Das Reichskonkordat
Wie die katholische Kirche die Diktatur des Hitlerfaschismus festigte
von Gerhard Feldbauer, 15. Juli 2023
Wir erleben den 90. Jahrestag der Machtergreifung der Faschisten mit Hitler an der Spitze am 31. Januar 1933 in Deutschland. Zu den entscheidenden Steigbügelhaltern, die Hitlers Macht festigten, gehörte die katholische Kirche. Knapp sechs Monate nach seinem Machtantritt schlossen der Vatikan und die Hitlerregierung ein Reichskonkordat. Am 20. Juli 1933 wurde es im Vatikanstaat von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli und Hitlers Vizekanzler Franz von Papen unterzeichnet. Bereits am 12. April 1933 hatte der Papst von Papen zusammen mit Reichsminister Hermann Göring, dem zweiten Mann an der Spitze der Nazipartei, in Privataudienz empfangen. Pius XI. hatte von ihnen "einen guten Eindruck", wie er sagte, und war glücklich zu hören, dass "das neue Deutschland eine entscheidende Schlacht gegen den Bolschewismus" schlage. [1] Vor der Unterzeichnung des Reichkonkordats lösten sich die Zentrumspartei und ihre bayerische Schwester, die Volkspartei, selbst auf. Im Konkordat rief die Kurie die deutschen Katholiken auf, sich hinter die "nationale Regierung" zu stellen.
Die Präambel des Konkordats verkündete, "die zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und zu fördern". Für Hitler war das Konkordat ein außerordentlicher außenpolitischer Erfolg, denn es war der erste völkerrechtliche Vertrag, der durch den Vatikan, einer Weltmacht, mit ihm geschlossen wurde. Rom hob die für die katholische Kirche erreichten Ergebnisse hervor, u. a. die Zugestehung von Bekenntnis- und Privatschulen sowie des Religionsunterrichts. Aber selbst diese schlugen letzten Endes zugunsten des Hitlerregime aus, wenn das z. B. in Art. 21 die Erziehung zu vaterländischem Pflichtbewusstsein einschloss oder nach Art. 30 an allen Sonn- und Feiertagen im Anschluss an den Hauptgottesdienst für "das Wohlergehen" Hitlerdeutschlands gebetet werden musste. Art. 16 verpflichtete die Bischöfe: "Vor Gott und auf die heiligen Evangelien" zu schwören, "die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen."
Das bescheinigte dem Hitlerregime entgegen der Realität, es sei "verfassungsmäßig" gebildet worden. Zu dieser Scheinlegalisierung hatten am 23. März 1933 bereits die katholische Zentrumspartei und ihre bayerische Schwesterpartei mit ihrer Zustimmung zum "Ermächtigungsgesetz", das nur dadurch die notwendige Zweidrittelmehrheit erhielt, beigetragen. [2] Mit dem sogenannten "Entpolitisierungsartikel" wurde der politische Katholizismus weiter entmachtet, indem Geistlichen und Ordensleuten eine parteipolitische Tätigkeit untersagt und die katholische Verbandstätigkeit eingeschränkt wurde. Ein gemeinsamer Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom 8. Juni 1933 begrüßte mit "großer Freude" die Erklärung der führenden Männer des neuen Staates, dass nicht mehr "der mörderische Bolschewismus mit seinem satanischen Gotteshass die deutsche Volksseele bedrohen und verwüsten" dürfe. Es war geradezu eine Zustimmung, ja Segnung der mit dem Machtantritt Hitlers begonnenen Hetzjagd gegen Kommunisten und Sozialisten und alle, die verdächtigt wurden, ihnen nahe zu stehen, oder die sich gegen die faschistische Diktatur wandten.
Darunter befanden sich auch bereits Tausende Katholiken. Allein in Bayern saßen 2.000 Mitglieder und Anhänger der katholischen Bayerischen Volkspartei, einschließlich ihres Vorsitzenden Fritz Schäffer, von ihren Hirten im Stich gelassen, in Hitlers Zuchthäusern. [3] In dieser Situation gab Kardinalstaatssekretär Pacelli von sich, mit dem Reichskonkordat sei etwas Segensreiches für die "unsterblichen Seelen" unter "Gottes gütigem Gnadenbeistand" geschaffen worden. Viele deutsche Kardinäle, Bischöfe und andere geistliche Würdenträger überboten sich in Glückwünschen und Segnungen des Mörderregimes. Kardinal Faulhaber wies seine Priester an, "illegale Druckschriften" der Gestapo zuzuleiten. Der Kardinal von Breslau, Adolf Bertram, rühmte "die harmonische Zusammenarbeit von Kirche und Staat" und versicherte dem "hochverehrten Herrn Reichskanzler", dass die Katholiken "freiwillig und aus edelsten Motiven zur Mitarbeit" bereit seien, auch gern "zu Geländesport und Wehrertüchtigung".
