Schattenblick →INFOPOOL →GEISTESWISSENSCHAFTEN → GESCHICHTE

MELDUNG/126: Ausstellung zum "Generalplan Ost der Nationalsozialisten" in Polen (idw)


Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 17.04.2012

DFG zeigt Ausstellung zum "Generalplan Ost der Nationalsozialisten" in Polen

• Anstoß zur Aufarbeitung eines besonders schwierigen Kapitels der deutsch-polnischen Beziehungen
• Enge Kooperation mit Akademie der Wissenschaften und Institut für Nationales Gedenken



Eine Ausstellung der besonderen Art reist in den kommenden Monaten durch Polen. Unter dem Titel "Wissenschaft - Planung - Vertreibung" / "Nauka - Planowanie - Wypedzenia" erinnert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gemeinsam mit polnischen Partnern an den "Generalplan Ost" der Nationalsozialisten, der ab 1942 die "Germanisierung der Ostgebiete" wissenschaftlich untermauern und vorantreiben sollte und in Polen Millionen Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubt hätte. Die Ausstellung wurde am Dienstag, dem 17. April, in Warschau eröffnet, wo sie bis zum 30. Mai zu sehen ist. Weitere Stationen bis Anfang Oktober sind Lublin, Breslau, Posen und Danzig. Als Partner der DFG sind die Polnische Akademie der Wissenschaften (PAN) und das Institut für Nationales Gedenken (IPN) an dem Projekt beteiligt.

"Der Generalplan Ost ist ein besonders schwieriges Kapitel der deutsch-polnischen Beziehungen. Wir hoffen, mit unserer Ausstellung einen Anstoß geben zu können, damit dieses Kapitel gemeinsam aufgearbeitet und diskutiert werden kann", sagte der Präsident der DFG, Professor Matthias Kleiner, bei der Ausstellungseröffnung in Warschau in Anwesenheit zahlreicher Gäste aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft.

Der "Generalplan Ost" war 1942 von dem Berliner Agrarwissenschaftler Konrad Meyer erarbeitet und als Denkschrift an SS-Reichsführer Heinrich Himmler übergeben worden. Er sah vor, innerhalb der kommenden 25 Jahre fünf Millionen Deutsche im annektierten Polen und im eroberten Westteil der Sowjetunion anzusiedeln. Im Gegenzug sollten Millionen slawischer und jüdischer Bewohner dieser Regionen versklavt, vertrieben oder ermordet werden. Die DFG hatte die Erarbeitung dieses Plans als eines ihrer größten Einzelprojekte mit erheblichen finanziellen Mitteln gefördert. "Damit zeigt der Generalplan Ost, wie sehr sich die DFG und die ganze deutsche Wissenschaft in den Dienst des NS-Regimes gestellt hatten und wie eng Politik, akademische Forschung und Forschungsförderung miteinander verzahnt waren", hob DFG-Präsident Kleiner in Warschau hervor und fügte hinzu: "Die DFG trägt hier eine eigene Verantwortung."

Die Geschichte des "Generalplans Ost" wurde ab 2000 von einer unabhängigen Historikergruppe unter Leitung von Professor Rüdiger vom Bruch (Humboldt-Universität Berlin) und Professor Ulrich Herbert (Universität Freiburg) rekonstruiert. Sie war von der DFG eingesetzt worden, um die Entwicklung der größten deutschen Forschungsförderorganisation im Dritten Reich und im gesamten Zeitraum von 1920 bis 1970 zu untersuchen. Basierend auf den Arbeiten von Isabel Heinemann (heute Professorin an der Universität Münster), Sabine Schleiermacher (heute Privatdozentin an der Berliner Charité), Willi Oberkrome (heute Professor an der Universität Freiburg) und Patrick Wagner (heute Professor an der Universität Halle-Wittenberg) entstand die Ausstellung "Wissenschaft - Planung - Vertreibung: Der Generalplan Ost der Nationalsozialisten". Sie wurde ab 2006 in mehr als 20 deutschen Städten gezeigt, hauptsächlich an den großen Universitäten, aber auch in den KZ-Gedenkstätten Bergen-Belsen und Mittelbau-Dora. Für die Stationen in Polen wurden die Dokumente der Ausstellung nun ins Polnische übersetzt.

Noch vor zwanzig Jahren wäre es der DFG nicht in den Sinn gekommen, eine solche Ausstellung zu konzipieren, geschweige denn, sie in Polen zu zeigen, räumte der DFG-Präsident in Warschau ein. "Doch in den letzten zwanzig Jahren hat sich die europäische Welt, und mit ihr das deutsch-polnische Verhältnis, grundlegend verändert. Viele Kontakte sind in dieser Zeit entstanden und gewachsen, wirtschaftlich, kulturell, wissenschaftlich und politisch. Wir sind heute enge Partner in der Europäischen Union. Das alles hat auch Wirkungen darauf, wie wir uns wechselseitig wahrnehmen", so Kleiner.

Die Initiative dazu, die Ausstellung in Polen zu zeigen, ging vom Präsidenten der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Professor Michal Kleiber, aus. "Wir haben diese Einladung sehr gerne angenommen und sind uns ihrer besonderen Bedeutung bewusst", betonte der DFG-Präsident und dankte seinem PAN-Amtskollegen sowie Dr. Lukasz Kaminski, dem Präsidenten des Instituts für Nationales Gedenken, das als zweiter polnischer Partner mitwirkt und unter anderem seine Warschauer Räume für die Ausstellung zur Verfügung stellt.

Die Schirmherrschaft über die Polen-Reise der DFG-Ausstellung haben Bundestagspräsident Professor Norbert Lammert und seine polnische Amtskollegin, Sejmmarschallin Eva Kopacz, übernommen. An der Eröffnung nahmen auf deutscher Seite Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und auf polnischer Seite der stellvertretende Sejmmarschall Eugeniusz Grzeszczak sowie Abgeordnete aus beiden Ländern teil.

Ausführliche Informationen zur Ausstellung sowie der Katalog und weitere Dokumente und Informationsmaterialien in deutscher und teilweise auch polnischer Sprache finden sich unter:
http://www.dfg.de/dfg_magazin/wissenschaft_oeffentlichkeit/ausstellungen_veranstaltungen/generalplan_ost/index.html

Weitere Informationen unter:
http://www.dfg.de/dfg_magazin/wissenschaft_oeffentlichkeit/ausstellungen_veranstaltungen/generalplan_ost/index.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution306

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Marco Finetti, 17.04.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012