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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/281: Iran-Report Nr. 7 - Juli 2012


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 7 - Juli 2012
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.

INNENPOLITIK

• Chamenei wirft dem Westen Selbstüberschätzung und unsinnige Erwartungen vor
• Chamenei: Parlament darf nicht bei jeder Gelegenheit die Regierung kritisieren
• Ahmadinedschad will sich aus der Politik zurückziehen
• Anwalt zu 13 Jahren Haft verurteilt
• Gefängnisdirektor: Wir in Iran haben keine politischen Gefangenen
• Nargess Mohammadi: Die Haft ist für mich Todesurteil auf Raten
• Todesstrafe wegen Alkoholkonsum
• 20 Festnahmen nach Anschlägen auf Atomwissenschaftler
• Zulassung von Frauen zur Übernahme von Aufgaben in der Rechtsprechung möglich
• Vier politische Häftlinge hingerichtet
• Protest gegen Hinrichtung von Iranern in Saudi-Arabien
• Gasleitung Iran-Türkei nach Explosion geschlossen
• Iran will atomgetriebene U-Boote entwickeln


CHAMENEI WIRFT DEM WESTEN SELBSTÜBERSCHÄTZUNG UND UNSINNIGE ERWARTUNGEN VOR

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei sagte im Vorfeld der Atomverhandlungen in Moskau am 18. Juni: "Mit Selbstüberschätzung und unsinnigen Erwartungen" könne man Iran nicht beikommen. Er warf den Weltmächten vor, in den 33 Jahren Islamischer Republik ständig Verschwörungen gegen das Land angezettelt zu haben, damit Iran als "beispielhaftes Land des Widerstands und Fortschritts anderen Ländern nicht zum Vorbild" werde. "Ursache aller Probleme ist, dass die Welt aus zwei Teilen besteht, dem der Unterdrücker und dem der Unterdrückten." Die Großmächte kümmerten sich nicht um die Probleme der Menschen. Wie man im Westen sehen könne, "kümmern sich die Mächte eher um das Wohl der Banken und Konzerne als darum, die Probleme der Menschen zu lösen".

Bereits am 3. Juni hatte Chamenei anlässlich des 23. Todestags seines Vorgängers Ayatollah Chomeini zum Atomkonflikt gesagt, die USA und Europa wollten mit dem Atom-Verdacht nur von Problemen in ihren eigenen Ländern ablenken. "Aber das ist eine Lüge, und sie werden damit keinen Erfolg haben, Iran zu diffamieren."

"Die Weltmächte haben Angst vor einem nuklearen Iran, aber sie sollten mehr vor dem iranischen Islam Angst haben, der nicht nur 33 Jahre ohne US-Unterstützung überlebt, sondern auch auf allen Gebieten Fortschritte erzielt hat", sagte Chamenei.


CHAMENEI: PARLAMENT DARF NICHT BEI JEDER GELEGENHEIT DIE REGIERUNG KRITISIEREN

Revolutionsführer Ali Chamenei hat bei einem Treffen mit den Abgeordneten des neu gewählten Parlaments am 13. Juni die Volksvertreter angewiesen, nicht bei jeder Gelegenheit die Regierung zu kritisieren. Wenn das Parlament etwas zu kritisieren habe, könne es - ohne unnötige Auseinandersetzungen - entsprechende Beschlüsse fassen. Eine solche Anweisung habe er auch an frühere Parlamente und Abgeordnete erteilt, sagte er. Bereits zwei Wochen zuvor hatte der Revolutionsführer in seiner Botschaft zur Eröffnung der neuen Legislaturperiode "ehrliche Kooperation zwischen den Gewalten, Legislative, Exekutive und Judikative" und "Unterlassung unzulässiger Auseinandersetzungen" gefordert.

Der Vizepräsident des Parlaments, Mohammad Resa Bahonar, hatte erklärt, der Revolutionsführer wolle, dass Präsident Ahmadinedschad "bis zum Ablauf seines Amtes in Ruhe seine Arbeit fortsetzt und ganz normal aus dem Amt scheidet". Tatsächlich wäre höchstwahrscheinlich Ahmadinedschad längst nicht mehr im Amt, wenn Chamenei ihn nicht halten würde. Zwar hat auch der Revolutionsführer, der zunächst alle Karten auf Ahmadinedschad gesetzt hatte, ihn fallen gelassen, weil der Präsident Alleingänge gewagt hat. Aber Chamenei befürchtet, dass eine vorzeitige Absetzung Ahmadinedschads unabsehbare Folgen haben könnte, die er nicht riskieren möchte. Daher zieht er es offenbar vor, den Präsidenten noch zu behalten, bis seine Amtszeit im Juni nächsten Jahres zu Ende geht.

Zwar sei das Parlament dazu befugt, die Regierung zu kontrollieren, sagte Chamenei, aber es dürfe sich dabei nicht von falschen und unlauteren Absichten und einseitiger und oberflächlicher Kritik verleiten lassen. Persönliche Feindschaften und Gruppen- und Parteiinteressen dürften bei der Gesetzgebung und den Beschlüssen des Parlaments keine Rolle spielen. Auch Stellungnahmen, die die Atomsphäre des Landes vergiften, müssten unterlassen werden.

Gerichtet an die Abgeordneten sagte der Revolutionsführer: "Seien Sie wachsam, Sie sprechen auf der Tribüne der Nation. Sie müssen unbedingt Äußerungen, die die Ehre anderer verletzen oder auch Behauptungen, die nicht nachgewiesen werden können, vermeiden."

Der Revolutionsführer empfahl den Abgeordneten, an den Plenar- bzw. Ausschusssitzungen "aktiv teilzunehmen". Die unregelmäßige Teilnahme sei in der Vergangenheit ein Problem gewesen, das in dieser Wahlperiode nicht vorkommen sollte.

Wie bei Schülern der ersten Grundschulklasse wies der Revolutionsführer die Abgeordneten an, keine Unruhe zu stiften, während ein Abgeordneter oder ein Regierungsmitglied rede. Diese "sehr schlechte und Erstaunen erregende Angewohnheit" müsse "ausgerottet" werden. Das Parlament sei ein Ort, an dem "weise und vernünftige" Redebeiträge angebracht seien, kein "lärmendes Durcheinanderreden".

Chamenei machte die Abgeordneten darauf aufmerksam, dass sich jeder von ihnen "politisch, moralisch und finanziell" vorbildlich verhalten müsse. Erst vor zwei Jahren hatte er diesbezüglich das Parlament zur Selbstkontrolle aufgefordert. Dazu solle eine Regelung getroffen werden. Nun gab Parlamentspräsident Ali Laridschani bekannt, dass bereits in der vergangenen Legislaturperiode ein entsprechendes Gesetzt ausgearbeitet und verabschiedet worden sei, das im neuen Parlament in Kraft treten werde.

Das umstrittene Gesetzt wurde unter den Abgeordneten kontrovers diskutiert. Politische Beobachter befürchten, dass dieses Gesetz, das es dem Parlament ermöglicht, Abgeordnete im Falle eines Vergehens zu bestrafen oder gar deren Mandat abzuerkennen, in Zukunft auch als Maulkorb für unliebsame Kritiker missbraucht wird.


AHMADINEDSCHAD WILL SICH AUS DER POLITIK ZURÜCKZIEHEN

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat seinen Rückzug aus der Politik für 2013 angekündigt. "Acht Jahre sind genug", sagte er in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 17. Juni. Im Juni nächsten Jahres endet seine zweite Amtszeit. Nach der iranischen Verfassung darf er nicht noch einmal für das Amt kandidieren. Eine spätere Rückkehr nach dem Vorbild von Putin schloss der Präsident aus.

Er wolle in die Wissenschaft zurückkehren, sagte Ahmadinedschad, der Wasserbauingenieur ist. Er hatte 1997 mit einer Arbeit über das Transportwesen promoviert. "Vielleicht werde ich mich an der Universität politisch engagieren, aber ich werde keine politische Partei oder Gruppierung gründen", wird der 55-jährige zitiert.

Seit zwei Jahren ist Ahmadinedschad in Ungnade geraten, nachdem er sich dem Willen des Revolutionsführers Ali Chamenei widersetzt und einige Seitensprünge gewagt hatte. Er und seine Regierung stehen seitens des Parlaments, der geistlichen Instanzen und eines Teils der Medien unter Kritik. Er hatte hohe Ambitionen, versuchte vor allem bei der Mittelschicht durch Propagierung der alten iranischen Geschichte und Anheizung nationaler Gefühle Anhänger zu gewinnen. Doch dieser Versuch wurde vor allem seitens der islamischen Geistlichkeit, die die alte Geschichte Irans ignoriert und den Nationalismus zugunsten einer islamischen Weltgemeinde verschmäht, vereitelt.


ANWALT ZU 13 JAHREN HAFT VERURTEILT

Wie der der Opposition nahe stehende Internetdienst Klameh am 12. Juni berichtete, wurde der Rechtsanwalt Abdolfattah Soltani vom Revisionsgericht zu 13 Jahren Haft verurteilt. Der in Iran landesweit bekannte Anwalt hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche Oppositionelle verteidigt. Zudem gehört er zu den Gründern des Zentrums zur Verteidigung der Menschenrechte. Er sitzt bereits seit September 2011 im Evin Gefängnis in Teheran. Das Teheraner Revolutionsgericht hatte ihn im März wegen "Propaganda gegen die Staatsordnung", "Gründung eines staatsfeindlichen Vereins" und "Annahme eines illegalen Preises" zu 18 Jahren Haft, 20 Jahren Berufsverbot und Verbannung nach Borasdjan verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde die Haftstrafe von 18 auf 13 Jahre gesenkt und das Berufsverbot aufgehoben. Soltani war in den vergangenen Jahren schon dreimal im Gefängnis gewesen, zum Teil in Einzelhaft. Soltani hatte 2009 den Nürnberger Menschenrechtspreis bekommen.

