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JUSTIZ/178: Johnny "Mad Dog" Adair bringt britische Armee in Mißkredit (SB)


Johnny "Mad Dog" Adair bringt britische Armee in Mißkredit

Ex-UDA-Killer berichtet von Zusammenarbeit mit den Staatsvertretern


Wenige Tage, nachdem am 22. Januar die Polizeiombudsfrau Nuala O'Loan einen höchst belastenden Bericht über die frühere Zusammenarbeit zwischen der einst protestantisch-dominierten, nordirischen Polizei, der früheren Royal Ulster Constabulary (RUC), die heute Police Service of Northern Ireland (PSNI) heißt, und der Ulster Volunteer Force (UVF) in Belfast veröffentlichte, kündigen sich schon weitere Enthüllungen über die Instrumentalisierung loyalistischer Paramilitärs durch staatliche, britische Stellen im Kampf gegen die Irisch-Republikanische Armee (IRA) während der sogenannten "Troubles" in Nordirland an. Quelle der neuen Enthüllungen ist Johnny "Mad Dog" Adair, der frühere Chef der Belfaster "C"-Kompanie der Ulster Defence Association (UDA), der im schottischen Exil lebt und dessen Autobiographie im März erscheint. Erste Auszüge aus dem Buch, das wenig überraschend "Mad Dog" heißt und für das der berüchtigste, protestantische Paramilitär einen Vorschuß in Höhe von 100.000 Pfund, rund 160.000 Euro, erhalten hat, erschienen am 4. Februar in der liberalen britischen Sonntagszeitung Observer und belasten vor allem die britische Armee schwer.

Unter der Führung Adairs soll Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre die "C"-Kompanie - Motto "Simply the Best" - der UDA mehr als 40 einfache Katholiken und mutmaßliche oder tatsächliche Anhänger der IRA beziehungsweise deren politischen Arms Sinn Féin ermordet haben. Für den vergleichsweise hohen Aktivitätsgrad von Adair und Co. gibt es einen naheliegenden, geographischen Grund. Die "C"-Kompanie der UDA operierte aus der Gegend um die Lower Shankhill Road, ein heruntergekommenes Protestantenghetto, umgeben vom mehrheitlich katholisch-nationalistischen Westbelfast, heraus. Wie viele andere Paramilitärs war der 1989 wegen sechs Morden und Mordverschwörung in drei weiteren Fällen zu 684 Jahren Freiheitsstrafe verurteilte Adair im Zuge des Karfreitagsabkommens von 1998 unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt worden.

Als es jedoch 2002, 2003 zu einem mörderischen Machtkampf innerhalb der UDA zwischen der "C"-Kompanie und der restlichen Organisation kam, sahen sich die Justizbehörden in Nordirland genötigt, Adair erneut hinter Gitter zu bringen. Daraufhin erlitt die "C"-Kompanie ohne ihren zurecht gefürchteten Anführer eine verheerende Niederlage. Der Verband wurde im Februar 2003 von der UDA offiziell aufgelöst, und seinen Mitgliedern zusammen mit Adairs Frau und Kindern wurden unter massiver Gewaltandrohung wenige Stunden gegeben, ihre Sacken zu packen und die Fähre von Belfast nach Schottland zu nehmen. Gleich danach hat die UDA ihren durch den mehrmonatigen Bruderkrieg unterbrochenen Waffenstillstand erneut ausgerufen, um Ende 2004 formell der Gewalt abzuschwören und ihre Umwandlung in eine kommunalpolitische Gruppierung bekanntzugeben, die sich für die Belange der Menschen in den protestantischen Armenvierteln einsetzen will. Nichtsdestotrotz kommt es seitdem innerhalb der UDA immer wieder zu Gewaltsausbrüchen, die auf Rivalitäten im Drogen- und Schutzgeldgeschäft zurückzuführen sind. Deshalb verhandelt die UDA-Führung derzeit mit dem britischen Nordirlandministerium, dem Northern Ireland Office (NIO), um ein bis zu 50 Millionen Euro teures Programm zur Wiedereingliederung arbeitsloser, loyalistischer Paramilitärs in die Zivilgesellschaft.

Die materielle Not - gepaart mit dem Wunsch, die zahlreichen Legenden um seine Person zu korrigieren - scheint es ebenfalls zu sein, die Adair veranlaßt hat, sich vom Verlagshaus John Blake unter Vertrag nehmen zu lassen und die eigene Biographie zu schreiben. Der 44jährige Ex-UDA-Anführer lebt nach wie vor im Exil in der Stadt Troon an der schottischen Westküste und hat es sicherlich nicht einfach, seine Familie über die Runden zu bringen. Als Adair im letzten Oktober sein literarisches Vorhaben bekanntgab, wurde er in der Presse mit den Worten zitiert:

Wenn ich einen Blick auf mein Bücherregal werfe, sehe ich mindestens vier Bücher über mir, die von Journalisten geschrieben worden sind. Wenn sie Geld daran verdienen können, über mein Leben zu schreiben, warum soll ich nicht das gleiche machen können?

