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NEUZEIT/165: 27. Juli 1953 - Ende des Koreakrieges (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 26./27. Juli 2008

Erster Napalm-Einsatz
Am 27. Juli 1953 endete der Koreakrieg mit über drei Millionen Toten

Von Rainer Werning


Vor uns stand eine merkwürdige, etwas vorgebeugte Gestalt mit gespreizten Beinen und seitwärts gestreckten Armen. Er hatte keine Augen, und seinen ganzen Körper, der fast überall durch verbrannte Stoffetzen hindurch sichtbar war, bedeckte eine harte schwarze, mit gelbem Eiter gesprenkelte Kruste. Der Mann mußte stehen, weil sein Körper keine Haut mehr hatte, sondern von einer leicht zerbrechlichen mürben Kruste überzogen war.« So beschrieb der BBC-Korrespondent René Cutforth in seinem Buch »Korean Reporter« (London 1952) die Opfer einer chemischen Substanz, die auf der koreanischen Halbinsel erstmals als Kriegsmittel eingesetzt wurde: Napalm.

Drei lange Jahre, vom 25. Juni 1950 bis zum 27. Juli 1953, setzte die US-Luftwaffe systematisch und flächendeckend Napalm gegen Mensch und Natur ein. Städte und Dörfer waren davon ebenso betroffen wie Reisfelder und dicht bewaldete Berghänge, aus denen nur noch verdorrte Baumstümpfe in den Himmel stakten. Was den Norden der koreanischen Halbinsel betraf, erklärte der Befehlshaber des US-Bombergeschwaders im Fernen Osten, General Emmett O'Donnell: »Ich würde sagen, daß die ganze, fast gesamte Halbinsel Korea ein einziger Schutthaufen ist. Alles ist zerstört. Nichts Nennenswertes ist stehengeblieben. Kurz bevor die Chinesen in den Krieg eintraten, wurden von unseren B-29-Bombern keine Angriffe mehr geflogen. Es gab in Korea keine Ziele mehr.«

Von 1910 bis 1945 war Korea eine japanische Kolonie. Sehnlichst hatten die Koreaner gehofft, daß das Ende des Zweiten Weltkrieges ihnen Freiheit beschert. Doch bereits vor der Kapitulation Japans Anfang September 1945 hatten sich die USA und die Sowjetunion darauf verständigt, Korea in zwei Besatzungszonen aufzuteilen und das Land zunächst treuhänderisch zu verwalten. Nördlich des 38. Breitengrades hatte die Rote Armee das Sagen und stützte durch ihre Präsenz die antijapanischen Partisanenverbände des späteren Präsidenten Kim Il-Sung.


US-Marionettenregierung

Südlich des 38. Breitengrades kontrollierten die USA das politische Geschehen. Washington verhalf dort dem eigens aus US-amerikanischem Exil nach Seoul eingeflogenen Rhee Syngman zur Macht - entgegen dem Willen der damals überall in Korea existierenden Volkskomitees, die sich für die Unabhängigkeit engagierten. Sie übernahmen die Verwaltung des Landes und wählten auf ihrer am 6. September 1945 tagenden Repräsentativversammlung in Seoul eine Regierung der gesamtnationalen Volksrepublik Korea.

Am 8. September 1945 landete die 7. US-Infanteriedivision in Incheon an der Westküste Koreas. Die Besatzungstruppen unter Führung von General John R. Hodge nahmen von der gerade gebildeten koreanischen Regierung keine Notiz. Statt dessen entstand im Süden Koreas die »United States Army Military Government in Korea«, die US-amerikanische Militärregierung in Korea - kurz: USAMGIK. Sie bestimmte, was die Koreaner zu tun und zu lassen hatten. Die Menschen in der Hauptstadt Seoul staunten nicht schlecht, als an Stelle der koreanischen Flagge das Sternenbanner gehißt wurde. Tragischer noch: Die Sicherheitskräfte der USAMGIK und Rhee Syngmans rekrutierten sich mehrheitlich aus projapanischen Kollaborateuren. »Als wir hier die Polizei übernahmen«, erklärte der US-amerikanische Chef der südkoreanischen Polizeidivision, Oberst William Maglin, »waren unter den 20000 Mann 12000 Japaner. (...) Wir schickten die Japs nach Hause, stockten die Zahl der Koreaner auf und bauten einen Apparat auf, in den sämtliche junge Männer integriert wurden, die der Polizei vorher geholfen hatten.«

Am 15. August 1948 konstituierte sich im Süden der Halbinsel mit US-amerikanischer Unterstützung die Republik Korea. Am 9. September 1948 zog der Norden - unterstützt von der Sowjetunion - nach; Kim Il-Sung rief dort die Demokratische Volksrepublik aus.