Der Freiburger Weihbischof Wilhelm Burger erklärte, die "Ziele der Reichsregierung" seien "schon längst die Ziele unserer katholischen Kirche". Der Bischof von Aachen, Joseph Vogt, wollte "am Aufbau des neuen Reiches freudig mitarbeiten" und Bischof Hermann Wilhelm Berning von Osnabrück, der sich von Göring zum Mitglied des Preußischen Staatsrates ernennen ließ, nebst allen deutschen Oberhirten "mit heißer Liebe und mit allen unseren Kräften" daran teilnehmen. Berning, der das faschistische Führungsprinzip als "gemeinsames Strukturprinzip" der Kirche und des faschistischen Staates bezeichnete, nahm bei einem Treffen mit Hitler auch widerspruchslos dessen Äußerung entgegen: "Die katholische Kirche hat die Juden 1.500 Jahre als Schädlinge angesehen, sie ins Ghetto verwiesen. Ich gehe auf das zurück, was man 1.500 Jahre getan hat. Ich sehe die Schädlinge in den Vertretern dieser Rasse für Staat und Kirche, und vielleicht erweise ich dem Christentum den größten Dienst." [4]
Als 1935 bereits der Schatten des kommenden Weltkrieges über den Ereignissen lag, stellten sich alle deutschen Bischöfe am 20. August hinter ihren Papst und signalisierten dem Reichskanzler, dass Pius XI. "das moralische Ansehen Ihrer Person und Ihrer Regierung in einzigartiger Weise begründet und gehoben" habe. Hitler feierte das als "rückhaltlose Anerkennung" und "unbeschreiblichen Erfolg". Es war, jubelte der "Völkische Beobachter", eine "ungeheuerliche moralische Stärkung der nationalsozialistischen Reichsregierung und ihres Ansehens". Der Vatikan stärkte das von den reaktionärsten Kreisen des deutschen Großkapitals an die Macht gebrachte Hitlerregime, das zu dieser Zeit begann, sich erneut auf den Kampf um die Weltherrschaft vorzubereiten, wofür es sichtbare Anzeichen gab: Die "Heimholung der Saar ins Reich", den im Frühjahr 1935 von Göring bekannt gegebenen Wiederaufbau der deutschen Luftwaffe, die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht und damit der Aufbau der Wehrmacht, womit eine der wesentlichsten militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrages annulliert wurde. Wie der Völkerbund nahm das auch der Vatikan widerspruchslos hin. Für Hitler wurde so der Weg frei gemacht, eine millionenstarke Massenarmee aufzubauen, die viereinhalb Jahre später mit dem Überfall auf Polen zur Eroberung fast ganz Europas ansetzte.
Die Haltung des Vatikans gegenüber dem Hitlerregime ging mit der Großbritanniens, nämlich dessen Expansionsdrang nach Osten gegen die UdSSR zu lenken, konform. Außenminister Simon notierte im April 1935: Wenn Deutschland handle, dann solle das lieber nach Osten geschehen, wo dann "seine Energien für lange Zeit beschäftigt" seien. [5]
Diese Stoßrichtung gegen den Bolschewismus trieb die Kurie zu immer neuen Freundschaftsbeteuerungen gegenüber Hitler. Sie brüstete sich geradezu, wie Kardinal Faulhaber 1936 in einer Predigt ausführte, als erster Souverän des Auslandes mit Hitler im Reichskonkordat einen feierlichen Vertrag abgeschlossen zu haben. Faulhaber wurde noch freundschaftlicher und sagte: In Wirklichkeit "ist Papst Pius XI. der beste Freund, am Anfang sogar der einzige Freund des neuen Reiches gewesen. Millionen im Ausland standen zuerst abwartend und misstrauisch dem neuen Reich gegenüber und haben erst durch den Abschluss des Konkordats Vertrauen zur neuen deutschen Regierung gefasst." Und er sprach "aufrichtig aus der Seele: Gott erhalte unserem Volk unseren Reichskanzler". Das waren bei weitem nicht die einzigen Bekenntnisse Faulhabers zu Hitler. Er wollte vergessen machen, dass er vor 1932 ihm und dessen Nazipartei gegenüber Vorbehalte gehabt hatte.
