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INTERVIEW/038: Irlands neuer Widerstand - Eigentum und Häuserkampf ...    Joe Conlon im Gespräch (SB)


Interview mit Joe Conlon, Dublin, 2. Juni 2015


In Irland hat das Platzen der Immobilienblase und der damit einhergehende Zusammenbruch der Bauindustrie im Jahr 2008 zu einer gravierenden Wohnungsnot insbesondere in Dublin geführt, wo rund ein Drittel der Bevölkerung des Landes lebt. In der irischen Hauptstadt warten aktuell 42.000 Menschen auf eine Sozialwohnung. Angesichts der Tatenlosigkeit der Behörden, deren Vertreter sich hinter dem Argument der leeren Staatskasse verstecken, versuchen diverse karitative Einrichtungen, den Betroffenen mit Sachspenden und vorübergehender Unterkunft zu helfen. Es hat sich in Dublin aber auch eine rege Hausbesetzerszene entwickelt, die konkrete politische Maßnahmen gegen den himmelschreienden Skandal der Obdachlosigkeit und des Wohnungsmangels ergreift. Zu den führenden Vertretern dieser Szene gehört Joe Conlon von der Gruppe An Spréach (gälisch für Der Funke), mit dem der Schattenblick am 2. Juni sprach. Das Interview fand im Barricade Inn statt, einem einst leerstehenden Hotel an der Parnell Street im Herzen Dublins, das Aktivisten vor einigen Monaten besetzt und in ein autonomes Sozialzentrum samt Infoshop verwandelt haben. Wenige Tage nach dem SB-Interview haben Mitglieder von An Spréach und verbündeten Gruppen eine ehemalige Obdachlosenherberge an der Bolton Street, die seit 2011 nicht mehr benutzt wurde, besetzt, mit großem Engagement schön hergerichtet und dort mehrere obdachlose Familien untergebracht.[1] Mit allen juristischen Mitteln versucht nun das Dublin City Council das sogenannte Bolt Hostel zu schließen.


Joe Conlon im Sessel im Gästeraum des Barricade Inn - Foto: © 2015 by Schattenblick

Joe Conlon
Foto: © 2015 by Schattenblick

Schattenblick: Herr Conlon, wie ist Ihr politischer Werdegang verlaufen und wie sind Sie zu An Spréach gekommen?

Joe Conlon: Neun Jahre lang war ich Mitglied von Republican Sinn Féin. Meine Beschäftigung mit Theorie und Geschichte des Anarchismus führte jedoch dazu, daß ich mich immer stärker für Basis- und Lokalpolitik zu interessieren begann. Auf einer Demonstration gegen die Mißhandlung irisch-republikanischer Gefangener im nordirischen Hochsicherheitsgefängnis Maghaberry vor etwa einem Jahr erzählte mir jemand von An Spréach. Ich fand deren Ansatz unterstützenswert und mache seitdem bei ihnen mit.

SB: Wie ist An Spréach entstanden?

JC: Vor eineinhalb Jahren wurde sie von einer Gruppe parteiunabhängiger politischer Aktivisten in Dublin gegründet. Mit An Spréach wollen wir Menschen, die von der Wohnungskrise betroffen sind, helfen und im Kampf gegen die staatliche Bürokratie unterstützen, dezentralisierte Solidaritätsnetzwerke und Freiräume schaffen, wo Menschen leben und zusammenkommen können, sowie den Kapitalismus, der die Wohnungskrise erzeugt hat und heute noch verschärft, bekämpfen. In dem Zusammenhang greifen wir auf Mittel der direkten Aktionen und des zivilen Ungehorsams zurück, um den Skandal des Wohnungsmangels in der Öffentlichkeit anzuprangern und das Bewußtsein für dringend notwendige gesellschaftliche Veränderung zu schaffen. Wir treten für eine menschengerechte Erneuerung in den Stadtvierteln ein, die von Immobilienspekulation, Gentrifizierung und Verdrängung der alteingesessenen Bewohner betroffen sind.

SB: Wie viele Mitglieder hat An Spréach zur Zeit und was sind derzeit ihre Hauptaktivitäten?

JC: Wir sind um die 20 Personen. Aktuell besteht unser Hauptanliegen darin, leerstehende Gebäude, mit denen Immobilienspekulation betrieben wird, zu "befreien" und dort wohnungslose Familien unterzubringen. Das sind Objekte, wo Türen und Fenster vergittert, das Wasser abgedreht und der Strom abgestellt worden sind. Wir gehen rein, holen die Gitter oder Bretter vor den Fenstern und Türen runter, stellen die Wasser- und Stromverbindung wieder her und führen die Reparaturarbeiten durch, die notwendig sind, um das Gebäude wieder bewohnbar zu machen.

