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AGRAR/1447: Kritik am Milchpaket (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 343 - April 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Kritik am Milchpaket

Der Änderungsvorschlag des Parlaments zum EU-Milchpaket schränkt die Bündelung von Milcherzeugern ein


Die Situation der Milchbauern hat sich nicht deutlich verbessert, auch wenn sie momentan nur selten mit spektakulären Aktionen in den Medien sind. Der Zusammenhalt, den der gemeinsame Milchstreik gebracht hat, besteht weiter. Vor allem in regionalen Initiativen versuchen Bauern sich zusammenzuschließen, um bessere Verhandlungspositionen gegenüber den Molkereien zu erlangen. In Brüssel wird ein Milchpaket diskutiert, dass den Bauern zunehmend weniger Möglichkeiten zur Bündelung gestatten soll. Auf der Milchtagung in Hardehausen wurden die aktuellen politischen Entwicklungen sowie die Bedeutung von Erzeugergemeinschaften diskutiert und praktische Erfahrungen ausgetauscht. Die Milchpolitik bleibt auch weiterhin ein bedeutendes Aufgabenfeld im Kampf um bäuerLiche Kultur und Unabhängigkeit.


Warum kritisieren europäische Milcherzeuger den Änderungsvorschlag des Parlaments zum Milchpaket der EU-Kommission? Die EU-Kommission will in ihrem "Milchpaket" die Bündelung von Milcherzeugern in der EU stärken - wenn auch mit engen Grenzen. Der hierzu kürzlich veröffentlichte Änderungsvorschlag des Parlamentsabgeordneten James Nicholson schränkt die Bündelung von Milcherzeugern jedoch wieder ein und weicht einige Vorgaben für Genossenschaftsmolkereien auf. So heißt es im Kommissionsbericht, dass Erzeugergemeinschaften für ihre Landwirte die Lieferverträge mit den Molkereien aushandeln können. Mitglieder von Molkereigenossenschaften können allerdings vom Recht ausgeschlossen werden, von Erzeugergemeinschaften bei den Vertragsverhandlungen vertreten zu werden, da die Interessen der Erzeuger in Genossenschaften selbst schon genügend beachtet würden, so die Begründung der Kommission. In dem Vorschlag des Briten Nicholson heißt es dazu: "die Genossenschaftsbewegung (ist) eine Art der wirtschaftlichen Organisation unter der Leitung der Milcherzeuger selbst (...), an der die Milcherzeuger auf freiwilliger Basis mitwirken." Das stößt beim europäischen Verband der Milcherzeuger (EMB) auf große Empörung. In einer Stellungnahme der Milcherzeuger zu den Änderungsvorschlägen Nicholsons warnt das EMB vor einer Sonderstellung der Genossenschaften, da ein Großteil der Genossenschaften nicht wie theoretisch angedacht, die Interessen der Erzeuger vertrete. "Wenn man Genossenschaften eine Sonderstellung gibt, weil man fälschlicherweise annimmt, hier seien die Erzeuger besser gestellt, dann verbessert man nichts an der schwachen Position [der Milcherzeuger Anm. d. R.]", so das EMB. Das sei besonders deshalb fatal, da 58 Prozent der euröpäischen Milchmenge in Molkereigenossenschaften verarbeitet werde.


Zu niedrige Grenzen

Der Parlamentsabgeordnete will zudem die Grenze für eine nationale Erzeugerbündelung auf 20 Prozent setzen, statt sie bei den vorgeschlagenen 33 Prozent der EU-Kommission zu belassen. Unangetastet lässt Nicholson dagegen die EU-weite Obergrenze der Bündelung von 3,5 Prozent der europäischen Milchproduktion. Die europäischen Milcherzeuger kritisieren beide Vorschläge. Das EMB fordert ein Anheben der Grenze einer EU-weiten Bündelung auf 30 Prozent. National dürfe es hingegen gar keine Begrenzung geben. Eine Bündelungsgrenze für Genossenschaften ist in keinem der beiden Vorschläge enthalten. Fusionen von Milchgiganten wie beispielsweise vor Kurzem Nordmilch und Humana steht somit auch weiterhin Nichts im Wege. Das Milchpaket sieht vor, dass jeder EU-Mitgliedsstaat selbst entscheiden soll, ob Molkereien mit ihren Lieferanten Verträge abschließen müssen. Die Verträge müssen bestimmte von der Kommission festgelegte Bedingungen wie Angaben zum Milchpreis, Liefermenge und -zeitplan sowie Vertragsdauer enthalten. Genossenschaften sollen entgegen den nationalen Beschlüssen auf Verträge mit Milcherzeugern verzichten dürfen, wenn "deren Satzung Bestimmungen enthält, mit denen eine ähnliche Wirkung erzielt wird" wie die von der Kommission festgelegten. Der Änderungsvorschlag von Nicholson weicht zudem den Beschluss zu Gunsten der Molkereien weiter auf: "Selbst wenn ein Mitgliedsstaat beschlossen hat, Verträge für die Milchwirtschaft nicht zwingend vorzuschreiben, kann eine Erzeugerorganisation oder ein Landwirt einen Vertrag verlangen [...] .Unter solchen Umständen kann die Molkerei entweder den Vertrag akzeptieren oder die Milchlieferung ablehnen." Dies trifft auf besonderes Missfallen des EMB. "Ein Milcherzeuger ist überhaupt nicht in der Lage, einen Vertrag durchzusetzen, wenn die Molkerei das Recht hat, ihn zurück zuweisen", so der Verband. Das EMB fordert, dass Verträge obligatorisch für jeden Mitgliedsstaat, jeden Erzeuger und jeden Verarbeiter sein sollen. Zudem soll als Grundlage zur Ermittlung und Durchsetzung fairer Preise eine Monitoringstelle auf EU-Ebene errichtet werden.


Transparenz für Milcherzeuger

Von Seiten der Milcherzeuger kommt aber auch Zustimmung zu den Änderungsvorschlägen. Als notwendigen Paragraph sieht der Verband den Vorschlag von Nicholson an, die gesamte Milcherzeugung und das gesamte Milchangebot der EU genau zu bestimmen, um die Transparenz zu Gunsten aller Akteure der Milchversorgungskette zu erhöhen. Zu diesem Zwecke sollen rohmilchverarbeitende Betriebe den zuständigen nationalen Behörden für jeden Monat die Rohmilchmengen angeben, die ihnen geliefert wurden", so die Gesetzesvorschläge von Kommission und Nicholson. In seinem Änderungsvorschlag fordert der parlamentarische Abgeordnete eine verstärkte Unterstützung von Innovation, Forschung und Entwicklung in der Milchwirtschaft, "um das Potenzial von Milch und Milcherzeugnissen voll auszuschöpfen". EU weit und in Drittstaaten sollen zudem Werbemaßnahmen für Milch und -produkte durchgeführt werden, um den Verbrauch von Milchprodukten zu steigern, so der Parlamentarier. Das EMB weist darauf hin, dass Innovation und Forschung nicht unwichtig sind, jedoch nicht zur Lösung der Probleme auf dem Milchmarkt beitragen. "Der Bericht sollte sich auf die benötigten strukturellen Änderungen konzentrieren", so das EMB. Der Verband hat Änderungsvorschläge zu dem parlamentarischen Berichtsentwurf erarbeitet und die eigenen Vorschläge für eine Reform des Milchmarktes den zuständigen Parlamentariern übergeben. Die endgültige Abstimmung über das Milchpaket wird voraussichtlich im Juni sein. (mh)


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 343 - April 2011, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2011