kann der Rat über finanzielle Konsequenzen entscheiden.

Die Vorschläge der Kommission über die beiden Verordnungen wurden bereits im November 2011 veröffentlicht. Sowohl die Kommission als auch der Rat versuchten im Verlauf des Jahres 2012 mehrmals, die Einführung dieser beiden Verordnungen zu beschleunigen, und das Twopack war lange kontroverses Gesprächsthema zwischen den beiden Institutionen und dem Europäischen Parlament. Denn Letzteres hat einige Kritikpunkte an den ursprünglichen Plänen geäußert. Die Abgeordneten wollten lieber wachstumsfördernde Maßnahmen auf der Tagesordnung sehen, statt den eingeschlagenen Kurs der Austeritätspolitik immer weiter zu verfolgen. Die Parlamentarier fürchteten, dass die geplanten Haushaltskürzungen die Investitionen für Wirtschaftswachstum mindern und sich auch negativ auf wichtige staatliche Bereiche wie Sozialausgaben und Bildung auswirken würden. Im Februar 2013 fand man schließlich einen Kompromiss, in dem auch die Informationsrechte des Europäischen Parlaments gestärkt wurden. Die neue Gesetzgebung trat im Juni 2013 in Kraft.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die sechs vorgestellten Instrumente bis 2013 die Architektur der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU erheblich geprägt haben. In nur knapp vier Jahren und in einem Modus relativ schnell getroffener Entscheidungen - die teils zwischenstaatlicher Natur waren - ist dies ein bemerkenswertes Feuerwerk neuer Verfahren, Verordnungen und Zielsetzungen. Schon ein kurzer Blick auf die konkreten vertraglichen Regelungen und Ziele zeigt eine Konzentration auf Haushaltsfragen und eine Neigung zu angebotsseitigen Reformstrategien (vgl. Tabelle 1). Das ist damit zu erklären, dass die Krise in der Eurozone im vorherrschenden Verständnis als eine Schuldenkrise souveräner Staaten angesehen wird und dass ein neoklassisches Wirtschaftsdenken dominierend ist. Im nächsten Abschnitt werden die Konsequenzen dieser Einseitigkeit für die soziale Dimension der EU und die Wohlfahrtsstaaten genau unter die Lupe genommen.


Tabelle 1: Übersicht über neue Instrumente der wirtschaftspolitischen 
 Governance
Instrument
Zeitpunkt
Anvisierte Ziele
Europa 2020-Strategie

im Juni 2010
beschlossen
»intelligentes, nachhaltiges und
integratives Wachstum«
Europäisches Semester


im September 2010
beschlossen; erster
Zyklus 2011
fiskalische und ökonomische
Überwachung und Koordination

Euro-Plus-Pakt

im März 2011
beschlossen
Wettbewerbsfähigkeit und
wirtschaftspolitische Koordinierung
Sixpack


im Dezember 2011
in Kraft getreten

Härtung des Stabilitäts- und
und Wachstumspakts; Verfahren gegen
makroökonomische Ungleichgewichte
Europäischer Fiskalpakt


im März 2012
beschlossen; im Januar 2013 in Kraft getreten
ausgeglichene Staatshaushalte;
Schuldenbremsen mit Verfassungsrang

Twopack

im Juni 2013 in Kraft
getreten
verbesserte fiskalische Beobachtung
und Kontrolle


5.0 Ein definitiver Prioritätenwechsel? Neue Wirtschaftsregeln setzen die Wohlfahrtsstaaten unter Druck

Die in der Krise eingeführten neuen Vorschriften zur wirtschaftspolitischen Steuerung stärkten das Modell einer Währungsunion, die nicht in der Lage ist, als weiteren Schritt zur Integration eine politische Union anzustreben. Stattdessen setzt dieses Modell auf eine verfahrensrechtliche Steuerung und die Deregulierung sozialer Modelle (Schelkle 2013). Philippe Pochet und Christophe Degryse identifizieren im Prozess der europäischen Integration ein »soziales Momentum«, der ein Jahrzehnt, von 1995 bis 2005, andauerte (Pochet/Degryse 2013: 108 f.). In diesem Zeitraum entstanden nicht nur neue Koordinierungsinstrumente wie die Beschäftigungs- und die Lissabon-Strategie, sondern den Gewerkschaften wurde durch die Aufwertung des Sozialen Dialogs auch die Möglichkeit zu einer zunehmend »regulierten Selbstregulierung« (Platzer 2005: 161) und einer Koordinierung von Tarifverhandlungen eingeräumt. Das Ende dieses »sozialen Momentums« kam schon 2005/2006 mit der geänderten Schwerpunktsetzung der Lissabon-Strategie auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit bei gleichzeitiger Abkehr von ihren ursprünglichen Anliegen. Später trugen sowohl die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise als auch die Krise in der Eurozone dazu bei, dass - wie oben gezeigt - neue Vorschriften und Verfahren eingeführt wurden, um die Wohlfahrtsstaaten in eine Anpassungsvariable für die Defizite der Währungsunion zu verwandeln (Pochet/ Degryse 2013: 109 f.).