Internationale Dimension

Beide Staaten beanspruchten jeweils für sich, der legitime Sachwalter des einen Korea zu sein. Sah sich die Regierung in Seoul als »Vorposten der freien Welt und im Feldzug gegen den Kommunismus«, wähnte sich die Regierung in Pjöngjang als »Basis der koreanischen Revolution und als Bollwerk nationaler Befreiung«. Notfalls, so die schrille Propaganda in beiden Hauptstädten, werde man mit Gewalt die Einheit erzwingen. Bewaffnete Provokationen an der Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrades häuften sich. Als schließlich am 25. Juni 1950 nordkoreanische Truppen die Demarkationslinie überschritten, in wenigen Tagen die südkoreanische Metropole eingenommen und bis kurz vor der südlichen Hafenstadt Busan Stellung bezogen hatten, startete General Douglas MacArthur, Oberkommandierender der US-Streitkräfte im Fernen Osten und gleichzeitig Kommandeur der von den Vereinten Nationen mobilisierten, aus 15 Ländern gebildeten Truppen, die Gegenoffensive. Als diese den Yalu, den Grenzfluß zwischen Nordkorea und der Volksrepublik China, erreichte, schickte Mao Tse-tung, der erst am 1. Oktober 1949 in Peking die Gründung der Volksrepublik proklamiert hatte, Freiwilligenverbände an die Front. Im Gegenzug erwog MacArthur, die grenznahen chinesischen Städte atomar zu verwüsten, um das Kriegsgeschehen abzukürzen. Das ging sogar US-Präsident Harry S. Truman zu weit. Nach einem Krisentreffen auf der Pazifikinsel Wake am 11. April 1951 mußte MacArthur demissionieren - ein herber Schlag für den General, dessen Biograph William Manchester ihn einen »egomanischen amerikanischen Cäsar« genannt hatte.

So komplex die Gründe waren, die zum Koreakrieg geführt hatten, so vielfältig sind die Probleme, die auf der Halbinsel Stabilität, Frieden und einen nachbarschaftlichen Umgang zwischen Koreanern diesseits und jenseits des 38. Breitengrades erschweren. Bis heute durchzieht die Halbinsel noch immer eine 240 Kilometer lange und vier Kilometer breite »demilitarisierte Zone«. Ein Euphemismus ohnegleichen: Es ist dies die weltweit bestbewachte, höchstmilitarisierte und konfliktträchtigste Region, wo sich waffenstarrend über eine Million Soldaten, inklusive mehrerer tausend GIs, gegenüberstehen.

In einem Interview mit dem Autor erklärte Hwang Sok-Yong, Südkoreas bedeutendster zeitgenössischer Schriftsteller: »Unmittelbar nach der Befreiung begann der Kalte Krieg, der eigentlich bis zu Beginn der 90er Jahre andauerte. Und mit dem Krieg kam die Teilung unseres Landes. Das Tragischste war, daß das alltägliche Leben stets durch Unterdrückung und Bevormundung geprägt war und unsere Familien zerrissen blieben. Die Nord- und Südkoreaner mußten Jahre lang auf rauchenden Kanonenrohren ihren Reis kochen.«


Erster »heißer« Konflikt im Kalten Krieg

Im Morgengrauen des 25. Juni 1950 überquerten nordkoreanische Panzer die Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrads. Ohne nennenswerte Gegenwehr rückten sie in Seoul ein und stießen bis kurz vor die Hafenstadt Busan im Süden vor. Wie eine Feuerwalze rollten die Kriegsmaschinerien beider Seiten mehrfach über die koreanische Halbinsel hinweg. Was als Bürgerkrieg um die Vorherrschaft in ganz Korea begann, geriet aufgrund der Präsenz der beiden Großmächte USA und Sowjetunion auf der Halbinsel zu einem internationalen Konflikt. Den Norden unterstützten Hunderttausende chinesische Freiwillige und sowjetische MiG-Kampfbomberpiloten. Dem Süden standen die USA und ihnen unterstellte UN-Truppen aus 15 Staaten bei. Der Koreakrieg war der erste »heiße« militärische Konflikt im Kalten Krieg. Die bis dahin modernsten Technologien - einschließlich bakteriologischer, Milzbrand erregender Mittel - wurden eingesetzt. Mindestens zwei Millionen Zivilisten wurden getötet. Laut Angaben der Vereinten Nationen kamen außerdem jeweils etwa 500000 nordkoreanische und chinesische sowie zirka 250000 südkoreanische Soldaten und knapp 55000 US-amerikanische GIs ums Leben.

Nach monatelangem diplomatischen Ringen kam am 27. Juli 1953 im Grenzort Panmunjom ein Waffenstillstandsabkommen zustande. Unterzeichnet wurde es von Nordkorea, der Volksrepublik China und im Auftrag der Vereinten Nationen vom US-amerikanischen General Mark W. Clark. Die UN sollten im Koreakrieg de jure als multilateraler Schirm der US-Intervention fungieren, de facto allerdings blieben sie dem US-Kommando unterstellt - zum Verdruß des damaligen UN-Generalsekretärs Trygvie Lie. Rhee Syngman wollte den Krieg fortsetzen. Erst als die US-Regierung einem bilateralen Sicherheitspakt zustimmte, ihr in Südkorea stationierter Oberbefehlshaber auch die Kommandogewalt über die südkoreanischen Truppen übernahm und der südkoreanischen Seite beträchtliche Wirtschafts-, Finanz- und Militärhilfe in Aussicht gestellt wurden, erklärte sich Rhee bereit, den - bis heute andauernden - Waffenstillstand zu respektieren.


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Quelle:
junge Welt vom 26./27.07.2008
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2008