Wie die in Deutschland lebende Tochter des Verurteilten, Maedeh Soltani, mitteilte, wurde die Familie am 11. Juni offiziell über das bereits Tage zuvor gefällte Urteil informiert. "Immer wieder kamen unbekannte Leute zu meinem Vater und forderten ihn auf, gegen das Zentrum zur Verteidigung der Menschenrechte Stellung zu nehmen", sagte die Tochter. Auch die Justiz habe ihn aufgefordert, gegen andere Menschenrechtsaktivisten Stellung zu nehmen und seine frühere Kritik an dem Umgang mit Menschenrechten in Iran zurückzunehmen. So könne er eine Strafmilderung bekommen. Doch der Vater habe solche Angebote stets abgelehnt und seine Unschuld betont.


GEFÄNGNISDIREKTOR: WIR IN IRAN HABEN KEINE POLITISCHEN GEFANGENEN

Gholamhossein Esmaili, oberster Chef der iranischen Gefängnisse, sagte am 23. Juni, es gäbe keinen politischen Gefangenen in Iran. "Wenn ein Häftling sich als politisch bezeichnet, ist das seine Sache. Aber wir haben ,Sicherheitsgefangene'." Auch für "Sicherheitsgefangene" sei im Gesetz Hafturlaub vorgesehen, "aber das setzt die Zustimmung des Staatsanwalts voraus." Nicht einmal der Richter des Gefängnisses dürfe einem Sicherheitsgefangenen Hafturlaub erlauben.

Die Behauptung des Gefängnisdirektors ist absurd, wenn man bedenkt, dass hunderte, gar mehrere tausend Politiker und politische Aktivisten in Haft sitzen, deren Rechte als Gefangene permanent missachtet werden. Auch die Familien der Häftlinge, die dem Gesetz nach berechtigt sind, ihre Angehörigen im Gefängnis zu besuchen, beklagen sich immer wieder, dass ihnen dieses Recht verweigert wird. Zu dieser Problematik und zu der Lage der politischen Gefangenen in Iran hat Ahmad Shahid, UNO-Sonderberichterstatter über die Menschenrechte in Iran, Stellung genommen und gegen Misshandlungen und Rechtlosigkeit der Gefangenen Proteste eingelegt. Die Lage sei besorgniserregend, schrieb Shahid in seinem letzten Bericht.


NARGESS MOHAMMADI: DIE HAFT IST FÜR MICH TODESURTEIL AUF RATEN

In einem Schreiben an den Staatsanwalt schrieb die Menschenrechtsaktivistin Nargess Mohammadi Bezug nehmend auf ihre Verlegung von Teheran in ein Sandjaner Gefängnis: "Ich betone hiermit nachdrücklich, dass der Umgang der Justizbehörden mit mir einem Todesurteil auf Raten gleichkommt. Für die Folgen tragen die Verantwortlichen die Schuld."

Mohammadi wurde mit dem Vorwurf der "Propaganda gegen die Staatsordnung der islamischen Republik" zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Sie wurde in Sandjan im Hause ihrer Eltern festgenommen, zunächst in das Teheraner Evin-Gefängnis gebracht, nach kurzer Zeit jedoch nach Sandjan verlegt. Sie ist Mitglied des Zentrums zur Verteidigung der Menschenrechte. Im vergangenen Jahr wurde sie in ihrer eigenen Wohnung in Haft genommen, danach gegen eine hohe Kaution freigelassen. Kurze Zeit später wurde sie erneut verhaftet, aber aufgrund ihres physischen und psychischen Zustands ins Gefängniskrankenhaus gebracht. Später wurde sie nach Sandjan verlegt.

"Meine Wohnung und noch wichtiger meine Ärzte (für Neurologie, Kardiologie und Frauenheilkunde) befinden sich in Teheran", schrieb Mohammadi an den Staatsanwalt. Spätestens alle zwei Monate müsse sie die Ärzte besuchen. Ihre Verlegung nach Sandjan sei illegal und die Folgen für sie seien verheerend. "Das ist unmenschlich", erklärte sie.

Mohammadis Mann, Taghi Rahmani, der sich zurzeit in Frankreich aufhält, hatte zuvor erklärt, seine Frau leide an Muskellähmung und sei nicht in der Lage, für sich zu sorgen.

Die elf Tabletten, die sie täglich zur Beruhigung einnehme, reichten nicht aus, schrieb Mohammadi. "Zurzeit bin ich in einer Zelle mit fünfzig Frauen untergebracht, darunter Mörderinnen, wegen Drogenkonsum zum Tode verurteilte Frauen, Frauen mit ansteckenden, gefährlichen Krankheiten und psychisch kranke Frauen. Seitdem ich die Zelle betreten habe, habe ich keine ruhige Minute mehr verbracht. Angst und Aufregung verschlimmern meine Krankheiten. Mich solch einer Stresssituation auszusetzen, ist genauso, wie wenn man mir einen Gifttrunk geben würde, den ich langsam trinken müsste und der mich am Ende zugrunde richten würde."

"Meine Kinder müssen jede Woche mehrere Stunden fahren, um mich besuchen zu können. Diese Reise wird in der Hitze des Sommers und der Kälte des Winters weder für meine kleinen Kinder noch für meine alte Schwiegermutter möglich sein. Auch das ist für mich als Mutter eine große psychische Belastung", heißt es in dem Brief an den Staatsanwalt.


TODESSTRAFE WEGEN ALKOHOLKONSUM

Zwei Männer wurden am 24. Juni in der Region Chorasan zum Tode verurteilt, weil sie Alkohol getrunken hatten. "Die beiden Personen wurden zum dritten Mal des Konsumierens alkoholischer Getränke schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt", sagte Hassan Schariati, das Oberhaupt der Justiz von Chorasan im Nordosten Irans.

"Das Todesurteil wird vollstreckt, sobald es vom Obersten Gerichtshof bestätigt ist", sagte der Geistliche Schariati der Agentur ISNA zufolge. "Wir behandeln das Trinken von Alkohol nicht anders als andere Gesetzesbrüche und betrachten es als Schwerverbrechen."

Seit der Gründung der Islamischen Republik ist der Alkoholgenuss in Iran verboten. Vielleicht auch deshalb oder weil die Menschen mit zu vielen Problemen konfrontiert sind, ist der Konsum aber kontinuierlich gestiegen. Alkoholische Getränke werden entweder aus dem Ausland geschmuggelt oder auch im Verborgenen im Land selbst produziert. Der Markt floriert und alle Getränke sind leicht zu besorgen. Böse Zungen behaupten, dass der Schwarzmarkt hauptsächlich von den Revolutionswächtern versorgt wird. Sie sind es, die die meisten Grenzen des Landes, Häfen und Flughäfen kontrollieren. Sie zahlen keine Zollgebühren und keine Steuern und können dadurch mit geschmuggelten Waren lukrative Geschäfte machen.


20 FESTNAHMEN NACH ANSCHLÄGEN AUF ATOMWISSENSCHAFTLER

Im Zusammenhang mit den Anschlägen auf iranische Atomwissenschaftler wurden in Iran nach Angaben des Geheimdienstes 20 Personen festgenommen. Die Verdächtigen hätten ein Nachbarland genutzt, um sich zwischen Iran und Israel zu bewegen, sagte Geheimdienstminister Heidar Moslehi am 17. Juni. Den Namen des Landes nannte er nicht, doch Iran hatte in der Vergangenheit Aserbaidschan beschuldigt, Terroristen mit Verbindungen nach Israel zu beherbergen. Iran wirft Israel vor, hinter den tödlichen Attentaten auf mindestens fünf iranische Atomwissenschaftler seit 2010 zu stecken.

Bereits am 14. Juni hatte die Nachrichtenagentur IRNA berichtet, der Geheimdienst habe mehrere Verdächtige im Zusammenhang mit den Attentaten auf Atomwissenschaftler festgenommen. Die Beschuldigten hätten etwas mit dem Tod eines Nuklearforschers Ende 2010 und zweier Angestellter einer Anlage für Urananreicherung im vergangenen Januar zu tun. Im Mai war in Iran ein Mann hingerichtet worden, der für den Mord an einem Atomexperten Anfang 2010 verantwortlich gewesen sein soll. In den vergangenen zwei Jahren wurden in Iran mindestens fünf Nuklearwissenschaftler getötet.

Das Geheimdienstministerium ließ verlauten, Mitarbeiter des Ministeriums hätten bereits beim ersten Attentat Israels "Operative und Informationsstützpunkte" unter Beobachtung genommen und "einige israelische Offiziere und ihre bezahlten einheimischen Terroristen" erkannt und festgenommen. Das Ministerium werde alle Täter und Beteiligten "bis zum letzten Mann" verfolgen und die "zionistischen Verbrecher" hart bestrafen, hieß es. Einzelheiten verriet das Ministerium nicht. Es werde in den nächsten Tagen, wenn sicherheitspolitische Aspekte nicht mehr berücksichtigt werden müssten, weitere Details bekannt geben.


ZULASSUNG VON FRAUEN ZUR ÜBERNAHME VON AUFGABEN IN DER RECHTSPRECHUNG MÖGLICH

Aliresa Alipanah, Leiter der Abteilung für Engagement und Ausbildung von Bewerbern in der Justiz, sagte, nach ausreichenden Untersuchungen sei beschlossen worden, auch Frauen die Ausbildung zur Übernahme von Tätigkeiten in der Justiz zu ermöglichen. Demnach könnten Frauen ab nächstem Jahr an der schriftlichen Aufnahmeprüfung teilnehmen. Die Auswahl der Bewerberinnen werde dann nach denselben Regeln wie bei Männern erfolgen.

Nach der islamischen Revolution 1979 wurde gesetzlich beschlossen, nur Männer zur Ausübung des Richterberufs zuzulassen. So mussten alle Frauen, die damals als Richterinnen tätig waren, ihren Beruf aufgeben und andere Tätigkeiten suchen.

Zu möglichen Problemen bei der Einstellung von Frauen in der Rechtssprechung sagte Alipanah, da Rechte und Gesetze in der Islamischen Republik von religiösen Instanzen festgelegt werden, können auch Frauen sie als Richterinnen anwenden. Er fügte dann hinzu: "Selbst wenn dies nicht so wäre, gäbe es keine Probleme. Denn Frauen sind ohnehin zur schriftlichen Festlegung von Urteilen nicht befugt."