Ist es nur eine Drohung oder »will we see the Commission and Council telling Member States to cut wages, reduce public sector employment, or issuing other labour policy-related recommendations?« (Verdun 2013: 32). Es ist wichtig, sich verschiedene Bereiche der europäischen Sozialpolitik und ihre Koordinierung anzusehen, um die Konsequenzen der neuen wirtschaftlichen Governance-Strukturen herauszufiltern. Im Folgenden stehen die Wachstumsstrategie Europa 2020, Löhne und Tarifverhandlungen sowie die Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme im Mittelpunkt.



5.1 Die Wachstumsstrategie Europa 2020

Obwohl das Hauptziel der Europa-2020-Strategie anfangs darin bestand, mit einem ausgewogenen Ansatz »intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum« zu fördern, und obwohl dies der ursprünglichen Lissabon-Strategie ähnlicher zu sein schien als der überarbeiteten, stark angebotsseitig orientierten Agenda von 2005/2006 (Armstrong 2012: 288 f.), wirkt Europa 2020 mit seiner Schwerpunktsetzung auf nur wenige Kernziele und eine Reihe sogenannter Flaggschiffinitiativen nicht sonderlich ehrgeizig. Anstatt ein neues und besseres Rahmenwerk für die OMK im Bereich sozialer Sicherheit einzuführen, wie es die Kommission schon 2008 im Sinn hatte (Europäische Kommission 2008), wurde die soziale Dimension der Zehnjahresstrategie auf Armuts- und Beschäftigungsfragen reduziert. Wenn auch mit quantitativen Zielen zur Reduzierung des Armutsrisikos und zur Erhöhung der Beschäftigungsraten einhergehend, so sind die empfohlenen politischen Instrumente doch nach wie vor die gleichen wie in der späten Lissabon-Agenda: Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit (employability) und Flexicurity (Saraceno 2013: 7). Die prominente Stellung der Armutsbekämpfung als eine der Leitinitiativen der Europa-2020-Strategie versucht drei verschiedene Dimensionen zu kombinieren und ermöglicht es den Mitgliedstaaten, sich den Indikator zur Fortschrittsmessung relativ frei auszuwählen. Mary Daly zeigt, dass einige Staaten sich hier auf Armut bei Kindern beziehen (z. B. Großbritannien), während andere sich für ausgewählte Haushalte mit niedriger Erwerbstätigkeit (z. B. Dänemark) und wieder andere für die langfristigen Arbeitslosenraten (z. B. Deutschland) als beste Indikatoren zur Messung der Reduzierung des Armutsrisikos entschieden haben (Daly 2012: 281). Das führt nicht nur zu Inkohärenz und einem Mangel an Vergleichbarkeit, sondern auch zu einer Dominanz von sozialen Investitionen und marktliberalen Philosophien: »The main solution to poverty and social exclusion is involvement in a less regulated, poorer quality labour market« (ebd.: 283).

Von der Europäischen Kommission 2011 vorgelegte Gesetzesentwürfe im Bereich der Kohäsionspolitik hatten das Ziel, eine umverteilende Sozialpolitik als Konditionalität für die Erreichung der Ziele in der Europa-2020-Strategie und dem SWP einzuführen. Diese Entwicklung war schon in der frühen Lissabon-Strategie deutlich geworden, bei der die Zuteilung von Mitteln aus den Strukturfonds, wie dem Europäischen Sozialfonds, auf das Steigern der Wettbewerbsfähigkeit, von mehr Wachstum und Beschäftigung verlagert wurde (Becker 2009: 13 f.). Heute geben zunehmende Verbindungen zwischen einer Kohäsionspolitik und Europa 2020 Anlass zur Sorge, »that Member States' flexibility in the use of EU funds will be reduced and centralized control increased« (Armstrong 2012: 294).

Das Verständnis von Sozialpolitik als einem Produktivitätsfaktor, der es dem Individuum ermöglicht, mit und innerhalb des Marktes zu leben, statt als Faktor zur Korrektur und Regulierung von Fehlallokationen wurde mit der Einführung des Europäischen Semesters noch verstärkt. Europa 2020 ist nur ein Teil des größeren Regelwerks einer neuen europäischen Governance-Architektur. Und darin hat die Koordinierung von Haushalts- und Finanzfragen durch Stabilitäts- und Konvergenzprogramme einen höheren Stellenwert als die Förderung der sozialen Dimension. Das ist angesichts der oben dargestellten Asymmetrien der europäischen Integration verständlich. Allerdings muss diese Situation nicht zwangsläufig dazu führen, dass die Wachstumsstrategie zehn Jahre lang einseitig angebots- und marktorientierte Prinzipien verfolgt. Selbst die positiven Elemente der Europa-2020-Strategie scheinen von der Forderung nach haushaltspolitischer Konsolidierung und Ankurbelung der Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten beherrscht zu werden. Dies ist auch an den politischen Ansätzen und Instrumenten abzulesen, die in der Europa-2020-Strategie nicht vorkommen. Nachfrageseitige politische Maßnahmen wie Umverteilung, Besteuerung, Solidaritätsmechanismen und soziale Integration werden kaum erwähnt (Degryse 2012: 73). Dasselbe gilt für qualitative Überlegungen als Ergänzung zu quantitativen Beschäftigungszielen wie das Konzept der »guten Arbeit« oder das Zielkriterium der Vollbeschäftigung (Hacker/van Treeck 2010: 7 f.).

