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LÄNDER/125: Sachsen - Otto Victor Fürst zu Schönburg (LTK)


Landtags Kurier Freistaat Sachsen 6/07
Parlamentsgeschichte

Otto Victor Fürst zu Schönburg


Sächsische Landstände am Ende der Frühen Neuzeit

Über die frühneuzeitlichen Ständeversammlungen Sachsens haben Historiker seit dem 19. Jahrhundert eine Anzahl von Studien vorgelegt. Sämtliche Arbeiten erfassen die Rolle der Landtage allerdings als Gesamtheit oder rapportieren Konflikte zwischen den Gremien der sächsischen Landesversammlungen. Die Mitglieder dieser Parlamente, die Akteure auf den Ständeversammlungen, sind bislang wenig beachtet worden. Ihre Biographien stellen aber einen wichtigen Hintergrund für das Verständnis der vormodernen Landtage dar. Der "Landtagskurier Freistaat Sachsen" wird deshalb in der Rubrik "Parlamentsgeschichte" mehrere Personen aus den Gremien der Prälaten, Grafen und Herren, der Ritterschaft und der Städte porträtieren, um ein Spektrum der Landstände aufzuzeigen. Die gewählten Beispiele entstammen der Spätzeit der Ständeversammlung zwischen dem Ende des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1763 und der ersten konstitutionellen Verfassung Sachsens im Jahre 1831.


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Otto Victor I. Fürst von Schönburg-Waldenburg war der Sohn eines lebensfrohen und kunstsinnigen Vaters, des Grafen Otto Carl Friedrich von Schönburg-Waldenburg, und einer pietistisch ernsten und pflichtbewussten Mutter, der Henriette Eleonore Elisabeth von Reuss. Das Elternpaar gehörte seiner Herkunft nach zum Hochadel, was in den Kreisen der kleineren thüringisch-sächsischen Grafen- und Herrenhäuser, die ehemals nur den deutschen König als übergeordneten Fürsten akzeptieren mussten, nicht die Regel war. Für die Schönburger, die sich in der Frühen Neuzeit lange Zeit schwerer taten als die anderen standesherrlichen Familien ihrer Region, den Grafentitel zu erlangen und eine höfische Repräsentation aufzubauen, bedeutete es einen erheblichen Statusgewinn, dass Graf Otto Carl Friedrich von Schönburg in der Lage war, die Erhebung seines Familienzweiges in den Reichsfürstenstand zu finanzieren. Die Glauchauer Linie des Gesamthauses konnte diesen Aufstieg nicht mitvollziehen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Standeserhöhung zum Fürsten lag darin, dass dem Grafen Otto Carl Friedrich von Schönburg durch einen glücklichen Erbfall die erzgebirgische Herrschaft Hartenstein zusätzlich zu seinen ohnehin vorhandenen Besitzungen zugefallen war. Er sicherte diese Basis für ein fürstliches Leben durch ein Fideikommiss, das die wesentlichen Bestandteile des Vermögens dem ältesten Sohn der Familie vorbehielt und die übrigen Kinder lediglich abfand. Die Waldenburger Hofhaltung bemühte sich zwar darum, den Glanz der im Jahre 1790 erworbenen Fürstenwürde durch Bauten und Gartenanlagen sichtbar zu machen. Sie blieb aber auf striktes Haushalten angewiesen. Bedienstete für die Herrschaft wählte man beispielsweise so aus, dass sie zugleich in der Hofkapelle als Musiker verwendbar waren. Für einen hochkarätigen Instrumentalisten oder Sänger kam eine derartige Anstellung selbstverständlich nicht infrage.

