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MELDUNG/115: Kundus-Luftangriff - Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (ECCHR)


European Center for Constitutional and Human Rights e.V. (ECCHR)
Pressemitteilung vom 26. Februar 2020

Richtungsweisender Fall zu Militäreinsätzen im Ausland

Kundus-Luftangriff: Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte


Straßburg/Berlin, 26. Februar 2020 - "Deutschland muss endlich für den Kundus-Luftangriff die Verantwortung übernehmen. Ich bin froh, dass der Gerichtshof den Tod meiner beiden Jungen verhandelt. Ich erwarte Gerechtigkeit - nicht nur für mich, sondern für viele andere Familien", sagte Abdul Hanan aus Afghanistan zur heutigen Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Hanan verlor bei dem Luftangriff am 4. September 2009 im Nordosten Afghanistans zwei Söhne, Nesarullah (8 Jahre) und Abdul Bayan (12 Jahre). Den Befehl für den Angriff hatte Bundeswehroberst Georg Klein gegeben.

Wegen seiner außerordentlichen Bedeutung wird der Fall vor der Großen Kammer des EGMR verhandelt. Anlass ist die Individualbeschwerde gegen Deutschland, die Hanan mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im Januar 2016 beim EGMR einreichte. Der Vorwurf: Deutschland verletzte im Umgang mit dem Kundus-Luftangriff Artikel 2 - Schutz des Lebens - und Artikel 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) - Recht auf wirksame Beschwerde.

"Bundeswehr, Bundesregierung und Justiz haben versucht, das Ausmaß und die Umstände des Kundus-Luftangriffs zu verschleiern", sagte Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR. Er vertritt Hanan als Rechtsanwalt. "Der EGMR muss zwei Dinge klarstellen: a) Die Ermittlungen Deutschlands nach dem Luftangriff waren unzureichend und b) Abdul Hanan hat vor keinem deutschen Gericht Gehör gefunden. Damit wurde ihm ein grundlegendes Recht verwehrt."

Hanan hatte seit 2010 versucht, sich - bei der Bundesanwaltschaft, vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf sowie dem Bundesverfassungsgericht - rechtliches Gehör zu verschaffen. Vergeblich.

Dapo Akande, Professor für Völkerrecht an der Universität Oxford und Prozessbevollmächtigter in dem Verfahren ergänzte: "Der EGMR sollte seine bisherige Rechtsprechung zur Anwendung der EMRK auf Auslandseinsätze fortführen und nicht davor zurückschrecken, den Kundus-Luftangriff und die Rolle Deutschlands zu überprüfen."

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Quelle:
European Center for Constitutional and Human Rights e.V. (ECCHR)
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E-Mail: info@ecchr.eu,
Internet: www.ecchr.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2020

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