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BUCHTIP/026: Was die Person ausmacht - Band zu Diskursen der Personalität (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 16.12.2008

Was die Person ausmacht

"Person" bedeutet in Russland etwas anderes als in Westeuropa
Philosophen der RUB veröffentlichen Band zu Diskursen der Personalität


Jeder von uns hat unveräußerliche Rechte, egal ob Kind, Bauer oder Adeliger. Dieser Gleichheitsgrundsatz der Person setzte sich in Westeuropa in der philosophischen Diskussion der Neuzeit durch und zeigte sich unter anderem bei Kant. In Russland aber begann die Diskussion über den Begriff der Person erst verspätet und unter anderen kulturellen und politischen Bedingungen. Das hatte nicht nur Einfluss auf die Bedeutung des Begriffs Person, sondern damit auch gravierende Auswirkungen auf die politische Entwicklung in Russland. Das zeigt das gerade erschienene Buch "Diskurse der Personalität", herausgegeben von Prof. Dr. Alexander Haardt und Dr. Nikolaj Plotnikov vom Institut für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum. Die beiden Philosophen liefern damit die erste interkulturelle Auseinandersetzung zu diesem Thema.

Westeuropa: Alle haben gleiche Rechte

Die Transformation der ständischen in eine moderne Gesellschaft war in Westeuropa durch eine intensive philosophische und gesellschaftliche Diskussion um den Begriff "Person" begleitet: Jeder Mensch, egal wie reich, arm, mächtig oder nicht, ist eine Person, ein autonomes Subjekt mit den gleichen unveräußerlichen Rechten, so das Ergebnis dieser Diskussion. Die Auffassung der Person als autonomes Rechtsubjekts steht heute an erster Stelle in den europäischen Verfassungen. Dieses Bewusstsein setzt sich seit der frühen Neuzeit in der westeuropäischen Gesellschaft allmählich durch, während in Russland die Diskussion des Begriffs Person erst später beginnt und auch andere Wege geht.

Russland: Besser als die anderen

Erst um 1830, als auch im autoritären Russland die Europäisierung voranschreitet, machen die russischen Philosophen Bekanntschaft mit den Werken des Westens, vor allem mit der deutschen Philosophie. Die russischen Philosophen griffen aber in ihrer eigenen Diskussion zum Begriff der Person nicht auf Kant oder andere Philosophen der Aufklärung zurück. Sie nutzten stattdessen die Literatur und die Philosophie der deutschen Romantik, die auch im Westen gerade aktuell war. In Russland entwickelt sich ein Diskurs der Personalität, in dem vom autonomen Subjekt keine Rede ist. Stattdessen ging die russische Philosophie davon aus, dass jeder Mensch ein einzigartiges Individuum ist. Und dass er sich durch seine Individualität von der Masse abhebt, besser ist als die anderen. Statt des Gleichheitsgedankens dominierte hier also das Denken in Hierarchien - die Wirkung einer verspäteten Modernisierung. Deutliche Defizite bei der Entwicklung eines politischen und rechtsstaatlichen Bewusstseins waren die Folge - und diese sind auch im heutigen politischen System Russlands noch spürbar; so die Schlussfolgerung des Buches.

Das Buch

Das Buch "Diskurse der Personalität" vereinigt interdisziplinär Beiträge von Philosophen, Philologen und Historikern. Sie untersuchen den Bedeutungswandel des Personalitätsbegriffs in Westeuropa und Russland und berücksichtigen dabei nicht nur die philosophische Konzeptionen von Nietzsche, Locke oder Kant, sondern diskutieren auch gesellschaftliche und religiöse Bedeutungen des Begriffs "Person". Eingeleitet wird der Band von den beiden Herausgebern; Prof. Dr. Alexander Haardt und Dr. Nikolaj Plotnikov vom Institut für Philosophie an der RUB. Das Buch ist dort an der Forschungsstelle "Russische Philosophie und Ideengeschichte" entstanden und wurde gefördert von der Volkswagenstiftung.

Titelaufnahme
Haardt, Alexander; Plotnikov, Nikolaj (Hrsg.): Diskurse der Personalität. Die Begriffsgeschichte der 'Person' aus deutscher und russischer Perspektive. München, Wilhelm Fink Verlag 2008, 538 Seiten, 49,90 Euro, ISBN: 978-3770-5443-25

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 16.12.2008
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2008