Statt sich als soziales Korrektiv in den durch Marktverstärkung angetriebenen Prozess der europäischen Integration einzumischen, unterwirft sich Europa 2020 selbst diesen »liberalen Obertönen« (Daly 2012: 283) der Maßnahmen zur Wirtschaftssteuerung. Diese Maßnahmen wurden während der Krise durch die Stärkung des SWP und durch den Fiskalpakt eingeführt, ohne jeglichen Versuch, die soziale Dimension der EU zu fördern. Es ist deutlicher als je zuvor, dass »developments within the five headline targets are dependent upon the public finances of the member states« (ebd.). Leschke et al. (2012) weisen darauf hin, dass Armut und soziale Ausgrenzung in vielen Mitgliedstaaten eher zunimmt (vgl. Grafik 1) und schreiben diese Entwicklung einer konsequenten Unterwerfung des Europa-2020-Ziels der Armutsbekämpfung unter dem Druck der Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Europäischen Semesters zu. Anders gesagt: »Since no resources were committed by the EU to achieve its social policy targets, since there are no effective levers to influence policy in the stronger states and since the weaker ones have to subordinate social objectives to deficit reduction, the targets are empty aspirations« (Grahl/Teague 2012: 686).



5.2 Löhne und Tarifverhandlungen

Jahrelang hatten europäische Initiativen relativ geringen Einfluss auf die Praxis der Lohnpolitik. Das war auf den zugrundeliegenden Konsens zurückzuführen, dass die Lohnbildung das Ergebnis von Vereinbarungen auf nationaler Ebene sein sollte. Thorsten Schulten und Torsten Müller untersuchten einen im Gefolge der Eurokrise stattfindenden Paradigmenwechsel von der Akzeptanz freier Tarifverhandlungen zu direkten politischen Interventionen (Schulten/Müller 2013). Dies trifft natürlich auf die Mitgliedstaaten zu, die unter der Überwachung durch die Troika aus Europäischer Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) stehen (Griechenland, Irland, Portugal und Zypern), auf die Länder, die Finanzhilfen vom IWF erhalten (Ungarn, Lettland, Rumänien), sowie auf Spanien, das sich selbst zu weitreichenden Reformen verpflichtet hat. Dass die »Gemeinsame Absichtserklärung« (Memorandum of Understanding) zwischen dem jeweiligen Staat und der Troika, mit der weitere Kredite gegen die Auflage weitreichender Strukturreformen zugesagt werden, auch in den Bereich der Lohnpolitik eingreift, ist in diesem Zusammenhang weniger interessant als die Tatsache, dass es neben der Auferlegung einer Austeritätspolitik eine noch größere Herausforderung gibt: die Auswirkung der neu eingeführten Instrumente zur wirtschaftspolitischen Steuerung auf Löhne und Lohnverhandlungsverfahren, die für alle Eurostaaten relevant sind.

Wie in der oben erörterten Europa-2020-Strategie geht die Intervention mit dem Europäischen Semester einher. Im Zyklus 2011/2012 sprach die EU 12 Mitgliedstaaten länderspezifische Empfehlungen im Bereich von Löhnen und Tarifverhandlungen aus. Diese Empfehlungen reichen von einer Forderung nach einer moderaten Lohnentwicklung (Bulgarien, Finnland, Italien, Slowenien) über die Forderung nach niedrigeren Mindestlöhnen (Frankreich, Slowenien) bis hin zu einer Reform der Lohnverhandlungssysteme durch eine Dezentralisierung der Tarifverhandlungen (Belgien, Italien, Spanien) oder einer Veränderung der automatischen Lohnindexierung (Belgien, Zypern, Luxemburg, Malta). In den Empfehlungen für Schweden wurde eine Ausweitung des Niedriglohnbereichs gefordert und Deutschland wird gewarnt, dass die Lohnentwicklungen im Einklang mit dem Produktivitätswachstum stehen sollten (Schulten/Müller 2013).

Diese Art supranationaler Einmischung in Tarifverhandlungen wurde 2011 durch die Einführung des Euro-Plus-Pakts verstärkt, der die Unterzeichnerstaaten ausdrücklich darauf verpflichtet, die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern und dabei die Löhne als wichtige Anpassungsvariable für die Überwindung der wirtschaftlichen Ungleichgewichte zu betrachten. Die Löhne müssten der Produktivitätssteigerung entsprechen und dies solle auf EU-Ebene durch die Überprüfung der Lohnbildungsverfahren und Tarifabschlüsse im öffentlichen Sektor beobachtet werden (Europäischer Rat 2011: 16). Die Mitgliedstaaten sollen sich selbst jährlich zu konkreten Maßnahmen verpflichten, die dann im Rahmen des Europäischen Semesters ausgewertet und beurteilt werden. Mit der Einführung eines Scoreboards im Rahmen der Sixpack-Vorschriften werden die Lohnstückkosten ausdrücklich als einer der elf Indikatoren für das Makroökonomische Ungleichgewichtsverfahren genannt. Innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ist für die Mitgliedsländer der Eurozone eine maximale Steigerung von 9 Prozent erlaubt. Diese Bestimmung »entirely ignores the problem of potential deflationary pressures resulting from stagnating or even falling wages during a period of economic downturn« (ETUI 2013: 45).