Letztes Jahr haben wir mehrere Wohnungen einer Sozialbausiedlung in der Charlemont Street, die Tom Kelly Flats, die seit vier Jahren fast alle leer standen, besetzt und instandgesetzt. Auf dem Gelände sollten eigentlich bereits 2011 neue Sozialwohnungen gebaut werden, nur kam das Projekt nicht vom Fleck, weil der Dubliner Stadtrat infolge der Finanzkrise das Geld dafür nicht mehr hatte. In einer Wohnung wollten wir einer obdachlosen Mutter und ihren zwei Kindern ein Dach über den Kopf zur Verfügung stellen. Auch mehrere frühere Bewohner, die dort lange gelebt hatten, aber wegen der Abrißpläne ausziehen mußten und vom Sozialamt auf andere Stadtteile verteilt worden waren, wollten dort wieder einziehen. Mitten in der Renovierungsarbeit, noch bevor überhaupt jemand wieder einziehen konnte, hat die Polizei das Gebäude gestürmt und acht von uns festgenommen. Alle acht Aktivisten wurden wegen Hausfriedensbruchs angeklagt. Der Prozeß zog sich über acht Monate hin, bis schließlich im Februar dieses Jahres der Richter die Anklage für nichtig erklärte, da er keinen Gesetzesverstoß erkennen konnte.


Internet-Werbetafel für das Grundrecht auf Wohnen - Foto: © 2015 by An Spréach

An Spréach klagt an!
Foto: © 2015 by An Spréach

SB: Bedeutet das, daß Sie während des Verfahrens die Renovierungsarbeiten an den Tom Kelly Flats in Charlemont Street nicht fortsetzen durften?

JC: So ist es. Aber es hat uns nicht daran gehindert, unsere Aktivitäten anderweitig zu gestalten. So haben wir immer wieder größere Transparente mit Inschriften wie "Wohnen ist ein Grundrecht" sowohl an der Charlemont Street als auch an der Fassade von anderen leerstehenden Gebäuden, wo sie von der Straße aus gut gesehen werden konnten, aufgehängt. Die hingen dann da ein oder zwei Tage, bis der Grundstücksbesitzer sie entfernen ließ.

SB: Haben Sie überhaupt jemanden von der Straße geholt?

JC: Bisher leider noch nicht. Wir haben viele leerstehende Objekte ausgekundschaftet, aber die meisten sind in einem schlechten Zustand mit Feuchtigkeitsschäden et cetera. Da kann die Renovierung nicht nur aufwendig, sondern auch teuer sein, und unsere Finanzmittel sind begrenzt.

SB: Welche Unterstützung hat An Spréach mit ihrer Kampagne gegen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit seitens der Politik, sei es der Parteien oder einzelner Volksvertreter, erfahren?

JC: Wir streben nicht nach der Unterstützung der herkömmlichen Parteien oder Politiker, denn sie stützen alle das kapitalistische System. Letzterer Umstand ist vielleicht auch der Grund, warum kein einziger Politiker irgendeine unserer Aktionen gelobt oder öffentlich eingeräumt hat, daß wir immerhin etwas gegen das Wohnungsnotproblem unternehmen.

SB: Um das Problem des Wohnungsmangels in Irland zu beheben, was sollte, Ihrer Meinung nach, gemacht werden - kurzfristig wie auch langfristig?

JC: Das Problem könnte man mit einen Schlag aus der Welt schaffen, würde die Regierung per Verfügung nur einen Teil der 270.000 Gebäude, die derzeit in Irland leerstehen, bewohnbar machen lassen.

SB: Doch viele dieser Häuser, die während des Baubooms errichtet wurden, sind in strukturschwachen Regionen wie Roscommon errichtet worden, wo es damals keinen Bedarf gab und heute nicht gibt. In ländlichen Gebieten stößt man deshalb auf nicht wenige sogenannte "ghost estates", halbfertige Siedlungen, wo der Bauherr pleite gegangen ist, niemand in die Häuser einziehen wird und diese deshalb verrotten.

JC: Das stimmt. Dennoch gibt es allein in Dublin 30.000 leerstehende Wohnungen, auf die man zurückgreifen könnte.

SB: Man kann davon ausgehen, daß aber nicht alle sofort bewohnbar sind.

