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MEMORIAL/259: Die Revolution von 1848/49 in Italien endete mit einem Dreiviertelsieg der Bourgeoisie (Gerhard Feldbauer)


Die Revolution 1848/49 in Italien war eine der erfolgreichsten in Europa

Sie endete mit einem Dreiviertelsieg der Bourgeoisie

von Gerhard Feldbauer, 8. März 2023



Graphik: Alexander Altenhof, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Europa 1848/49 - wichtige Orte revolutionärer Erhebungen, Hauptschlagrichtungen konterrevolutionärer Truppen und Staaten mit Abdankungen von Monarchen und Nationalitätenkonflikten
Graphik: Alexander Altenhof, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Dieses Jahr begehen wir die 175. Jahrestage der Revolutionen von 1848 in Europa, unter denen die in Italien eine der erfolgreichsten war. Sie ging nach der zeitweiligen Niederlage im Juni 1849 weiter und endete 1870, wenn auch mit der Monarchie, aber - im Gegensatz zu Deutschland - mit dem Machtantritt der Bourgeoisie mit einem Dreiviertelsieg. Außer der Enteignung des Großgrundbesitzes der Latifundistas erfüllte sie alle Aufgaben dieser Zeit.

Sie begann am 1. Januar 1848 zunächst friedlich in Mailand, der zu Österreich gehörenden Lombardei, mit einem Raucherstreik. Die Mailänder weigerten sich, österreichische Tabakwaren zu kaufen, um so gegen das Staatsmonopol zu protestieren. Als die Behörden Zigarre rauchende Agenten in die Straßen schickten, kam es zu Zusammenstößen, bei denen die Polizei sechs Menschen erschoss und fünfzig verletzte. Als am 10. Januar die Polizei erneut das Feuer auf friedliche Demonstranten eröffnete, errichteten Bewaffnete Barrikaden, die Truppen flohen in die Kasernen. Die Aufständischen wurden durch zahlreiche Bauern unterstützt, die mit Flinten und Messern bewaffnet in die Stadt kamen.


Aufstand in Palermo

Am 12. Januar brach die Revolution in Palermo aus. Von neun Kriegsschiffen wurden die Regierungstruppen mit 5.000 Soldaten verstärkt. In fünftägigen Kämpfen warfen die Aufständischen die Linientruppen zurück, gingen am 20. zum Gegenangriff über und eroberten die Kasernen Bourgogne und Vittoria. Die Kriegsschiffe verließen mit der Masse der Soldaten Palermo. Die Erhebungen dehnten sich auf die Provinzen Caltanissetta und Messina aus und griffen auf Neapel über, wo am 27. Januar eine große Volksdemonstration eine Verfassung forderte. An ihr nahmen zahlreiche bewaffnete Arbeiter und Handwerker teil, die Arbeit und Brot verlangten. Den Liberalen gelang es, die Auslösung des bewaffneten Aufstandes zu verhindern. Unter dem Druck der Volksbewegung trat das königliche Kabinett zurück. Gemäßigte Liberale bildeten eine neue Regierung, die Ferdinand II. dazu brachte, einer Verfassung zuzustimmen, auf die er am 24. Februar den Eid ablegte. Ein in Palermo einberufenes revolutionäres Parlament bildete eine provisorische Regierung, der jedoch nur Liberale angehörten. Unter dem Druck der revolutionären Truppen, die mehrheitlich kleinbürgerliche Demokraten anführten, erklärte sie die Herrschaft der Bourbonen für beseitigt und verkündete die Unabhängigkeit Siziliens und seine Trennung von Neapel.

Die Revolutionen im Februar 1848 in Paris und im März in Wien verliehen der revolutionären Bewegung in ganz Italien weiteren Auftrieb. Piemont-Sardinien, die Toskana und selbst der Kirchenstaat erließen Verfassungen, in denen sie der liberalen Bourgeoisie eine Beteiligung an den Regierungen gewährten. Nach Bekanntwerden der Flucht des verhassten Staatsministers Metternich wuchsen die revolutionären Kämpfe in Mailand weiter an. Die meisten italienischen Soldaten gingen auf die Seite der Revolution über. Freiwillige aus ganz Italien eilten den Aufständischen in der Lombardei zu Hilfe. In Pavia und Padua formierten sich Studentenbataillone, in Brescia, Bergamo und Como bildeten die Demokraten Freiwilligenabteilungen. In fünftägigen Kämpfen vertrieben die Revolutionäre den österreichischen General Radetzky aus Mailand. In ganz Italien begrüßten die Volksmassen - Handwerker und Bauern, das fortschrittliche Bürgertum und der kleine Adel - begeistert ihren Sieg.

Die Volksbewegung mit den Mazzinisten an der Spitze forderte den König von Piemont zum Krieg gegen Österreich auf. In Modena vertrieben sie die Soldaten und bildeten eine provisorische revolutionäre Regierung. In Venedig riefen sie unter dem Demokraten Daniele Manin die Republik aus und vertrieben die österreichischen Truppen aus fast ganz Venetien. In Turin verlangte eine Volksversammlung die Volksbewaffnung, die Bildung von Freiwilligenabteilungen und die Kriegserklärung an Österreich. Die Liberalen drängten König Alberto, sich an die Spitze eines Befreiungskrieges zu stellen und als "la spada d'Italia" (das Schwert Italiens) zu handeln. Den Liberalen ging es darum, die Klasseninteressen der Großbourgeoisie und der reichen Grundbesitzer zu sichern, die befürchteten, eine Volksbewaffnung würde ihre angestrebten Machtpositionen von Anfang an beeinträchtigen. Sie strebten nach einer Herstellung des Einheitsstaates von oben.


Aquarell von Felice Donghi (1828-1887), Public domain, via Wikimedia Commons

März 1848 - Barrikaden während der Fünf Tage von Mailand
Aquarell von Felice Donghi (1828-1887), Public domain, via Wikimedia Commons

Am 24. März 1848 erklärte Alberto Österreich den Krieg und rückte auf die lombardische Grenze vor. Unter dem Druck der Revolutionäre mussten sich ihm nun die Monarchen in Neapel, Palermo, Florenz, Modena und Parma anschließen und Truppen an die Seite Piemonts entsenden. Der Unabhängigkeitskrieg erhielt gesamtnationalen Charakter. Zur Beruhigung der Massen befahl auch der Papst, reguläre Truppen in die Lombardei in Marsch zu setzen und erlaubte, ein Freiwilligenkorps zu entsenden. Am 29. April ließ Pius IX. jedoch die Maske fallen, lehnte den Krieg gegen Österreich ab und sprach sich gegen eine Republik aller Italiener aus. Gleichzeitig setzte er das liberale Kabinett ab und ordnete die unverzügliche Rückkehr der päpstlichen Truppen und des Freiwilligenkorps an. Die päpstlichen Generäle Durando und Ferrari zögerten zunächst, der Order nachzukommen.


Krieg, um zu verlieren

Statt Radetzky nachzusetzen und zur Kapitulation zu zwingen, wartete Alberto ab, immer noch auf ein "Einlenken" Österreichs hoffend. Für die Übergabe der Lombardei, Parmas und Modenas wollte er auf Venetien verzichten. Sein Ziel war, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, um seine Ausbreitung in einen revolutionären Volkskrieg zu verhindern. Da es aus Wien keine Reaktion gab, konnte er Kampfhandlungen nicht ganz vermeiden. Nach einem missglückten Sturm auf die Festung Mantua schlug die königliche Armee die Österreicher bei Pastrengo und rückte auf Verona vor, wo ihr Angriff scheiterte. Radetzky setzte am 5. Mai am Oberlauf des Piave zunächst zum Angriff auf das Korps General Ferraries an. General Durando, der mit 30.000 Mann am Unterlauf des Flusses stand, schaute tatenlos zu, wie Ferrari geschlagen wurde. Ein österreichisches Reservekorps konnte ungehindert auf Verona vorrücken und sich mit Radetzkys Armee vereinigen. Als die Österreicher am 29. Mai bei Curtatone das neapolitanisch-toskanische Korps angriffen, stießen sie auf unerwartet starken Widerstand. Durch drei herangeführte piemontesische Divisionen wurde Radetzkys Offensive gestoppt. Am nächsten Tag gelang es auch noch, die österreichische Festung Peschiera einzunehmen. Mit einem Angriff auf Vicenza versuchte Radetzky, sich Luft zu verschaffen. In der Stadt standen 10.000 Mann des Korps von General Durando, der wie am Piave dem Kampf auswich und die Stadt gegen die Zusicherung freien Abzugs übergab. Nachdem am 15. Mai in Neapel die Konterrevolution gesiegt hatte, schied auch das süditalienische Korps aus dem Krieg aus.

Noch war indessen nichts verloren. Ein offensives Vorgehen und ein Zusammengehen mit den revolutionären Demokraten, verbunden mit einem Aufruf an das Volk zum Kampf um die Einheit Italiens, hätte Alberto den Sieg sichern können. Als sich bei Verona eine Entscheidungsschlacht anbahnte, wich er jedoch erneut aus. Er überließ Radetzky kampflos die Stadt, verharrte untätig vor dem österreichischen Festungsviereck und schaute tatenlos zu, wie der Österreicher am 14. Padua einnahm, am 15. Treviso und am 25. Palmanova. Mit Ausnahme von Venedig befand sich Venetien wieder unter österreichischer Herrschaft.

Giuseppe Garibaldi war nach Erhalt der Nachrichten über den Beginn des Befreiungskrieges gegen Österreich mit etwa 60 Kampfgefährten seiner italienischen Legion von Montevideo aus mit dem Schiff "Speranza" in See gestochen. Nach der Ankunft in Genua hatte er sich nach Turin begeben und seine Dienste angeboten. Garibaldi war wenig willkommen, man fürchtete, er würde nur die Fraktion der revolutionären Demokraten stärken. Immerhin kam das Kriegsministerium in Turin nicht umhin, ihm zu erlauben, Freiwillige anzuwerben. Ihre Ausrüstung und ihren Unterhalt musste er jedoch selbst bestreiten. Sein Freiwilligenkorps, das bald 2.000 Mann erreichte, nahm an verschiedenen Gefechten in den Alpen teil. Garibaldi verstand es, rasch auch überlegene Kräfte anzugreifen und sich schnell wieder vom Gegner zu lösen. Der legendäre Freiheitsheld Südamerikas stand schon bald im Ruf eines Guerillaführers von ungewöhnlichem Format.


