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MEMORIAL/235: Spanischer Bürgerkrieg - Italiens Interbrigadisten schlugen Mussolinis Schwarzhemden in die Flucht (Gerhard Feldbauer)


Spanien, 1937

Bei Guadalajara im Monat März
schlugen Italiens Interbrigadisten Mussolinis Schwarzhemden in die Flucht

von Gerhard Feldbauer, 27. November 2021



Foto: Agence de presse Mondial Photo-Presse, Public domain, via Wikimedia Commons

José Sanjurjo mit anderen spanischen Putschisten 1932 vor Gericht
Foto: Agence de presse Mondial Photo-Presse, Public domain, via Wikimedia Commons

In Spanien errang die Volksfront aus Kommunisten, Sozialisten, der Unión General del Trabajadores und Linksrepublikanern bei den Corteswahlen am 16. Februar 1936 einen glänzenden Wahlsieg. Am 17. Juli 1936 putschte General Sanjurjo von der Kolonie Spanisch-Marokko aus gegen die rechtmäßig gewählte Regierung der Volksfront. Nachdem er mit einem Flugzeug abgestürzt war, riss Franco die Führung an sich. Der Staatsstreich der klerikalfaschistischen Reaktion brach jedoch auf dem Festland in den meisten Garnisonsstädten am Widerstand der Volkskräfte zusammen. Seine Niederschlagung wurde nur durch die sofortige bewaffnete Intervention Hitlerdeutschlands und Mussolini-Italiens verhindert. Mit 20 Militärtransportern Ju 52 der Luftwaffe Görings wurden als erstes 15.000 Mann Elitetruppen der Putschisten von Marokko nach Cádiz eingeflogen.

Nachdem sich Franco am 29. September 1936 zum Chef des "Nationalen Spanien" proklamiert hatte, wurde er unmittelbar danach von Deutschland und Italien als "Chef der einzigen legitimen Regierung Spaniens" anerkannt. Am 24. November schloss Italien mit der Putschistenregierung ein Abkommen über umfangreiche militärische Unterstützung. Franco honorierte das vier Tage später, indem er dem rohstoffarmen Italien ökonomische Ressourcen, darunter aus den Quecksilberminen von Almadén, offerierte.


Graphik: NordNordWest, modifications by user: Sting, Grandiose (talk · contribs), CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Spanien im Bürgerkrieg Ende Juli 1936 - Gebiete unter Kontrolle der Volksfrontregierung (blau) und der Putschisten (rosa)
Graphik: NordNordWest, modifications by user: Sting, Grandiose (talk · contribs), CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Unter dem Kommando von General Mario Roatta stellte Mussolini ein vier Divisionen umfassendes Interventionskorps für Spanien auf. Nach offiziellen italienischen Angaben zählte es zunächst 35.000 Soldaten, stieg in kurzer Zeit auf 60.000 an und erreichte 120.000 bis 150.000 Mann (Fritz Teppich/Tom Fecht: Spaniens Himmel, 1936-1939, Berlin 1997). Die motorisierten Truppen waren modern ausgerüstet und verfügten über 800 Kampfflugzeuge sowie 8.000 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. 90 Kriegs- und Transportschiffe versorgten das eigene Korps und die Franco-Truppen. Sie blockierten republikanische Häfen und beschossen Küstenbefestigungen. Die Luftwaffe griff zusammen mit der "Legion Condor" Hitlerdeutschlands die Stellungen der republikanischen Armee an und bombardierte Städte. Zeitweise besetzte Italien die Balearen und bedrohte die Mittelmeerstützpunkte Großbritanniens und Frankreichs.

Nach dem von Hitler und Mussolini militärisch aktiv unterstützten Putsch entstand für die Volksfront-Regierung eine tödliche Bedrohung. Die Faschisten brachten bis Mitte September 1936 das westliche Andalusien, große Teile im Westen, Nordwesten und Norden unter ihre Kontrolle. Südlich von Madrid griffen sie entlang des Jarama-Flusses an, wo die "Legion Condor" und italienische Caproni-Jäger sie mit massiven Luftangriffen unterstützten.


Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H25224 / Unknown author / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en], via Wikimedia Commons

Die Ruinen der von der deutschen "Legion Condor" zerstörten Stadt Guernica
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In dieser Situation kamen der Spanischen Republik Antifaschisten aus aller Welt zu Hilfe, deren Zahl aus 54 Ländern bis Herbst 1938 auf etwa 40.000 bis 50.000 anwuchs. Neben etwa 10.000 Franzosen, 5.000 Deutschen und Österreichern stellte Italien mit 3.354 Kämpfern das drittstärkste Kontingent. 1.119 Interbrigadisten gehörten der Kommunistischen Partei (PCI) an, 310 der Sozialistischen Partei (PSI), die Übrigen waren größtenteils parteilos. Zu den Interbrigadisten gehörte der PCI-Vorsitzende Luigi Longo, zunächst Politkommissar des Bataillons, später der Brigade Giuseppe Garibaldi, das alle Antifaschisten des Landes vereinigte. Longo übernahm später als Generalinspekteur im Range eines Divisionsgenerals das Kommando über alle Internationalen Brigaden. Unter seinem Kampfnamen "Gallo" wurde er als einer der führenden Militärs der Spanischen Republik bekannt. Nach einer schweren Verwundung kam er 1939 nach Frankreich, wurde in Paris verhaftet, ins Konzentrationslager Vernet eingeliefert, von dort 1941 nach Italien ausgeliefert und eingekerkert. Nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 übertrug ihm das Nationale Befreiungskomitee das Kommando des Stellvertretenden Befehlshabers der Partisanenarmee.