JC: Das ist doch klar. Sie befinden sich in unterschiedlichem Zustand. Einige bedürften vielleicht kleinerer Renovierungsarbeiten, andere wiederum vielleicht einer kompletten Gebäudesanierung. Doch durch Instandsetzung selbst eines Bruchteils dieser 30.000 Objekte könnte man alle Obdachlosen von der Straße holen und den Bedarf der vielen gering verdienenden Wohnungssuchenden befriedigen. Doch dazu fehlt der politische Wille. Die sogenannte Krise auf dem Wohnungsmarkt ist ein Produkt des Kapitalismus. Der Mangel hält die Preise hoch, was im Interesse der Immobilienbesitzer, der Wohnungsvermieter und der Banken liegt. Deshalb muß man etwas gegen den Kapitalismus unternehmen. Natürlich würde der Bau einer neuen Generation an Sozialwohnungen das aktuelle Problem der Obdachlosigkeit lösen. Doch langfristig brauchen wir eine gesellschaftliche Transformation vom Kapitalismus weg zu etwas Neuem.


Eine aus Metallschrott gebastelte Roboterstatue überragt den mit Graffiti versehenen Eingang des besetzten Geländes an der Lower Grangegorman Road - Foto: © 2015 by Schattenblick

Grangegorman Squat, mit mehr als 30 Personen die derzeit größte Hausbesetzung Dublins
Foto: © 2015 by Schattenblick

SB: Wie stark ist die Zusammenarbeit zwischen An Spréach und den anderen Organisationen, die gegen Obdachlosigkeit und Wohnungsmangel opponieren, wie die North Dublin Bay Housing Crisis Community, Housing Action Now und Help the Hidden Homeless?

JC: Wir helfen uns gegenseitig, wo immer wir können. Gemeinsam haben wir am 5. Mai das Hauptgebäude des Dubliner Stadtrats besetzt, um den empörenden Fall einer jungen, schwangeren, obdachlosen Mutter bekanntzumachen. Darüber hinaus steht An Spréach auch mit der Gruppe in Verbindung, die 2013 im Dubliner Stadtteil Grangegorman ein verlassenes Fabrikgelände mit mehreren Gebäuden zu einem alternativen Wohnprojekt mit Kleingarten, Kinderspielplatz et cetera umgebaut hat, sich seitdem mit allen Mitteln gegen diverse Räumungsversuche durch Polizei und private Sicherheitsdienstleute erfolgreich wehrt und sich bislang auch vor Gericht behauptet. Es gibt zudem eine Vereinigung linker Sozialarbeiter namens Social Workers Action Network (SWAN), die uns wohlgesonnen ist und bei denen wir immer Rat einholen können.

SB: Sind Sie oder die anderen Mitglieder von An Spréach über das Thema der Wohnungskrise hinaus auch anderweitig politisch aktiv?

JC: Mehrere von uns sind auch Angehörige der Workers Solidarity Movement (WSM), einer Vereinigung irischer Anarcho-Kommunisten.

SB: Was ist deren Hauptbetätigungsfeld?

JC: Auf unserer Website, auf Pamphleten sowie in unserer Zeitschrift Workers Solidarity, die alle zwei Monate erscheint, berichten wir über die verschiedenen politischen Kämpfe, die in Irland stattfinden und die von den großen Medien weitgehend ignoriert werden. Dazu gehören Häuserbesetzungen, Arbeitsniederlegungen, Boykottaktionen wie zum Beispiel gegen Topaz, die Tankstellenkette des irischen Milliardärs Denis O'Brien, sowie über alle Arten von Protesten wie zum Beispiel gegen Wohnungsräumungen, geplantes Fracking in Leitrim oder gegen die Installation von Wasserzählern. Die Workers Solidarity Movement, die Mitte der achtziger entstanden ist, beteiligt sich auch an besagten Kampagnen, während sie gleichzeitig auf dem medialen Weg die Öffentlichkeit zu mobilisieren sucht. Ich gehöre seit November 2014 der Workers Solidarity Movement an.

SB: Die landesweiten Anti-Wassergebühren-Proteste und auch die Aktionen von Gruppen wie der Ihrigen zeugen von einer verstärkten Militanz seitens eines Teils der irischen Bevölkerung. Offenbar wollen Teile der mittleren und unteren Schichten nicht mehr hinnehmen, daß sie allein die Kosten für die Bankenrettung bezahlen und die negativen Folgen der Austeritätspolitik der Zentralregierung in Dublin - Steuererhöhungen, Kürzungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales - tragen sollen. Glauben Sie, daß diese Radikalisierung zu einer Veränderung der politischen Landschaft in Irland führen wird?

