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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/330: Iran-Report Nr. 10 - Oktober 2014


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 10 - Oktober 2014
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Mit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten und dessen Amtsantritt am 3. August 2013 wurde in der iranischen Politik ein bedeutender Wandel eingeleitet. Besonders augenfällig ist dies im Kurswechsel der Atompolitik. Die Öffnung der iranischen Politik nach außen und die Ankündigung innenpolitischer Reformen werden im Land von den konservativen Kräften heftig bekämpft. Der Widerstand lässt Rohani und seiner Regierung wenig Spielraum.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Lob und Rüge für Rohani
• Rafsandschani beklagt Mangel an FreiheitMassenverhaftung von Derwischen
• Jahrestag des Krieges gegen Irak (1980-1988)
• "Für Ghawami ist das Gefängnis ein Albtraum"
• US-Reporter und seine Frau weiter in Haft
• Chamenei aus Klinik entlassen


LOB UND RÜGE FÜR ROHANI

Die Kritik an Präsident Hassan Rohani und seiner Regierung aus konservativen Kreisen wird immer lauter. Sie richtet sich nicht nur gegen die Atomverhandlung, bei denen Iran nach Ansicht der Gegner Rohanis bereits zu viele Zugeständnisse gemacht habe, sondern betrifft vor allem die Kulturpolitik der Regierung, die nach Meinung der Konservativen die islamischen Werte zu unterhöhlen drohe. Eine gesellschaftliche Polarisierung zwischen den Reformern und denen, die jede Veränderung des Systems ablehnen, kann nicht mehr geleugnet werden. Dieser Umstand zwang Revolutionsführer Chamenei einzugreifen, um eine Zersplitterung des islamischen Lagers zu vermeiden. Eine Vermittlung zwischen den beiden Fronten scheint aber kaum möglich. Chamenei hat bislang die Atomverhandlungen unterstützt, ja die Regierung sogar für die Arbeit mehrmals gelobt, gleichzeitig mahnt er aber selbst hier immer wieder zur Vorsicht. Sein Ziel ist es, aus wirtschaftlichen Gründen den Atomkonflikt zu lösen, aber eine Annäherung an den Westen, vor allen an die USA, lehnt er kategorisch ab. Darin ist er sich mit den Konservativen einig, noch mehr aber in Fragen der Kultur. Er fürchtet, dass jeder kulturelle Einfluss von außen zu einer Zersetzung der islamischen Dogmen führen würde. Das ist auch der eigentliche Grund für die Ablehnung einer wie auch immer gearteten Normalisierung der Beziehungen zu den USA.

Bei einem Empfang der Mitglieder der Regierung am 27. August sagte Chamenei: "Herr Staatspräsident ist über die Kritiker erbost. In einigen Fällen hat er Recht, manche Kritiken sind zu scharf und gelegentlich auch ungerecht." Deutlicher konnte er nicht sagen, dass der Präsident auch aus seiner Sicht zu Recht kritisiert werde. Rohani wird die Warnung sicher nicht überhört haben.

Chamenei fuhr fort: "Die Mitglieder der Regierung müssen Geduld haben und Ruhe bewahren gegenüber berechtigter Kritik", es bestehe keine Notwendigkeit, um auf jede Kritik oder Äußerung zu reagieren. "Manchmal ist es besser zu schweigen. Außerdem werde nicht jedes Wort, das gegen uns geäußert wird, von der Bevölkerung gutgeheißen." Die Regierung sollte besonnen und sachlich auf die Kritik reagieren.

Diese Äußerung zielte wohl auf Rohani, der zweimal recht emotional auf die Kritiker der Atomverhandlungen reagiert hatte.