Die in den USA lebende Juristin Mehrangis Kar meinte dazu in einem Interview mit der BBC, da Frauen weiterhin nicht zur Urteilsverkündung befugt seien, werde es in der bisherigen Praxis keine besonderen Veränderungen gegeben. Die Äußerungen Alipanahs seien wohl so zu verstehen, dass die Justiz die Absicht habe, mehr Frauen einzustellen, die auch bei Prozessen anwesend sein können, aber bei der endgültigen Urteilverkündung keine Rolle spielen. Sollte tatsächlich eine grundsätzliche Veränderung stattfinden, müsste zunächst das Gesetz, wonach die Ausübung der Rechtssprechung nur Männern vorbehalten bleibt, aufgehoben werden, sagte Kar.


VIER POLITISCHE HÄFTLINGE HINGERICHTET

Vier aus der südwestlich gelegenen Stadt Ahwas stammende politische Häftlinge wurden möglicherweise am 18. Juni hingerichtet. In der gesamten Provinz spricht die Mehrheit der Bevölkerung Arabisch.

Der in London lebende iranische Menschenrechtsaktivist Karim Dahimi sagte in einem Interview mit der BBC, die Nachricht von der Hinrichtung der vier Häftlinge, den drei Brüdern Abbas Heidarian, Taha Heidarian und Abdolrahman Heidarian sowie Ali Naami, sei den Angehörigen am 18. Juni überbracht worden, jedoch sei ihnen nicht gestattet worden, die Leichen in Empfang zu nehmen.

Offiziell gibt es noch keine Stellungnahme zu diesem Bericht. Dahimi sagte, auch Djalil Heidarian, der älteste Sohn der Familie, sei vor einigen Tagen festgenommen worden. Über sein weiteres Schicksal sei nichts bekannt. Frauen und Kinder der Familie seien sehr besorgt um ihn. Sie hätten nach dem Verlust ihrer Männer keinen Schutz und Beistand mehr.

Nach Aussagen der Justiz kam es in Ahwaz zu gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Protestierenden und der Polizei. Dabei soll ein Polizist getötet und einer verletzt worden sein. In diesem Zusammenhang wurden sechs Personen verhaftet. Zwei von ihnen wurden zu 15 bzw. drei Jahren Gefängnis verurteilt, die restlichen vier hingerichtet.

Diese Häftlinge hätten vier Monate lang ohne Rechtsbeistand und unter unerträglichen Bedingungen im Gefängnis ausgeharrt, sagte Dahimi. Sie beherrschten nur die arabische Sprache, bekamen jedoch keinen Übersetzer und hätten praktisch den Prozess nicht mitverfolgen können.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und das Europaparlament hatten vor einigen Wochen die iranische Justiz aufgefordert, die Todesstrafe gegen die vier Häftlinge zurückzunehmen.


PROTEST GEGEN HINRICHTUNG VON IRANERN IN SAUDI-ARABIEN

Das Außenministerium in Teheran hat der Agentur IRNA zufolge am 12. Juni gegen die Hinrichtung von iranischen Staatsbürgern in Saudi-Arabien protestiert. Das Ministerium hatte den stellvertretenden saudischen Botschafter einbestellt und ihm eine "scharfe Protestnote" wegen der "unmenschlichen Maßnahme" übergeben und sofortige Klärung des Sachverhalts verlangt. Alireza Enajati, Leiter der Abteilung Persischer Golf im Außenministerium, kritisierte, dass Saudi-Arabien das Recht der Verurteilten zur Kontaktaufnahme mit dem iranischen Konsulat missachtet und damit internationale Vereinbarungen sowie die Menschenrechte ignoriert habe. Die Hinrichtung der Häftlinge sei weder mit den Grundsätzen des islamischen Glaubens noch mit internationalem Recht vereinbar, sagte Enajati. Iran behalte sich das Recht vor, internationale Instanzen einzuschalten. Die Folgen werde Saudi-Arabien tragen müssen.

Aus dem Bericht von IRNA geht weder die Zahl der Hingerichteten noch der Zeitpunkt der Hinrichtung hervor. In den vergangenen Wochen hatten iranische Medien berichtet, dass möglicherweise einige iranische Staatsbürger in Saudi-Arabien zum Tode verurteilt und hingerichtet werden sollen. Anfang des Monats hatte der parlamentarische Staatssekretär des Außenministeriums, Said Ghaschghawi, der für iranische Staatsangehörige im Ausland zuständig ist, mitgeteilt, die Nachricht über die Hinrichtung von vier Iranern in Saudi-Arabien sei noch nicht bestätigt. Er berichtete, dass sich 38 Iraner wegen Drogenhandels in Saudi-Arabien in Haft befinden und fügte hinzu: "Obwohl sowohl Iran als auch Saudi-Arabien die Wiener Konvention von 1963 unterzeichnet haben, erlauben die Saudis den Gefangenen nicht, mit dem iranischen Konsulat Kontakt aufzunehmen." Gemeint ist wohl die Genfer Konvention, wonach unter anderem die Unterzeichnerstaaten verpflichtet sind, im Falle von Festnahmen ausländischer Staatsbürger deren Heimatländer zu informieren sowie den Kontakt zu ihnen zu ermöglichen.

Drogenhandel wird in Saudi-Arabien hart bestraft. Schon der Verkauf von einem Gramm Heroin reicht aus, um zum Tode verurteilt zu werden. Auch in der Islamischen Republik werden jährlich zahlreiche Drogenhändler hingerichtet. Iran hat nach China weltweit die höchste Anzahl von Hinrichtungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Iran rund 80 Millionen Einwohner hat gegenüber China mit 1,3 Milliarden Einwohnern.


GASLEITUNG IRAN-TÜRKEI NACH EXPLOSION GESCHLOSSEN

Die Gasleitung von Iran in die Türkei wurde am 28. Juni bei einer Explosion in der südtürkischen Provinz Van schwer beschädigt. Daher würden die iranischen Gaslieferungen für etwa fünf Tage unterbrochen, berichtete die Nachrichtenagentur Anatolia. Nach Angaben der Regionalbehörden gibt es keinen Hinweis auf Sprengstoffeinsatz.

Allerdings war bereits vor einem Monat die Gasleitung von Aserbaidschan in die Türkei nach einer Explosion für zehn Tage geschlossen worden. Die türkischen Behörden sprachen damals von einem technischen Problem, die Untergrundorganisation Kurdische Arbeiterpartei (PKK) aber einem von ihr verübten Anschlag.

Die Türkei führt seit 2002 Erdgas aus Iran ein. Bei der Explosion am 28. Juni kamen Menschen nicht zu Schaden. Die Leitung war in diesem Jahr bereits zweimal wegen Explosionen in Kompressorstationen auf iranischer Seite unterbrochen worden. Dafür wurden jeweils technische Ursachen verantwortlich gemacht.


IRAN WILL ATOMGETRIEBENE U-BOOTE ENTWICKELN

Iran hat nach Angaben seiner Marine mit der Planung von U-Booten mit Atomantrieb begonnen. "Wir haben erste Schritte unternommen, atomgetriebene U-Boote zu entwickeln", sagte der stellvertretende Marinechef Irans, Admiral Abbas Zamani, am 12. Juni der staatlichen Nachrichtenagentur Fars. "Die werden wir in Zukunft für unseren Plan benötigen, dauerhaft in freien Gewässern präsent zu sein, und für weiter entfernt liegende Einsätze." Da Iran über Wissen in der Atomtechnik verfüge, sei auch die Entwicklung eigener atomgetriebener U-Boote möglich. Weder das Verteidigungsministerium noch die Revolutionsgarden haben bisher diese Aussagen bestätigt.

Im Jahr 2008 hat Iran mit dem Bau von U-Booten begonnen. Im August 2010 nahm die Marine dann vier Boote in Betrieb. Russland hatte Teheran bereits vorher, im Jahr 1996, mit U-Booten ausgerüstet. Diese wurden mit Diesel und Strom betrieben. Damit wurde Iran zur ersten Macht am Persischen Golf mit eigener U-Boot-Flotte. Die USA fürchteten damals um das strategische Gleichgewicht in der instabilen Golf-Region.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt bleibt auch nach Verhandlungen in Moskau ungelöst
• Ahmadinedschad: "Wir haben bei den Gesprächen viel Geduld aufgebracht"
• EU-Ölembargo und seine Auswirkungen
• IAEA über die Atomgespräche enttäuscht
• Ungewöhnlich hohe Öleinnahmen
• Türkei reduziert Öl-Import aus Iran
• Putin unterstützt Ahmadinedschad


ATOMKONFLIKT BLEIBT AUCH NACH VERHANDLUNGEN IN MOSKAU UNGELÖST

Wie erwartet haben auch die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm vom 18. bis 19. Juni in Moskau keinen Durchbruch gebracht. Die Gespräche sollen nun auf einer niedrigeren Stufe in Arbeitskreisen fortgesetzt werden. Laut Angaben der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton werden sich Experten am 3. Juli in Istanbul treffen. Danach sollen die Stellvertreter der Verhandlungspartner die Verhandlungen fortsetzen. Von diesen Treffen hänge ab, ob es weitere diplomatische Gespräche mit Iran gebe. Sie erwarte von Iran eine Entscheidung darüber, ob das Land willens sei, der Diplomatie eine Chance zu geben, sagte Ashton, die die Verhandlungen leitete.

Irans Chefunterhändler Said Dschalili bezeichnete die Gespräche in Moskau als ernst. Dabei habe er die Sichtweise und die Forderungen Irans dargelegt und betont, dass Iran das Recht habe, im eigenen Land Uran anzureichen. Davon werde man auch nicht abweichen. Daher gäbe es auch keinen Grund, die Uran-Anreicherung einzustellen. "Wir haben erklärt, wenn die Gespräche Erfolg haben sollten, müssen sie von Experten vorbereitet werden. Diese können die Standpunkte Irans und die der anderen Seite genau erläutern und eine Annäherung erzielen", sagte Daschalili und fügte hinzu: "Wir begrüßen, dass die 5+1-Gruppe (die fünf Veto-Mächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland) unseren Vorschlage, die Gespräche durch Sachverständige fortzusetzen, angenommen hat."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, zwar lägen die Positionen noch weit auseinander, man wolle die Verhandlungen aber möglichst bald fortsetzen. "Unser Ziel ist eine politische und diplomatische Lösung", sagte er. "Wir werden deshalb die gemeinsam mit unseren Partnern in der EU und den USA verfolgte Doppelstrategie aus Verhandlungen und Sanktionen fortsetzen und auch die vereinbarten Sanktionen gegen Iran am 1. Juli in Kraft setzen."