JC: Auf alle Fälle. Die meisten Menschen, die in den letzten Monaten landauf, landab auf die Straße gehen, um die Installation von Wasserzählern in ihren Siedlungen zu verhindern, haben noch niemals an einer politischen Kundgebung teilgenommen. Die drastische Kürzungspolitik der Regierung hat viele von ihnen erstmals mit der häßlichen Seite des kapitalistischen Systems konfrontiert. Für die Krisenanalyse von Gruppen wie der Workers Solidarity Movement sind die Leute inzwischen viel offener, denn sie erscheint ihnen nicht mehr "radikal", sondern im Gegenteil konsequent und durchdacht.


Das schwarz-rot-weiße Logo von An Spréach - Housing Action Committee - Foto: © 2015 by An Spréach


SB: Gegenüber dem Schattenblick hat Aisling Hedderman von der North Dublin Bay Housing Crisis Community von ihrem Eindruck berichtet, die Vertreter der linken politischen Fraktionen im Parlament wie Sinn Féin und der Socialist Party hätten sich beeilt, sich an die Spitze der Anti-Wasser-Gebühren-Protestbewegung zu stellen. Im Vergleich dazu sei deren Unterstützung für diejenigen, die gegen das viel dringlichere Problem Obdachlosigkeit und Wohnungsnot protestieren, eher mäßig. Stimmen Sie der Einschätzung von Frau Hedderman zu?

JC: Ich kann das nur bestätigen. Viele Basisgruppen auf der Gemeindeebene in Dublin, welche die Wohnungsproblematik thematisierten, mußten vor rund einem Jahr erleben, wie die linken Kommunalpolitiker, auf deren Unterstützung sie zählten, plötzlich kaum mehr ansprechbar waren, weil sie sich so sehr in die Anti-Wasserzähler-Proteste involvierten.

SB: Nach der Verabschiedung der Homo-Ehe per Volksbefragung hat die Regierung über die Medien ihre Absicht bekundet, die positive öffentliche Resonanz auf das Ergebnis zu nutzen, um ein Bild der gesellschaftlichen Harmonie in Irland zu erzeugen und die anhaltenden Wasserproteste als Werk einer Minderheit linker "Radikalinskis" darzustellen. Wie wahrscheinlich ist es, daß es Politik und Medien gelingen wird, einen Keil zwischen die bessersituierten Teile der linksliberalen Intelligenz in Irland, die sich für die gleichgeschlechtliche Ehe sehr stark gemacht hat, und diejenigen Basisgruppen in den Arbeitervierteln, die gegen soziale und wirtschaftliche Benachteiligung auf die Barrikaden gehen, zu treiben?

JC: Ein Teil der Aktivisten aus der Kampagne für die Homoehe wird sich zweifelsohne mit dem für sie positiven Ausgang der Volksbefragung zufriedengeben. Ich hoffe aber, daß es nur ein kleiner Teil ist. Dessen ungeachtet gehe ich fest davon aus, daß bei den bevorstehenden Parlamentswahlen die nationalkonservative Fine Gael und die sozialdemokratische Labour Party keine Mehrheit zur Fortsetzung ihrer derzeitigen Regierungskoalition bekommen werden. Aktuell ist schwer zu sagen, wer die neue Regierung bilden wird. Die beiden traditionell stärksten Parteien Irlands, Fine Gael und Fianna Fáil, könnten sich zur Bildung einer Großen Koalition gezwungen sehen. Aufgrund der allgemeinen Politikverdrossenheit ist auf jeden Fall mit einem deutlichen Anstieg der linken, parteiabhängigen Abgeordneten zu rechnen. Von daher wäre vielleicht eine eher linksgerichtete Regierung unter Beteiligung von Sinn Féin möglich.


Außenfassade des ehemaligen Neary's Hotel, das bessere Tage gesehen hat - Foto: © 2015 by Schattenblick

Der Barricade Inn, nur einen Steinwurf weit von Dublins Prachtboulevard O'Connell Street entfernt
Foto: © 2015 by Schattenblick

SB: Welche Rolle spielt der Barricade Inn in der anarchistischen Hausbesetzerszene Dublins?