Die herkömmliche Stellung des Hauses Schönburg unter den Grafengeschlechtern ihrer Region spiegelte sich auch auf den kursächsischen Landtagen. Zwar gehörten sie wegen ihrer ehemals reichsunmittelbaren Territorien zum Ersten Corpus der Ständeversammlung. Nach der hierarchischen Sitzordnung der Prälaten, Grafen und Herren stand ihnen aber lediglich der letzte Platz an der vornehmsten Tafel des Parlaments zu. Für ihre Rittergüter Penig, Remse, Rochsburg und Wechselburg, die Vasallengüter des sächsischen Kurfürsten waren, hatten sie das Recht, einen Deputierten in den Weiteren Ausschuss der Ritterschaft gleich auf dem ersten Sitz hinter dem Direktor und dessen Stellvertreter zu platzieren. Im Zweiten Corpus konnte das Haus Schönburg daher seine Stimme nicht im wichtigsten Gremium, dem Engeren Ausschuss der Ritterschaft, geltend machen. Die mediatisierten Hochadeligen nahmen in aller Regel ohnehin ihre Plätze in den frühneuzeitlichen Landtagsgremien Sachsens nicht persönlich ein, sondern nutzten ihr Recht, sich dort vertreten zu lassen. Das Haus Schönburg leistet sich aber bei vielen Ständeversammlungen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts keinen Deputierten, sondern entsandte ein Mitglied der Familie, um deren Rechte zu vertreten. Zum Landtag des Jahres 1831 nahm Fürst Otto Victor von Schönburg in dieser Funktion an den Beratungen der Prälaten, Grafen und Herren teil.

Er wurde als ältester Sohn des ersten Fürstenpaares Schönburg-Waldenburg am 1. März 1785 geboren. Seine Eltern hatten insgesamt neun Kinder. Als der Erb-Prinz 15 Jahre alt war, starb sein Vater. Wie seine Mutter neigte der nachrückende Fürst dem Pietismus zu und entwickelte frühzeitig ein Bewusstsein für seine Standeszugehörigkeit. Bis zu seiner Volljährigkeit regierte seine Mutter die Besitzungen des Waldenburger Fürstenhauses. Otto Victor von Schönburg wurde von Hauslehrern unterrichtet und bezog zum Wintersemester 1802 die Universität Leipzig. In Begleitung eines Hofmeisters, des Reiteroffiziers v. Rüdiger, unternahm er im Jahre 1804 eine Kavalierstour, die ihn aber nicht wie üblich durch Europa, sondern nur durch Deutschland und bis nach Zürich führte. Von Schönburg trat nämlich in die österreichische Armee ein, um am Koalitionskrieg gegen Frankreich teilzunehmen. Napoleons Siege nötigten den von Kursachsen mediatisierten Standesherrn bald, sich eine Zeit lang aus den Kämpfen zurückzuziehen. Er nahm jedoch seit Mitte November 1813 als sächsischer und später als preußischer Offizier wieder an den Befreiungskriegen teil. In der Schlacht von Waterloo erlitt er eine Fußverletzung, deren Folgen ihn bis an sein Lebensende behinderten. Als die Großmächte Europas auf dem Wiener Kongress die Landkarte der nachnapoleonischen Ära gestalteten, reisten Otto Victor und sein Bruder Alfred von Schönburg in die Residenz der Habsburger, um dort aufgrund ihres gesellschaftlichen Status Zugang zu den Verhandlungsführern zu suchen und für die Interessen ihres Hauses zu werben. Solche Antichambre-Diplomatie betrieben viele deutsche Standesherren. Dennoch hatten sie allesamt nur geringen Erfolg. Auch für die Schönburger blieb es dabei, dass sie als Standesherren zum Königreich Sachsen gehörten und nicht als Duodezfürsten restituiert wurden.

