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PARTEIEN/205: Eiertanz in Nordirland - DUP und Sinn Féin zieren sich (SB)


Eiertanz in Nordirland - DUP und Sinn Féin zieren sich


Adams und McGuinness verlieren die Geduld mit Nein-Sager Paisley

Nachdem im letzten Jahr die Regierung Tony Blair klipp und klar gedroht hat, das nach dem Karfreitagsabkommen von 1998 geschaffene, jedoch seit 2002 suspendierte Regionalparlament in Belfast endgültig einzumotten, stehen Nordirlands Politiker unter enormem Druck, sich doch über die Bildung einer interkonfessionellen Regierungskoalition zu einigen. Der Druck ist zunächst zweifacher Natur. Würde London tatsächlich das Parlament in Belfast endgültig schließen, verlören erstens alle 103 Abgeordnete ihre großzügigen Diäten und wären in den meisten Fällen zunächst arbeitslos. Zweitens hat die Blair-Regierung die Drohung mit der Ankündigung gekoppelt, bei der endgültigen Wiedereinführung der Direktverwaltung aus London, der Regierung der Republik Irland - sozusagen als Vertreterin des katholisch-nationalistischen Bevölkerungsteils - ein größeres Mitspracherecht als bisher einzuräumen. Dieser Teil der Drohung richtet sich gegen die Abgeordneten aus dem protestantisch-unionistischen Lager, dessen Grundhaltung gegenüber Dublin seit Jahrzehnten in der schlichten Parole "No Surrender" zusammengefaßt werden kann.

Derzeit gestalten sich die Vorverhandlungen für eine eventuelle Regierungsbildung in Belfast enorm schwierig, weil im katholisch-nationalistischen wie auch im protestantisch-unionistischen Lager die radikaleren Kräfte die größten Fraktionen stellen. Nach den De-Hondt-Prinzipien des Karfreitagsabkommens kann es folglich keine neue interkonfessionelle Regierung für Nordirland ohne die Democratic Unionist Party (DUP) des wortgewaltigen, inzwischen 81jährigen Reverend Ian Paisley und die Sinn Féin, den politischen Arm der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), geben. Daß sich diese beiden Gruppierungen trotz allgemeinen Waffenstillstands in Nordirland seit 1997 miteinander schwer tun, versteht sich von selbst. Aus nationalistischer Sicht gilt Pfarrer Paisley noch als derjenige, der in den sechziger Jahren zu Unrecht die damalige Bürgerrechtsbewegung als fünfte Kolonne Dublins und des Vatikans verteufelt und die protestantischen Schlägertrupps zu blutigen Pogromen in den katholischen Ghettos angestachelt hat, während bis vor kurzem in den Augen diverser DUP-Vertreter die Sinn-Féin-Vorsitzenden Gerry Adams und Martin McGuinness noch als mordstiftende "Terrorpaten" galten.

Nach der mehr oder weniger von Premierminister Blair und seinem irischen Amtskollegen Bertie Ahern erzwungenen Einigung vom letzten Oktober im schottischen St. Andrews sollten sich DUP und Sinn Féin prinzipiell zur gemeinsamen Zusammenarbeit bereit erklären. Passiert dies, finden am 7. März Wahlen für das Parlament in Belfast statt und soll die neue Regierung am 26. März vereidigt werden - voraussichtlich mit Paisley als Erstem Minister und McGuinness als seinem Stellvertreter. Um dies zu ermöglichen, sollte sich Sinn Féin endgültig bereit erklären, die neue nordirische Polizeibehörde, den aus dem diskreditierten Royal Ulster Constabulary (RUC) hervorgegangenen, jedoch als reformiert geltenden Police Service of Northern Ireland (PSNI) anzuerkennen und mit ihm zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck hatte die Sinn-Féin-Führung über Weihnachten die Einberufung eines entsprechenden Sonderparteitags angekündigt, der noch vor Ende Januar stattfinden sollte.