Wenn die Mitgliedstaaten die im Rahmen des Europäischen Semesters ausgesprochenen Empfehlungen missachten, laufen sie Gefahr, mit finanziellen Sanktionen belegt zu werden, die jetzt einfacher zu verhängen sind, da mit dem Sixpack, Twopack und Fiskalpakt eine quasi automatische Einleitung von Defizitverfahren ermöglicht wurde. Aus ersten Analysen der in den letzten drei Jahren durchgeführten Reformen geht hervor, dass es zu massiven Veränderungen in der Lohnpolitik und bei den Lohnbildungssystemen gekommen ist (Busch et al. 2012; Clauwaert/Schömann 2012; Schulten/Müller 2013). Auch wenn das durchsetzungsfähigste Druckmittel nach wie vor die direkten Vereinbarungen mit der Troika sind, fühlten sich auch viele andere Staaten zur Befolgung der im Rahmen des Europäischen Semesters ausgesprochenen Empfehlungen verpflichtet, beispielsweise Italien oder viele mittel- und osteuropäische Staaten.

Was in der neuen Governance-Architektur in Bezug auf Löhne und Tarifverhandlungen völlig fehlt, ist ein Appell, den Makroökonomischen Dialog neu zu beleben, der seit seiner Erfindung 1999 nichts weiter als ein ziemlich einflussloses Austauschforum zwischen den europäischen Institutionen und den Sozialpartnern ist. Außerdem stehen noch Versuche aus, ein System europäischer Koordinierung in der Lohnpolitik einzuführen, die sich an der Regel orientiert, dass Reallöhne zumindest der Produktivitätsrate entsprechend steigen sollten (Pusch 2012). Dasselbe gilt für die Festlegung eines europäischen Mindestlohns in Anlehnung am jeweiligen nationalen Durchschnittseinkommen (Schulten/Müller 2013). Die Gewerkschaften fürchten sich vor der Zunahme zentralstaatlichen Interventionismus, weil er das Prinzip der Tarifautonomie gefährdet. Anstatt Löhne als eine Variable unter anderen zu nutzen, um auf EU-Ebene einen echten makroökonomischen Policy-Mix zu ermöglichen, und anstatt zu erkennen, dass Löhne eine stabilisierende Rolle in einem Wirtschaftsabschwung spielen können, gelten die Löhne in den neuen Grundsätzen der wirtschaftspolitischen Steuerung als die wichtigste Variable bei der Bekämpfung wirtschaftlicher Ungleichgewichte. Lohnsteigerungen werden dabei als grundsätzlich problematischer als stagnierende oder sinkende Löhne angesehen. Damit wird einer lohnpolitischen, deflationär wirkenden Abwärtsspirale nicht vorgebeugt, sondern sie wird eher noch gefördert (Busch et al. 2012: 14; vgl. auch die Entwicklung in Grafik 2).


5.3 Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme

Die sozialpolitische Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedstaaten in Form der nicht bindenden weichen Vorschriften durch die Europäische Beschäftigungsstrategie und die Offene Methode der Koordinierung wurde von vielen Wissenschaftlern als Trojanisches Pferd neoliberaler Politik angesehen (Offe 2003). Andere hießen sie gut und versprachen sich davon neue Instrumente, mit denen die Probleme der Unterschiedlichkeit überwunden und der Anspruch auf nationalstaatliche Souveränität bei der wohlfahrtsstaatlichen Politik durch wechselseitige Weitergabe und Verbreitung von Erfahrungen erfüllt werden würde (Hemerijck 2002; Vandenbroucke 2002). Die Wahrheit liegt wohl zwischen beiden Positionen, wo das Potenzial von EBS und OMK erkannt wird, bestimmte Reformtrends zu katalysieren (Büchs 2007; Erhel/Manier/ Palier 2005). Aber dieser »selektive Verstärker« (Visser 2005) wurde in erster Linie von den Befürwortern von finanzieller Tragfähigkeit und sozialen Einschnitten genutzt und weniger von denen, die die soziale Dimension der EU ausweiten möchten (De la Porte/Pochet 2002; Hacker 2010). Man könnte dennoch argumentieren, dass die ursprüngliche Idee der sozialpolitischen Koordinierung in der EU so zu verstehen sei, dass sie sich auf den Gedanken einer »Doppel-Verpflichtung« (Hemerijk 2007) der Lissabon-Strategie beziehe: finanzielle Tragfähigkeit und soziale Kohäsion. Dieser Ansatz spiegelte sich in den Zielen der einzelnen OMK-Prozesse wider, z. B. in der OMK zu Renten mit ihren drei übergeordneten Zielen: erstens angemessener Rentenansprüche, zweitens der finanziellen Tragfähigkeit der Rentensysteme und drittens ihrer Modernisierung.

