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BERICHT/150: Jugendpolitische Orientierung in den 1980er Jahren (spw)


spw - Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 1/2008 - Heft 161

Anspruchsvoll und offensiv
Die jugendpolitische Orientierung in den 1980er Jahren

Von Reinhold Rünker


Als ich 1981 zu den Jusos kam, war ich wie so viele meiner Generation geprägt von der Friedensbewegung und dem Gestaltungsoptimismus der 1970er Jahre. Trotz "Ölkrise" und "Sparhaushalte der SPD/FDP-Regierung" - und in der Hauptschule hatten wir sogar bereits den Begriff "Massenarbeitslosigkeit" kennen gelernt - schien uns ein lang anhaltender ökonomischer Abschwung weit entfernt. Wir glaubten noch daran, den vorhandenen gesellschaftlichen Reichtum umverteilen zu können, auch wenn die aufziehende neokonservative Hegemonie, das Ende der sozialliberalen Regierung 1982 und die neuen "globalen Menschheitsfragen" (Frieden, Umwelt, Entwicklung) Anlass zur Skepsis gaben.

Mitte der 1980er Jahre hatten wir begriffen, dass die neue politische Mehrheit kein "politischer Betriebsunfall" war, sondern die Reaktion auf gesellschaftliche Veränderung in der ökonomischen und sozialen Struktur des Kapitalismus. Die Sozialstaatsentwicklung hatte neue Entwicklungsperspektiven gerade für unsere Generation eröffnet. Die "68er" hatten durch ihren Protest Räume geschaffen, die wir nun gestalten wollten. Mit der "jugendpolitischen Orientierung" wollten wir deshalb nicht nur einen "Abwehrkampf" gegen den neokonservativen Sozialabbau führen, sondern unsere eigenen Ansprüche an die gesellschaftlichen Möglichkeiten geltend machen. Klar schien uns zudem, dass die Entscheidung darüber, wie eine künftige Gesellschaft aussehen wird, sich in großem Maße darüber bestimmt, inwieweit Jugendliche selbst zu den Trägern dieser gesellschaftlichen Veränderungen werden. Dazu war es erforderlich, eigene Interessen "als Jugend" zu formulieren und diese in politischen Auseinandersetzungen zu profilieren.

Verbandspolitisch hatte das u.a. zur Folge, dass 1987 mit dem "Zukunftsaktionsprogramm" eine programmatische Zuspitzung auf jugendpolitische Themen erfolgte und nicht nur das Bündnis mit der Gewerkschaftsjugend gesucht werden sollte. Hinzu kam die ambitionierte Komponente, den Umbruch in der Jugendphase auch kapitalismustheoretisch einzuordnen: Die Debatte der marxistisch inspirierten "Regulationsschule" über das Ende des Fordismus, die Arbeiten zur Hegemonie und Klassenstruktur von Gramsci über Bourdieu bis Oertzen/Vester haben zumindest mich sehr stark geprägt. Die Diskussionen mündeten schließlich in die "53 Thesen für einen Modernen Sozialismus", die 1989 im spw-Verlag erschienen sind.

Methodisch wurde bei den Jusos jetzt stärker auf "Projektarbeit" und die Konzentration auf wenige, dafür aber mobilisierungsfähige Themen gesetzt. Die Akzeptanz, dass sich auch die öffentliche Wahrnehmung politischer Arbeit verändert hatte, mündete in den 1990er Jahren in die Weiterentwicklung der jugendpolitischen Orientierung zur Kampagnenorientierung.

Reinhold Rünker, geb. 1964, Bankkaufmann und Historiker war von 1986 bis 1991 Mitglied im Juso-Bezirksvorstand Westliches Westfalen und 1991 bis 1995 im Juso-Bundesvorstand. Heute ist er u.a. spw-Chefredakteur und lebt in Leichlingen.


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Quelle:
spw - Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 1/2008, Heft 161, Seite 21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Februar 2008