Foto: Public domain, via Wikimedia Commons

Giuseppe Garibaldi (Aufnahme des französischen Fotografen Nadar um 1870)
Foto: Public domain, via Wikimedia Commons

Am 22. Juli stieß Radetzky von Verona aus mit 60.000 Mann in das hüglige Gelände südwestlich der Stadt auf die piemontesischen Stellungen vor und griff sie am 23. Juli bei Sona und Sommacampagna an. Alberto, der es versäumt hatte, seine Truppen für die sich abzeichnende Entscheidungsschlacht zu konzentrieren, standen nur 40.000 Soldaten zur Verfügung. Den königlichen Truppen gelang es trotzdem, den österreichischen Angriff aufzuhalten und in einem Gegenangriff das Gros der Österreicher zu umgehen und in ihrem Rücken eine ganze Brigade zu zerschlagen. Erst am 25. Juli wichen die Piemontesen bei Custoza südöstlich des Gardasees vor den überlegenen Kräften über den Mincio auf Goito zurück, wo es am 26. Juli zu letzten Rückzugsgefechten kam. Alberto zog sich kampflos über Cremona nach Mailand zurück. Seine Haltung in diesem Krieg brachte ihm im Volk den Spitznamen "Re Tentenua" (König Zauderer) ein. Friedrich Engels schrieb über ihn am 12. August 1848 in der "Neuen Rheinischen Zeitung": "Solange der Anschluss der Lombardei an Piemont noch nicht völlig entschieden, solange die Möglichkeit einer republikanischen Regierungsform noch vorhanden war, blieb er den Österreichern gegenüber, so schwach sie auch verhältnismäßig zu jener Zeit waren, unbeweglich in seinen Verschanzungen. Er ließ Radetzky, d'Aspre, Welden etc. eine Stadt und Festung nach der andern in den venetianischen Provinzen erobern, er rührte sich nicht. Venedig zeigte sich für ihn erst der Hülfe würdig, als es sich unter seine Krone geflüchtet. So mit Parma und Modena. Inzwischen hatte sich Radetzky verstärkt und alle Maßregeln zum Angriff, und der Unfähigkeit und der Blindheit Karl Alberts und seiner Generale gegenüber, zum entscheidenden Siege getroffen." [1]

Die Niederlage bei Custoza löste im Volk keine Niedergeschlagenheit aus. Es kam im Gegenteil zu einem neuen revolutionären Aufschwung. In Florenz und Rom verlangten die Revolutionäre, neue Anstrengungen zur Fortsetzung des Befreiungskrieges gegen Österreich zu unternehmen. In Turin forderte die Bevölkerung die allgemeine Mobilmachung und die Fortsetzung des Krieges bis zum letzten Blutstropfen. Als die Revolutionäre die Gefängnisse stürmten und die politischen Gefangenen befreiten, setzte die Regierung Truppen gegen sie ein. Das Parlament zeigte sich dem Hof hörig und übertrug dem König diktatorische Vollmachten. Es wurde ein Versammlungsverbot erlassen, das Verteilen von Flugblättern, das Anbringen von Losungen sowie der Straßenverkauf von Zeitungen verboten.

Radetzky setzte den zurückweichenden Piemontesen sofort nach. Am 4. August kam es vor Mailand zu neuen Gefechten. Die Demokraten forderten, die Stadt gegen Radetzky zu verteidigen. Doch Alberto fürchtete, dass eine entschlossene Verteidigung der Stadt durch das bewaffnete Volk die Führungspositionen der Demokraten gegenüber den Liberalen und der Monarchie stärken und revolutionäre Auswirkungen auch auf Turin haben könnte. So zog er die Kapitulation vor und schloss mit Radetzky einen Waffenstillstand. Gegen die Zusicherung freien Abzugs verließ er in der Nacht zum sechsten August klammheimlich Mailand und lieferte die Patrioten der Willkür der neuerlichen Besatzung durch Österreich aus. Radetzky verhängte nach dem Einmarsch in die Stadt den Belagerungszustand. Mit den Aufständischen begann eine blutige Abrechnung. Der Waffenstillstand wurde am 9. August unterzeichnet. Die königlichen Truppen übergaben die Festung Peschiera den Österreichern und verließen die Lombardei, Modena, Parma und Venetien. Der Waffenstillstand dauerte bis zum März 1849. In Venedig hielt der Widerstand gegen Wien weiter an. Garibaldi, der bei Como operierte, setzte den Kampf ebenfalls fort. Am 6. August hatte er sich nach Gefechten mit starken österreichischen Truppen auf piemontesisches Gebiet zurückziehen müssen. Da er die Forderung des Königs, die Waffen niederzulegen, ablehnte, trat er vorübergehend in die Schweiz über.

Die Konterrevolution triumphierte auch in den anderen Staaten Italiens. Bereits im Mai hatte Ferdinand II. im Königreich beider Sizilien das von den Liberalen durchgesetzte Parlament aufgelöst und seine Truppen aus der piemontesischen Koalition zurückgezogen. Ihr kommandierender General, Guglielmo Pepe, verweigerte den Befehl und begab sich mit 1.500 Freiwilligen, die sich ihm anschlossen, nach Venedig, um an der revolutionären Erhebung teilzunehmen. Messina, wo sich die Aufständischen weiter behaupteten, ließ Ferdinand im September mit Artillerie sturmreif schießen. Erst nach viertägigen erbitterten Kämpfen gelang es den Bourbonen, die Stadt einzunehmen.


Foto: Public domain, via Wikimedia Commons

Giuseppe Mazzini
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Während die Revolution in ganz Europa, ausgenommen die Offensive der Honvéds unter Lajos Kossuth in Ungarn, stagnierte, gingen die Kämpfe in Italien weiter. Mit einem Aufstand in Livorno vom 2. bis 4. September begann faktisch eine neue, die zweite Etappe der Revolution. In Venedig bestand unter Manin die Republik weiter, in Florenz jagten die Revolutionäre Großherzog Leopold II. davon und bildeten ein gemäßigtes Triumvirat. Bestimmend für den Fortgang der Ereignisse aber wurde Rom, wo Mazzini, Garibaldi und Pisacane den revolutionären Prozess vorantrieben. Zu ihnen stieß mit Graf Aurelio Saffi ein entschiedener Republikaner, zusammen mit Mazzini Herausgeber des "L'Italia del Popolo". Im September 1850 gehörte er im Exil in London, ebenfalls mit Mazzini, zu den Gründern des Italienischen Nationalkomitees, das in seinem programmatischen Manifest forderte, Italien im einheitlichen revolutionären Kampf zu befreien und den Nationalstaat auf republikanischer Grundlage zu konstituieren.

Als in Rom Nachrichten über einen reaktionären Staatsstreich kursierten, wurde der reaktionäre Innenminister des Papstes, Pellegrino Rossi, am 15. November Opfer eines im Stile eines Tyrannenmordes durchgeführten Anschlages. Als er die Vorhalle seines Amtssitzes im Palazzo della Cancelleria betrat, umringten ihn mehrere junge Leute in Uniformen des päpstlichen Korps, das am Befreiungskrieg gegen Österreich teilgenommen hatte, und brachten ihm mit Dolchen die tödlichen Stiche bei. Garibaldi schrieb später: "Ein junger Römer hat zum Dolch des Marcus Brutus gegriffen." [2] Der Anschlag gab das Signal zum Aufstand. Eine große Menschenmenge begab sich am 16. November zum Quirinalspalast [3], verlangte, eine provisorische Regierung zu bilden und eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Pius IX. lehnte ab und ließ seine Truppen gegen die Menge vorgehen. Mit Hilfe von Nationalgardisten vertrieben die Demonstranten die päpstlichen Einheiten. In der Nacht zum 24. November floh Pius IX. mit seinen Kardinälen in die neapolitanische Festung Gaeta. Am 30. Januar 1849 traf der in Florenz gestürzte Großherzog Leopold II. bei ihm ein. Zu ihnen gesellte sich Ferdinand II. Gaeta wurde zum Zentrum der Konterrevolution gegen die Römische Republik. Der französische Regierungschef, General Louis Cavaignac, der den Juniaufstand in Paris blutig niedergeschlagen hatte, schickte zur Unterstützung Pius IX. eine Flotte nach Civitavecchia. Österreich und Spanien entsandten Truppen.


Foto: Battista Canè, Public domain, via Wikimedia Commons

Papst Pius IX. (1792-1878), Aufnahme von 1871
Foto: Battista Canè, Public domain, via Wikimedia Commons


Die Römische Republik

Eine in Rom am 21. Januar gewählte Verfassungsgebende Nationalversammlung Italiens rief am 8. Februar die Republik aus und erklärte die weltliche Herrschaft des Papstes für beseitigt. Das Parlament, in dem neben den revolutionären Demokraten mit Mazzini und Garibaldi an der Spitze die Handels- und Industriebourgeoisie starken Einfluss hatte, nationalisierte den Kirchenbesitz und übergab ihn gegen rückzahlbare Staatsanleihen an landlose und landarme Bauern in Erbpacht, beseitigte die kirchliche Gerichtsbarkeit, erklärte die Unabhängigkeit der Schule von bischöflicher Intervention und dekretierte die progressive Besteuerung. Von Anfang an versuchten jedoch Vertreter der Liberalen den von den Volksmassen ausgehenden revolutionären Schwung zu bremsen und zu einem Kompromiss mit der Reaktion zu kommen. Um den Einfluss der Demokraten zu stärken, bildeten Mazzini, Saffi und Armellini Ende März ein Triumvirat zur Leitung der Republik. Sie stärkten die Nationalgarde durch die Aufnahme revolutionärer Demokraten, versuchten, die soziale Lage der Arbeiter und des kleinen und mittleren Bürgertums zu verbessern und die Dekrete zur Verteilung des Kirchenlandes an bedürftige Bauern zu verwirklichen.