In unserem Zusammenhang ist interessant, dass mit Beginn der neuen Governance-Architektur im Jahr 2010 auch die (selten genutzte) Möglichkeit des Einsatzes der OMK als Verstärker oder Katalysator zur Förderung sozialpolitischer Vorhaben von der Tagesordnung verschwunden zu sein scheint. Kenneth A. Armstrong stellt fest, dass die soziale OMK mit dem Ende der Lissabon-Strategie 2010 effektiv ausgesetzt worden sei (Armstrong: 2012: 296) und sieht die Gefahr, dass sie in dem neuen wirtschaftspolitischen Koordinierungsrahmen völlig untergehen könne. Diese Entwicklung begann bereits mit der Neuausrichtung der Lissabon-Strategie auf Wachstum und Beschäftigung in den Jahren 2005/2006. Der Lissabon-Vertrag von 2009 beschränkte sich auf »a discretionary power to coordinate social policies alongside the mandatory coordination competence in the economic and employment spheres (Article 5 TFEU). This reflected the apparent drift between the social OMC and integrated economic and employment coordination processes und the revised Lisbon agenda« (Armstrong 2012: 292). Aber mit der Einführung des Europäischen Semesters und der zurückhaltenden sozialpolitischen Agenda von Europa 2020 scheint die Dominanz der wirtschafts- und finanzpolitischen Koordinierung alle existierenden Instrumente der sozialpolitischen Steuerung immer mehr zu vereinnahmen und in den Hintergrund zu drängen.

Die Zweideutigkeit der Zusammenstellung unterschiedlicher Steuerungsstränge wie weicher Instrumente - z. B. die Ziele der Armutsbekämpfung und Beschäftigungsquoten von Europa 2020 - und harter Verordnungen - z. B. die des Six- und des Twopacks - wird durch ein »economic reading of social policy goals« (Bekker 2013: 16) aufgelöst. Das kann man mit Blick auf die Rentensysteme bestätigen, die aufgrund ihrer hohen finanziellen Belastung auf die Haushalte der Mitgliedstaaten einen wichtigen externen Effekt in der WWU darstellen.

Hinsichtlich der Renten veröffentlichte die Kommission 2010 ein Grünbuch, dem 2012 ein Weißbuch folgte. In beiden wurde weitgehend der Kurs der Finanzkonsolidierung eingeschlagen. Inzwischen ist es die Norm, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, wodurch das gesetzliche Rentenalter steigt (Pochet/ Degryse 2012: 213 f.). Dabei gilt die private Altersvorsorge trotz der Finanzkrise als die beste Lösung, die Angemessenheit der Rentenleistungen (vgl. die mehrheitlich sinkenden Ersatzraten in Grafik 3) zu sichern. Auch wenn das Weißbuch das Potenzial des Arbeitsmarktes und die Qualität der Arbeitsplätze als wichtige Bedingungen für ein gutes Funktionieren des Alterssicherungssystems anerkennt, ist doch »a more 'economics-oriented' reading of pension policy« (Natali 2012: 357) offensichtlich. David Natali analysiert, dass im Weißbuch zur Rentenpolitik die OMK überhaupt nicht erwähnt würde, vom Europäischen Semester und seinen Jahreswachstumsberichten mit dem Schwerpunkt auf Kosteneindämmung dagegen häufig die Rede sei (ebd.), was eindeutig eine Abkehr von Fortschritten bei den Sozialrechten in der EU bedeute (Natali 2012). Das steht im Einklang mit dem letzten Gemeinsamen Bericht der Kommission und des Rates über Sozialschutz und soziale Eingliederung von 2010, in dem beide Institutionen implizit einräumen müssen, dass sich aus einer Bewertung der seit fast einem Jahrzehnt praktizierten Koordinierung in der Rentenpolitik ergab, dass viele der Strukturreformen eher auf Anforderungen des SWP zurückzuführen seien als auf die OMK (Europäische Kommission 2010c: 118).

Mit Blick auf einige der nationalen Reformprogramme aus der Zeit zwischen 2009 und 2011, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Europa-2020-Strategie erarbeitet wurden, stellte Sonja Bekker fest, dass immer häufiger auf haushaltspolitische Vorschriften verwiesen und ausdrücklich das Vorhaben angekündigt würde, die Sozialpolitik zu ändern, um Staatsausgaben zu reduzieren (Bekker 2013). Auch der Euro-Plus-Pakt erinnert die Mitgliedstaaten daran, die dort ausdrücklich mit Rentensystemen, Gesundheitsfürsorge und Sozialleistungen in Zusammenhang gebrachte Verschuldung auf einem tragfähigen Niveau zu halten, »um die vollständige Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu gewährleisten«. Empfohlen wird die Angleichung des tatsächlichen Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung und eine Begrenzung der Vorruhestandsregelungen (Europäischer Rat 2011: 18). Armstrongs Hypothese einer »Kannibalisierung« der sozialpolitischen Koordinierung durch den neuen wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Steuerungsapparat scheint demzufolge richtig (Armstrong 2012: 296).


