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NEUZEIT/149: Waffenstudenten im Ersten Weltkrieg (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 4-6/2008

Gerechtigkeitsglaube und Abenteuerlust

Dr. Frank Klauss beschäftigte sich mit Waffenstudenten im Ersten Weltkrieg


Deutsche Studenten an den Fronten des Ersten Weltkrieges. Herkömmlich sind damit häufig der Ort Langemarck oder Kriegsromane mit jugendlichen Protagonisten wie "Im Westen nichts Neues" verbunden. Beides gibt jedoch nur ein Teil der Realität dieses Krieges wieder. Bislang hat die Forschung einige der wirklichen Ereignisse immer noch kaum beachtet. In seiner Dissertation arbeitete Dr. Frank Klauss, gerade als Hospitant bei einer großen Tageszeitung tätig, deshalb auf. Für Portal reißt er im Folgenden einen Teil seiner Forschungsergebnisse an.


Vor allem anhand von Feldpostbriefen sind die Geschehnisse des Krieges aus Sicht der Studierenden analysiert worden. Dass es heute noch möglich ist, auf so viele Feldpostbriefe von Studenten zurückgreifen zu können, ist der Tatsache zu verdanken, dass die Studenten regen geistigen Austausch mit der Heimat unterhielten. Sie schrieben nicht nur an ihre Familien, sondern auch im großen Umfang an die Studentenverbindungen, die in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ihre höchste Blüte verzeichneten. Gerade letztere haben über die Jahre die Briefe vielfach für die Nachwelt aufbewahrt, so dass man heute noch Zugriff auf diese hat. In den Archiven und in Beständen von Korporationen finden sich zahlreiche Schreiben, aus denen sich Rückschlüsse auf das Weltbild der Studenten zu Beginn, während und am Ende des Krieges ziehen lassen.

Deutlich wird, dass die Studierenden den Kriegsausbruch nicht als eine Aggression des Deutschen Reiches wahrnahmen, sondern sie sich und das Reich in der Rolle des Verteidigers sahen. Aus diesem Grund kann man nicht von Kriegsbegeisterung unter den Studenten sprechen, sie waren von einem tiefem patriotischen Pflichtgefühl und dem Glauben an eine gerechte Sache zu den Waffen getrieben. Daneben beflügelte auch Abenteuerlust viele kriegsfreiwillige Hochschüler, ausgehend von einem romantisch-ritterlichen Bild des Kampfes, das völlig im Gegensatz zur brutalen Realität des massenhaften Sterbens im Ersten Weltkrieg stand.

Das böse Erwachen kam für viele schon mit der Feuertaufe. Schnell mussten die Studierenden erkennen, dass es keine Helden gab, nur den Helden- besser Opfertod. Das Erlebnis des Kampfes verband sich fast völlig mit dem Eindruck des ungeheuren Granatbeschusses und willkürlichen Sterbens, aus dem für viele nur der Angriff der einzige Ausweg schien.

Diese Hölle erduldeten die meisten Studenten, indem sie sich einredeten, dass dies das Fegefeuer der Geschichte war, das zu einer besseren Zukunft für Deutschland führen würde. In diesem nationalen Eifer spielten christlicher Glaube, Glaube an ein Deutschtum und der Glaube an eine schicksalsgebundene Volksgemeinschaft eine entscheidende Rolle.

Obwohl sich die meisten Studierenden als Teil der Volksgemeinschaft gegen Standesdenken aussprachen und sich vom Krieg die Überwindung der Unterschiede zwischen Arbeitern und Akademikern erwarteten, konnten sie ihr eigenes Klassendenken nicht überwinden. Für sie waren Arbeiter und Bauern die Hände und sie selbst, die Studenten und Akademiker, die Köpfe der Bewegung. In ihrem Verhältnis zu den anderen Soldaten trennte diese Denkweise die Hochschüler von den übrigen Kameraden. So verkehrten sie unter ihresgleichen, unfähig eine gemeinsame Basis mit den Männern aus einfachen Verhältnissen zu finden. Ihr anfänglicher Glaube an eine "Volksgemeinschaft" wich schon bald dem Streben nach Anerkennung im Kreis der Offiziere, zu denen sie sich mehr zugehörig fühlten, insofern sie nicht schon selbst Offiziere waren. Dies führte dazu, dass sie den eigenen Rang als einfacher Soldat als zu niedrig empfanden und zu klagen begannen, wenn sie noch nicht befördert worden waren.

Alle diese Enttäuschungen kumulierten zum Ende des Krieges in dem großen Schock der bedingungslosen Kapitulation des Reiches. Zurück in der Heimat mussten die Studierenden feststellen, dass sie alles verloren hatten. Die Zustände an den Hochschulen und im Land waren ebenso desolat wie ihre Situation an der Front. Statt der Heimkehr in eine sichere und gewohnte Umgebung gerieten die Hochschüler in die Unruhen rund um die entstehende Republik, die sie wieder in einen Strudel von Gewalt zogen. Was vom Idealismus der Tage im August 1914 nach all diesen Erlebnissen blieb, war ein bedingungsloser Glaube an ein Deutschland, von inneren und äußeren Feinden bedroht.

Dr. Frank Klauss, Fahrland

Frank Klauss promovierte als Externer an der Universität Potsdam. Eine Veröffentlichung seiner Dissertation "Waffenstudenten. Studenten im Ersten Weltkrieg" ist geplant.


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 4-6/2008, Seite 38
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2008