Die revolutionären Ereignisse in Rom wirkten sich auf Piemont-Sardinien und die Toskana aus. In Livorno wurde die Republik ausgerufen und in Florenz nach der Flucht des Großherzogs am 8. Februar die liberale Regierung abgesetzt und eine neue provisorische berufen. Danach verlangten die Demokraten, die Republik auszurufen. Das römische Parlament schlug am 7. März der an Rom angrenzenden Toskana die Vereinigung beider Staaten vor, dazu eine gemeinsame Nationalversammlung zu bilden und auf dieser Grundlage eine gesamtitalienische Konstituante vorzubereiten. Das mehrheitlich liberale Parlament der Toskana lehnte jedoch am 30. März ab.

Um revolutionären Erhebungen in der Lombardei und in Piemont zuvorzukommen, blieb Alberto nur, einen neuen Waffengang zu unternehmen. Am 12. März kündigte er den Waffenstillstand. Es begann der zweite Unabhängigkeitskrieg zur Befreiung der Lombardei. Da Alberto auch diesmal einen Volkskrieg verhindern wollte, war der Feldzug ein abenteuerliches Unternehmen, denn er zog nur mit insgesamt etwa 110.000 Mann ins Gefecht. Sein erneuter Kontrahent, der inzwischen zum Feldmarschall aufgestiegene Radetzky, verfügte mit zirka 120.000 Bajonetten zwar kaum über mehr Truppen, ergriff aber sofort die strategische Initiative. Bereits in ersten Vorpostengefechten wurden die Piemontesen am 21. März am rechten Ticino-Ufer geschlagen und auf Novara zurückgedrängt. Am 23. März fügte Radetzky südlich von Novara den Piemontesen am Abend eine schwere Niederlage zu. Alberto war zu feige, sich der Verantwortung zu stellen und floh nach Portugal, wo er am 28. Juni 1849 verstarb.

Sein Sohn Vittorio Emanuele II. übernahm das Zepter und schloss bereits am 24. März mit Radetzky einen neuen Waffenstillstand. Dabei wäre wie im März 1848 auch diesmal nichts verloren gewesen. Zunächst einmal stand am Lago Maggiore noch ein Korps von 30.000 bis 40.000 Mann, das binnen zwei Tagen die Lombardei erreichen konnte. Vor allem aber hätte ein Aufruf an die Massen zur Erhebung die Wende herbeiführen können. Auch ohne diesen Appell gab es dazu die Bereitschaft. In Brescia griff die Bevölkerung bereits zu Beginn der Schlacht bei Novara die österreichische Besatzung an und vertrieb sie aus der Stadt. Tagelang leisteten die Aufständischen den herangeführten starken österreichischen Truppen erbitterten Widerstand. Erst nach einem barbarischen Artilleriebeschuss auf die Wohnviertel gelang es diesen, am 1. April die Stadt zurückzuerobern. Brescia ging mit dem Ehrennamen "Löwin Italiens" in die Annalen des Freiheitskampfes ein. "Wäre Piemont eine Republik, wäre die Turiner Regierung revolutionär und hätte sie den Mut, zu revolutionären Mitteln zu greifen - es wäre nichts verloren", schrieb Friedrich Engels am 1. April 1849 in der "Neuen Rheinischen Zeitung". "Aber die italienische Unabhängigkeit geht verloren - nicht an der Unbesiegbarkeit der österreichischen Waffen, sondern an der Feigheit des piemontesischen Königtums."


Foto: Wolfgang Sauber, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Fresko mit einer Darstellung des Treffens von König Vittorio Emanuele II von Italien (r.) mit dem österreichischen Feldmarschall Radetzky (l.) in der Eingangshalle des Turms von San Martino della Battaglia
Foto: Wolfgang Sauber, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Gegen den Waffenstillstand erhoben sich leidenschaftliche Proteste. Am 27. März forderte eine Delegation der Abgeordnetenkammer von Turin den neuen König auf, den Waffenstillstand zu annullieren und den Krieg fortzusetzen. In Turin selbst erhoben sich die Demokraten gegen die Regierung. In Genua riefen die Revolutionäre am 1. April die Republik aus, verjagten die königlichen Truppen aus der Stadt und verlangten ebenfalls, den Krieg weiterzuführen. Am 3. April konstituierte sich eine provisorische Regierung von Ligurien, die sich den Forderungen anschloss. Die revolutionären Demokraten wollten die ligurische Republik ausrufen, sich mit der Römischen Republik, Venetien und der Toskana gegen Österreich verbinden. Das Turiner Parlament forderten sie auf, sich an die Spitze der nationalen Bewegung zu stellen.

Gegen das eigene Volk ging die Piemontesische Monarchie nun mit militärischer Gewalt energisch vor. In Turin und Genua wurde die "Ordnung" mit massivem Truppeneinsatz wiederhergestellt. Österreichische Truppen konnten die Lombardei und Venetien wieder okkupieren, die Romagna, die Marken und Umbrien besetzen, überall die Fürsten an die Macht zurückbringen. Sardinien-Piemont musste keine Gebiete abtreten, aber hohe Kontributionen zahlen. Mit den Patrioten wurde erneut blutig abgerechnet, zahlreiche von ihnen wurden hingerichtet. Im Königreich beider Sizilien waren 1851 über 5.000 Patrioten eingekerkert. Bis 1856 standen die Lombardei und Venetien unter Kriegsrecht. In den Herzogtümern der Po-Ebene, in den päpstlichen Legationen und in Ancona standen bis 1859 österreichische Besatzungen. Aufstandsversuche der Mazzinisten 1852/53 wurden grausam niedergeschlagen.


Garibaldi, General der Revolution

Alle Hoffnungen ruhten nun auf Rom. Bereits am 12. Dezember 1848 war Garibaldi mit 1.260 Mann seines Freikorps in der Hauptstadt der Revolution eingetroffen. Das Militärkomitee, das Carlo Pisacane leitete, übertrug ihm das Kommando über eine Division der Streitkräfte der Römischen Republik. Die Reaktion machte von allen Seiten mobil. Die französische Bourgeoisie, deren Macht seit Dezember 1848 Louis Napoleon verkörperte, war ein Gegner der Römischen Republik, der Einheit Italiens und ein Verbündeter des Papstes. Am 25. April traf eine französische Flotte mit 17 Kriegsschiffen und einem Landekorps von 7.000 Mann unter General Charles Oudinot in Civitavecchia nördlich von Rom ein. Sie eroberten die Garnison der Stadt und setzten die demokratischen Freiheiten der Republik außer Kraft. Das römische Parlament protestierte und verlangte den Rückzug der französischen Truppen. Das Triumvirat erklärte den Ausnahmezustand.

Spanien landeten mit 4.900 Mann bei Gaeta und setzte Truppen an der Küste vor Rom bei Fiumicino ab. Die Österreicher fielen in die Romagna ein, die Neapolitaner überschritten mit 12.000 Mann bei Terracina die Grenze. Garibaldi unterbreitete ein offensives Konzept zur Verteidigung, in die er die Volksmassen einbeziehen wollte. Er schlug vor, sich im Vorfeld von Rom dem Feind zu stellen, Positionen zirka 100 km nordwestlich bei Viterbo zu beziehen, um von dort aus die französischen Stellungen bei Civitavecchia anzugreifen. Ein Kontingent sollte in die Romagna geschickt werden, dort zum Aufstand aufrufen und den Gegner im Rücken angreifen. Mazzini wollte sich jedoch auf die Verteidigung der Hauptstadt beschränken. So konnten die Franzosen am 28. April Rom angreifen und auf die Stadtmauern vorrücken. Ihr Versuch, an der Porta Cavalleggeri in die Stadt einzudringen, scheiterte jedoch. Alle bewaffneten Bürger eilten auf die Barrikaden. Garibaldi führte die Verteidiger zum Gegenangriff. Oudinot wurde unter schweren Verlusten in seine Ausgangsstellungen zurückgeworfen, viele seiner Soldaten gefangen genommen. Garibaldi, der die Franzosen unverzüglich verfolgen wollte, fand kein Gehör. Das Triumvirat setzte auf einen Kompromiss, ließ die Gefangenen frei und schloss einen Waffenstillstand.

Wiederholt griff Garibaldi die Belagerer an und warf sie weit zurück. Als er am 27. Mai auf neapolitanisches Gebiet vorrückte, wurde er von der Bevölkerung stürmisch gefeiert. Er wurde wiederum gestoppt und nach Rom zurückgerufen. [4] Das Triumvirat hatte Verhandlungen mit Frankreich zugestimmt, mit denen Paris Zeit zur Vorbereitung einer neuen Offensive gewinnen wollte. In Civitavecchia trafen dazu ständig neue Truppen und Kriegsmaterial ein.