6.0 No Balance Palace: Die EU auf ihrem Weg zu einem liberalen Europäischen Sozialmodell

Eine Zusammenfassung der ersten Eindrücke und Evaluierungen des neuen wirtschaftlichen Governance-Regimes in der EU ist Beleg für die konstitutionelle Asymmetrie zwischen negativer und positiver Integration. Es wird deutlich, dass sie nicht nur immer noch vorhanden ist, sondern dass wir in eine Phase eingetreten sind, in der alle marktkorrigierenden Maßnahmen immer weiter abgebaut werden. Das scheint sogar auf die wenigen Ziele der Wachstumsstrategie Europa 2020 zuzutreffen, die eigentlich das Potenzial hätten, die positive Integration zu fördern - wie eine Reduzierung der sozialen Ausgrenzung. Mit dem neuen Regelwerk der wirtschaftspolitischen Steuerung stehen Löhne und Tarifverhandlungen immer mehr unter Druck, und die Koordinierung der Sozialpolitik hat jetzt aufgrund ihrer Unterordnung unter die strengeren Vorschriften der finanziellen Tragfähigkeit und Konsolidierung mit Sicherheit die ihr zugrundeliegende Idee eines »offenen«, wechselseitigen Lernprozesses verloren.

Ein Blick zurück sagt uns, dass es im Instrumentarium auf supranationaler Ebene immer nur wenige marktkorrigierende Werkzeuge gab und dass diese immer mit der Herausforderung der beiden großen Integrationsprojekte, dem Binnenmarkt und der WWU, zu kämpfen hatten. Auch der Druck durch den sich erweiternden transnationalen Wirtschaftsrahmen der EU auf die einzelnen Wohlfahrtsstaaten ist kein neues Phänomen. Neu sind ebensowenig die Empfehlungen für eine Art »permanent austerity« (Pierson 2001) mit Einschnitten bei der Bereitstellung von Sozialleistungen und einer Schwächung der gewerkschaftlichen Stärke, um die Versprechen eines freien Marktes auszubauen.

Was aber neu ist, ist erstens die absolute Nichtnutzung des existierenden supranationalen Rahmens der Koordinierung für die Etablierung einer sozialen Dimension. Diese »Brücke« über die Kluft einer fehlenden gemeinsamen europäischen Gesetzgebung, die aus einem weichen Steuerungsansatz besteht, der mit der Lissabon-Strategie, dem Makroökonomischen Dialog, der EBS und der OMK überwiegend zur Jahrtausendwende eingeführt wurde, war vielleicht in vielerlei Hinsicht keine Erfolgsgeschichte (Fischer et al. 2010). Dennoch waren diese Instrumente Zeichen politischer Ausdauer und standen dafür, dass die EU mehr als eine rein marktgetriebene Wirtschaftsunion sein sollte. Mit der Einführung gemeinsamer Foren, Ziele und eines politischen Austauschs erweiterten diese Instrumente »undoubtedly [...] the panorama and institutionalized discourse and comparison of objectives, practices and instruments of domestic social and employment policies« (Bothfeld/Leschke 2012: 243). Und damit bereiteten sie - theoretisch gesehen - den Boden dafür, dass eines Tages der Schritt von weichen, unverbindlichen Bestimmungen zu strengeren Verordnungen gemacht wird, die mit einer Festlegung gemeinsamer Ziele in rechtsverbindlichen Verpflichtungen festgeschrieben werden. Mit den neuen Rahmenwerken wirtschaftspolitischer Steuerung, dem Europäischen Semester, Europa 2020, der Verschärfung des SWP, dem Euro-Plus-Pakt und dem Fiskalpakt sind wir schon mitten in diesem Schritt. Aber anders als es sich die Befürworter der sozialen Dimension vorstellten, geht die strengere supranationale Governance nicht mit der Einführung einer politischen Union einher, um mehr Ausgewogenheit in der Wirtschaftsunion herzustellen.

Was zweitens neu ist, ist die größere Präzision der Empfehlungen an die Mitgliedstaaten seitens der EU-Institutionen, ihre Politik zu verändern, und die strengeren Regeln für eine zentrale Überwachung und Auswertung sowie die quasi automatischen Sanktionsverfahren bei Verletzung der gemeinschaftlichen Vorschriften (Pochet/Degryse 2013: 112). Dieses Novum ist besonders extrem für die Mitgliedstaaten, die ein Memorandum of Understanding mit der Troika unterzeichnen mussten, das es der EU ermöglicht, mit ihrer Forderung nach Austerität in wirtschaftliche und soziale Politikfelder einzugreifen, die früher in die einzelstaatliche Zuständigkeit fielen. Da man argumentieren könnte, dass dies nur ein vorübergehendes Phänomen ist, das auf die schwierige Krisensituation in der WWU zurückzuführen ist, wurde in dieser Analyse keine Einschätzung der Auswirkungen dieser Art direkter Austeritätspolitik auf die Mitgliedstaaten sowie die gemeinsamen sozialen Normen und Standards der EU vorgenommen, was an anderer Stelle getan wird (siehe z. B. Busch et al. 2012). Aber auch mit der Konzentration auf die allgemeinen Regeln der wirtschaftspolitischen Steuerung für alle Mitgliedstaaten können wir darauf schließen, dass der Schritt in Richtung einer verbindlicheren Koordinierung in Haushalts- und Finanzfragen auf Kosten der bestehenden makroökonomischen und sozialen Koordinierung gemacht wurde.