Das zweitägige Treffen in der russischen Hauptstadt war das dritte dieser Art seit April. Zuvor lagen die Atomgespräche 15 Monate auf Eis, die Beziehungen hatten sich deutlich abgekühlt. Während der Auftakt in Istanbul als positiv bewertet wurde, gelang in der zweiten Runde in Bagdad nicht die erhoffte Annäherung. Der Westen hatte im Vorfeld der Moskauer Runde angekündigt, auf konkrete Ergebnisse zu drängen.

Bereits zu Beginn der Verhandlungen setzte Iran die Gruppe unter Druck. Falls Teherans Recht auf ein ziviles Atomprogramm nicht anerkannt werde, würden die Gespräche abgebrochen. Zudem solle der Westen seine Sanktionen aufheben. Iranische Delegationskreise sprachen von einem Ultimatum an Ashton. Eine negative Antwort auf das iranische Ultimatum würde "das Ende der Verhandlungen in ihrer jetzigen Konstellation" bedeuten.

Möglich wäre dann künftig eine Dreierrunde mit Iran, Russland und den USA, wie sie der iranischen Präsident Mahmud Ahmadinedschad seit langem fordert. Bei den jüngsten Gesprächen in Moskau versuchte offenbar Russland, ein Scheitern zu verhindern. Moskau habe "neue Ideen" in die Gespräche eingebracht, hieß es.

Iran beharrt auf dem "unveräußerlichen Recht" eines zivilen Atomprogramms, das auch die Anreicherung von Uran beinhaltet. Am Rande des G20-Gipfels in Mexiko teilten Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama in einer gemeinsamen Erklärung mit, Iran habe das Recht auf eine friedliche Nutzung der Kernenergie. Doch müsse Teheran ernsthafte Anstrengungen unternehmen, um Vertrauen herzustellen, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken diene.

Der Westen verlangt, Teheran müsse die Urananreicherung von 20 Prozent auf drei Prozent reduzieren. Zudem fordert die Internationale Atomenergiebehörde IAEA, Inspektionen in der umstrittenen Militäranlage Parchin in der Nähe Teherans zuzulassen. Dort soll es nach Ansicht der IAEA zu Tests mit nuklearem Material gekommen sein. Der Westen verdächtigt Iran, unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms an Atomwaffen zu arbeiten. Teheran bestreitet das.

Ziel der Verhandlungen ist es nach Angaben der Beteiligten, den jahrelangen Streit noch friedlich zu lösen. Israel behält sich einen Angriff auf iranische Atomanlagen vor, falls die Diplomatie scheitert. Auch die USA haben erklärt, einen atomar bewaffneten Iran unter allen Umständen verhindern zu wollen und haben nie die Option eines militärischen Angriffs ausgeschlossen.

Nach den gescheiterten Verhandlungen hat Paris eine härtere Gangart gegen Iran gefordert. Der Druck auf Iran müsse nun erhöht werden, erklärte Außenminister Laurent Fabius am 20. Juni in einer Mitteilung. So müsse die Europäische Union ab dem 1. Juli das im Januar beschlossene Embargo für den Import iranischen Öls "voll umsetzen".

Die iranische Regierung habe immer noch nicht die "konkreten Gesten gemacht, die wir erwarten", kritisierte Fabius. "Die Tür zum Dialog" bleibe aber offen.

Demgegenüber warnte der russische Außenminister Sergej Lawrow den Westen davor, Iran im Atomstreik mit einem Ultimatum zum Einlenken bewegen zu wollen. Eine schnelle Einigung sei unrealistisch, erklärte Lawrow am 22. Juni. So sei die jüngste Moskauer Gesprächsrunde "ziemlich nützlich" gewesen, obwohl kein Durchbruch erzielt worden sei. Die Verhandlungen müssten ohne künstliche Fristen oder Ultimaten weitergehen, forderte Lawrow.


AHMADINEDSCHAD: "WIR HABEN BEI DEN GESPRÄCHEN VIEL GEDULD AUFGEBRACHT"

Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad hat während seiner Teilnahme an der UNO-Umweltkonferenz in Rio im Gespräch mit Journalisten gesagt: "Wir haben bei den Verhandlungen viel Geduld aufgebracht." Der Atomkonflikt sei für den Westen nur ein Vorwand, um Irans Fortschritt aufzuhalten. Es sei die "ungerechte Weltordnung", die den Westmächten die Möglichkeit gebe, ihren Willen durchzusetzen. "Sie (die westlichen Staaten) sind dagegen, dass Iran sich entwickelt und mehr an Macht gewinnt. Unter dem Vorwand des Atomproblems missbrauchen sie ihre dominierende Macht im UN-Sicherheitsrat und erwarten, dass Iran seine nuklearen Aktivitäten einstellt und vor ihnen kapituliert", sagte der Präsident eine Woche nach dem Scheitern der Verhandlungen in Moskau. "Sie sind nicht an Verhandlungen interessiert, ihr einziges Ziel ist es, Iran Zügel anzulegen." Er warf dem Westen vor, Iran Vorschriften aufzwingen zu wollen, die den Richtlinien des Atomwaffensperrvertrags widersprechen, während Iran stets betont habe, dass alles im Rahmen des Vertrags geregelt werden müsse. Iran habe bei den Verhandlungen viel Geduld aufgebracht und sei immer um gegenseitige Kooperation bemüht gewesen. Aber "selbstverständlich werden wir auch unsere Rechte verteidigen".

"Jene, die selbst Atombomben besitzen, wollen unter dem Vorwand, Iran könnte Nuklearwaffen produzieren, Iran an der Fortsetzung seines Atomprogramms hindern", erklärte Ahmadinedschad. Dabei hätten westliche Staaten Jahre vor der iranischen Revolution mit Iran sechs Atomverträge geschlossen, doch nach der Revolution, als Iran sich frei entscheiden konnte, hätten sie die Verträge annulliert. "Heute schulden sie Iran Milliarden Dollar, die sie nicht zurückzahlen wollen." Iran gehöre zu den ersten Staaten, die den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hätten. "Wir haben stets erklärt, dass wir keine Nuklearwaffen planen und man hat uns bis heute keine Abweichung von diesem Grundsatz nachweisen können."

Ahmadinedschad verwies auf den gemeinsam mit der Türkei und Brasilien ausgearbeiteten Lösungsvorschlag zum Atomkonflikt, bezeichnete ihn als ein historisches Dokument, das eine enge Kooperation aller Beteiligten ermöglicht hätte. "Die Antwort des Westens auf dieses Vertrauen erweckende, Sicherheit gewährende und wertvolle Dokument war eine Resolution gegen Iran im Sicherheitsrat."

Iran habe nicht die Absicht, Atombomben zu bauen, sagte Ahmadinedschad erneut, fügte aber überraschend hinzu, Angst würde Iran nicht daran hindern, einen einmal gefassten Beschluss zu revidieren und eigene Atomwaffen zu bauen.

Ex-Präsident Haschemi Rafsandschani sagte am 21. Juni bei einem Treffen mit einigen Geistlichen in der heiligen Stadt Ghom, die westlichen Staaten seien weder kooperationsbereit noch ehrlich. "Sie wollen nur ihren Willen aufzwingen, um ihre Ziele durchzusetzen." Bereits vor den Gesprächen in Moskau hatte er indirekt Zweifel an dem Erfolg der Gespräche angemeldet. Nach dem Treffen in Istanbul hatte er gemeint, die Gesprächspartner hätten einen "irreführenden Optimismus" verbreitet.

Bei dem Treffen in Ghom sagte er, die iranische Staatsordnung beziehe ihre Legitimität aus dem Glauben und fügte, ohne bestimmte Personen oder Gruppen zu nennen, hinzu: "Nicht zu rechtfertigen sind jedoch tendenziöse Ansichten von Banden und Gruppen, die im Namen des Islam und der islamischen Revolution der Bevölkerung, insbesondere den Jugendlichen, präsentiert werden."

Rafsandschani, der als Präsident zahlreiche Attentate im In- und Ausland sowie brutales Vorgehen gegen Andersdenkende und Folter und Hinrichtungen in Gefängnissen zu verantworten hatte, verurteilte nach der Wiederwahl Ahmadinedschads, die zu monatelangen Protesten führte, das brutale Vorgehen gegen Oppositionelle und kritisierte öffentlich die Wirtschaftspolitik der Regierung.


EU-ÖLEMBARGO UND SEINE AUSWIRKUNGEN

Ab 1. Juli tritt das von der EU beschlossene Ölembargo gegen den Iran in Kraft. Der Beschluss soll "ohne Ausnahme" umgesetzt werden, sagte ein Diplomat in Brüssel. Die Außenminister der EU-Staaten hätten bei ihrem Treffen am 25. Juni in Luxemburg dafür grünes Licht gegeben. Zugleich beschlossen sie, dass die in der EU beheimateten Versicherungsunternehmen keine Öltanker von und nach Iran mehr versichern dürfen. Eine entsprechende Übergangsregelung läuft ebenfalls Ende Juni aus. Damit haben die Regierungen an einem bereits beschlossenen, anschließend aber umstrittenen Sanktionsbeschluss festgehalten.

"Wir wollen, dass Iran versteht, dass wir ernsthafte Sorgen hinsichtlich seines Atomprogramms haben", sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. "Wir wollen, dass Iran wieder mit uns verhandelt."

Selbst Länder wie Griechenland, das 25 Prozent seines Ölbedarfs zu günstigen Preisen aus Iran bezieht, haben erklärt, dass sie sich an den Beschluss halten werden. Die EU bezog 2010 lediglich 5,7 Prozent ihres Ölbedarfs aus der Islamischen Republik. Auch Spanien und Italien gehören zu den wichtigsten Abnehmerländer Irans. Das fehlende Öl soll nun aus anderen Ölländern des Nahen Ostens, vor allem aus Saudi-Arabien, bezogen werden. Dazu hatte sich Saudi-Arabien schon vor Monaten bereit erklärt, wohl nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus politischen Gründen, um Iran soweit wie möglich in die Isolation zu treiben.