Entscheidung am Gianicolo

In der Nacht zum 3. Juni brach Oudinot den Waffenstillstand und eroberte in einem überraschenden Angriff den die Stadt beherrschenden Gianicolo. Alle Versuche Garibaldis, den strategisch entscheidenden Hügel zurückzuerobern, scheiterten. Im Triumvirat setzte man weiter auf Verhandlungen, um den französischen General zum Rückzug zu bewegen. Man überließ die Verteidigung der Stadt allein den Einheiten Garibaldis. Von ihm am Morgen unverzüglich angeforderte Verstärkungen trafen erst am Nachmittag ein, als seine Männer, die den Hügel hinauf über offenes Gelände die an Soldaten und Geschützen überlegenen Franzosen frontal angreifen mussten, fast aufgerieben waren. Wie der Schweizer Gustav von Hoffstetter in seinem "Tagebuch aus Italien" schrieb, gab Garibaldi seinen Männern ein Beispiel an Mut und Tapferkeit, als er die Angriffe den ganzen Tag im feindlichen Geschosshagel leitete und die letzte Attacke selbst anführte. Es gelang, die Franzosen vor den Stadtmauern zum Stehen zu bringen und ihr Vordringen in die Stadt vorerst zu verhindern. [5]


Foto: Rabax63, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Garibaldi-Denkmal auf dem Gianicolo in der Piazzale Giuseppe Garibaldi in Rom
Foto: Rabax63, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Nach der Eroberung des Gianicolo schloss die auf 60.000 Mann angewachsene französische Interventionsarmee Rom völlig ein, unterbrach die Wasserleitungen in die Stadt und eröffnete ein den ganzen Juni anhaltendes schweres Artilleriefeuer, das große Verluste vor allem unter der Zivilbevölkerung verursachte. Die Vorschläge Garibaldis, den Belagerungsring zu durchbrechen und den Kampf außerhalb der Stadt zu führen, lehnte das Triumvirat ein weiteres Mal ab. Am 13. Juni forderte Oudinot Rom zu Kapitulation auf. Noch lehnte die Nationalversammlung ab. Sie erwartete, die kleinbürgerlichen Republikaner in Paris würden den Sieg erringen, aber sie wurden geschlagen. Danach nahmen die Österreicher Ancona ein, das sich heldenhaft verteidigt hatte. Damit war auch der Fall von Rom entschieden. Bis zum 30. Juni verteidigte Garibaldi vor allem mit seinem Korps heldenhaft die Römische Republik. In der Nacht zum 1. Juli rückten die französischen Linientruppen nach erneutem schweren Artilleriebeschuss mit massiver Überlegenheit vor. Erbitterte Kämpfe tobten um die Villa Spada, das Hauptquartier Garibaldis. Während der Kämpfe tagte die Nationalversammlung. Sie beschloss, am 2. Juli die Verteidigung einzustellen. In einem letzten symbolischen Akt setzte sie feierlich die Verfassung der Römischen Republik in Kraft. Am 3. Juli besetzte General Oudinot die Stadt und verhängte das Kriegsrecht. Der nach Gaeta geflohene Pius IX. wagte es erst am 12. April 1850, in Begleitung eines starken französischen Truppenaufgebots nach Rom zurückzukehren. Am 12. Juli 1849 wurden Mazzini, Saffi und weitere führende Republikaner aus Rom ausgewiesen.

Garibaldi hatte am 2. Juli sein Korps und weitere Einheiten auf dem Petersplatz versammelt und mitgeteilt, dass er Rom verlassen und den Kampf fortsetzen werde. [6] 4.000 Mann schlossen sich ihm an. Er vollbrachte ein weiteres seiner zahlreichen militärischen Bravourstücke, als er mit dieser Truppe den französischen Belagerungsring durchbrach und nach Norden marschierte. Sein Korps wuchs auf 6.000 Mann an. Unterwegs wurde es in oft verlustreiche Kämpfe verwickelt. Als er Ende Juli in der Bergrepublik San Marino Zuflucht fand, zählte es noch 1.500 Mann. Am 4. August verstarb Garibaldis Frau Anita, die im sechsten Monat schwanger war. Sie litt an Malaria. Mehr aber noch fiel sie wohl den Strapazen des entbehrungsreichen Marsches zum Opfer. Anita Ribeiro da Silva hatte Garibaldi Ende der 30er Jahre in Südamerika kennen gelernt und 1842 geheiratet. Aus einer wohlhabenden Familie kommend, kämpfte sie fortan an seiner Seite und zog furchtlos mit den Rothemden in die Schlachten.

Mit dem Fall der Römischen Republik endete die Phase der Revolution von 1848/49 und mit ihr die erste Etappe der nationalen Unabhängigkeitskriege mit einer Niederlage, weil die Monarchen das Volk mehr fürchteten als die Habsburger Gewaltherrschaft und lieber das stockreaktionäre, durch Galgen und Galeere herrschende Regime des Vatikans und seiner französischen Besatzungstruppen ertrugen. Die Monarchen hatten während der revolutionären Erhebungen überall den liberalen Verfassungen zugestimmt. Nun wieder an die Macht gebracht lehnten sie diese, die einen Kompromiss zwischen Feudaladel und Bourgeoisie darstellten, kategorisch ab.

Nach der Niederlage der Revolution 1848/49 zeichnete sich ein beträchtlicher industrieller Aufschwung ab. Der Bourgeoisie fehlte jedoch die politische Macht, diesen Prozess zu beeinflussen. Die unter der Fremdherrschaft fortbestehende staatliche Zersplitterung wurde zum Anachronismus. Bis 1860 setzte sich die Fabrik-Produktion gegenüber der Manufaktur durch. Es entstand eine eisen- und metallverarbeitende Industrie, in der Giovanni Ansaldo sein später die Wirtschaft beherrschendes Eisen- und Stahlmonopol begründete. In Norditalien verdrängte der mechanische Webstuhl die Spinnmaschine. In Piemont, im Königreich beider Sizilien und den Herzogtümern Mittelitaliens wurden Telegraphenlinien errichtet. Nach 1860 gelang der Durchbruch im Eisenbahnwesen. Der wirtschaftliche Einfluss der Bourgeoisie überflügelte den des Feudaladels. Trotzdem hinkte Italien weiter hinter westeuropäischen Staaten her, von Großbritannien ganz zu schweigen. Die fehlende staatliche Einheit behinderte auch die Erschließung der fehlenden Rohstoffe an Kohle und Eisen als unerlässliche Voraussetzung des industriellen Fortschreitens. Bedingt durch die Fremdherrschaft herrschte im Industrialisierungsprozess französisches Kapital, aber auch deutsches, britisches und schweizerisches vor. Drei der vier Eisenbahnunternehmen waren in ausländischen Händen.

Den revolutionären Demokraten, mit denen die liberale Bourgeoisie gebrochen hatte, war es nach der Niederlage von 1848/49 nicht mehr möglich, das bürgerliche Lager insgesamt zu beeinflussen. Benso di Cavour stieg zum unumstrittenen Führer der liberalen Großbourgeoisie auf. 1852 wurde er Chef der Turiner Regierung. Diesen Posten bekleidete er mit einer kurzen Unterbrechung 1859/60 bis zu seinem Tod 1861. Er suchte den reformistischen Weg an die Macht mit einer geschickten diplomatischen Nutzung der Gegensätze zwischen den europäischen Großmächten zu kombinieren. Im Krimkrieg, an dem Piemont mit einem Expeditionskorps teilnahm, hatte Russland, der "Gendarm Europas", eine schwere Niederlage erlitten und sich aus Osteuropa zurückziehen müssen. Österreich verlor seinen wichtigsten Verbündeten und damit an Einfluss. Napoleon III., mit dessen "18. Brumaire" 1851 die konterrevolutionärsten Kreise der französischen Bourgeoisie an die Macht kamen, war politisch der wichtigste Gewinner des Krieges. Er wollte in Italien Österreichs Platz einnehmen und suchte dazu ein Bündnis mit Sardinien-Piemont. 1858 reiste Cavour zu ihm ins mondäne Hofbad Plombières-les-Bains, um ein Übereinkommen auszuhandeln. In dem Vertrag, der am 20. Juli 1858 zustandekam, versicherte der Empereur ihn des Beistands Frankreichs in einem Krieg gegen Österreich. Am 19. April 1859 forderte Wien Piemont ultimativ auf, die offensichtlichen Vorbereitungen auf einen Krieg binnen drei Tagen einzustellen, andernfalls werde der Kaiser Österreich "zu den Waffen rufen". Am 26. April wies Turin das Ultimatum zurück.

Am nächsten Tag überschritt die österreichische Armee unter dem Kommando des ungarischen Feldmarschalls Ferenc Gyulay den Ticino und drang in Richtung Turin vor. Frankreich schickte 200.000 Soldaten, Piemont bot 63.000 auf. Das Oberkommando übernahm Napoleon III. Die Franzosen wurden erstmalig in der Militärgeschichte in kurzer Zeit per Eisenbahn transportiert. Am 4. Juni erlitten die Österreicher in der Schlacht von Magenta eine schwere Niederlage und mussten Mailand räumen. Endgültig geschlagen wurde Gyulay am 24. Juni bei Solferino. Garibaldis Korps vertrieb die Österreicher aus Varese und Como, besetzte Brescia und operierte am Gardasee.


Abbildung: Public domain, via Wikimedia Commons

Napoléon III. und sein Stab bei der Beobachtung der Schlacht von Solferino
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Während des Feldzuges kam es zu revolutionären Erhebungen in der Toskana, den Herzogtümern der Poebene und im Kirchenstaat. Die Patrioten forderten als ersten Akt der Herstellung der nationalen Einheit den Anschluss an Piemont. Napoleon III. fürchtete um seinen Einfluss auf Italien und schloss bereits am 5. Juli mit Franz Joseph einen Waffenstillstand. Im Friedensvertrages von Zürich am 8. August trat Wien die Lombardei an Napoleon III. ab, der sie an Vittorio Emanuele übergab. Ein beschämender Akt, der Piemont zum Vasallen Frankreichs degradierte. Venetien blieb bei Österreich. Mit dem Papst als Oberhaupt bildeten die Monarchen der übrigen italienischen Staaten eine Konföderation. Das Volk durchkreuzte ihre Pläne und jagte die Fürsten in Florenz, Modena und Parma davon. In den Marken, Umbrien und der Romagna ergriffen die päpstlichen Legaten die Flucht. Aus Furcht, den revolutionären Demokraten Auftrieb zu verschaffen, zögerte Vittorio Emanuele, den Anschluss der Toskana, der Herzogtümer und der päpstlichen Legationen in der Romagna zu legalisieren. Auch wollte er nicht ohne Einverständnis Napoleons handeln. Dieser stimmte schließlich zu, als er dafür Savoyen und Nizza erhielt. [7]