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Internierungslager in Südfrankreich nach dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges, 1939 - darunter Le Vernet
Graphik: Kryobob, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Am 13. November 1936 prägte Carlo Rosselli, einer der Führer der Giustizia e Libertà in Radio Barcelona für den Kampf der Antifaschisten seines Landes die prophetische Losung "Heute in Spanien, morgen in Italien". Zusammen mit seinem Bruder Nello wurde er während eines Einsatzes in Frankreich am 9. Juni 1937 von Agenten des faschistischen Geheimdienstes SIM Mussolinis in Bagnoles-de-l'Orne (Normandie) ermordet. Seine Losung wurde zum Schwur, mit dem die italienischen Antifaschisten in den Kampf zogen. Bei der Verteidigung von Madrid im November 1936, bei Guadalajara nördlich der Hauptstadt im März 1937, bei Brunete westlich von Madrid im Juli 1937 trafen die Garibaldiner direkt auf die Mussolini-Truppen.


Foto: dati.camera.it, CC BY 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/4.0], via Wikimedia Commons Foto: Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons

links: Luigi Longo, Aufnahme von 1979
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rechts: Carlo Rosselli (1899-1937), Aufnahme von 1935
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Den Vorstoß bei Guadalajara führten im März 1937 vier Divisionen General Roattas mit etwa 150 Panzern, 250 Geschützen und fast 4.000 Gefechtsfahrzeugen, unterstützt von einer Division Franco-Faschisten, mehreren Geschwadern der "Legion Condor" und 60 italienischen Flugzeugen. Zu der Offensive hatte Mussolini persönlich den Befehl erteilt. Die Angreifer stießen auf der Straße Saragossa-Madrid vor, um die Hauptstadt vom Nordosten her einzuschließen, sich am Jarama-Fluß mit Francos Truppen zu vereinigen und dann Madrid einzunehmen. Madrid wurde an diesem Frontabschnitt von einer Division der Volksarmee mit rund 10.000 Mann verteidigt, die nur über knapp 6.000 Gewehre, 85 Maschinengewehre und 15 Geschütze verfügte. Während der vom 8. bis 23. März tobenden Schlacht gelang es Roatta, bis etwa 40 km vor Madrid vorzustoßen und über ein Dutzend Städte im Vorfeld der Hauptstadt zu erobern.

Den bedrängten Truppen der Volksarmee kamen die Bataillone Jaroslaw Dabrowsky und Giuseppe Garibaldi der XII. und danach die Bataillone Ernst Thälmann, Edgar André und Commune de Paris der XI. Interbrigade zu Hilfe. Außerdem erhielten die Verteidiger mehrere Artillerie-Batterien und Panzer-Abteilungen (sowjetische T 26 und BT-5). Am dritten Tag der Schlacht trafen die Garibaldiner direkt auf die Mussolini-Faschisten und forderten sie zum Überlaufen auf.


Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H28510 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en], via Wikimedia Commons

Gefechtsstand des Edgar-Andre-Bataillons
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Obwohl die Zahl der Verteidiger auf über 20.000 anwuchs, waren ihnen Roattas Truppen mit 60.000 Mann und 10.000 Franquisten sowie an Panzern und Geschützen weiterhin überlegen. Zur Wende, die nach einer Woche schwerer Kämpfe einsetzte, trug der Einsatz inzwischen eingetroffener 100 sowjetischer Jagdflugzeuge sowie von zwei Staffeln Katjuscha-Bombern, die vom Flugplatz in Albacete starteten, bei. Die Einheiten der Volksarmee und die Interbrigaden warfen die Faschisten bis zum 23. März hinter ihre Ausgangsstellungen zurück. Von den 60.000 Soldaten des Mussolini-Korps war ein Drittel gefallen. Die Verteidiger erbeuteten große Mengen an Kriegsmaterial, darunter zahlreiche Artilleriegeschütze, gepanzerte Fahrzeuge und Maschinengewehre.

Mit dem Sieg bei Guadalajara scheiterten die Pläne Francos und seiner Verbündeten aus Berlin und Rom, mit der Einnahme der Hauptstadt einen raschen Sieg zu erringen. Der Sieg über die Mussolini-Faschisten, zu dem die Garibaldiner beitrugen, vermittelte in Italien die Gewissheit, dass der Faschismus zu schlagen war und gab dem antifaschistischen Kampf Auftrieb.


Die Kämpfe bei Guadalajara haben ihren Niederschlag gefunden in den ersten Strophen der "Ballade der XI. Brigade" von Ernst Busch:

In Spanien stands um unsre Sache schlecht,
Zurück gings Schritt um Schritt,
Und die Faschisten schrien schon:
Gefallen ist die Stadt Madrid!
Da kamen sie aus aller Welt
Mit einem roten Stern am Hut.
Am Manzanares kühlten sie
Dem Franco das zu heiße Blut.

Refrain:
Das waren Tage der Brigade Elf
Und ihrer Freiheitsfahne.
Brigada Internacional!
Ist unser Ehrenname.

Bei Guadalajara im Monat März,
In Kält und Regensturm,
Da bebte manches tapfre Herz
Und in Torija selbst der Turm.
Da stand der Garibaldi auf,
André, Dombrowsky ihm zur Seit!
Die brachten bald zum Dauerlauf
Die Mussolini-Herrlichkeit.

  ...

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 7. Dezember 2021

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