Die multiplen Krisen globalen und europäischen Ausmaßes und der eingeschlagene Kurs ihrer Bewältigung stellen die Sollbruchstelle des Europäischen Sozialmodells dar. Mehr davon wird zu einer gänzlichen Trennung des positiven, marktkorrigierenden Integrationsprozesses vom Gesamtprojekt der EU führen. Noch zynischer sieht es der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi: »Das Europäische Sozialmodell ist Vergangenheit«, äußerte er 2012 angesichts der Krise in der Eurozone und den zu ihrer Überwindung eingeleiteten Reformen. Das »soziale Momentum« eines Aufbruchs hin zu einer nicht rein ökonomisch nach Budgetkonsolidierung und Wettbewerbsprinzipien organisierten politischen und sozialen Union wurde schon durch die Hochzeit des Neoliberalismus Mitte der Nullerjahre stark in Mitleidenschaft gezogen. Spätestens mit der Krise in der Eurozone manifestiert sich nun in den neuen wirtschaftspolitischen Governance-Instrumenten und der schrittweisen Kannibalisierung der sozial- und beschäftigungspolitischen Politiken der entscheidende Abbruch dieses einstigen Versuchs. Die Aufgabe von Marktgestaltung und politischer Union bleibt mitnichten nur eine normativ zu beklagende Angelegenheit. Denn die Krise und der dominierende Kurs des Krisenmanagements vertiefen zugleich den Prozess der negativen, marktschaffenden Integration. Seine Auswirkungen sind bis in die national determinierten wohlfahrtsstaatlichen Systeme zu spüren. Was die Staaten dort im Bereich der gestaltenden Wirtschafts-, Sozial- und Beschäftigungspolitiken aber auf nationaler Ebene an Kompetenzen einbüßen, gewinnen sie auf der supranationalen Ebene nicht wieder zurück.

Die im Rahmen des Europäischen Semesters empfohlenen Strukturreformen werden langanhaltende Auswirkungen auf die Wohlfahrtsstaaten sowie deren Sozial- und Arbeitsmarktpolitik haben. Der Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten, der bei Kapital- und Realinvestitionen schon vor der Krise im Gange war, könnte sich durch den Druck auf die nationalen Systeme der sozialen Sicherung und Tarifverhandlungen noch weiter verstärken (Bieling 2012: 264). Vor dem Hintergrund des neuen Rahmenwerks der wirtschaftspolitischen Steuerung und dem Rationalisierungsprozess infolge des Europäischen Semesters bewegen wir uns jetzt vom freien Wettbewerb über die Frage, welches wohlfahrtsstaatliche Modell sich am besten an die reale wirtschaftliche Integration anpasst (Hacker 2011), hin zu einer Art kodifiziertem »richtigen Weg« auf supranationaler Ebene und zwingen alle Mitgliedstaaten zu folgen. Dieser Weg könnte zu einem liberalen Europäischen Sozialmodell führen, das sich auf die Versprechen einer Selbstregulierung des Marktes verlässt und auf das Ziel der sozialen Kohäsion als wichtigem Prinzip der europäischen Wirtschaftspolitik verzichtet. Pochet und Degryse halten diesen Weg der europäischen Governance für den einzig möglichen, weil die Krise in der Eurozone sich als einmalige Gelegenheit erweist: Den Menschen wird weisgemacht, es gäbe keine Alternative zur Verfolgung des Austeritätskurses, weshalb sie beklagen, dass »the social policy question is seen exclusively from the standpoint of the coordination of economic policies«, und dass »no debate whatsoever is being conducted on a project for a social union« (Pochet/Degryse 2013: 113).

Und es stimmt ja, dass die Überbleibsel der Koordinierungsinstrumente aus der Lissabon-Agenda und auch die Unzulänglichkeiten des Lissabon-Vertrags in den fast vier Jahren des Krisenmanagements kaum angerührt wurden, auch wenn man das Argument umkehren und die Krise als ein Druckmittel für die Förderung der sozialen Dimension der EU nutzen könnte. Zur sozialen Dimension müssten dann unter anderem folgende Bestandteile zählen:

• Eine Sozialklausel in jeglicher EU-Gesetzgebung, um die gleichwertige Stellung von sozialen Rechten und wirtschaftlichen Freiheiten zu garantieren.

• Die Festlegung gemeinsamer sozialer Standards in der Europa-2020-Strategie, die über den enggefassten Fokus auf Beschäftigungsraten und Armutsbekämpfung hinausgehen, sowie die Einführung qualitativer Zielsetzungen, die sich in einem Sozialen Scoreboard des Europäischen Semesters widerspiegeln sollten.

• Die Wiedereinführung der OMK als Koordinierungsinstrument, wenn auch mit mehr Kraft, eine Dekommodifizierungspolitik durchzusetzen, und unter Berücksichtigung unterschiedlicher wohlfahrtsstaatlicher Pfade.