Als sich im April 1860 auf Sizilien die Bauern erhoben, kaperte Garibaldi in Genua zwei Dampfschiffe, auf denen er ihnen mit 1.000 seiner Rothemden zu Hilfe eilte. Am 11. Mai ging der "Zug der Tausend" bei Marsala an Land. Zwei britische Kriegsschiffe beobachteten die Operation, ohne sich einzumischen. Am nächsten Tag wurden die bourbonischen Truppen in einem Gefecht bei Calatafimi geschlagen. Aus der Bevölkerung strömten dem Korps nun in großer Zahl Freiwillige zu. Ohne dass es dazu eine Übereinkunft gab, erklärte Garibaldi in seinem Dekret vom 14. Mai 1860: "Prende la Dittatura in Sicilia in nome di Vittorio Emmanuele Re d'Italia". [8] Mit der Berufung auf den König wollte Garibaldi die Einheit der nationalen Bewegung demonstrieren. Vom Hof in Turin gab es keinen offiziellen Widerspruch. Garibaldi errichtete ein Staatssekretariat, an dessen Spitze er Francesco Crispi berief. Der von ihm organisierten Regierung gehörten Mazzinisten und gemäßigte Liberale an. Sie erließ als erstes ein Dekret, das alle Männer zwischen 18 und 50 Jahren zum Militärdienst rief. Die bourbonische Verwaltung wurde auf allen Ebenen abgesetzt, die von ihr erlassenen Gesetze und Verordnungen aufgehoben. Garibaldi ernannte für alle 24 Distrikte der Insel einen Gouverneur mit dem Auftrag, die vor der Restauration durch die Bourbonen 1849 bestehenden Verwaltungsorgane wieder einzusetzen.


Garibaldis revolutionär-demokratische Diktatur

Die wichtigste soziale Maßnahme war der Erlass des Dekrets, welches das Gemeindeland an die Bauern aufteilte und es ihnen übereignete. Die eingeleiteten Maßnahmen verdeutlichten den Charakter der Regierung als eine kleinbürgerliche revolutionär-demokratische Diktatur. In keiner Erhebung der vergangenen Jahre waren derart umfassend revolutionäre Maßnahmen verkündet worden. Die Landverteilung an die Bauern schleppte sich jedoch hin und wurde kaum verwirklicht. Die Liberalen schreckten vor einer Agrarrevolution zurück. Vielerorts versuchten die Bauern, das Dekret selbst in die Tat umzusetzen.

Am 27. Mai griff Garibaldi Palermo an und vertrieb in dreitägigen Kämpfen die Franzosen. Die Einwohner feierten ihn begeistert als Befreier. "Die 20 Tage zwischen der Landung auf Sizilien und der Befreiung von Palermo waren die heroischsten des Garibaldinischen Unternehmens", heißt es bei Candeloro. [9] Am 1. Juli setzte die Garibaldi-Regierung im Königreich beider Sizilien die Verfassung von 1848 und die in dieser Zeit erlassenen Gesetze und Verordnungen wieder in Kraft und kündigte für den 10. September die Einberufung eines Parlaments an. Am 20. Juli erlitten die bourbonischen Truppen, die versuchten, die Insel zurückzuerobern, in der Schlacht von Milazzo erneut eine schwere Niederlage.

Am 18. August überquerte Garibaldi die Meerenge von Messina und landete bei Reggio Calabria. Vielerorts flammten spontane Aufstände auf, das Bourbonenregime begann sich aufzulösen. Obwohl Franz II. über gut 18.000 Mann Truppen verfügte, stießen die Rothemden auf dem Marsch durch Calabria, Catania und Basilicata kaum auf Widerstand. Überall schlossen sich ihnen weitere Patrioten an. Am 6. September erreichten sie Salerno, einen Tag später Neapel. Die bourbonischen Truppen flohen, Franz II. setzte sich nach Gaeta ab. Garibaldi beschlagnahmte die Kriegsschiffe und die Handelsmarine beider Sizilien und erklärte sie zum Geschwader der Flotte des "Königs von Italien, Vittorio Emanuele II." [10] Er beherrschte nunmehr ganz Süditalien, auf das er die Diktatur Siziliens ausdehnte und seine Dekrete als "Il Dittatore dell'Italia Meridionale" unterzeichnete. [11] Er bereitete sich darauf vor, Rom einzunehmen und lud Vittorio Emanuele in einem Brief ein, in die Hauptstadt zu kommen, um als König Italiens gekrönt zu werden.


Piemont proklamiert das Königreich Italien

Die bevorstehende Einnahme Roms durch den Volkshelden und der geschickte diplomatische Schritt, mit dem dieser die letzte Schlacht durch den Brief an den König vorbereitete, riefen die Großbourgeoisie mit Cavour an der Spitze auf den Plan. Garibaldi zu folgen, hätte bedeutet, selbst wenn es nur ein symbolischer Schritt geworden wäre, dass der König die Krone nach dem Sieg der Revolution aus der Hand des Volkes entgegennimmt. Cavour hatte bereits 1857 mit der Gründung der Società Nazionale ein klares Bekenntnis zur Einheit in der Form der Monarchie abgelegt. [12] In ihrem Programm bekannte sich die Nationalgesellschaft zum Haus der Sabauden, "solange das Haus Savoyen in allem, was vernünftig und möglich ist, für die italienische Seite sein wird". Das bedeutete, dass die Bourgeoisie die Monarchie der Sabauden respektieren werde, wenn diese ihren Machtanspruch berücksichtige. Jetzt Garibaldi zu folgen, hätte eine Aufwertung des Einflusses der kleinbürgerlichen Demokraten mit Mazzini und Garibaldi an der Spitze und demgegenüber eine Schwächung der Macht der Bourgeoisie von Anfang an bedeutet. Außerdem hatte die republikanische Fraktion der Aktionspartei noch immer beträchtlichen Einfluss. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei einem Einzug des Volkshelden den Siegestaumel nutzte und die Republik ausrief.

Hatte es Cavour noch im März "für wünschenswert (gehalten), dass der Stand der Dinge im südlichen Königreich noch einige Jahre fortdauere", so wollte er nun plötzlich "an Kühnheit mit Garibaldi wetteifern, um ihm nicht das Monopol der Einheitsidee zu überlassen, die jetzt einen unwiderstehlichen Zauber auf die Volksmassen ausübt". Am 11. September ging er mit einem Ultimatum an den Heiligen Stuhl in die Offensive, das den Abzug der päpstlichen Söldnertruppe aus dem Kirchenstaat forderte. Es war die Erklärung des "Guerra Santa der Einigung Italiens". Als die Kurie ablehnte, rückte Piemont mit 30.000 Mann in Umbrien und den Marken ein. Am 18. September fügte es der Armee des Papstes bei Castelfidardo eine Niederlage bei. In den beiden Provinzen übernahmen Turiner Gouverneure die Macht. Am 29. September eroberten die Piemontesen Ancona, den letzten Stützpunkt der französischen Truppen des Papstes. Die Herrschaft des Pontifex wurde auf das Latium und die ewige Stadt beschränkt. Pius IX. schleuderte den Bannfluch gegen die "maßlose Bosheit der Gottlosen" in Turin und exkommunizierte Vittorio Emanuele II. [13] Mit dem raschen Feldzug gegen den Kirchenstaat hatte Cavour einen wichtigen militärischen Vorteil erreicht. Die piemontesischen Truppen blockierten die von Garibaldi besetzte Heerstraße nach Rom.

Die sich abzeichnende Vereinigung Nord- und Süditaliens versuchte Franz II. in letzter Minute zu vereiteln. Vor Gaeta hatte er die Truppen zum Angriff auf die Rothemden auf über 40.000 Mann verstärkt. Garibaldi griff mit seiner Südarmee, wie seine Truppen inzwischen bezeichnet wurden, unverzüglich an. Am 1. Oktober begannen am Volturno erbitterte und zunächst unentschiedene Gefechte. Garibaldi kämpfte wie schon so oft an der Spitze von Einheiten und trug mehrmals selbst Bajonettangriffe vor. Am Abend des 2. Oktober siegten die Freiheitskämpfer über die Söldnertruppe Franz II. und trieben sie nach Gaeta zurück. Der Bourbonenkönig blieb in der Festung von Garibaldis Armee eingeschlossen.

Am 11. Oktober beschloss das Turiner Parlament den bedingungslosen Anschluss Süd- und Mittelitaliens an Piemont-Sardinien. Es war ein weiterer Akt der Festschreibung der "Revolution von oben" dergestalt, dass Piemont-Sardinien einfach auf diese Gebiete ausgedehnt und ein demokratischer verfassungsmäßiger Weg ausgeschlossen wurde. Mit der Abhaltung von Referenden wurde nur der Schein gewahrt. Mit dem Ziel einer Vereinigung mit dem Königreich Sardinien-Piemont sicherte sich das Turiner Parlament am 21. Oktober im Süden die Zustimmung zu "einem einigen und unabhängigen Italien mit Vittorio Emanuele II. als konstitutionellem König". Auf dem Festland konnten von 6,5 Millionen Einwohnern 1.650.000 wählen. 79,5 % stimmten ab, davon 1.302.064 für die Vereinigung. Auf Sizilien waren von 2.232.000 Einwohnern 575.000 wahlberechtigt. Von 75,2 %, die an die Urnen gingen, stimmten 432.053 dafür. [14] Das Wahlergebnis war indessen bereits vorher abgesichert worden. Die feudalen Grundbesitzer des Südens, bisher Verbündete der davongejagten Bourbonen, fürchteten um ihren Besitz.