JC: Er stellt einen Freiraum dar, wo sich die verschiedenen Gruppen und Initiativen treffen, Ideen austauschen und öffentliche Veranstaltungen durchführen können. Es finden hier Konzerte, Vorlesungen und Diskussionsabende statt. Es gibt auch eine Werkstatt, wo Fahrräder repariert und Leute die Reparatur lernen können. Jeden Mittwoch halten wir einen Informationsabend zum Thema Hausbesetzung ab. Da berichten wir von den eigenen Erfahrungen und geben Interessierten praktische Tipps, wie sie ein Objekt besetzen und bewohnbar machen sowie sich juristisch gegen die zu erwartende Räumungsklage wappnen können.

SB: Wie viele Häuser werden derzeit in Dublin besetzt?

JC: Die genaue Zahl der Objekte weiß ich nicht. Es müssen aber rund 50 Leute sein, die in Wohnungen und Häusern leben, die sie eigenhändig besetzt haben. Nach meinem Eindruck nimmt das Phänomen zu. Allein letzte Woche wurden vier vergitterte Wohnungen aufgemacht, und es zogen dort Leute ein. Gerade heute morgen wurde eine dieser Wohnungen, die an der North Circular Road liegt, zwangsgeräumt. Von der Politik begleitet, haben die Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, die vom Hausbesitzer engagiert wurde, in den frühen Morgenstunden die Haustüren mit Brecheisen und schweren Hämmern eingeschlagen, sich Eintritt verschafft und mit Gewalt die Menschen, die drin schliefen, nach draußen geschafft.

SB: Ist so etwas nicht illegal?

JC: Natürlich ist es das. Eigentlich müßte der Eigentümer vor Gericht eine Räumungsverfügung erwirken, die er oder sein Anwalt den Hausbesetzern dann vorlegt. Viele Immobilienbesitzer wollen sich einen solchen Aufwand und die dazugehörigen Kosten sparen und entscheiden sich statt dessen für eine ungesetzliche Nacht-und-Nebel-Aktion. Sie setzen auf die Macht des Stärkeren und können davon ausgehen, daß die Justiz, in diesem Fall die Polizei, ein Auge zudrückt bzw. für einen reibungslosen Ablauf sorgt.


An der Eingangstür das politisch symbolträchtige Logo des Barricade Inn - Foto: © 2015 by Schattenblick

Der Barricade Inn bekennt sich zum Anarchismus
Foto: © 2015 by Schattenblick

SB: Und wie steht es um den Barricade Inn?

JC: In der ersten Woche nach der Besetzung kam die Polizei vorbei und wollte rein. Die Tür war aber gut verriegelt, und die Beamten kamen nicht hinein. Nach einer halben Stunde Klopfens, Tretens und Rufens zogen sie unverrichteter Dinge davon. Das gleiche passierte dem Hausmeister wenige Tage danach. Da kein Verbrechen vorliegt, ist die Hausbesetzung ein Fall für die zivilen Gerichte. Dort müßte eine Verfügung erwirkt werden. Doch derzeit ist unklar, wem das Gebäude gehört. Soweit ich informiert bin, starb der frühere Besitzer ohne Erbe, weshalb seine früheren Anwälte Besitzansprüche angemeldet haben und das Objekt einsacken wollen. Da müssen wir sehen, ob ihnen das gelingt. Jedenfalls kann die Klärung der Eigentumsverhältnisse dauern. Solange bleiben wir natürlich drin.

SB: Herzlichen Dank, Herr Conlon, für das Gespräch.


Neoklassische Säulenfassade der Bank of Ireland am College Green, Dublin - Foto: © 2015 by Schattenblick

Das ursprüngliche Irische Parlament - seit 1803 von der Bank of Ireland besetzt
Foto: © 2015 by Schattenblick

Fußnote:

[1] "Meanwhile, on Bolton Street", Broadsheet.ie, July 8, 2015, 8:44AM
http://www.broadsheet.ie/2015/07/08/meanwhile-on-bolton-street/

Bisherige Beiträge zur irischen Protestwelle im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → EUROPOOL → REPORT:

BERICHT/015: Irlands neuer Widerstand - Alte Nöte, junger Kampf (SB)
INTERVIEW/035: Irlands neuer Widerstand - dem Kapitalvampirismus ein Ende bereiten ...    Michael Taft im Gespräch (SB)
INTERVIEW/036: Irlands neuer Widerstand - Widerstand der Zukunft ...    Mick Wallace im Gespräch (SB)
INTERVIEW/037: Irlands neuer Widerstand - Wer sich notbewegt politisch regt ...    Aisling Hedderman im Gespräch (SB)

25. Juli 2015


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