Chamenei ging auch auf die Kritik der Regierungsgegner ein, die Rohani und seinen Ministern vorwerfen, die Reformer wieder salonfähig gemacht und sich ihnen stark angenähert zu haben. Gemeint sind vor allem jene Reformer, die 2009 an den Protesten gegen die Wiederwahl von Ahmadinedschad teilgenommen hatten. Diese werden offiziell als "Verschwörer" bezeichnet. Einige von ihnen befinden sich immer noch im Gefängnis. Die beiden damaligen Gegenkandidaten, Mir Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi befinden sich seit nun seit mehr als drei Jahren im Hausarrest. Chamenei betonte vor den versammelten Regierungsmitgliedern, "das Thema Verschwörung und die Verschwörer gehören zu unseren wichtigsten roten Linien. Die Herren Minister müssen an dem festhalten, was sie bei ihrer Wahl im Parlament erklärt haben." Sie sollten sich davor hüten, die Gesellschaft zu polarisieren. Solche Auseinandersetzungen und Grenzziehungen würden bei der Bevölkerung Resignation, Passivität und Unlust erzeugen. Auch "übertriebene und ungerechte Kritik" gegen die Vorgängerregierung sei fehl am Platz. "Wenn wir manche Aktivitäten der Vorgängerregierung nicht akzeptieren, sollten wir statt dies zu äußeren, versuchen, durch unsere Arbeit die Fehler zu korrigieren." Es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn Regierungen ihre Vorgänger kritisieren, doch diese Kritik dürfe nicht in Übertreibungen und Denunzierungen ausarten.

Chamenei forderte Rohani und seine Regierung auf, die Bevölkerung über ihre Aktivitäten zu informieren, um die bei der Wahl der neuen Regierung erzeugten Hoffnungen nicht zu enttäuschen. Allerdings reichten Berichte nicht aus, "die Menschen wollen Taten und handfeste Ergebnisse sehen".

Der Revolutionsführer lobte die Bemühungen der Regierung, den Devisenkurs stabil zu halten und die Inflation zu bezwingen, betonte aber zugleich, dass man sich damit nicht begnügen dürfe.

Außenpolitisch lobte Chamenei die klaren Stellungnahmen der Regierung bei regionalen und internationalen Fragen. "Klare und unmissverständliche Stellungnahmen zu Palästina, dem zionistischen Regime, zu Gaza, dem Irak, den Islamisten und gegen die Einmischung der USA in der Region sind im Interesse der Islamischen Republik und stehen nicht im Widerspruch zu einer diplomatischen Sprache bei den Atomverhandlungen", sagte Chamenei. Solche Positionen seien Ausdruck der Überzeugung der Islamischen Republik, sie stärkten die Basis der islamischen Staatsordnung. Chamenei betonte, die Politik der Islamischen Republik dürfe nicht "schwankend sein" und auf die Völker und Nationen einen negativen Eindruck hinterlassen.

Die Äußerungen Chameneis werden ohne Zweifel den Gegnern der Regierung im Parlament und in anderen staatlichen Institutionen den Rücken stärken. Rohani und seine Mannschaft haben einen schweren Stand. Die einzige Chance, um ihre ursprünglichen Pläne noch annähernd umzusetzen, besteht für die Regierung darin, den Atomkonflikt erfolgreich beizulegen, die Sanktionen aufzuheben und die Wirtschaft wieder anzukurbeln.


RAFSANDSCHANI BEKLAGT MANGEL AN FREIHEIT

Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani, der zurzeit dem Schlichtungsrat vorsitzt, kritisierte vor einer Versammlung von Reformern in Maschad am 15. September laut Irna, dass es zu viele Einschränkung der Freiheit der Bürger gebe, fügte jedoch hinzu: "Die Lage ist besser als in den vergangenen acht Jahren."

"Die Lage der Freiheit in unserem Land ist nicht so gut wie sie sein sollte. Es ist zwar etwas besser geworden, aber zufrieden sind wir nicht", sagte Rafsandschani. Er habe Verständnis, dass Veränderung Zeit brauchen. "Allmählich nehmen wir Abstand von den unseligen acht Jahren (der Regierung Ahmadinedschad), aber wir müssen viel Geduld aufbringen."

Man könne in der heutigen iranischen Gesellschaft nicht alle Türen schließen, fuhr Rafsandschani fort. "Eine Gesellschaft, in der selbst die Schulkinder ein wenig politisiert sind, lässt sich nicht überlisten."