(...)

Ich werde über alles berichten, Häßliches inbegriffen. Ich werde die Geschichte eines jugendlichen Glatzkopfes erzählen, der sich den Paramilitärs anschloß, weil er vom Ulster Defence Regiment (inzwischen aufgelöster Verband der britischen Armee in Nordirland - Anm. d. Red.) abgelehnt wurde, von jemanden, der sich allein in die republikanischen Viertel begab und es mit der IRA aufnahm. Es ist die Geschichte von jemandem, der als Soldat an der Front gekämpft hat.

In den ersten Auszügen aus der Autobiographie, die vom Observer veröffentlicht worden sind, behauptet Adair, seine Hauptquellen für Informationen über mutmaßliche oder tatsächliche Sympathisanten oder Mitglieder der IRA seien Soldaten der königlichen Streitkräfte gewesen. Demnach seien bei jeder Armeepatrouille in der Gegend um die Lower Shankill drei oder vier Soldaten, die ihrerseits mit der UDA sympathisierten, dabeigewesen. Adair behauptet, einen Großteil der Informationen, die er vom Armeepersonal erhielt, bei Straßenkontrollen gesteckt bekommen zu haben:

Um sicherzustellen, daß sie dabei nicht erwischt wurden, ging man mit mir hinter den Wagen und führte zum Schein eine Durchsuchung des Kofferraums durch. ... Ich habe dadurch erfahren, welche Sorten von Autos die Republikaner fuhren, wo man sie unter Beobachtung hielt und ob sie ein safe house benutzten.

Laut Adair haben die Soldaten und Offiziere der britischen Armee zu keinem Zeitpunkt ihm oder anderen bekannten Loyalisten das Leben schwer gemacht. Der Grund dafür ist einfach gewesen: "Sie wußten, daß wir auf ihrer Seite standen." Eine Methode, mit der sich Adair nach eigenen Angaben beim britischen Militär eingeschmeichelt hat, war, Trauerkränze an die jeweilige Garnison zu schicken, nachdem die IRA einen oder mehrere Soldaten getötet hatte.

Entgegen anderslautender Vermutungen bestreitet Adair jede Beteiligung an der Ermordnung des katholischen Anwaltes Patrick Finucane im Jahre 1989 und macht statt dessen dafür die Belfaster "B"-Kompanie der UDA verantwortlich. Seit Jahren steht der Finucane-Mord im Mittelpunkt der Diskussion um den sogenannten "schmutzigen Krieg" des britischen Staates gegen die IRA und die katholisch-nationalistische Bevölkerung in Nordirland. Der Anwalt, der erfolgreich eine Klage gegen den britischen Staat wegen Folter in Nordirland vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strasbourg bestritten hatte, war der Regierung Margaret Thatchers in London ein Dorn im Auge und mußte deshalb sterben. Nachdem man Brian Nelson, einem Doppelagenten des britischen Militärgeheimdienstes bei der UDA entsprechende Informationen über Finucane zukommengelassen hatte, wurde der Anwalt am hellichten Tag in der eigenen Küche von zwei Mitgliedern der Ulster Freedom Fighters (UFF) erschossen. UFF gilt als Nom de Guerre der UDA.

Nach dem aufsehenerregenden Attentat auf Finucane wurden diverse Loyalisten, die in die Bluttat verwickelt gewesen sein könnten, verhaftet, darunter auch Johnny Adair. In seiner Biographie schreibt der ehemalige UDA-Anführer, die RUC-Polizisten hätten ihn damals gut behandelt, weil sie bester Laune waren: "Sie freuten sich, daß der Anwalt tot war. Sie haßten ihn." Adair behauptet sogar, ein Polizist sei in das Verhörzimmer gekommen, um ihm und der UDA wegen des Mordes zu gratulieren. Andere Beamte hätten erklärte, es sei "der beste Mord, den die UFF jemals verübt" hätten, so Adair.

Doch ganz unproblematisch scheinen die Beziehungen zwischen dem UDA-Mann und seinen protestantischen Glaubensgenossen nicht gewesen zu sein. Im Buch behauptet Adair, die Mitglieder des berüchtigten RUC Special Branch hätten ihn dermaßen gehaßt, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach der IRA beziehungsweise republikanischen Kreisen Informationen über seinen Aufenthaltsort zukommen ließen. Adair hat im Laufe seiner paramilitärischen Karriere mindestens sechs Attentatsversuche überlebt und trägt heute noch Kugelsplitter im Körper. Eine mögliche Erklärung für das gespannte Verhältnis zwischen Adair und der RUC liefert die Behauptung des Loyalisten, im Oktober 1993 im Belfaster Polizeihauptquartier Castlereagh das Angebot, staatlicher Spitzel zu werden, abgelehnt zu haben. Adair behauptet, man habe ihn damals unter anderem mit 45.000 Pfund, rund 70.000 Euro, sowie den sexuellen Dienstleistungen eines weiblichen Mitgliedes des RUC Special Branch zur überreden versucht - jedoch ohne Erfolg.

5. Februar 2007