Am 7. Februar 1936 schloss er im Münchner Frauendom eine Predigt mit den Worten: "Katholische Männer, wir beten jetzt zusammen ein Vaterunser für das Leben des Führers." Als das Attentat des Antifaschisten Georg Elser im Bürgerbräukeller am 8. November 1939 fehlschlug, schickte der Kardinal Hitler umgehend ein Telegramm, in dem er von einem "verabscheuungswürdigen Verbrechen" sprach und Hitler "als Ortsbischof und im Namen der bayerischen Bischöfe wärmsten Glückwunsch für glückliche Rettung" aussprach und Gott bat, "er möge auch ferner seinen schützenden Arm über Sie halten". Obwohl Faulhaber die Naziideologie als unchristlich sah, anerkannte er das Regime als "gottgesetzte Autorität, rechtmäßige Obrigkeit, der wir im Gewissen Ehrfurcht und Gehorsam schulden". Faulhaber war, wie der Münchner Historiker Rudolf Reiser 2000 schrieb, "eine unerschütterliche Stütze Hitlers, ein böser Kriegstreiber und autoritärer Kirchenfürst." [6]
Nach dem Überfall auf die UdSSR gingen selbst bis dahin etwas zurückhaltendere Kirchenführer wie der Trierer Bischof Rudolf Bornewasser in ihren Predigten auf die Ideologie der Kreuzzüge über und verkündeten, dass "unsere Gedanken Tag und Nacht bei unseren todesmutigen Soldaten (weilen), unsere Gebete zum Himmel (steigen), dass Gottes Beistand mit ihnen sei zur erfolgereichen Abwehr der bolschewistischen Bedrohung aller Völker und aller Länder, aber auch zur Befreiung des seit 24 Jahren von der Pest des Bolschewismus verseuchten und teils zugrunde gerichteten, in seiner Tiefe religiös veranlagten russischen Volkes." [7] Faulhaber rief im Juni 1941 "im Namen unseres Herrn Jesus Christus, den die Juden gekreuzigt haben", mit den bayerischen Bischöfen auf, mutig zu sein, "im furchtbaren Kampf gegen den Bolschewismus". [8]
Erst am 12. September 1943, als die Kurie eine Ahnung beschlich, der Kreuzzug gegen den Bolschewismus werde nicht den herbeigesehnten Sieg bringen, wandte sich Faulhaber in einem Hirtenbrief unter Berufung auf die Zehn christlichen Gebote gegen die Tötung "an Menschen fremder Rassen und Abstammungen". Es blieb eine wirkungslose Ausnahme. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 schickte Faulhaber zwar Hitler kein Glückwunschtelegramm mehr, hielt aber einen Dankgottesdienst ab. Intern verurteilte er das Attentat als "furchtbares Verbrechen", denn "das Leben des rechtmäßigen Staatsoberhauptes des Deutschen Reiches" stehe "unter dem Schutz des 4. Gebots, das uns den Gehorsam und die Treue zur staatlichen Obrigkeit zur Pflicht macht." [9] Nach dem Attentat geriet Faulhaber kurze Zeit ins Visier der Gestapo, weil er Jahre vorher einmal mit Goerdeler zusammengetroffen war. Er denunzierte die Attentäter als "Wahnsinnige", als "Verbrecher", "Bolschewisten" und schwor, staatsfeindliche Komplotte sofort der Gestapo zu melden und verwies darauf, dass er entsprechende Anzeigen bereits mehrfach erstattet habe. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Adolf Bertram, las noch nach dem Selbstmord Hitlers für diesen eine Totenmesse.
Nach 1945 wollten viele katholische Würdenträger nichts mehr von ihrer Begeisterung für den Führer wissen. Faulhaber sprang auf den Zug der westdeutschen Zeit auf und feierte das "Sternenbanner als Wunderzeichen der Gerechtigkeit und der Humanität". Pius XII. höchstpersönlich erklomm den Gipfel der Heuchelei, als er Kardinal Faulhaber "die höchste Anerkennung für seinen ausdauernden Kampf gegen das Naziregime" aussprach. Das geschah zur gleichen Zeit, da im Franziskanerkloster in Rom der vorherige großdeutsche, nunmehr nur noch österreichische Bischof Alois Hudal, auch er ein begeisterter Vertreter des Bündnisses des Vatikans mit dem Faschismus, Naziverbrechern wie Eichmann und Bormann falsche Pässe zur Flucht auf der Rattenlinie nach Südamerika ausstellte.
