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AUSSENHANDEL/244: Abkommen zwischen der EU und Kanada ist Vorreiter für TTIP (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 379 - Juli/August 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Abkommen EU - Kanada ist Vorreiter für TTIP
Noch vor dem geplanten Abkommen zwischen EU und USA (TTIP) soll ein Vertrag mit Kanada ratifiziert werden

von Berit Thomsen
AbL, internationale Agrarpolitik



Schon auf den ersten Blick gibt es Parallelen zwischen TTIP und CETA. TTIP ist die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und den USA. Hinter CETA verbirgt sich ein europäisch-kanadisches Handelsabkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement). Beide haben gemeinsam, dass sie auf einem geheimen Verhandlungsmandat basieren und von der EU-Kommission verhandelt werden. Einige wenige EU-Politiker werden von der EU-Kommission zwar informiert, aber die schriftlichen Texte bleiben auch ihnen versagt und gelangen schon gar nicht an die Öffentlichkeit. Diese Geheimhaltung endet erst, wenn es zur Abstimmung im EU-Parlament und EU-Rat kommt. Da es sich vermutlich um sogenannte gemischte Abkommen handeln wird, also die Inhalte über Handelsfragen hinausgehen und die Kompetenzen der Mitgliedstaaten betreffen, müssen diese auch darüber abstimmen. In Deutschland sind es der Bundesrat und der Bundestag. Änderungsmöglichkeiten in den Verhandlungstexten sind nicht mehr vorgesehen. Ein großer Unterschied der beiden Abkommen ist, dass das EU-Kanada Abkommen noch wenig wahrgenommen wird, während auf TTIP so viel öffentliches Licht strahlt, dass die Befürworter langsam unruhig werden, ob sie dieses Abkommen in der von ihnen anvisierten Weise überhaupt noch durch bekommen können.


Hebel für Standardabbau

Im Kern beider Abkommen soll es, neben einer Senkung der letzten wenigen Zölle, vor allem um eine Harmonisierung der unterschiedlichen Standards gehen. So gibt es in den USA und auch in Kanada deutlich laschere Gentechnikgesetze. Auch ist in beiden Ländern die Mast mit Wachstumshormonen gängige Praxis. Solch konkrete Themen finden sich natürlich nicht in den bisher durchgesickerten Texten. Deshalb fällt es vielen Befürworten der Abkommen leicht, beschwichtigende Aussagen zu treffen: "Wir werden doch unser Gentechnikgesetz nicht ändern." Auf den ersten Blick stimmt das sogar, aber es sollen Hebel in diesen Abkommen installiert werden, die so etwas in Zukunft möglich machen können. Die wesentlichen Anmerkungen verstecken sich in den Kapiteln Investorenschutz und in dem über die Regulatorische Kooperation. Der Investorenschutz, der sowohl in einem durchgesickerten CETA-Entwurf vom November 2013 vorhanden ist, als auch im TTIP-Verhandlungsmandat, ermöglicht Konzernen ihr Gastland vor privaten und nicht öffentlichen Schiedsgerichten zu verklagen, wenn ihnen Gewinne, etwa durch neue Umwelt- oder Landwirtschaftsgesetze, entgangen sind. Die Regulatorische Kooperation ist eine Art Gremium, in dem die Verhandlungspartner sich im jeweiligen Vertragsland einbringen können, um vorab über "unnötige" Standards ihre Anmerkungen einzubringen. Auch diese Prozesse sollen dann außerhalb der Parlamente stattfinden, bzw. den Parlamenten vorgeschaltet werden. Bernd Voß, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, sagt: "Am prominentesten ist die Standardangleichung für Blinker und Außenspiegel im US-Automobilhandel. Aber das ist überhaupt nicht entscheidend. Vielmehr verfolgen die Konzerne ernsthafte Standardaufweichungen. Es sollen zwei völlig unterschiedliche Kulturen und Systeme gegeneinander ausgespielt werden. Dafür steht das viel diskutierte Chlorhuhn als Symbol. Diese Produktqualität soll gegen die Prozessqualität in Europa eingetauscht werden." In den USA und in Kanada werden Geflügelschlachtkörper zur Desinfektion in Chlor oder andere chemische Bäder getaucht. Sowohl der Investitionsschutz als auch die Regulatorische Kooperation werden Hebel sein, mit denen Konzerne sowohl in den USA und in Kanada als auch in der EU außerhalb unserer Gesetze und Parlamente ihre Interessen einbringen können.


Falsche Versprechungen für Wirtschaft

Immer wieder preisen Befürworter und Verbandsfunktionäre die Vorteile solcher Abkommen für die Wirtschaft und selbst für kleinere Unternehmen an. Kommen aber die mittelständischen Unternehmen wie in einer jüngsten Umfrage der Commerzbank "Vorsicht versus Visionen: Investitionsstrategien im Mittelstand" selbst zu Wort, fällt das Urteil ganz anders aus. Gerade mal 15 Prozent der befragten Mittelständler erwarten ein positives Geschäftspotential. Die Umfragen wurden zwischen November 2013 und Januar 2014 durchgeführt und mehr als die Hälfte der 4.025 befragten Unternehmen werden dem sogenannten kleinen Mittelstand zugeordnet, also Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 2,5 bis 12,5 Millionen Euro. Elisabeth Waizenegger, Milchbäuerin im bayrischen Allgäu, sagt zu den Auswirkungen auf die Landwirtschaft: "Das Unheimliche an diesem Abkommen ist die Gefahr, dass Transparenz und Entscheidungsfreiheit für uns Bäuerinnen und Bauern verloren gehen. Wir können dann nicht mehr selbst entscheiden, ob wir etwa Gentechnik oder Klontiere einsetzen wollen oder nicht. Genauso wenig kann auch der Verbraucher noch entscheiden, was er essen will oder nicht," so die fünffache Mutter. "Das ist in meinen Augen keine verantwortungsvolle und damit keine zukunftsfähige Landwirtschaft." Mittlerweile organisieren sich 61 Verbände und Organisationen in dem bundesweiten Bündnis "TTIP Unfairhandelbar", das von der AbL mitgegründet wurde. Auf der Homepage gibt es eine Liste mit Referenten zum Thema, für eigene Veranstaltungen oder Hinweise zu anstehenden Aktivitäten und Aktionen im Bündnis. Mitmachen. Widerstand leisten. TTIP und CETA stoppen.

Mehr Infos zu Aktivitäten:
www.ttip-unfairhandelbar.de

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 379 - Juli/August 2014, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2014