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AGRAR/1645: Landkonzentration im Blick - Studie zum Landgrabbing (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 390 - Juli/August 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Landkonzentration im Blick
EU-Studie zum Landgrabbing in Europa

Von Christine Weißenberg


Es sind Zahlen, die aufhorchen lassen und doch schon länger bekannt sind: In der EU sind 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Hand der knapp drei Prozent flächenstärksten Betriebe. Veröffentlicht wurden die Daten aus dem Jahr 2010 aktuell in einer englischsprachigen Studie zum "Ausmaß des Landgrabbing in der EU", die vom Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des EU-Parlamentes beauftragt wurde. Die AutorInnen weisen zur Verdeutlichung darauf hin, dass "das Maß der Ungleichverteilung von Land in der EU gleich oder sogar höher ist als in Ländern, die bekannt sind für höchst ungleiche Verteilungsmuster wie Brasilien, Kolumbien und die Philippinen". In hohem Maß an sich schon problematisch, sind Landkonzentrationsprozesse nach Erkenntnissen aus der Studie zudem wesentlich mit dem Phänomen des Landgrabbings, dem großflächigen Aufkauf von Land, verknüpft, weil sie diesem vielfach vorausgehen. Beidem wird politische Bedeutung zugemessen, weil ähnliche negative Wirkungen festzustellen sind, insbesondere auf die Ernährungssicherung bzw. -souveränität, auf Arbeitsplätze und Dynamik im ländlichen Raum sowie auf die ökologische Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung.

Deutschland als Ziel und Akteur

In Deutschland konzentrieren sich 55,1 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Hand der 11,2 Prozent größten Betriebe. Als prominentes Beispiel für großflächigen Landbesitz in Deutschland ist in der Studie das Landwirtschaftsunternehmen KTG Agrar mit Geschäftssitz in Hamburg und 45.000 Hektar in Ostdeutschland und Litauen aufgeführt. Umfassender noch sind die von Deutschland ausgehenden Landkäufe. Nach Informationen aus der Land-Matrix-Datenbank der International Land Coalition wurden seit März 2015 in Litauen 8.000 Hektar und in Rumänien 4.700 Hektar aufgekauft. Hinzu kommt zum Teil eine deutsche Beteiligung über Fonds oder Aktivitäten von Unternehmenstöchtern oder -beteiligungen in anderen Ländern. Deutlich wird, dass die stärkste Landkonzentration in osteuropäischen Ländern zu verzeichnen ist. Dies wird auf die Privatisierungsprozesse nach dem Ende der Sowjetunion zurückgeführt, die "dualistische Agrarstrukturen hervorgebracht haben, in denen Landnutzung sowohl höchst konzentriert als auch höchst kleinteilig stattfindet". Gerade auch in Ostdeutschland wurde nicht nur die historische Chance nach dem Mauerfall verpasst, die durch Kollektivierung geschaffenen Großstrukturen aufzulösen. Diese wurden politisch bewusst beibehalten und durch eine einseitig auf Großbetriebe ausgerichtete Vergabepraxis bei der Privatisierung des entstandenen staatlichen Landbesitzes noch weiter fortgeführt.

Land als Ressource managen

Im Interesse einer breiteren Eigentumsstreuung und des Erhalts von weniger kapitalintensiven Klein- und Familienbetrieben regen die Studienautoren an, von der reinen Betrachtung von Land als handelbares, zum Finanzkräftigsten wanderndes Gut zu einem gemeinsam geregelten Umgang mit einer endlichen natürlichen Ressource überzugehen. Als Grundlage könnten die menschenrechtsbasierten UN-Leitlinien zu Landnutzungsrechten dienen. Weiterhin werden Anpassungen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik angemahnt, um bestehende Anreize für Konzentrationsprozesse zu verhindern: Kappung der Direktzahlungen, um den linear ansteigenden Kapitalzufluss zu verhindern, sowie die volle Ausschöpfung der Aufschlagsmöglichkeit für die ersten Hektare, um die vorhandenen kleinen Strukturen stärker zu unterstützen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 390 - Juli/August 2015, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2015

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