Ein ähnlicher Heiligenschein wurde Kardinal Clemens August Graf von Galen verliehen, der 1995 sogar selig gesprochen wurde. Sein einziges Verdienst sei gewesen, "gegen die Tötung von Behinderten zu protestieren, was lobend anzuerkennen ist", schrieb Uta Ranke-Heinemann. Er sei jedoch "keineswegs ein Widerstandskämpfer gegen die Judenverfolgung" gewesen, sondern "ein Antisemit und Kriegsfreund". Am 5. September 1933 unter Hakenkreuzfahnen zum Bischof geweiht, schrieb er in seinem ersten Hirtenbrief: "Wir wollen Gott dem Herrn für seine liebevolle Fügung dankbar sein, welche die höchsten Führer unseres Vaterlandes erleuchtet und gestärkt hat, dass sie die furchtbare Gefahr, welche unserem geliebten Volk durch die offene Propaganda für Gottlosigkeit und Unsittlichkeit drohte, erkannt haben und sie auch mit starker Hand auszurotten suchen." Der auf den Altar gehobene Galen lobte Franco dafür, dass der gottlose Bolschewismus in Spanien "mit Gottes und Hitlers Hilfe besiegt" wurde. Im März 1942 pries er die siegreichen deutschen Soldaten, deren Kampf ein Kreuzzug gegen den Bolschewismus sei, mit dem sie Europa vor der roten Flut bewahrten. Für die Seligsprechung Galens wurde angeführt, er habe sich gegen die Judenvernichtung gewandt, das aber nicht öffentlich getan, weil die Juden ihn selbst gebeten hätten, sich nicht zu äußern, "um Schlimmeres zu verhindern". Diese Legende, die heute noch auch über "das Schweigen" Pius XII. zur Vorbereitung von dessen Seligsprechung verbreitet wird, hat der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Heinz Galinski, scharf zurückgewiesen. [10]
Der katholische Publizist Johannes Fleischer stellte zum Konkordat und seiner Verwirklichung durch den römischen Klerus klar: "Das Konkordat hat nach Zeitpunkt, Inhalt und offizieller bischöflicher Interpretation Verbrechen und Verbrechern Vorschub geleistet, jede entscheidende Opposition moralisch diffamiert, dem Naziregime die Legitimation verliehen, sich zu den 'auf der Seite der Ordnung stehenden staatlichen Gewalten' zu zählen (Kardinal Pacelli am 30. April 1937), und das katholische Volk von vornherein auf den Weg ins Massengrab zur Sicherung der Hitlerdiktatur verpflichtet." [11] Der US-amerikanische Soziologe Gordon Zahn nannte die Kirche "eine Agentur des Dritten Reiches." Im deutschen Episkopat hätten nur wenige Bischöfe die Begeisterung für Hitler nicht geteilt und der Judenverfolgung widersprochen, z. B. die Bischöfe Sproll von Rottenburg und Preysing von Berlin. Über Letzteren schrieb Goebbels in seinen Tagebuchaufzeichnungen vom 21. April 1942: "Der Bischof Preysing von Berlin betätigt sich weiter als Hetzer gegen die deutsche Kriegsführung." [12]
Anmerkungen:
[1] Karlheinz Deschner: Mit Gott und dem Führer, Köln 1988, S. 44 f. Siehe ferner Thomas Brechenmacher: Das Reichskonkordat 1933. Paderborn 2007.
[2] Deschner, S. 36.
[3] Ebd., S. 45.
[4] Ulrich von Hehl: Bischof Berning und das Bistum Osnabrück im Dritten Reich, Osnabrück 1980, S. 83-104.
[5] Kurt Pätzold/Erika Schwarz (Hg.): Europa vor dem Abgrund, Köln 2005, S. 80.
[6] Rudolf Reiser: Kardinal Michael von Faulhaber. Des Kaisers und des Führers Schutzpatron, München 2000.
[7] Dago Langhans: Mit dem Hakenkreuz gegen den gottlosen Bolschewismus, junge Welt, 18./19. Juli 1998.
[8] Reiser, S. 31.
[9] Ebd., S. 79.
[10] Uta Ranke-Heinemann: Ein Antisemit und Kriegsfreund. Kardinal Clemens August Graf von Galen wird am Sonntag in Rom selig gesprochen, junge Welt, 7. Oktober 2005.
[11] Zitate nach Deschner, a. a. O.
[12] Ranke-Heinemann, a. a. O.
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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 18. Juli 2023
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