Nach seiner Rückkehr nach Waldenburg heiratete von Schönburg am 11. April 1817 die 22-jährige Prinzessin Thekla von Schwarzburg-Rudolstadt. Auch ihre Familie gehörte zu den gefürsteten thüringisch-sächsischen Reichsgrafengeschlechtern, die sich allerdings durch ihren Aufstieg in den Fürstenstand der Oberherrschaft der Wettiner erfolgreich entziehen konnten. Das Ehepaar hatte wie von Schönburgs Eltern in rascher Folge neun Kinder, von denen drei nicht das Erwachsenenalter erreichten. Schönburg verfolgte zielstrebig seine wirtschaftlichen Interessen, unterstützte als Patronatsherr der Kirchen in seinen Besitzungen die religiöse Erweckungsbewegung, die sich im Muldental herausgebildet hatte, und förderte karitative Stiftungen. Allerdings war diese Mildtätigkeit mit religiösem Missionseifer gekoppelt und kam nicht nur den Untertanen des Fürsten zugute. Er förderte beispielsweise auch das Raue Haus in Hamburg oder eine Missionsstation in Südafrika. Wenn der Fürst in seinen Besitzungen Krankenhäuser oder Hilfsfonds einrichtete, gab er ihnen die Namen von verstorbenen Mitgliedern seiner Familie. Derartige Widmungen sollten durch ihren guten Ruf zugleich die Treue der Untertanen zur Herrschaft legitimieren helfen. Die Zweckbindung der Freigiebigkeit wurde auch von den Zeitgenossen gesehen und mit anderen eigennützigen Praktiken in Zusammenhang gebracht. Als das Königreich Sachsen im Jahre 1834 dem Preußischen Zollverein beitrat, bestand das Haus Schönburg beispielsweise darauf, für seine Zollrechte entschädigt zu werden. Darüber kam eineinhalb Jahre später ein Übereinkommen zustande. Über die fortan sprudelnden Abfindungsgelder verfügte der Fürst. Er ließ zwar auch einen Teil davon den Untertanen zukommen, aber nach seinem Gutdünken. Zum ersten Mal kam von Schönburg im Oktober 1820 als 35-Jähriger zu einem kursächsischen Landtag. Er legitimierte sich aber nicht als Deputierter seiner Familie, sondern als Besitzer des Rittergutes Gauernitz im Meißner Kreis. Bei der folgenden Ständeversammlung des Jahres 1824 wählte ihn die Meißner Ritterschaft zu ihrem Direktor. Er präsidierte auch noch auf den Landtagen von 1830 und 1831 an der Tafel der Allgemeinen Ritterschaft des Meißner Kreises. Bei seiner ersten Landtagsteilnahme in Dresden wohnte er im vormaligen Palais Cosel, danach bevorzugte er das Hôtel de Pologne oder das Hôtel de Saxe, die in der Residenzstadt zu den vornehmsten Häusern gehörten. Vor diesem Hintergrund relativieren sich die in der Familienerinnerung tradierten Anekdoten über den frugalen Lebensstil Fürst von Schönburgs, denen zufolge er zum Essen Wasser und lediglich seine Frau ein Glas Wein trank.

Fürst von Schönburg gehörte als Bevollmächtigter der Schönburgischen Lehnsherrschaften Rochsburg, Wechselburg, Penig und Remissen auch der Ersten Kammer der konstitutionellen Landtage von 1833/34, 1839/40, 1845/46 und 1847 an. Ihre ehemals reichsunmittelbaren Gebiete, die Rezessherrschaften, ließ das Haus Schönburg nach 1831 immer durch einen Deputierten aus dem niederen Adel vertreten.

Am 5. April 1848 plünderten und verbrannten die Mitglieder einer Volksversammlung in Waldenburg das Schloss des Fürsten von Schönburg. Er selbst und seine Familie entflohen im letzten Augenblick vor der Verwüstung des Schlosses. Die Märzregierung verfolgte diese Ausschreitung als Delikt gegen das Eigentumsrecht. Motiviert waren die Unruhen vor allem durch die Unzufriedenheit über die Sonderrechte des paternalistisch-intransingenten Standesherren, der zwar karitativ war, aber starr auf seinen Privilegien beharrte. Dies stand sowohl den nationalstaatlichen als auch den egalitären und emanzipatorischen Bestrebungen der Märzrevolution entgegen. Wie auch in Südwestdeutschland fiel deshalb der Sturm gegen streng obrigkeitlich gesinnte Standesherren und ihre partikularistischen Vorstellungen besonders vehement aus.

Das Schloss in Waldenburg wurde in den Jahre 1853 bis 1859 im Stil der englischen Tudorgotik neu errichtet. Otto Victor verstarb allerdings am 16. Februar 1859 an einer Lungenentzündung, bevor er seinen Wiedereinzug in seine Residenz inszenieren konnte.


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Quelle:
Landtags-Kurier Freistaat Sachsen 6/2007, Seite 17-18
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2008