Rafsandschani gehört zu den einflussreichsten Politikern des Landes. Er unterstützt die Regierung Rohani und die Reformbewegung. Der Wandel seiner Position ist schwer nachvollziehbar. Während seiner achtjährigen Präsidentschaft waren die Menschenrechte und individuelle Freiheiten praktisch außer Kraft gesetzt. Offenbar haben die Regierungsjahre von Ahmadinedschad, zu dessen entschiedensten Gegnern Rafsandschani gehörte, den Sinneswandel bei ihm hervorgerufen. 2009 verteidigte er in seiner berühmten Freitagspredigt die Proteste gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads und zog damit den Zorn Chameneis und der Konservativen auf sich. So wird er bis heute immer wieder in der rechten Presse denunziert. Aber offenbar ist er mächtig genug, um den Anfeindungen zu widerstehen.


MASSENVERHAFTUNG VON DERWISCHEN

Der Webseite "Madschsuban-e Nur" vom 20. September zufolge, wurden 430 Derwische in Teheran in Haft genommen. Diese hatten sich vor der Teheraner Staatsanwaltschaft versammelt, um gegen die Unterdrückung ihrer Glaubensangehörigen durch Sicherheitskräfte und die Justiz zu protestieren.

Es war nicht das erste Mal, dass sie sich zu einer Protestkundgebung versammelten. Dieses Mal hatten sie geplant, sich "mit verbundenen Augen und Händen" selbst den Sicherheitskräften auszuliefern, um verhaftet und ins Eviner Gefängnis gebracht zu werden, wo ihre Glaubensbrüder seit Jahren festgehalten werden. Es sei ein Akt der Solidarität mit den Gefangenen gewesen, hieß es.

Farhad Nuri, einer der Betreiber der Webseite "Madschsuban-e Nur", die dem Derwisch-Orden "Gonabadi" nahe steht, sagte der BBC, seit einem Jahr sei der Druck gegen die Derwische, insbesondere gegen jene, die im Gefängnis sitzen, erheblich verstärkt worden. Die Derwische hätten das Gefühl, in einem großen Gefängnis zu leben. Daher hätten sie sich spontan entschlossen, sich freiwillig verhaften zu lassen.

Im vergangenen Jahrzehnt haben Justiz und Sicherheitskräfte den Derwischen harte Einschränkungen auferlegt und zahlreiche von ihnen ins Gefängnis gesteckt. Bei der Massenfestnahme sei Gewalt angewendet worden, hieß es in dem Bericht.

Am 22. September berichtete dieselbe Webseite, die festgenommenen Derwische seien einen Tag nach ihrer Verhaftung wieder freigelassen worden. Der Kommandeur der Ordnungskräfte in Großteheran habe bei einem Treffen mit zwei Frauen der Inhaftierten versprochen, dass seine Behörde sich um die Probleme der Derwische kümmern werde.

Am 21. September hatten sich abermals zahlreiche Derwische vor der Teheraner Staatsanwaltschaft versammelt. Sicherheitspolizisten und uniformierte Polizeibeamte versuchten die Versammelten mit Tränengas und Knüppelschlägen auseinander zu treiben, berichtete ein Augenzeuge. Einige Derwische seien verletzt worden. Unter den Versammelten habe es auch einen Block mit 300 bis 400 Frauen gegeben, hieß es.


JAHRESTAG DES KRIEGES GEGEN IRAK (1980-1988)

Zum Jahrestag des iranisch-irakischen Kriegs (1980-1988) sagte Oberst Modschtaba Dschafari, Leiter der "Gedenkstätte des Heiligen Kriegs", dass rund fünf Millionen Menschen aktiv an dem Krieg beteiligt waren und die Zahl der Opfer bei 190.672 Personen gelegen habe.

Der achtjährige Krieg begann am 21. September 1980 und ging im Sommer 1988 mit der Zustimmung beider Staaten zur UN-Resolution 598 des UN-Sicherheitsrates vom 20. Juli 1987 zu Ende.