Kurz vor Inkrafttreten des EU-Embargos hat Teheran den Westen vor negativen Folgen gewarnt. Jede "illegalen und der Verhandlungslogik entgegenstehenden Handlungen" würden "Nachwirkungen" haben, schrieb der iranische Chefunterhändler Dschalali in einem Brief an Ashton, der am 28. Juni von iranischen Medien veröffentlicht wurde. Der Westen trage die Verantwortung für "jede schädliche Folge" bei den "konstruktiven Gesprächen" im Atomstreit.

Iran exportiert zwar den Hauptteil seines Öls in die ostasiatischen Staaten, wie China, Japan, Südkorea und Indien. Das Problem ist aber, dass gleichzeitig mit dem Boykott europäische Versicherungsunternehmen Öltanker, die das iranische Öl transportieren, nicht mehr versichern. So hat Südkorea als erstes asiatisches Land am 26. Juni erklärt, das Land werde seine Ölimporte aus der Islamischen Republik gänzlich einstellen. Denn es sei vollständig von europäischen Versicherern abhängig. Südkorea ist der erste asiatische Hauptabnehmer, der einen Einfuhrstopp angekündigt hat.

"Die Regierung wird sich weiter bemühen, die Auswirkungen auf die einheimische Industrie und Wirtschaft so gering wie möglich zu halten", hieß es in einer Erklärung der Regierung. Nach Angaben von Regierungsbeamte hat Südkorea bereits einen großen Teil der Öleinfuhren aus dem Iran durch Importe aus anderen Öl-Staaten wie Saudi-Arabien, dem Irak, Kuwait, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten ersetzt. Südkorea ist der weltweit größte Ölimporteur. Etwa neuen Prozent seines Bedarfs wurden bisher mit iranischem Öl gedeckt. Die Menge war wegen US-Sanktionen gegen Teheran bereits reduziert worden.

Das Öl-Embargo wird der iranischen Wirtschaft, die sich ohnehin in einer tiefen Krise befindet, einen weiteren harten Schlag versetzen. Die Regierung beharrt zwar immer noch hartnäckig auf dem Standpunkt, die Wirkungen der Sanktionen seien minimal. Doch die immer lauter werdenden Klagerufe der Bevölkerung über die Preise, die nahezu täglich steigen, sind nicht mehr zu überhören. Laut jüngsten Statistiken haben sich die Preise für Grundnahrungsmittel innerhalb eines Jahres zum Teil mehr als verdoppelt. Während ein Kilo Blattgemüse im Juni vergangenen Jahres 592 Tuman (circa 0,40 Euro) kostete, liegt der Preis im laufenden Monat bei 1448 Tuman. Der Preis für ein Kilo Gurken erhöhte sich im selben Zeitraum von 754 Tuman auf 1456 Tuman, der für Bohnen von 2706 Tuman auf 4289 Tuman und der für Äpfel von 3355 Tuman auf 6979 Tuman (circa 4,20 Euro).

Im Iran sind die Armen noch ärmer geworden und der Mittelstand befindet sich am Rande des Abgrunds. "Wir können uns nichts mehr leisten, obwohl mein Mann und ich voll arbeiten", sagte eine Lehrerin, deren Mann staatlicher Angestellter ist. "Unsere Lebensqualität ist stark gesunken, wir können nicht ausgehen, niemanden einladen und werden auch nicht eingeladen, wir leben isoliert und einsam." Die Arbeiter einer Zuckerfabrik im Süden haben gestreikt, weil sie Monate lang keinen Lohn erhalten haben. Im Iran gab es zwar immer Bettler, aber kaum Obdachlose. Heute leben zahlreiche Menschen in den Großstädten auf der Straße.

Einige hochrangige Geistliche in der heiligen Stadt Ghom zeigten sich kürzlich in einem Schreiben an die Regierung "äußerst besorgt" über die zunehmende Inflation. "Nachrichten und Berichte der letzten Monate zeugen von einer rapiden Teuerung von Preisen wichtiger Waren, was zu großen Problemen und zur landesweiten Unzufriedenheit in der Bevölkerung geführt hat", erklärten die Würdenträger.

Die wirtschaftliche Katastrophe ist nicht nur Folge von Sanktionen, sondern auch der Misswirtschaft und Korruption. In den letzten zwei Jahren mussten zahlreiche Fabriken schließen, weil sie ihre Arbeiter und Angestellten nicht mehr bezahlen konnten.

Der iranische Markt ist heute überfüllt von Billigwaren aus asiatischen Ländern. Laut offiziellen Angaben betrug allein der Wert des Gesamtimports aus China im vergangenen Jahr rund 45 Milliarden Dollar. Von Reißnägeln bis Grabsteinen, von Tomaten bis Orangen und Bohnen, alles stammt aus China. Dieser ungewöhnlich hohe Import hat sowohl der iranischen Landwirtschaft als auch der einheimischen Industrie erheblich geschadet. Ein Landwirtschaftsunternehmer, der kürzlich seine Güter in Iran verkauft hat und nach Österreich übergesiedelt ist, berichtete, er habe alles aufgeben müssen, weil er Tonnen von Gemüse und Obst nicht verkaufen konnte. Seine Produkte hätten mit ausländischen Waren nicht konkurrieren können. Ein wichtiger Grund für den rasch angestiegenen Import ist der Boykott iranischer Banken. Damit bleibt den Banken jeder legale Weg für Geldtransaktionen versperrt. Die Folge ist, dass die Abnehmerländer des iranischen Öls den Preis nur in eigenen Währungen zahlen können, mit denen Iran lediglich Waren des jeweiligen Landes kaufen kann.


IAEA ÜBER DIE ATOMGESPRÄCHE ENTTÄUSCHT

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat bei den Verhandlungen mit Iran über Inspektionen in der umstrittenen Militäranlage Parchin keine Fortschritte erzielt. "Es hat keine Fortschritte gegeben", sagte IAEA-Chefinspekteur Herman Nackaerts nach dem Treffen in Wien. Er nannte den Ausgang der Gespräche am 8. Juni "enttäuschend". Zudem gebe es auch keinen Termin für eine Fortsetzung der Gespräche. Erst vor wenigen Wochen hatte sich die IAEA zuversichtlich geäußert, dass eine Einigung zustande kommen wird.

Iran habe neue Bedingungen gestellt, sagte Nackaerts. An den Beratungen nahmen für Iran dessen ständiger Vertreter bei der Wiener Behörde, Ali Asghar Soltanieh, teil. Er hatte sich noch bis kurz vor den Verhandlungen "optimistisch" gezeigt, dass eine Vereinbarung erzielt werden könne. Ebenfalls an den Gesprächen beteiligt war der stellvertretende IAEA-Chef Rafael Grossi.

Soltanieh forderte "Zeit und Geduld" und äußerte sich zuversichtlich, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine Vereinbarung erzielt werden könne. Iran werde alle "Zweideutigkeiten aus dem Weg räumen und der Welt beweisen, dass unsere Aktivitäten ausschließlich friedlichen Zwecken dienen".

Die IAEA wollte in einer Vereinbarung unter anderem erreichen, dass ihre Inspekteure Zugang zur Militäranlage Parchin bei Teheran erhalten.

Satellitenaufnahmen hatten nach Angaben der IAEA darauf hingedeutet, dass die iranischen Behörden in Parchin Gebäude aufreißen und Erdreich abtragen lassen. Die Arbeiten könnten den Versuch der IAEA erschweren, sich ein Bild von den Vorgängen in Parchin zu machen. Die Behörde vermutet, dass dort Tests unternommen wurden, die zum Bau einer Atombombe führen könnten. Iran spricht von einem konventionellen Armee-Komplex, verweigert deshalb der IAEA den Zugang. Laut Vertrag sei die IAEA nur dazu befugt, Atomanlagen zu kontrollieren, nicht Militäranlagen. Kein Land würde einer fremden Behörde Zugang zu militärischen Sperrgebieten erlauben, verlautete es aus Teheran.

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Iran am 8. Juni erneut zum Einlenken auf.

Bereits vor Beginn der Gespräche hatte China die Regierung in Teheran aufgefordert, mehr Flexibilität an den Tag zu legen. Der chinesische Präsident Hu Jintao verlangte laut der Nachrichtenagentur Xinhua bei einem Treffen mit Präsident Ahmadinedschad in Peking "ernsthafte" Gespräche mit den UNO-Vetomächten und Deutschland und mehr "Dialog und Zusammenarbeit mit der IAEA". China wolle weiter eine "konstruktive Rolle" spielen, um den Konflikt friedlich zu lösen, fügte er hinzu.


UNGEWÖHNLICH HOHE ÖLEINNAHMEN

Laut einem Bericht der iranischen Zentralbank, haben die Öleinnahmen in Iran im vergangenen Jahr innerhalb von elf Monaten die ungewöhnlich hohe Summe von 110 Milliarden Dollar erreicht. Im Jahr davor lagen im gleichen Zeitraum die Einnahmen bei 75 Milliarden Dollar. Die Einnahmen für den zwölften Monat wurden zwar noch nicht ausgerechnet, aber es wird geschätzt, dass für das gesamte Jahr (März 2010-März 2011) die Summe von 120 Milliarden Dollar erreicht werden wird. Damit haben die Einnahmen einen Rekord erreicht, der in Anbetracht der immer härter werdenden Sanktionen gegen Iran Erstaunen hervorruft.

Der Bericht der Zentralbank zeigt zugleich, dass der Import den Einnahmen entsprechend gestiegen ist. Für die ersten elf Monate im vergangenen Jahr hat Iran Waren im Wert von mehr als 73 Milliarden Dollar eingeführt, während im Vorjahr für den gleichen Zeitraum der Wert der importierten Waren bei 61 Milliarden Dollar lag.

Der Grund für den Anstieg der Gewinne aus dem Öl 2010/2011 lag im Anstieg des Ölpreises, der bei 116 Dollar pro Barrel relativ hoch lag. Doch zuletzt fiel der Preis unter 100 Dollar und hat damit die Lage rasch verändert. Der Internationale Währungsfond (IWF) geht davon aus, dass ein Ölpreis von 117 Dollar nötig ist, damit Iran sein Haushalt in Höhe von 463 Milliarden Dollar ausgleichen kann. Das Londoner Centre für Global Energy rechnet damit, dass Iran als zweitgrößte Exportnation der OPEC dieses Jahr einen Einnahmerückgang um 39 Prozent auf 44 Milliarden Dollar verkraften muss. Für Saudi-Arabien wird dagegen ein Anstieg von drei Milliarden Dollar auf 294 Milliarden Dollar errechnet.

