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MEMORIAL/072: April 1948 - Italiens Christdemokraten erzielen Wahlsieg von 48,5 Prozent (Gerhard Feldbauer)


April 1948: Italiens Christdemokraten erzielen im Klima des kalten Krieges Wahlsieg von 48,5 Prozent

von Gerhard Feldbauer, 16. April 2013



Am 18. April 1948 fanden in Italien nach Kriegsende die ersten regulären Parlamentswahlen der Republik statt. Nach einer im Klima des Kalten Krieges geführten hemmungslosen antikommunistischen Hetzkampagne erreichte die führende Regierungspartei Democrazia Cristiana (DC) mit massiver Hilfe aus Washington mit 45,5 Prozent einen überragenden Wahlsieg. In der einsetzenden Blockkonfrontation ging es den USA darum, sich Italien als Einflusssphäre und Südflanke der bereits geplanten NATO zu sichern. Nach den linken Erfolgen bei der Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung vom Juni 1946 (PCI 18,9, PSI 20,7, DC 35,2 Prozent) sowie des Sturzes der Monarchie im Referendum sah man diese Ziele durch einen Wahlsieg von Kommunisten und Sozialisten, die gemeinsam auf einer Volksfrontliste antraten, gefährdet. Dabei traten PCI und PSI für eine Demokratisierung des Staatsapparates, antifaschistisch-demokratische Reformen sowie bessere Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen und für eine Außenpolitik des Friedens und der Sicherung der nationalen Unabhängigkeit ein. Sie hatten keineswegs die Absicht, nach einem Wahlsieg eine "linke Regierung" zu bilden, sondern strebten nach der Neuauflage einer antifaschistischen Einheitsregierung.

In ihrer Kampagne stützte sich die äußere und innere Reaktion auf die Faschisten des "Duce", die sich mit aktiver Förderung der USA bereits im Dezember 1946 in Gestalt der Movimento Sociale Italiano (MSI) als legale Nachfolgepartei Mussolinis wieder konstituieren konnten. Zur Eröffnung des antikommunistischen Kreuzzuges wurde Ministerpräsident Alcide De Gasperi im Januar 1947 nach Washington zitiert. Einer der reaktionärsten Kleriker, Erzbischof Flanelly, empfing ihn mit Kardinal Spellman in der St. Patrick's Cathedral in New York und verkündete: "Das Mittelmeer ist ein christliches Meer, das nicht durch den atheistischen Kommunismus mit seiner tödlichen Faust rot gefärbt werden darf." De Gasperi erhielt von USA-Präsident Harry Truman Order, die Kommunisten und Sozialisten aus der 1944 gebildeten antifaschistischen Einheitsregierung auszuschließen, anderenfalls, so die Drohung, werde Italien keine Auslandshilfe, die eine erste Kreditzusage über 150 Mio. Dollar sowie über 50 Schiffsladungen Getreide und Kohle vorsah, erhalten. Im Mai warf De Gasperi die Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung. Den Vorwand zu dem Staatsstreich lieferte der Rechtssozialist Giuseppe Saragat mit der Abspaltung seiner Fraktion von der PSI und der Gründung einer Sozialdemokratischen Partei.

Im März 1947 verkündete Truman die nach ihm benannte Doktrin. In seiner Rede zur "Eindämmung des Kommunismus" erklärte er am 22. März 1947 die USA "zum mächtigsten Land der Welt" und proklamierte ihr "Recht" auf Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten, die tatsächlich oder angeblich unter kommunistischem Einfluss stünden. Der 1976 vom US-Senat freigegebene PIKE-Bericht verdeutlichte, mit welchen Methoden die USA diese Ziele verfolgten. Sie schalteten die Geheimdienste ein, finanzierten rechte und neofaschistische Kräfte, bestachen Parteien, Politiker, Gewerkschaftsführer und Massenmedien. Die Diplomatie arbeitete eng mit der CIA zusammen, die für ihre Aktivitäten in Italien jährlich 20 bis 30 Mio. Dollar zahlte.

Für einen Wahlsieg der Linken sagten die reaktionären und Rechtskräfte, unterstützt vom Klerus, einen wirtschaftlichen Bankrott voraus, während eine christliche Regierung mit der Hilfe der USA rechnen könne. Präsident Truman drohte mit einer militärischen Intervention, Außenminister George Marshall mit dem Entzug der "Wiederaufbauhilfe". US-Kriegsschiffe in den italienischen Häfen untermauerten die Drohgebärden. Der Mailänder "Corriere della Sera" veröffentlichte am 17. September 1994 ein vom 5. März 1948 datiertes Dokument des Pentagon, dass "für den Fall, dass die Kommunisten in Italien mit legalen Mitteln an die Macht kommen" sollten, eine sofortige Intervention vorsah, welche die Abtrennung Sardiniens und Siziliens und die Organisation eines Guerillakrieges einschloss. Die USA könnten "es den Kommunisten nicht gestatten, mit legalen Mitteln an die Macht zu kommen", weil die "psychologischen Erschütterungen gewaltig wären", hieß es. Als Alternative hatte man in Washington erwogen, das "Wahlergebnis zu fälschen".

Im Juni 1947 stimmte De Gasperi dem Marshall-Plan zu. Zwischen 1948 und 1952 flossen dann über 1,5 Mrd. Dollar an US-Krediten nach Italien. De Gasperi gestand den massiven Druck aus Washington unverblümt ein, indem er die USA in Italien (nach Christdemokraten, Liberalen und Republikanern) eine "vierte Partei" nannte, die "in der Lage ist, jede Anstrengung, die wir unternehmen, zu lähmen und vergeblich zu machen, indem sie die Kreditsabotage und die Kapitalflucht organisiert, die Preissteigerungen und die Skandalkampagnen." Man könne Italien "heute nicht regieren, ohne in der einen oder anderen Form die Repräsentanten dieser vierten Partei, die über das Geld und die ökonomische Macht verfügt, in die Regierung einzubeziehen."

Kommunisten und Sozialisten erreichten trotz der hemmungslosen Hetzkampagne auf der verketzerten Volksfrontliste 31 Prozent. Ihre ungebrochene Kampfkraft zeigte sich besonders 1949 im Widerstand gegen Italiens Beitritt zur NATO. In einer von ihnen organisierten Protestkampagne unterschrieben acht Millionen Italiener eine Petition, in der ein Beitritt abgelehnt wurde.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2013