Den Angaben Dschafaris zufolge waren unter den Opfern auch mehr als 33.000 Schüler, mehr als 3.500 Studenten und 3.317 Geistliche. Auch 88 Christen und 18 Juden und Zaratustrier seien getötet worden. Zu den Kriegsopfern gehörten auch rund 2.000 Ausländer, sagte Dschafari. Die Zahl der Verletzten Ausländer habe bei 672 gelegen. Rund 42.000 Iraner gerieten in irakische Gefangenschaft. Sie wurde erst nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommen nach und nach freigelassen.

Nach Angaben der UNO lag der Wert der Kriegsschäden auf iranischer Seite bei 200 Milliarden Dollar.


"FÜR GHAWAMI IST DAS GEFÄNGNIS EIN ALBTRAUM"

Der Bruder der 25-jährigen Ghontscheh Ghawami, einer Iranerin mit britischer Staatsbürgerschaft, die sich seit Juli in Haft befindet, sagte am 14. September in einem Interview mit der BBC, seine Schwester erlebe zurzeit einen Albtraum.

Die junge Frau wurde festgenommen als sie sich ein Volleyball-Spiel von Männern anschauen wollte. Die Familie erklärte, sie habe keine Ahnung, weshalb die Tochter im Gefängnis sitze. Den Berichten zufolge ist Ghawami im Eviner Gefängnis in Teheran untergebracht.

Das Londoner Außenministerium gab an, von der Verhaftung Kenntnis zu haben. Bedauerlicherweise seien seine Möglichkeiten jedoch eingeschränkt, britischen Staatsbürgern, die sich in iranischer Haft befinden, zu helfen, erklärte das Ministerium. Es bestehe kaum Hoffnung, eine Besuchserlaubnis für den Geschäftsführer der britischen Botschaft zu erhalten.

Ghawami wurde zunächst am 20. Juli nach dem Volleyball-Spiel festgenommen. Zur selben Zeit gab es Proteste gegen das Verbot für Frauen, Männerwettkämpfen beizuwohnen. Ghontscheh Ghawamis Bruder Iman sagte in dem BBC-Interview jedoch, seine Schwester habe lediglich das Spiel sehen wollen und sei nicht wegen der Proteste vor Ort gewesen.

Ghawami wurde zunächst wieder freigelassen. Doch als sie ihre persönlichen Sachen abholen wollte, wieder in Haft genommen. Iman Ghawami sagte, seine Schwester durfte bislang ihren Anwalt nicht empfangen. Lediglich den Eltern wurde nach 50 Tagen ein Besuch ihrer Tochter erlaubt. Berichte besagen, dass Ghawami zeitweise in einer Einzelzelle eingesperrt wurde.

Am 22. September meldete sich die Justiz zu Wort. Der Stellvertreter des Justizchefs Mohseni Ejehi erklärte, die Festnahme von Ghawami habe mit Sport nichts zu tun. Den eigentlichen Grund ihrer Verhaftung nannte er jedoch nicht.


US-REPORTER UND SEINE FRAU WEITER IN HAFT

Nach Angaben des Vizejustizchefs Gholamhossein Ejehi, bleiben der Reporter der Washington Post Jason Rezaian und seine Frau Yeganeh Salehi, die für die arabische Zeitung "The National" arbeitet, weiterhin in Haft. Dies war die einzige Auskunft, die Ejehi laut der Agentur ISNA am 10. September über das Ehepaar erteilte.

Das Ehepaar wurde Ende Juli in Teheran verhaftet. Die beiden sollen angeblich spioniert und Informationen an ausländische Geheimdienste weitergegeben haben. Beide sind gebürtige Iraner und haben die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie befinden sich zurzeit im Eviner Gefängnis in Teheran. Was ihnen konkret vorgeworfen wird ist bislang nicht bekannt.


CHAMENEI AUS KLINIK ENTLASSEN

Eine Woche nach einer nach Prostataoperation, die den Angaben der Ärzte zufolge erfolgreich verlief, wurde Revolutionsführer Ali Chamenei am 15. September aus dem Krankenhaus entlassen. Wie die Nachrichtenagentur Fars berichtete, fühlt sich der 75-Jährige wohl.