Die Bourgeoisie garantiert den feudalen Grundbesitz

Um ihre Zustimmung zur Vereinigung mit Piemont-Sardinien zu erhalten, sicherte ihnen die liberale Bourgeoisie des Nordens zu, ihr Eigentum nicht anzurühren. So sprangen sie im Referendum auf den Zug "der Revolution von oben" auf. Ergebnis des Kompromisses zwischen Bourgeoisie und Adel war, dass die wichtigste soziale Aufgabe der Revolution, die Beseitigung des feudalen Grundbesitzes, nicht gelöst wurde. Giuseppe Tomasi di Lampedusa hat in seinem 1958 erschienenen weltberühmten Roman "Der Leopard" augenscheinlich beschrieben, was den Feudaladel bewog, auf die Seite der Revolution zu wechseln. Für Fürst Salini vom sizilianischen Hochadel sind die Piemonteser im Herbst 1860 die Feinde des Königreichs beider Sizilien, das sie sich einverleiben wollen. Er versteht nicht, wie sein Neffe, Don Tangredi, als Offizier in ihrer Kavallerie dienen kann. Der erklärt ihm, warum er die Fahne gewechselt hat. "Sind nicht auch wir dabei, so denken die Kerle sich noch die Republik aus. Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert." [15]

Am 4. November folgten die Plebiszite über den Anschluss der Marken und Umbriens an Piemont. In den Marken waren die Ergebnisse mit etwa 60 Prozent Stimmen dafür niedriger als in Neapolitanien/Sizilien, während sie in Umbrien mit zirka 79 Prozent darüber lagen. Mit den Referenden wurde endgültig die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung zur Konstituierung des Nationalstaates verhindert, da sich hier nochmals die Entscheidung über Republik oder Monarchie hätte stellen können. Am 17. Dezember erfolgte die Auflösung des Turiner Parlaments und die Ausschreibung von Wahlen für ein gesamtnationales italienisches Parlament, die am 27. Januar 1861 stattfanden. An der Abstimmung konnten 1,9 % der Bevölkerung teilnehmen, von denen nur 57,2 % ihre Stimme abgaben. [16] Die Wahl stellte einen großen Erfolg für die italienische Rechte mit Cavour an der Spitze dar. Seine Anhänger belegten 350 der 443 Abgeordnetensitze. Ein Großteil der neu gewählten Parlamentarier gehörte der Bourgeoisie an, 85 waren Fürsten bzw. Prinzen, 28 hohe Militärs, 72 Anwälte, 52 Universitätsprofessoren, Ärzte oder Ingenieure. Die Bauernmassen im Süden, das entstehende Proletariat im Norden, welche die aktivsten Teilnehmer am Kampf für die Einheit und Unabhängigkeit Italiens gewesen waren, blieben ausgeschlossen. Im Wesentlichen hatten nur die herrschenden Oberschichten abgestimmt.


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Alberto, König von Sardinien, unterzeichnet am 4. März 1848 in Turin das "Albertinische Statut" (von 1848 bis 1861 die Verfassung des Königreichs Sardinien-Piemont und von 1861 bis 1946 die Verfassung des Königreichs Italien)
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Als Nächstes ging es darum, die bourbonische Enklave Gaeta einzunehmen. In der Festung war Franz II. landwärts von Garibaldi eingeschlossen, von der See her hatte die italienische Kriegsmarine den Ring geschlossen. Am 15. Februar kapitulierte Franz II. Ein französisches Kriegsschiff brachte ihn mit seiner Familie nach Rom, wo er als Gast Pius IX. im Exil verblieb. Nach der Kapitulation unternahm Vittorio Emanuele einen spektakulären Schritt der Aussöhnung mit der Konterrevolution des Südens. Er übernahm den General des Königreichs beider Sizilien Alessandro Nunziante in die italienische Armee. Dieser hatte 1821 die Revolution in Neapel blutig niedergeschlagen und noch im Oktober 1860 in der Schlacht gegen Garibaldi am Volturno für die Bourbonen gekämpft.

Am 18. März trat in Turin das von Bourgeoisie und Adel beherrschte italienische Parlament zusammen und proklamierte das Königreich Italien mit Vittorio Emanuele II. als Monarchen. Nachdem am 23. März die erste italienische Regierung unter Cavour gebildet worden war, erklärte der Ministerpräsident in der Sitzung des Parlaments vom 25. bis 27. März, dass einzig und allein Rom die Hauptstadt Italiens sei und erst ihre Befreiung die Einheit Italiens vollenden werde. Das könne jedoch nur im Einverständnis mit Frankreich erfolgen und ohne die Unabhängigkeit und geistliche Freiheit des Pontifex, die das neue Italien gegenüber Europa garantiere, zu beschädigen. Zum Ausgleich für die Beendigung seiner "zeitweiligen Herrschaft" sicherte die Regierung dem Papst eine hohe jährliche Rente zu. Auf das noch von Österreich besetzte Venetien ging Cavour nicht ein. [17]

Garibaldi hatte sich der Monarchie untergeordnet. Die Befreiung Umbriens und der Marken durch die königliche Armee stärkte die nationalistisch-royalistischen Positionen, denen nur schwer Widerstand entgegenzusetzen war. Eine Auseinandersetzung innerhalb der nationalen Bewegung über die Frage Monarchie oder Republik hätte zu einem militärischen Konflikt führen und dieser unkalkulierbaren Schaden zufügen können. Am 26. Oktober 1860 folgte Vittorio Emanuele der Einladung Garibaldis und kam in das von ihm regierte Süditalien. Dem König, der Generalsuniform trug, folgte ein großes Aufgebot der piemontesischen Armee. Die Begegnung fand nördlich des Volturno bei der Ortschaft Teano statt. Der Befehlshaber der Südarmee begrüßte Vittorio Emanuele als Re d'Italia. Trotz freundschaftlicher Atmosphäre wies der König das Ersuchen Garibaldis zurück, ihm im Interesse einer reibungslosen Vereinigung mit dem Norden ein Jahr lang die Regierung Süditaliens zu überlassen. Garibaldi wies das königliche Angebot ab, ihn ehrenvoll für seine Leistungen zu belohnen. Die Südarmee wurde aufgelöst, der zunächst von Cavour unterstützte Plan, aus den Rothemden eine eigene Division als Cacciatori delle Alpi zu bilden, nicht verwirklicht. Ihnen wurde freigestellt, in den Dienst der königlichen Armee einzutreten. Nur ein geringer Teil ging diesen Weg. Von denen, die ausschieden, erhielten nur wenige eine Abfindung. Viele lehnten sie auch ab. Garibaldi selbst wurde zum aktiven General der königlichen Armee befördert. Er trat dieses Amt nicht an, sondern zog sich auf seinen einfachen Landsitz auf Caprera zurück. Die zwischen Sardinien und Korsika im Maddalena-Archipel liegende 15,75 km² umfassende Insel hatte keinen Hafen, war aber für einen geschickten Seemann leicht zugänglich. Garibaldi ging auf Caprera nicht ins Exil, denn es gehörte zu Sardinien und damit zu Piemont.

Auf der Liste der Demokraten Neapels wurde Garibaldi seit 1860 in sieben Legislaturperioden in die Abgeordnetenkammer gewählt. Im April 1861 musste die Auflösung seiner Armee offiziell im Parlament behandelt werden. Als er mit seinem traditionellen Poncho und im Rothemd auf die Rednerbühne trat, empfing ihn aus den Zuschauerreihen stürmischer Beifall, während die in Schwarz gekleideten Abgeordneten der Regierungsmehrheit in eisigem Schweigen verharrten. In einer leidenschaftlichen Rede rechnete der Revolutionsgeneral mit dem Komplott Cavours ab, mit dem die Befreiung Roms verhindert und die Gefahr eines Bruderkrieg heraufbeschworen worden sei. [18]


Garibaldi greift ein

1862 lenkte Garibaldi mit mehreren spektakulären Operationen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die ungelösten Probleme. Im Mai versammelte er eine große Zahl früherer Rothemden bei Brescia und kündigte eine Erhebung gegen Österreich an. Als 123 seiner Freiwilligen festgenommen und in Brescia eingekerkert wurden, kam es zu zahlreichen stürmischen Protestkundgebungen. Nachdem Soldaten vier seiner Anhänger erschossen, wuchsen die Demonstrationen weiter an und breiteten sich auf zahlreiche Städte aus. In Turin forderte die Opposition eine parlamentarische Untersuchung. Am 26. Mai mussten die Festgenommenen freigelassen werden. Nachdem Garibaldi auf Einladung und Kosten der Regierung eine Rundreise durch Oberitalien unternommen hatte, wurde er in Turin vom König und Ministerpräsidenten empfangen. Als der General daraufhin im Juni einer Einladung des Bürgermeisters von Palermo zu einem "privaten Besuch" folgte, entstand allgemein der Eindruck einer mit dem Königshaus abgestimmten Reise. Sein Aufenthalt löste gewaltige Volkskundgebungen aus, auf denen er stürmisch gefeiert und aufgefordert wurde, den bewaffneten Kampf wiederaufzunehmen, um die Einheit Italiens zu vollenden. Garibaldi reagierte geschickt und erklärte sich zu einer bewaffneten Expedition bereit, die jedoch im Einvernehmen mit dem König erfolgen müsse. Gleichzeitig sammelten seine Offiziere auf dem Festland Freiwillige für ein neues Korps. Am 20. August marschierte er mit 3.000 Mann nach Catania. Die königliche Garnison verhielt sich ruhig. Das vermittelte den Eindruck, Garibaldi handele tatsächlich im Einverständnis mit Vittorio Emanuele. In Turin griff jedoch erneut die Furcht um sich, bei einem Einzug des Volkshelden in Rom könnte die Republik ausgerufen werden. Hinzu kam, dass Louis Napoleon energisch forderte, die Souveränität des restlichen Kirchenstaates zu garantieren. Am 28. August griffen die Truppen Vittorio Emanueles auf den Höhen von Aspromonte in den südlichen Ausläufern des Apennin Garibaldis Vorhut an. Der General selbst wurde verwundet. Obwohl in günstiger Gefechtsposition sah Garibaldi wiederum das Risiko eines drohenden Bürgerkrieges. Er befahl, das Feuer einzustellen und ließ sich gefangen nehmen. Nach einer ganz Italien erfassenden Protestwelle wurde er freigelassen.