Die Öl-Ausfuhren Irans gingen im Vergleich zum Vorjahr bereits um 600.000 Barrel pro Tag (bpd) auf rund 1,6 Millionen bpd zurück. Mit dem vollen Inkrafttreten der EU-Sanktionen ab 1. Juli dürfte sich diese Entwicklung noch verstärken. Iran räumt zwar einen Exportrückgang ein, doch wird dieser als weniger dramatisch dargestellt: "Wir können die Sanktionen als Chance begreifen", sagte ein ranghoher Vertreter der Ölindustrie. Außerdem habe das Land eine langjährige Erfahrung damit, Sanktionen zu umgehen.


TÜRKEI REDUZIERT ÖL-IMPORT AUS IRAN

Unter Berücksichtigung der gegen Iran verhängten Sanktionen will die Türkei künftig mehr Öl aus Libyen und Saudi-Arabien beziehen. Die türkische Raffineriegesellschaft Tupras habe mit Libyen die Lieferung von einer Million Tonnen Rohöl vereinbart, sagte der türkischen Energieminister Taner Yidiz am 12. Juni. Zudem liefen Verhandlungen mit Saudi-Arabien, um ein langfristiges Lieferabkommen zu vereinbaren. Tupras hatte im vergangenen Jahr 51 Prozent seines Rohöls aus Iran bezogen. In den ersten vier Monaten dieses Jahres war der Anteil sogar auf 58 Prozent gestiegen, während sich das Staatsunternehmen um andere Quellen bemühte. Vor allem die USA machen Druck auf die Türkei, die Importe aus Iran deutlich zu verringern.

Indes wurde bekannt, dass die USA Indien und sechs weitere Staaten nicht wegen des Imports von iranischem Öl mit Sanktionen bestrafen wollen. Die Länder hätten ausreichende Maßnahmen getroffen, um sich von Lieferungen aus Iran unabhängig zu machen, sagte Außenministerin Hillary Clinton am 11. Juni in Washington. Betroffen seien auch Südkorea, Malaysia, Südafrika, Sri Lanka, die Türkei und Taiwan.


PUTIN UNTERSTÜTZT AHMADINEDSCHAD

Der russische Präsident Wladimir Putin hat seinem iranischen Kollegen Mahmud Ahmadinedschad Rückendeckung bei der zivilen Nutzung der Atomenergie gegeben. "Wir haben immer das Recht des iranischen Volkes zur Nutzung moderner Technologien einschließlich der friedlichen Nutzung der Atomenergie unterstützt", sagte Putin am 7. Juni bei einer Begegnung mit Ahmadinedschad in Peking. "Aber ich will unterstreichen, dass wir von friedlicher Nutzung sprechen." Die beiden Präsidenten nahmen in Peking am Jahrestreffen des so genannten Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) teil.

Zur SCO, die 2001gegründet wurde, gehören Russland, China und die vier zentralasiatischen Länder Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan. Iran nimmt als Beobachter teil. Schwerpunkt der Zusammenarbeit ist die Sicherheitspolitik, doch will die Gruppe in Zukunft auch die wirtschaftliche Kooperation vorantreiben. In der Abschlusserklärung des Treffens wird der Einsatz von Gewalt gegen Iran abgelehnt. Das würde "unvorstellbare Konsequenzen" haben und die "Stabilität der Region und der ganzen Welt bedrohen".

Alle Parteien sollten äußerste Zurückhaltung üben und alle Äußerungen oder Aktionen vermeiden, die zu einer Eskalation führen könnten. An Iran appellieren die Staatschefs, eine verantwortliche Rolle bei der Wahrung des Friedens zu spielen. Sie unterstützten die laufenden Verhandlungen mit Iran für eine diplomatische Lösung.

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AUßENPOLITIK

• Iran warnt Israel
• Netanjahu hält internationale Forderungen an Iran für unwirksam
• Verwirrung um angebliches Mursi-Interview
• Iranische Terrorverdächtige in Kenia festgenommen
• Iran mahnt Syrien und die Türkei zu Zurückhaltung
• Protest gegen "staatlichen Cyberterrorismus"
• Unklare Beziehungen zwischen Iran und Großbritannien
• USA unterstützen Emirate im Streit über die Inseln im Persischen Golf
• Hübscher zieht Landtagskandidatur nach Kritik an Iran-Besuch zurück


IRAN WARNT ISRAEL

Der Vizekommandierende der iranischen Streitkräfte, General Mustafa Isadi, sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Fars, sollte Israel gegen Iran vorgehen, würde es damit "sein eigenes Ende herbeiführen". Iran habe auf militärischem Gebiet beachtliche Fortschritte gemacht und seine Möglichkeiten seien weit besser als die Israels. Die iranischen Streitkräfte hätten in der Region des Persischen Golfs und dem Meer von Oman eine hohe Schlagkraft, auch das iranische Raketen-Arsenal sei in einem äußerst guten Zustand.

Zu den Kriegsdrohungen Israels sagte Isadi, wenn Israelis der Vernunft gehorchten, gehörten die Drohungen in die Kategorie der psychologischen Kriegsführung. Sollten sie jedoch die Vernunft beiseite lassen, würden sie eine herbe Niederlage einstecken müssen.

Zu seiner "Strategie der Drohung gegen Drohung", sagte Isadi, Iran sei hinsichtlich seiner Abwehr stark und in der Lage, jede Drohung mit Drohung zu beantworten. Die Drohungen gegen die Islamische Republik fänden inzwischen in mehreren Bereichen statt. Das Internet und die Satelliten bedrohten die Sicherheit Irans. Die Streitkräfte, insbesondere die Revolutionswächter, die den Schutz der iranischen Revolution und deren Werte zur Aufgabe haben, müssten auf allen diesen Gebieten aktiv und wachsam sein.

Zuvor hatte Revolutionsführer Ali Chamenei erklärt, die Ereignisse in der Region hätten Israel nervös gemacht. Ihre Kriegsdrohungen seien nichts anderes als "Ausdruck ihrer Angst". Er bezeichnete Israel als Irans Feind Nummer eins. "Sie (die Verantwortlichen in Israel) sind sich wohl bewusst, dass sie weit leichter schlagbar sind als jemals zuvor und dass sie für jeden falschen Schritt hart büßen werden", sagte der Revolutionsführer.

Der Stellvertretende Kommandant der Revolutionswächter (Pasdaran), General Hossein Salami, sagte mit Blick auf die Auseinandersetzung zwischen Iran und dem Westen: "Wir nähern uns dem Gipfel der Konflikte, der allerdings schwer zu überwinden ist, aber wir glauben an die Güte Gottes." Iran habe die "existenziellen Interessen des Feindes in der ganzen Welt" voll im Griff und sei dabei, "den Abstand zu den selbsternannten Großmächten" zu verringern, sagte Salami in einem Interview mit der Agentur IRNA am 24. Juni.

Die Äußerungen Salamis erfolgten unmittelbar nach dem Scheitern der Atomverhandlungen in Moskau und mit Blick auf die nahenden härteren, von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Iran, die sich vor allem gegen das iranische Öl und das Finanzwesen des Landes richten. Die Sanktionen "ebnen den Weg Irans zur vollen Blüte", sagte Salami und fuhr zur Erläuterung fort: "Heute sind unsere ballistischen Überschallraketen in der Lage, die fahrenden Kriegsschiffe des Feindes mit hundertprozentiger Sicherheit zu treffen."

Auch die Agentur Fars zitierte Salami mit den Worten: "Alle Szenarien, mit denen der Feind unser Land bedrohen könnte, haben die Pasdaran durchgespielt." Die Pasdaran fühlten sich verpflichtet, die Sicherheit der Grenzen Irans zu garantieren. Auch im Inneren des Landes hätten die Pasdaran ihre Pflichten bestens erfüllt. Die nationale Sicherheit Irans sei gelegentlich durch einen psychologischen, auch sanften und kulturellen Krieg bedroht worden. "Wir leben unter ständiger Bedrohung" sagte Salami. Darüber seien sich die Pasdaran voll bewusst, daher auch stets in der Lage, jeder Drohung mit entsprechender, erfolgreicher Abwehr zu begegnen.

Der General rühmte die "blendenden Fortschritte" der Pasdaran beim Bau von "Raketen mit großer Reichweite, großer Zerstörungskraft, großer Geschwindigkeit und großer Genauigkeit" und fügte hinzu: "Unser Verteidigungspotenzial ist so groß, dass unsere Brüder bei der Luftwaffe manchmal mit Platzmangel und Mangel an Personal zu kämpfen haben."


NETANJAHU HÄLT INTERNATIONALE FORDERUNGEN AN IRAN FÜR UNWIRKSAM

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat scharfe Kritik an der Verhandlungspolitik mit Iran geübt. Die Forderungen der 5+1 seien "völlig ungeeignet", um das iranische Atomprogramm zu stoppen, sagte er der Bild-Zeitung vom 6. Juni.

"Die 5+1 wollen unbedingt irgendein Ergebnis erzielen und haben die Forderungen deswegen so abgesenkt", sagte Netanjahu der Zeitung. Damit wollten sie erreichen, dass die Verhandlungen nicht gefährdet würden. Die mit den Sanktionen verknüpften Forderungen seien aber unwirksam. Iran könne die niedrige Uran-Anreicherung stoppen, damit sei aber das Atomprogramm nicht gestoppt.

Ziel der fünf UNO-Vetomächte und Deutschland bei den Verhandlungen ist es, Iran davon abzubringen, Uran auf 20 Prozent anzureichern. Iran signalisierte Bereitschaft, forderte jedoch im Gegenzug die Rücknahme der Sanktionen.

Netanjahu sagte, jegliche Urananreicherung müsse beendet, alles angereicherte Material aus Iran fortgeschafft und die unterirdische Atomanlage bei Ghom geschlossen werden. Wenn Iran wirklich nur an friedlicher Nutzung der Atomenergie interessiert sei, könne Teheran "diesen Forderungen problemlos nachkommen. Aber sie wollen eben Atomwaffen".