Der konkrete Grund der Operation wurde offiziell nicht mitgeteilt. Es hieß lediglich, es habe sich um einen Routineeingriff gehandelt. Die Operation habe unter örtlicher Betäubung stattgefunden und eine halbe Stunde gedauert. Chamenei selbst hatte vor seinem Krankenhausaufenthalt gesagt: "Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung", es gehe um eine "normale Operation".

Der Vorfall hat bei Beobachtern die Vermutung bestärkt, dass Chamenei an einer Krebskrankheit leidet.

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KULTUR

• Streit übers Internet verschärft sich
• Ultimatum der Justiz an die Regierung
• Bewährungsstrafen für Teilnehmer des "Happy"-Videos
• Yahoo wieder zugänglich
• Neue englischsprachige Zeitung in Teheran


STREIT ÜBERS INTERNET VERSCHÄRFT SICH

Der Plan der Regierung Rohani, die Bandbreite des Internets zu erweitern und die "dritte Generation des Mobilfunks" (3 G) einzuführen, hat den Streit über die Nutzung moderner Kommunikationsmittel weiter verschärft.

Der erste Stellvertreter des Justizchefs Gholamhossein Mohsseni Ejehi und der einflussreiche Parlamentarier und Kulturberater des Revolutionsführers Ali Chamenei Haddad Adel haben die Kulturpolitik der Regierung heftig kritisiert. Zuvor hatte einer der einflussreichsten religiösen Gelehrten, Nasser Makaram Schirasi, die Erweiterung der Bandbreite des Internets und die Einführung der neuesten Mobilfunkgeräte als "antireligiös, unmoralisch und inhuman" bezeichnet und die Regierung aufgefordert, ihre Entscheidung zu revidieren und sich mit dem "Obersten Rat für Fragen der virtuellen Kommunikationsmittel" zu beraten, der für solche Projekte zuständig sei. Der Rat wurde 2011 auf Anordnung Chameneis ins Leben gerufen, um Richtlinien für den Umgang mit dem Internet auszuarbeiten. Dem Rat gehören neben den Verantwortlichen der Exekutive, Legislative und Judikative die Obersten Kommandanten der Streitkräfte sowie eine Reihe von Instanzen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an.

Die ranghohe Besetzung zeigt, welche Bedeutung den modernen Kommunikationsmitteln beigemessen wird. Die Regierung zeigt zwar Verständnis für kulturelle Bedenken der Konservativen, hält aber die Modernisierung für zwingend notwendig. "Wissenschaftlicher Fortschritt hat für die Regierung höchste Priorität, dazu gehört auch Zugang ins Hochgeschwindigkeitsinternet", sagte Präsident Rohani. Die durchschnittliche Internetgeschwindigkeit liegt in Iran bei 128 Kilobytes bis 1 Megabyte. Die dadurch verursachte geringe Geschwindigkeit des Internets beklagen alle Nutzer, einschließlich des Präsidenten und seiner Minister. "Manchmal schläft man ja ein, bis eine Datei herunter geladen ist", sagte Rohani.

Schirasi revidierte wenige Tage später seine Äußerung, nachdem er dafür kritisiert wurde. Er sei falsch verstanden worden. Nur ein "Hirnloser" könne sich gegen die Entwicklung der Technologie stellen, sagte er. "Wir sagen, diese dritte Generation ist wie verseuchtes Wasser. Ihr müsst es reinigen, damit es trinkbar und für alle benutzbar wird. Dann wäre gegen den Gebrauch nichts einzuwenden." Er sei kürzlich in der Stadt Maschad gewesen und man habe ihm eines dieser Geräte vorgeführt. "Ich habe verderbliche Filme und Fotos gesehen, die nicht gefiltert wurden. Man konnte alles sehen."