• Die Gründung eines Europäischen sozialen Stabilitätspakts mit gemeinsamen Vorschriften über Mindestlöhne, Sozialausgaben und zur Unternehmensbesteuerung in Abhängigkeit von der Wirtschaftskraft des einzelnen Mitgliedstaates.

• Eine Wiederbelebung des Makroökonomischen Dialogs mit dem Ziel, einen echten policy mix zu ermöglichen und ein Rahmenwerk für eine transnationale Koordinierung der Lohnpolitik aufzubauen.

Wir sind noch weit davon entfernt, in diese Richtung zu gehen: »The Eurozone crisis has rendered core social policies at the EU level completely unrealistic« (Grahl/Teague 2012: 686). Scharpf hatte also Recht, und die in seinen Analysen herausgearbeitete konstitutionelle Asymmetrie zwischen negativer und positiver Integration hat der Krise nicht nur widerstanden, sondern die Kluft sogar noch vergrößert. Es finden schon Diskussionen über Pläne zur Einführung weiterer neuer Instrumente der wirtschaftspolitischen Steuerung (für einen Überblick: Hacker 2013) statt: Zur Umsetzung von Strukturreformen sollen 2014 möglicherweise eine Vorabkoordinierung wirtschaftspolitischer Reformvorhaben in den Mitgliedstaaten (Europäische Kommission 2013a) und ein sogenanntes Instrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit für direkte vertragliche Vereinbarungen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten und der EU eingeführt werden (Europäische Kommission 2013b). An diesen Plänen wird deutlich, dass der Weg hin zu einem liberalen Europäischen Sozialmodell weiter beschritten wird. Daran ändert auch eine im Oktober 2013 veröffentlichte Mitteilung der Europäischen Kommission (2013c) zur sozialen Dimension der WWU wenig. Darin wird zwar hervorgehoben, dass eine funktionierende WWU »problematische« Entwicklungen der Sozial- und Beschäftigungspolitiken korrigieren müsse. Dafür sollen in das existierende Verfahren zur Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte zusätzliche Indikatoren integriert und weitere in einem eigenen »Social Scoreboard« aufgeführt werden. Ungleichheitsverteilung, Armutsgefährdungsquote und Haushaltseinkommen sollen so in die Beratungen des Europäischen Semesters einfließen. Da jedoch keine Zielmarken festgelegt werden, geht es in erster Linie um einen Austausch von best practices im Sinne der OMK. Gefördert werden sollen die Arbeitskräftemobilität und der Dialog der Sozialpartner. Dagegen werden automatische Stabilisatoren zum Ausgleich asymmetrischer Schocks in der WWU, wie etwa eine europäische Arbeitslosenversicherung, ausführlich begründet nicht weiterverfolgt, da diese nach Auffassung der Kommission über die heutigen Kompetenzen der EU weit hinausgingen und substanzielle Vertragsänderungen erfordern würden.

Die feststehende Rangordnung zwischen marktschaffenden und marktkorrigierenden Maßnahmen ist enttäuschend für diejenigen, für die die EU mehr als nur ein wirtschaftlicher und monetärer Integrationsraum ist. Aber wachsende Unzufriedenheit mit dem einseitigen Schwerpunkt der neuen Governance-Architektur, mit ihrer Unfähigkeit, die Krise zu bewältigen und mit ihrer Verantwortung für die sich verschärfenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme könnten die Frage nach den »costs of non-social policy« in Europa (Begg 2005) auf die politische Tagesordnung bringen. Die steigenden Kosten einer nicht existenten EU-Sozialpolitik durch eine »verlorene Generation« infolge der hohen Jugendarbeitslosigkeit, durch zunehmende Armutsgefährdung und durch ungenutztes Humanpotenzial für die künftige Aufstellung der europäischen Wirtschaft könnten für bittere Lerneffekte sorgen, die europäische Governance ausgewogener zu gestalten. Es wäre allerdings ein Politikansatz vonnöten, der über das Addendum sozialer Indikatoren und Aktionspläne für die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit hinausgeht, wenn mehr erreicht werden soll als ein weiteres Feigenblatt für die Wirtschaftsintegration Europas.



Über den Autor

Dr. Björn Hacker ist Referent für europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Friedrich-Ebert-Stiftung.



Literatur

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Becker, Peter (2009): Die europäische Kohäsionspolitik und ihre Modernisierung, Stiftung Wissenschaft und Politik: Berlin.

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Grafiken der Originalpublikation:

Grafik 1: Von Armut oder Ausgrenzung gefährdete Personen ausgewählter EU-Länder 2010-2012 in Prozent der Bevölkerung

Grafik 2: Entwicklung der Reallöhne in Prozent in der EU-27 2010-2012

Grafik 3: Veränderungen im Renteneinkommen aus Sozialversicherungen (1. Säule) in ausgewählten EU-Staaten zwischen 2010 und 2050

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Diese Publikation erscheint im Rahmen der Arbeitslinie »Europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik«, Redaktion: Dr. Björn Hacker, bjoern.hacker@fes.de. Redaktionsassistenz: Nora Neye, nora.neye@fes.de.

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2013