Zu Warnungen vor einem Militäreinsatz sagte Netanjahu: Es sei wichtig, "sicherzustellen, dass das Ayatollah Regime keine Waffen bekommt. Das ist die größte Bedrohung für die Menschheit - ein radikal-islamisches Regime mit Atomwaffen." Sollte Iran an Atomwaffen gelangen, "wäre der Preis für uns unendlich höher als in jedem denkbaren Szenario, in dem wir Iran anhalten".

Schon jetzt würde Iran "Killer" nach Israel schicken, NATO-Soldaten in Afghanistan töten, Terroristen mit zehntausenden Raketen ausrüsten und damit drohen, die Straße von Hormus zu blockieren und die Welt vom Öl abzuschneiden, sagte Netanjahu. "Was würden sie aber erst tun, wenn sie die Atombombe tatsächlich hätten?"

Israel sieht durch einen atomar bewaffneten Iran seine Existenz bedroht. Auch Revolutionsführer Chamenei sei entschlossen, "Israel zu vernichten", sagte Netanjahu. "Und seine Entschlossenheit, Israel zu vernichten, ist mindestens so ideologisch, so messianisch und apokalyptisch, wie die von Präsident Ahmadinedschad."


VERWIRRUNG UM ANGEBLICHES MURSI-INTERVIEW

Die iranische Nachrichtenagentur Fars hatte am 25. Juni berichtet, der neu gewählte Präsident Ägyptens, Mohammed Mursi, habe kurz vor der Bekanntgabe seines Sieges erklärt, er wolle die Beziehungen zur Islamischen Republik ausweiten, um ein strategisches Gleichgewicht in der Region zu schaffen. "Dies ist Teil meines Programms", zitierte ihn die Agentur. Der Friedensvertrag mit Israel müsse revidiert werden, soll Mursi im selben Interview gesagt und das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge gefordert haben.

Mursi hatte sich nach offiziellen Angaben bei der Stichwahl gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Ahmed Schafik mit knappem Vorsprung durchgesetzt. Damit konnten die Muslimbrüder ihre führende Position auch in der Präsidentenwahl behaupten. Nach Angaben der staatlichen Wahlkommission vom 24. Juni vereinigte der Kritiker des Mubarak-Systems rund 52 Prozent der Stimmen auf sich.

Am 26. Juni dementierte ein Mursi-Sprecher den Bericht der iranischen Agentur. "Der Präsident hat dieser Agentur kein Interview gegeben, und das, was veröffentlicht wurde, entbehrt jeder Grundlage", sagte der Sprecher.

Welche Seite tatsächlich Recht hat, wird kaum herauszufinden sein. Sollte sich Ägypten von Israel ab und dem Iran zuwenden, wäre dies für Tel Aviv katastrophal. Sicher ist jedenfalls, dass der neue Präsident Ägyptens, der zu den Muslimbrüdern gehört, nicht die Politik fortsetzen wird, die Husni Mubarak Jahrzehnte lang gegenüber Israel praktiziert hat. Andrerseits wird er vermutlich zur Beruhigung der westlichen Welt einschließlich Israels vorerst an dem Friedensvertrag nicht rühren. In seiner ersten Ansprache am 25. Juni erklärte Mursi: "Wir werden uns um sehr ausgewogene Beziehungen zu allen internationalen Faktoren bemühen." Bestimmte Verträge, darunter den Friedensvertrag mit Israel, werde Ägypten aber einhalten.

Indes haben ägyptische Medien berichtet, dass nach Aussagen von Mursis Pressesprecher Yasser Ali das Büro Mursis gerichtlich gegen die Fars-Agentur vorgehen wolle. Danach veröffentlichte die Agentur das Interview im Original auf ihrer Webseite. Dennoch bleibt Ali bei seiner Behauptung, Mursi habe der Agentur kein Interview gegeben.

Wenige Tage zuvor hatte der ägyptische Minister für religiöse Stiftungen die ägyptischen Geistlichen vor Zusagen zu Einladungen aus Iran unter Androhung von Konsequenzen gewarnt. In letzter Zeit seien Iraner gesehen worden, die Einladungen an Geistliche zu einer kostenlosen Reise nach Iran zum Besuch von Pilgerstädten verteilt hätten. Die Einladungen seien von bekannten Geistlichen Irans unterzeichnet gewesen.

Ziel dieser Einladungen sei es, unter ägyptischen Geistlichen Verwirrung zu stiften, sagte der Minister. Er forderte alle Imame und Prediger in den Moscheen auf, nach Erhalt solcher Einladungen sofort das Ministerium darüber zu informieren.

Verantwortliche in Ägypten haben mehrmals religiösen Instanzen Irans vorgeworfen, den Schiismus zu propagieren und Moscheen bauen zu wollen. Iran hat solche Vorwürfe stets zurückgewiesen.


IRANISCHE TERRORVERDÄCHTIGE IN KENIA FESTGENOMMEN

Laut Behördenangaben haben Polizisten in Kenia zwei Terrorverdächtige aus Iran in Haft genommen. Nach der Festnahme der beiden in der Hauptstadt Nairobi hätten Ermittler in der Küstenstadt Mombasa 15 Kilogramm einer puderigen Substanz sichergestellt, sagte der örtliche Polizeichef Aggrey am 22. Juni. Dabei handele es sich vermutlich um Sprengstoff.

Kenia ist zuletzt ins Visier der mit Al-Kaida verbundenen somalischen Al-Schabab-Miliz geraten.

Der iranische Außenamtsprecher Ramin Mehmanparast erklärte am 23. Juni, die Identität der beiden in Kenia Festgenommenen sei noch nicht festgestellt. Die iranische Botschaft in Kenia sei dabei, dem Fall nachzugehen. Er betonte, solange die Identität der beiden nicht festgestellt sei, könne er sich zu dem Fall nicht äußern. Er betonte, die Beziehungen zwischen Iran und Kenia seien "sehr gut und freundschaftlich" und es scheine, dass manche Kreise und ausländische Medien bemüht seien, diese "stabilen und beachtlichen Beziehungen" zu schädigen.

Indes hat Malaysia der Auslieferung eines verdächtigen Iraners, der in Zusammenhang mit den mutmaßlichen Anschlagsplänen gegen israelische Diplomaten festgenommen wurde, nach Thailand stattgegeben. Bei dem Mann handele es sich um einen "Kriminellen auf der Flucht" urteilte Richterin S. Komathy bei der Gerichtsverhandlung in Kuala Lumpur am 25. Juni. Der 31-jährige Iraner kündigte Berufung gegen die Entscheidung an

Der Iraner war Mitte Februar am Flughafen von Kuala Lumpur festgenommen worden. Thailand hatte bereits kurz nach den versuchten Anschlägen im Februar erklärt, die Auslieferung des Mannes beantragen zu wollen. Der Verdächtige gehört zu einer Gruppe von mehreren Iranern, die in Bangkok die Anschläge auf die israelischen Diplomaten vorbereitet haben sollen. Zwei von ihnen waren unmittelbar nach den Bombenexplosionen festgenommen und angeklagt worden.

Der Plan wurde aufgedeckt, nachdem es zu einer offenbar unbeabsichtigten Detonation gekommen war. Thailändischen Geheimdienstkreisen zufolge wollten sie eigentlich einen Bombenanschlag auf ein Fahrzeug israelischer Diplomaten verüben. Auch Israel hatte Iran vorgeworfen, hinter dem Vorfall zu stecken, was Teheran zurückwies. Die Explosionen folgten auf einen Bombenanschlag auf israelisches Botschaftspersonal in Indien und einen gescheiterten Anschlag in Georgien.

Die US-Botschaft in Kenia warnte ihre Mitarbeiter vor einem möglichen Terroranschlag in Mombasa. Sie sollten bis zum 1. Juli von einer Reise nach Mombasa absehen. Auch die französische Botschaft mahnte ihre Mitarbeiter zur Vorsicht.

Ein US-Gericht in Washington hatte vor fast einem Jahr Iran wegen der Teilnahme an einem Terroranschlag von 1998 gegen die US-Botschaft in Kenia verurteilt. Mehmanparast hatte den Vorwurf als "völlig unbegründet" bezeichnet, als ein Szenario, das die USA gegen Iran inszeniert und propagandistisch ausgeschlachtet hätten.


IRAN MAHNT SYRIEN UND DIE TÜRKEI ZU ZURÜCKHALTUNG

Nach dem Abschuss eines türkischen Militärjets durch syrische Luftabwehr am 22. Juni hat Iran beide Seiten zur Zurückhaltung aufgefordert. Es hoffe, dass eine friedliche Lösung gefunden werde, um die Stabilität in der Region zu gewährleisten, sagte Außenminister Ali Akbar Salehi in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu am 24 Juli, einer Mitteilung der iranischen Regierung zufolge. Iran gilt als engster Verbündeter Syriens, pflegt aber auch freundschaftliche Beziehungen zur Türkei, die allerdings in letzter Zeit gerade wegen der türkischen Haltung gegenüber dem Regime in Damaskus bzw. wegen dem geplanten Bau eines Raketenabwehrschirms der NATO auf türkischem Territorium getrübt ist.

Nach Darstellung der Regierung in Damaskus war das Flugzeug der türkischen Luftwaffe in den Luftraum Syriens eingedrungen und von der syrischen Luftabwehr abgeschossen worden.

Iran hält eine Einmischung von außen in Syrien für schädlich. "Die einzige Möglichkeit, die Krise in Syrien zu beenden, ist ein innerer Dialog zwischen der Regierung und der Opposition", sagte der iranische Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast am 12. Juni in Teheran. "Jegliche externe Option würde die Krise nur ausweiten." Teheran unterstütze zwar den Friedensplan des Syrien-Sonderermittlers Kofi Annan, allerdings nur unter der Bedingung, dass Assad an der Macht bleibe.

Iran war zu der von Kofi Annan für den 30. Juni in Genf einberufenen Konferenz über Syrien nicht eingeladen worden. Teilnehmer der Konferenz waren die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, Vertreter der Arabischen Liga sowie die Türkei. Es hieß, US-Außenministerin Hillary Clinton habe erklärt, nicht an der Konferenz teilzunehmen, sollte Iran dazu eingeladen werden.