Aufgrund von Zusicherungen, die in St. Andrews offenbar gemacht worden waren, hatte Sinn Féin eigentlich erwartet, daß die DUP positiv auf den angekündigten Sonderparteitag und das anvisierte Bekenntnis zur nordirischen Polizeibehörde reagierte. Schließlich standen die IRA, Sinn Féin und weite Teile der katholisch-nationalistischen Bevölkerung über Jahre der nordirischen Polizei, die sie als Schutzmacht protestantisch-unionistischer Interessen empfanden und erlebten, feindlich gegenüber. Eine positive Reaktion seitens der DUP sollte deren Willen zur Aussöhnung demonstrieren und Sinn Féin die Einstimmung der vielen Skeptiker in den eigenen Reihen auf den Kompromißkurs erleichtern. Viele Sinn-Féin-Anhänger sind der Meinung, daß es nach dem offiziellen Ende des bewaffneten Kampfes der IRA und der Beseitigung deren Waffenlagers in den letzten Jahren ein Ende haben muß mit den ständigen Vorbedingungen, mit denen die DUP eine Regierungsbildung bisher blockiert hat. Im republikanischen Lager erwartet man deshalb, daß sich Paisley endgültig zur Regierungsteilnahme mit der Sinn Féin bereit erklärt, noch bevor diese die PSNI anerkennt. Sonst befürchtet man, eine weitere Vorleistung zu erbringen, nur um mit weiteren Forderungen - beispielsweise konkrete Fälle der Zusammenarbeit mit der Polizei vorweisen zu müssen - seitens der DUP konfrontiert zu werden.

Zwar wissen alle in Nordirland, daß auch Paisley Rücksicht auf die Hardliner in den eigenen Reihen nehmen muß, dennoch war die Enttäuschung auf der Seite Sinn Féins groß, als der DUP-Chef in einer Neujahrserklärung den angekündigten Sonderparteitag als "überfällig" bezeichnete und ankündigte, die irischen Republikaner nach ihren "Taten" und nicht nach ihren "Worten" beurteilen zu wollen. In ihren Ohren klang das, als reichte ein entsprechendes Bekenntnis Sinn Féins zum PSNI immer noch nicht aus und ginge der leidige Eiertanz auch nach dem Sonderparteitag weiter. Angesichts dieser Lage hat Sinn Féin Anfang Januar die Bremse gezogen und ein erneutes Treffen der Parteiführung anberaumt, bei dem diskutiert werden sollte, ob ein Sonderparteitag überhaupt Sinn mache.

Der halbe Rückzug Sinn Féins hat den britischen Premierminister dazu veranlaßt, seine Winterferien in der Karibik frühzeitig abzubrechen und nach London zurückzukehren. Mit einer eigenen Erklärung versuchte Blair am 10. Januar Sinn Féin bei der Stange zu halten, indem er auf eines deren größten sicherheitspolitischen Probleme einging, nämlich auf das künftige Verhältnis zwischen dem PSNI, der dem regionalen Innen- und Justizministerium unterstellt werden sollte, und dem britischen Inlandsgeheimdienst MI5, der der Regierung in London natürlich weiterhin weisungsgebunden bleibt. Für Sinn Féin stellt der MI5 neben den königlichen Streitkräften den unappetitlichsten Teil des ganzen britischen Staatsapparats in Nordirland dar. Folglich will Sinn Féin, daß künftig der MI5 in der Unruheprovinz so wenig wie möglich zu schaffen haben soll und daß dessen Aktivitäten dort auch vom künftigen Innen- und Justizministerium in Belfast kontrolliert werden sollen. Eine Übertragung der Kontrolle über die Polizei in Nordirland an die neue Provinzregierung ist wegen der Brisanz dieses Komplexes erst für 2008 vorgesehen.

In seiner Stellungnahme erklärte Blair, daß künftig der PSNI und der MI5 "absolut unterschiedliche und gänzlich getrennte Behörden" blieben. Darüber hinaus sollte nur eine kleine Anzahl PNSI-Beamter unter der Leitung ihres Vorgesetzten Sir Hugh Orde mit den Vertretern des MI5 in dessen neuem nordirischen Hauptquartier im Belfaster Nobelvorort Holywood und auch dann nur für "festgelegte, begrenzte Fristen" zusammenarbeiten, so Blair. Dieser versicherte zudem, daß auch jene PSNI-Beamte der neuen Ombudsbehörde und dem neuen zivilen Kontrollgremium rechenschaftpflichtig sein würden. Mit diesen Worten wollte Blair die Ängste Sinn Féins vor einem Wiederauferstehen des RUC Special Branch, der jahrelang mit loyalistischen Paramilitärs im Kampf gegen die IRA zusammengearbeitet hat, zerstreuen. Inwieweit ihm dies gelungen ist und ob der Zeitplan von St. Andrews doch noch eingehalten werden kann, wird der Ausgang des geplante Krisentreffens der Sinn-Féin-Parteiführung am 13. Januar zeigen.

12. Januar 2007