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NEUZEIT/227: Kriege der Frühen Neuzeit und ihre Folgen (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 18.12.2013

Kriege der Frühen Neuzeit und ihre Folgen



In keiner anderen Epoche der europäischen Geschichte gab es so viele Kriege wie in der Frühen Neuzeit. Erstaunlicherweise hat die Forschung diese Kriege bislang eher vernachlässigt - was sich nun langsam ändert. Auf diesem Gebiet arbeitet auch Geschichtsprofessorin Anuschka Tischer.

(Quelle: Lyzealbibliothek Käsmark/Kežmarok, Slowakei)

In der ersten nachweisbaren gedruckten Kriegsbegründung von 1492 erläuterte der römische König Maximilian I. seine aktuellen Auseinandersetzungen mit dem französischen König Karl VIII.
(Quelle: Lyzealbibliothek Käsmark/Kežmarok, Slowakei)

Der deutsche Bauernkrieg, der 30-jährige Krieg, die Hugenottenkriege in Frankreich, die Schlachten zwischen Frankreich und Spanien: Das sind nur wenige Beispiele für die vielen Konflikte, die vom 16. bis zum 18. Jahrhundert in Europa mit Waffen ausgetragen wurden. In keiner anderen Epoche gab es so viele Kriege wie in der Frühen Neuzeit.

Warum war das so? Und wie haben die zahlreichen Kriege die europäischen Gesellschaften verändert? Mit diesen Fragen befassen sich Historiker erst seit wenigen Jahren. "In der Geschichtswissenschaft hat man die Kriege dieser Zeit lange als unwesentlich für die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung betrachtet", sagt Professorin Anuschka Tischer, Inhaberin des Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität Würzburg.


Was Kriege in der Gesellschaft bewirkten

Nun aber zeichnet sich ein Wandel ab; die Forschung nimmt zunehmend auch die Kriege der Frühen Neuzeit in den Blick. "Die vielen Kriege hatten ja auch viele Friedensschlüsse zur Folge, und die waren durchaus Motoren für Veränderungen in der Gesellschaft", sagt die Würzburger Professorin.

So mündeten zum Beispiel die von der Reformation ausgelösten Unruhen in den Augsburger Religionsfrieden von 1555. Von da an waren die Protestanten im Heiligen Römischen Reich geduldet. Der 30-jährige Krieg endete mit dem Westfälischen Frieden von 1648, der zahlreiche Grundlagen für das völkerrechtliche Miteinander in Europa gelegt hat.

Die Kriege und ihre Auswirkungen besser wahrnehmen: Darauf zielt ein Projekt ab, auf das Anuschka Tischer mit einem Kollegen aus Köln hinarbeitet: Für 2016 planen sie in Würzburg eine Tagung zum Ausbruch des 30-jährigen Krieges 1618. "Wir wollen damit keinesfalls den Kriegsbeginn 'feiern', sondern die vielen Schübe zeigen, die er der europäischen Gesellschaft gegeben hat", so Tischer.


Wie Herrscher ihre Kriege begründeten

Mit einem speziellen Kriegsaspekt hat sich die Historikerin in ihrer Habilitationsarbeit befasst: Wenn die Herrscher der Frühen Neuzeit sich bekriegten, rechtfertigten sie sich in aller Regel vor dem Gegner und der europäischen Öffentlichkeit - mit schriftlichen Kriegsbegründungen, die gedruckt, verbreitet und oft in andere Sprachen übersetzt wurden.

In diesen Schriftstücken ging es immer darum, den Krieg als "gerecht" darzustellen. Dem Gegner wurde in der Regel ein Rechtsbruch vorgeworfen, etwa eine Bedrohung oder Verletzung der Landesgrenze. Die Autoren betonten dann ihre aufrechte Gesinnung, ihren Friedenswillen und ihr Ziel, den Rechtsbruch zu beseitigen und bald wieder Frieden zu schließen.

"Diese Schreiben waren immer in einem sehr höflichen Ton gehalten und enthielten manchmal sogar die besten Grüße an die Familie des Gegners", so Tischer. Meist antwortete die andere Partei auf die Schriftstücke, so dass sich oft eine regelrechte "Kriegskorrespondenz" ergab. Agitiert wurde in den Kriegsbegründungen übrigens eher selten. Sie lesen sich meistens wie sachliche juristische Gutachten.

In ihrer Habilitationsschrift hat die Historikerin 343 gedruckte Kriegsbegründungen erschlossen und analysiert. Im Schnitt umfassen die Texte zehn Seiten, manche sind aber auch mehrere 100 Seiten lang. Auch die erste nachweisbare gedruckte Kriegsbegründung kommt in der Arbeit vor: Sie stammt aus dem Jahr 1492 und ist vom römischen König Maximilian I., der darin seine aktuellen Auseinandersetzungen mit dem französischen König Karl VIII. begründete.


Werdegang von Anuschka Tischer

Anuschka Tischer, 1968 in Arnsberg in Westfalen geboren, hat an der Universität Bonn Geschichte, Philosophie und Dogmatik studiert. Nach dem Magisterabschluss 1992 war sie über fünf Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte in Bonn.

Nach der Promotion 1998 folgten unter anderem Tätigkeiten als Robert-Bosch-Stiftungs-Lektorin für Geschichte an der Universität Lettlands in Riga und als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für Europäische Geschichte in Mainz. Von 2003 bis 2011 war die Historikerin dann wissenschaftliche Assistentin im Fachgebiet Neuere Geschichte (Frühe Neuzeit) an der Universität Marburg.

In Marburg habilitierte sie sich 2009 in Neuerer Geschichte und Historischen Hilfswissenschaften. Nach Lehrstuhlvertretungen in Marburg und Frankfurt am Main folgte sie zum Wintersemester 2012/13 dem Ruf auf den Würzburger Lehrstuhl für Neuere Geschichte (Nachfolge von Wolfgang Neugebauer).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 18.12.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2013