Zunächst hatte Annan offenbar auf Wunsch Russlands auch Iran zu der Konferenz einladen wollen. Russland und Iran gehören zu den engsten Verbündeten des syrischen Regimes. Eine Abwesenheit Irans bei der Konferenz würde die Lage weiter komplizieren, hatte Russlands Präsident Wladimir Putin gewarnt.


PROTEST GEGEN "STAATLICHEN CYBERTERRORISMUS"

Iran werde sich bei internationalen Gremien über die Cyberangriffe beschweren, sagte Resa Taghipur, Minister für Kommunikation und Informationstechnik am 20. Juni in Teheran. Irans Botschafter in der Schweiz habe bereits bei der Tagung über Kommunikationstechnik in Genf Protest eingelegt. "Früher erfolgten die Angriffe durch einzelne Hacker, während nun Staaten am Werk sind", sagte Taghipur. Er verwies auf die Angriffe mit Flame und Stuxnet, die nach Meinung von Experten so kompliziert seien, dass nur Staaten dazu in der Lage wären. Iran habe Flame unter Kontrolle gebracht. Aber die Angriffe würden mit anderen Viren fortgesetzt. Dafür machte Taghipur Israel und "einige Staaten im Westen" verantwortlich.

Auch die Washington Post erfuhr von mit dem Vorgang vertrauten Vertretern westlicher Staaten, dass Flame eingesetzt worden sei, um iranische Computernetzwerke auszuspähen. Das israelische Militär habe dabei mit den US-Geheimdiensten zusammengearbeitet, berichtete die Zeitung am 19. Juni in ihrer Online-Ausgabe. Flame wurde dem Bericht zufolge in Computer iranischer Behördenvertreter eingeschleust und lieferte Informationen für digitale Attacken auf das iranische Nuklearprogramm mit Schadsoftware wie dem Computerwurm Stuxnet, der im Jahr 2010 in der Atomanlage Natans großen Schaden angerichtet hatte. Die US-Regierung nimmt zu den Spekulationen über einen laufenden Cyber-Krieg gegen Teheran keine Stellung. Ein früherer ranghoher Geheimdienstvertreter sagte der Washington Post aber, Flame diene dazu, "das Schlachtfeld für eine weitere Aktion" zu bereiten.

Von dem Virus betroffen waren alle Ziele im Nahen und Mittleren Osten, wobei Flame es früheren Medienberichten zufolge insbesondere auf Dokumente im Zusammenhang mit dem umstrittenen iranischen Atomprogramm abgesehen hatte. Als mutmaßliche Verursacher des Virus' wurden deshalb umgehend die USA und Israel vermutet. Flame war im Mai von dem russischen Antivirus-Unternehmen Kaspersky Lab identifiziert worden.

Die New York Times hatte Anfang Juni berichtet, dass US-Präsident Barack Obama mit seinem Amtsantritt vor dreieinhalb Jahren die Cyber-Angriffe auf Iran deutlich verstärkt habe. Diese Angriffe mit Computer-Viren und anderen Schadprogrammen hätten schon unter seinem Vorgänger George W. Bush begonnen und seien die ersten der USA, die sich gegen ein anderes Land richten. Laut New York Times will Washington damit einen nuklear bewaffneten Iran verhindern und einen angedrohten Militärangriff von Israel auf iranische Anlagen abwenden.

Flame sammelt Informationen und ist dazu geeignet, geheime Pläne zu finden. Stuxnet hatte zahlreiche iranische Computer in iranische Atomanlagen und in der Ölindustrie außer Betrieb gesetzt.

Geheimdienstminister Haidar Moslehi erklärte nach den gescheiterten Atomverhandlungen in Moskau im staatlichen Fernsehen am 28. Juni: "Auf Basis der vorliegenden Informationen planen Amerika und das zionistische Regime (Israel) zusammen mit dem MI6 (dem britischen Geheimdienst) eine massive Cyberattacke gegen iranische Anlagen." Der Angriff sei nach dem jüngsten Treffen in Moskau geplant gewesen und die drei Länder verfolgten ihr Vorhaben noch immer. Iran habe aber Abwehrmaßnahmen ergriffen. Von nun an werde Teheran sich aber nicht mehr mit Abwehr begnügen, sondern auch Cyber-Angriffe starten. Zudem werde man juristische Maßnahme gegen die USA ergreifen. Auch seien gemeinsame Initiativen mit anderen asiatischen Staaten geplant.

"Wir können auch im Internet weltweit die Öffentlichkeit gegen die Angriffe mobilisieren", sagte Moslehi.


UNKLARE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN IRAN UND GROßBRITANNIEN

Auf die Frage, ob das Treffen der Außenminister Irans und Großbritanniens am Rande der Afghanistan-Konferenz Mitte Juni die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen den beiden Staaten bedeute, antwortete Irans Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast, "die Beziehungen sind nicht klar".

Seit sieben Monaten sind die Botschaften der beiden Länder geschlossen. Teheran hatte als Reaktion auf den Boykott der iranischen Zentralbank mit drastischer Reduzierung der Beziehungen zu London reagiert und den britischen Botschafter in Teheran ausgewiesen. Zudem hatten Demonstranten die britische Botschaft in Teheran gestürmt, woraufhin London alle Mitarbeiter seiner Botschaft zurückberief und sämtliche iranische Diplomaten aus London ultimativ aufforderte, binnen 48 Stunden das Land zu verlassen.

Nun scheinen sich die beiden Länder Medienberichten zufolge darauf geeinigt zu haben, Drittländer mit der Vertretung ihrer Interessen zu beauftragen. Oman solle künftig die iranischen Interessen in London vertreten, für die britischen Interessen in London werde Schweden zuständig sein, hieß es am 28. Juni unter Berufung auf Irans Außenminister Ali Akbar Salehi. Dem Minister zufolge fiel die Entscheidung Mitte Juni bei einem Treffen mit seinem Kollegen William Hague in Kabul.


USA UNTERSTÜTZEN EMIRATE IM STREIT ÜBER DIE INSELN IM PERSISCHEN GOLF

Die USA haben die neue Initiative der Arabischen Emirate im Streit mit Iran über die drei Inseln Abu Mussa, Klein- und Großtonb unterstützt. Bei einem Besuch von Kronprinz Mohammad Ibn Zayid Al Nahyan in Washington wurde am 27. Juni eine gemeinsame Erklärung zwischen ihm und dem US-Präsidenten Barack Obama veröffentlicht, in der eine friedliche Beilegung des Konflikts gefordert wurde.

Während die Arabischen Emirate das Verwaltungsrecht über die drei Inseln für sich beanspruchen, betrachtet Iran sie als Teil des eigenen Territoriums. Die Emirate haben vorgeschlagen, entweder den Konflikt durch direkte Verhandlungen der beiden Staaten zu lösen oder sich an internationale Rechtsinstanzen zu wenden.

Washington hatte bereits am 17. April erklärt: "Die Bemühungen der Vereinigten Arabischen Emirate zur Aufnahme der Verhandlungen findet die Zustimmung der Vereinigten Staaten. Die USA fordern Iran auf, die Initiative der Vereinigten Arabischen Emirate, direkte Verhandlungen aufzunehmen oder in dem Konflikt den Internationalen Gerichtshof bzw. eine andere zuständige Instanz einzuschalten, positiv aufzunehmen."

Am 29. Juni hat das Außenministerium in Teheran das Vorgehen der USA als "Einmischung in innere Angelegenheiten Irans" verurteilt. Die drei Inseln im Persischen Golf seien ein untrennbarer Bestandteil des Hoheitsgebiets der Islamischen Republik, sagte Amir Abdollahia, Staatssekretär im Außenministerium. "Die Einmischung von Drittstaaten ist ein Versuch, Spaltungen herbeizuführen und Unruhe zu stiften." Er betonte, dass Iran stets dazu bereit sei, mit den arabischen Staaten über eine konstruktive Zusammenarbeit Gespräche zu führen.

Mohssen Resai, Generalsekretär des Schlichtungsrats und früherer Chef der Revolutionsgarden (Pasdaran), sagte der Agentur ISNA zufolge, der Konflikt sei "der Beginn einer Verschwörung gegen die Interessen Irans". Der Lärm, der auf einmal über die drei Inseln veranstaltet werde, sei politisch motiviert. Die USA und Großbritannien griffen mit Hilfe ihrer arabischen Verbündeten in der Region nach neuen Methoden, um ihre imperialen Ziele durch Spaltungen und das Schüren von Unruhen durchzusetzen und wieder ihre Herrschaft über die Region zu sichern.


HÜBSCHER ZIEHT LANDTAGSKANDIDATUR NACH KRITIK AN IRAN-BESUCH ZURÜCK

Der wegen seiner Iran-Reise bundesweit in die Kritik geratene Delmenhorster FDP-Vize Claus Hübscher verzichtete auf seine Kandidatur für die niedersächsische Landtagswahl 2013. Hübscher habe dies dem Generalsekretär der FDP in Niedersachsen mitgeteilt, sagte der FDP-Landesvorsitzende Stefan Birkner am 14. Juni. Hübscher befürchte, dass Fragen zu seiner Kandidatur auf sein Zusammentreffen mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad reduziert würden. Birkner begrüßte die Entscheidung des stellvertretenden Vorsitzenden des Delmenhorster Kreisverbands.

Der 66-jährige hatte im April privat an einer Iran-Bildungsreise teilgenommen und dabei auch Ahmadinedschad getroffen. Hübscher soll nach dem Gespräch erklärt haben, Ahmadinedschad sei nie ein Holocaustleugner gewesen.

Hübscher teilte in einer persönlichen Erklärung mit: "Obwohl meine Reise nach Iran ausschließlich privater Natur gewesen ist, würde ich als Landtagskandidat der Freien Demokratischen Partei auch in den kommenden Monaten nicht auf die politischen Ziele meiner Partei, sondern auf meinen Besuch in Iran angesprochen werden. Ich befürchte, dass weitere Diskussionen über dieses Thema die Fronten verhärten würden."

Er betonte, dass er sich seit Jahrzehnten für die Integration von Menschen verschiedener Herkunft, Religionen und Ethnien engagiere. Es sei ihm immer ein Anliegen gewesen, daran mitzuarbeiten, dass Menschen mit verschiedenen Wurzeln aufeinander zugingen. In Niedersachsen wird am 20. Januar 2013 ein neuer Landtag gewählt.

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Autor: Bahman Nirumand
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2012