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Giuseppe Garibaldi, um 1866

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In Großbritannien lud ein extra dazu gegründetes Komitee den italienischen Nationalhelden nach London ein. Am 3. April 1864 traf Garibaldi in Southampton ein. Er fuhr in einem Sonderzug nach London, wo ihn eine halbe Million Einwohner nach stundenlangem Warten begrüßte. [19] Nicht nur die einfachen Menschen bekundeten ihm ihre tiefe Sympathie und waren hingerissen von seiner Erscheinung, auch Aristokraten und führende Politiker, darunter selbst der Prinz von Wales, trafen mit ihm zusammen und waren beeindruckt von seiner faszinierenden Persönlichkeit. Der liberale Unterhausabgeordnete William Gladstone, mehrfach Minister (er wurde 1868 Premier), sagte nach einer Begegnung mit dem General, man könne "nie die märchenhafte Wirkung vergessen, die von der schlichten Noblesse seines Verhaltens ausging, von seinen Umgangsformen und seinem Benehmen". Bei einem Treffen mit führenden Persönlichkeiten der Regierung sei Garibaldi "auf eine völlig gelöste und natürliche Weise, aber doch im sichtbaren Bewusstsein seiner Stellung, auf die ihn erwartenden Männer" zugegangen. Es sei "ein wirklich bemerkenswerter und eindrucksvoller Auftritt" gewesen. [20]

Am 15. September 1864 schlossen Italien und Frankreich in Paris eine Konvention zur "Römischen Frage" (Septemberkonvention), die den Abzug der französischen Garnison aus Rom innerhalb von zwei Jahren vorsah. Dem Papst wurde dafür zugestanden, eine eigene Truppe aufzustellen, die de facto weiterhin vor allem aus Franzosen bestand. Italien verpflichtete sich, von einem militärischen Angriff auf Rom abzusehen, die territoriale Integrität des Kirchenstaates zu respektieren und obendrein einen Teil der öffentlichen Ausgaben des Papstes zu übernehmen. Eine geheime Klausel des Vertrages legte fest, dass die italienischen Hauptstadt binnen sechs Monaten von Turin an einen noch zu bestimmenden Sitz verlegt werde. Paris interpretierte das Abkommen als einen Verzicht Italiens auf Rom als Hauptstadt, während Turin eher zweideutig von einem ersten Schritt in Richtung einer friedlichen Lösung der kontroversen Standpunkte sprach. Als bereits drei Tage später die Verlegung der Hauptstadt aus "strategischen Gründen" nach Florenz bekannt gegeben wurde, gab es monatelange Proteste. Turiner Parlamentarier bildeten ein Komitee zur Wahrung der unverzichtbaren Regierungsforderung auf Rom als Hauptstadt. Am 5. November 1865 begann der Abzug der französischen Schutztruppen des Papstes aus dem Kirchenstaat. [21]

1866 schlug Italien sich im Konflikt Preußens mit Österreich bei der Herstellung der deutschen Einheit zur Verfolgung eigener Interessen auf die Seite Bismarcks. Gegen die Zusicherung der Abtretung Venetiens und weiterer noch unter Habsburger Herrschaft stehender italienischer Territorien verpflichtete es sich, in einem preußisch-österreichischen Konflikt gegen Wien in den Krieg einzutreten. Als Preußen diesen am 17. Juni begann, kam Italien seinen Verpflichtungen nach. Südlich des Gardasees wurde die italienische Armee bei Custoza jedoch wiederum von den Österreichern geschlagen. Auch der italienischen Kriegsflotte war in der Seeschlacht bei der Insel Lissa nahe der jugoslawischen Küste kein besseres Schicksal beschieden. Nur Garibaldi operierte mit einem fast 40.000 Mann zählenden Freiwilligenkorps in Tirol erfolgreich. Trotz der Niederlagen hatte Italien beträchtliche österreichische Truppen gebunden, was zu Preußens Sieg bei Königgrätz beitrug. Franz Joseph I. musste Venetien freigeben. Wiederum erfolgte die Übergabe in einer für Italien erniedrigenden Weise an Napoleon, der sie als Geschenk an Emanuele weiterreichte. Wien war nach diesem Krieg nicht nur als Gegner der Einigungsbewegung Bismarcks, sondern auch Italiens ausgeschaltet.


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3. Juli 1866 - Schlacht von Königgrätz (Gemälde von Georg Bleibtreu)
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Ein letztes Mal trieb Garibaldi die Lösung voran. Im Oktober marschierte er mit 9.000 Freiwilligen in den Kirchenstaat ein. In Florenz erweckte der Hof wieder einmal den Eindruck, die Operation des Generals sei mit ihm abgestimmt. Bei Monterotondo stieß Garibaldi an den päpstlichen Truppen vorbei auf Rom vor. Napoleon hatte jedoch bereits ein starkes französisches Korps in Civitavecchia anlanden lassen. Am 3. November kam es nordöstlich von Rom bei Mentana an der Via Nomentana zur Schlacht mit den Franzosen, die nicht nur zahlenmäßig, sondern mit den neuen Chassepot-Gewehren (Hinterlader) ausgerüstet, Garibaldis Verbänden auch technisch überlegen waren. Von den regulären italienischen Truppen im Stich gelassen, musste er aufgeben.


Das Ende der weltlichen Herrschaft des Papstes

Beim letzten Akt der Vollendung seiner nationalen Einheit profitierte Italien vom preußisch-französischen Konflikt. Nach der Niederlage am 1. September 1870 bei Sedan zog Frankreich seine päpstlichen Schutztruppen aus Rom ab. Am 4. September wurde in Paris die Republik ausgerufen. In einem Memorandum an die europäischen Regierungen bezeichnete das italienische Kabinett eine Lösung der "römischen Frage" als dringend erforderlich, um "revolutionären Motiven" vorzubeugen. Am 5. September schlug die Regierung dem Papst vor, über die Besetzung Roms in Verhandlungen einzutreten. Vittorio Emanuel II. sicherte dem Pontifex "die notwendigen Garantien zur Wahrung der spirituellen Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls" zu. Pius IX. ließ die Chance, das Gesicht zu wahren, ungenutzt und lehnte den Vorschlag am 10. September ab. Zwei Tage später drangen italienische Truppen, ohne auf Widerstand zu stoßen, bis vor die Mauern von Rom vor. Um 10 Uhr am Morgen des 20. September schoss die königliche Artillerie in die Porta Pia der römischen Stadtmauer ein Bresche. Das 39. Infanterie- und das 34. Bersaglieri-Bataillon rückten durch die Lücke in die Stadt vor. Der kurze, mehr symbolische Widerstand sollte demonstrieren, dass seine Heiligkeit nur der Gewalt weiche. Trotzdem kamen im Gefecht um die Einnahme des letzten okkupierten italienischen Territoriums nochmals 49 italienische und 19 päpstliche Soldaten ums Leben. Der Befehlshaber des Pontifex, der deutsche General Hermann Kanzler, unterzeichnete sofort nach der Feuereinstellung die bereits verfasste Kapitulation. [22] Am 9. Oktober wurde Rom in das Königreich eingegliedert. Italien beseitigte die weltliche Herrschaft des Papstes, nahm seine "natürliche Hauptstadt" in Besitz und vollendete die nationale Einheit.

Pius IX. protestierte wütend, erklärte sich zum "Gefangenen im Vatikan" und exkommunizierte in feierlicher Form alle am "Raub des Patrimonium Petri" Beteiligten. Im Mai erließ die italienische Regierung ein umstrittenes Garantiegesetz, in dem die geistliche Unabhängigkeit des Papstes und seine persönliche Souveränität mit aktivem und passivem Gesandtschaftsrecht anerkannt wurde. Der Vatikan, der Lateran und der Landsitz Castel Gandolfo verblieben ihm als exterritorialer Besitz. Obendrein wurde ihm, was vor allem heftige Kritik hervorrief, eine jährliche Dotation in Höhe seiner bisherigen Einnahmen zugestanden. Nach offizieller Darstellung lehnte der Papst ab. Sein unermessliches finanzielles Vermögen ermöglichte ihm, den Restkirchenstaat zu finanzieren. Zusätzlich sicherte ihm ein eingeführter Spendenfond, der "Peterspfennig", große Einnahmen. Seine diplomatischen Aktivitäten blieben zunächst stark eingeschränkt. Außer Österreich-Ungarn, Spanien, Frankreich und Portugal unterhielten keine weiteren Staaten diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl.


Ein Dreiviertelsieg der Revolution

In Italien war die bürgerliche Revolution ein untrennbarer Bestandteil des Risorgimento von 1789 bis 1870/71. Dieser Prozess ging nach 1849 weiter, führte 1861 zum politischen Machtantritt der Bourgeoisie, endete 1870 mit der restlosen Beseitigung der Fremdherrschaft der Habsburger, der Bourbonen und des Papstes und der Herstellung des nationalen Einheitsstaates. So gesehen waren die Niederlagen 1848/49 temporär und die bürgerliche Revolution errang einen Dreiviertelsieg. Nicht erfüllt wurde die wichtigste soziale Aufgabe der Revolution, die Beseitigung des feudalen Grundbesitzes.

Manche Historiker heben gern Gemeinsamkeiten im Prozess der Herstellung des Nationalstaates in Deutschland und Italien hervor. Das beschränkt sich indessen im Wesentlichen auf den zeitlichen Abschluss 1870/71. In Deutschland war der Einheitsstaat vorwiegend das Werk des Vertreters der Junkerkaste Bismarck. Er wurde nach dem Feldzug gegen Frankreich, der als Eroberungskrieg endete, im besetzten Feindesland proklamiert. In Italien konstituierte er sich dagegen im Ergebnis des Kampfes einer nationalen Bewegung, lange Zeit revolutionär-demokratischen Charakters, und der gegen die Fremdherrschaft geführten Befreiungskriege. Während sich die deutsche Bourgeoisie 1871 der preußischen Hegemonie unterordnete und die politische Macht mit den Junkern teilte, war es in Italien umgekehrt.

Die Bourgeoisie des Nordens, vertreten vor allem durch einen starken liberalen Flügel, die sich mit den Latifundistas des Südens arrangierte, in dem sie deren Besitz garantierte, war bei der Proklamation des Nationalstaates die politisch führende Kraft. In Gestalt Camillo Cavours führte sie, und nicht der Turiner Hof, den "Kompromiss von oben" herbei. Das Handeln der liberalen Bourgeoisie wurde dadurch begünstigt, dass in Italien in dieser Etappe des revolutionären Prozesses noch nicht der Formierungsprozess des modernen Proletariats, das eigene Forderungen stellte, eingesetzt hatte. Die Großbourgeoisie handelte jedoch nicht aus eigenem Entschluss, sondern unter dem Druck der kleinbürgerlichen Demokraten, besonders ihres radikalen Flügels, der bis Anfang der 60er Jahre die Bewegung vor allem durch den Einfluss Garibaldis dominierte. Franz Mehring schätzte ein: "Am Ende hat Cavour ein einiges Italien geschaffen, als Monarchie zwar nur, aber doch ohne alle Untersatrapen und nur mit dem Verlust von ein paar hunderttausend meist französischer Untertanen seines angestammten Königshauses an Frankreich, während Bismarck einen großen Teil Deutschlands in die preußische Kaserne gesperrt hat, mit Beibehaltung von zwei oder drei Dutzend Mittel- und Kleinstaaten und mit Opferung von acht oder zehn Millionen Deutscher an die slawischen Mehrheitsvölker in Österreich." [23] Die Spuren, die das Handeln der revolutionären Demokraten in Italien hinterließ, wirkten sich in bestimmter Weise bis ins 20. Jahrhundert aus, beeinflussten zum Beispiel den Kampf gegen Mussolini, dessen faschistische Diktatur von den Kräften des Volkes gestürzt wurde, und verleihen dem Widerstand gegen faschistische und Rechtsentwicklungen bis in die Gegenwart einen, wie man in Italien sagt, Hauch von Garibaldismus.


Karte: Ulamm, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Vor den Unabhängigkeitskriegen (1843) - Italien unter fremden Herrschern (Gelb- und Orangetöne = habsburgische Herrschaft, Grüntöne = bourbonische Herrschaft, Ocker = Anschluss an das Hzm. Toskana, rote Jahreszahlen = Anschluss an das Königreich Sardinien-Piemont oder das Königreich Italien)
Karte: Ulamm, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Garibaldi nahm nach Sedan gegen den Eroberungskrieg Preußens Stellung und bot der Französischen Republik seine Dienste an. Es zeugte zweifelsohne von seinem hohen militärischen Ansehen, wenn ihm das französische Hauptquartier den Befehl über ein internationales Korps an der Côte d'Or, die Vogesenarmee, übertrug. Unter seinem Kommando kämpften Italiener, Spanier, Polen, Engländer, Iren und Amerikaner. In den preußischen Operationsberichten wurde mehrfach festgehalten, dass seine Truppen "heftig und konzentrisch angriffen", oft schwere Verluste verursachten, und dass dort, wo sie auftauchten, "sich die Verhältnisse beim Feinde zu seinen Gunsten veränderten". Als einziger Befehlshaber auf der französischen Seite errang Garibaldi einen Sieg, als er bei Dijon die Preußen zurückschlug. Der preußische Operationsbericht führte ein Gefecht bei Hauteville an, wo er nachts den preußischen General Degenfeld "in drei Kolonnen überraschend und heftig bei außerordentlicher Dunkelheit und strömendem Regen angriff, ein Bataillon zersprengte und den Kommandeur gefangen nahm". [24] Der preußische General von Werder hielt in seinem Kriegstagebuch fest, dass Garibaldi "die Bewegungsfreiheit der Preußen erheblich einschränkte". General von Manteuffel notierte "ein bemerkenswertes Operationstempo" sowie "wohlerwogene Dispositionen im Feuerhagel" und "bei Angriffen entfaltete Energie und Intensität". Hätte der französische Oberbefehlshaber, General Bourbaki, so Manteuffel, "Garbibaldis Ratschläge befolgt, wäre der Feldzug in den Vogesen zu einem der erfolgreichsten im Siebzigerkrieg geworden". Victor Hugo betrachtete den italienischen Befehlshaber als den einzigen Heerführer, der während des Siebzigerkrieges nicht geschlagen worden sei. [25]

Es war der Abschluss der militärischen Karriere dieses talentierten Heerführers aus dem Volk, dem auch die Pariser Kommune das Kommando über ihre Truppen anbot. Garibaldi lehnte zwar ab, bekundete aber der Kommune, dem "arbeitenden Volk von Paris, das für die Sache der Gerechtigkeit kämpft", offen seine tiefe Sympathie. Das entsprach der bereits früher von ihm bezogenen Position, in der er "die Arbeiter als seine über die ganze Welt verstreuten Brüder" bezeichnete. Diese Bekenntnisse des radikalen Revolutionärs ließen viele Garibaldiner als auch Mazzinisten zu Anhängern des Sozialismus und der Internationale werden. Während Garibaldis Heldenmut in unzähligen Schlachten weltweit bekannt wurde, weiß man weniger, dass er die von Marx 1864 verfasste Inauguraladresse als "Sonne der Zukunft" begrüßte, 1867 in Genf am internationalen Friedenskongress teilnahm, ins Präsidium gewählt wurde und auch die Bemühungen der I. Internationale um Abrüstung unterstützte.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Garibaldi zurückgezogen und in sehr bescheidenen Verhältnissen auf Caprera im Kreise seiner Familie. Oft äußerte er sich enttäuscht darüber, dass so wenige Ziele, für die das Volk in der nationalen Bewegung aufopferungsvoll gekämpft hatte, verwirklicht worden waren. Er verstarb am 2. Juni 1882. Entgegen seinem Wunsch nach einer einfachen Urnenbestattung in aller Stille, bereiteten ihm Parlament, Königshaus und Regierung ein großes Staatsbegräbnis mit politischen und militärischen Ehren. Seine Anhänger sprachen von Vereinnahmung und protestierten landesweit. Aber auch die Konservativen hatten Vorbehalte. Sicher hatte das in der weiteren Entwicklung reaktionäre Züge annehmende Königtum Piemonts, das man gerne das Preußen Italiens nannte, einen geschickten Schachzug getan. Solcherart Realismus sollte jedoch für die künftig herrschende Klasse Italiens ein Charakteristikum werden. Sowohl die Haltung im Ersten als auch Zweiten Weltkrieg widerspiegelte das, allerdings auf unterschiedliche gesellschaftliche Verhältnisse.

Die Ehrung Garibaldis aber verdeutlichte noch einmal einen gravierenden Unterschied deutscher und italienischer Haltung zur Geschichte der nationalen Einheitsbewegung. Während Italiens Preußen einem Garibaldi den zustehenden Respekt bezeugte, rechneten die Deutschen mit ihren Rebellen auf blutige Weise ab. Als Bespiel sei angeführt, dass der preußische General von der Groeben nach der Kapitulation der Festung Rastatt, der letzten Bastion der Badisch-Pfälzischen Revolution, am 23. Juli 1849 den Festungskommandanten, Oberst Gustav Tiedemann, und 27 seiner Offiziere unverzüglich standrechtlich erschießen ließ. Hunderte starben in den Kasematten der Festung ohne medizinische Hilfe an Typhus, unzählige wurden heimlich ermordet. Tausende fielen im ganzen Land dem Terror der preußischen Konterrevolution zum Opfer. Zehntausende wurden gerichtlich verfolgt, insgesamt 700 000 Teilnehmer an den Erhebungen von 1848/49 in die Emigration getrieben.


Anmerkungen:

[1] Der italienische Befreiungskampf und die Ursache seines jetzigen Mißlingens, Marx Engels Werke, Bd. 5, Berlin/DDR 1959, S. 367.

[2] Garibaldi: Memorie, Turin 1975, S. 212.

[3] Seit der Beseitigung der weltlichen Herrschaft des Papstes 1870 Sitz des Königs, seit der Proklamation der Republik 1946 des Präsidenten.

[4] Garibaldi: Scritti politici e militare, Rom 1908, S. 45 f.

[5] Gustav von Hoffstetter: Tagebuch aus Italien, Zürich 1860, S. 20.

[6] Garibaldi: Scritti politici e militare, S. 44 ff.

[7] Giorgio Candeloro: Storia dell'Italia moderna, elf Bände, Bd. 4, Dalla rivoluzione nazionale all'Unità (1849-1860), S. 347 ff.

[8] Garibaldi: Scritti, S. 136 ff., 147.

[9] Candeloro, a.a.O., S. 439.

[10] I giorni della storia d'Italia, Cronaca quotidiana dal 1815 Novara 1997, S. 137.

[11] Garibaldi: Scritti, S. 190 ff.

[12] Giuliano Procacci: Geschichte Italiens und der Italiener, München 1983, S. 269.

[13] Hans Kühner: Lexikon der Päpste, Zürich 1977, S. 364.

[14] Giorni, S. 137.

[15] Giuseppe Tomasi di Lampedusa: Der Leopard, Berlin/DDR 1961, S. 35.

[16] Giorni, S. 142.

[17] Giorni, S. 143.

[18] Jasper Ridley: Garibaldi, London 1974, S. 68.

[19] Canfora, S. 9.

[20] Christopher Hibbert: Der gerechte Rebell. Der Weg des Giuseppe Garibaldi, Tübingen 1970, S. 329.

[21] Giorni, S. 150 ff.

[22] Giorni S. 164 f.

[23] Candeloro, Bd. 7. La crisi di fine Secolo e L'eta giolittiana (1896-1914), S. 228.

[24] Ludwig Löhlein: Feldzug 1870/71. Die Operationen des Korps des General von Werder, Berlin 18774, S. 90 ff.

[25] Hibbert, S. 345 ff.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 22. Juli 2023

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