Gegen diese Äußerungen reagierte Präsident Rohani. Vor einer Versammlung von Geistlichen sagte er am 1. September laut Medien: "Wenn wir heute nicht die jüngste Generation des Telefons benutzen und abwarten, werden wir es morgen oder übermorgen tun. Wir können nicht unsere Tore vor der Außenwelt verschließen. In unserer heutigen Welt wird man einen, der die Dienste des Internets nicht in Anspruch nimmt, nicht als Wissenschaftler, ja nicht einmal als Studenten akzeptieren. Wir können doch die neuen Mittel und Möglichkeiten, die heute zur Verfügung stehen, nicht ignorieren." Die bisherigen Einschränkungen hätten nicht zu den erwünschten Ergebnissen geführt. "Da filtern wir Webseiten und am nächsten Tag gibt es eine Software, die das dann wieder ausfiltert", so Rohani.

Es habe Zeiten gegeben, in denen ein gläubiger Mensch, der ein Radio besessen habe, dieses in einer verschlossenen Kommode versteckte, damit seine Frau und seine Kinder nicht zu hören bekamen, was nicht erlaubt gewesen sei, fuhr Rohani fort. "Diese Zeiten liegen längst hinter uns. Heute konfrontiert uns die Welt mit ganz andren Verhältnissen."

Es sei richtig, wenn gesagt werde, dass man die Jugend vor verseuchtem Wasser und verseuchter Luft schonen müsse, sagte Rohani mit Blick auf die Äußerungen Schirasis. Aber was könne man tun, wenn Wasser und Luft so sehr verseucht seien, dass man sich nur mit starken Masken vor Schäden retten könne. Die junge Generation brauche Stärke und Kraft, um sich gegen verseuchte Luft zur Wehr zu setzen und sie brauche viel Wissen, um verseuchtes vom reinen Wasser unterscheiden zu können.

Am 2. September meldete sich Ejehi zu Wort. "Haben jene, die die dritte Generation der Technologie einführen wollen auch die dafür notwendigen kulturellen Instrumente bereitgestellt und die notwendigen Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen vorbereitet? Sagt bloß nicht, die Menschen können selbst das Gute vom Schlechten unterscheiden. Der Staat muss Verantwortung tragen und sich darüber bewusst sein, dass es für normale Menschen nicht leicht sein wird, das Gute vom Bösen zu unterscheiden."

Die Auseinandersetzungen erreichten einen vorläufigen Höhepunkt mit der internationalen Tagung über "die Notwendigkeit des Ausbaus moderner Kommunikationsmittel als eine wichtige Säule der nationalen Infrastruktur", die in Teheran am 30. und 31. August stattfand. Träger der Tagung waren verschiedene Verbände der Privatwirtschaft mit Unterstützung des Ministeriums für Kommunikation und Cyber-Technologie. Die Tagung erzeugte bei machen Institutionen, die sich in der Hand der Konservativen befinden, viel Unmut. Diese setzten die Regierung unter Druck. Die Angekündigte Eröffnungsrede durch Rohani wurde abgesagt. Einige ausländische Gäste erhielten kein Einreisevisum. Dennoch fand die Tagung (Persian ICT Week) statt.

Eröffnet wurde die Tagung mit einer Rede des Vizepräsidenten Eshagh Dschahangiri, der die Notwendigkeit des Ausbaus der Kommunikationsmittel in Iran betonte und sein Bedauern über die "Versuche bestimmter Kreise", die Pläne der Regierung zu verhindern, äußerte. "Manche glauben, sie könnten durch Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeiten die Tore des Landes vor äußeren Einflüssen schließen", so Dschahangiri.


ULTIMATUM DER JUSTIZ AN DIE REGIERUNG

Die Justiz hat den Minister für Kommunikation und Cyber-Technologie ultimativ aufgefordert, innerhalb eines Monats die technischen Mittel für die Schließung bzw. zuverlässige Kontrolle der sozialen Netzwerke wie Viber, WhatsApp oder Tango bereitzustellen.

Der erste Vertreter des Justizchef Gholamhossein Mohsseni Ejehi warnte in einem Schreiben vom 20. September den Telekommunikationsminister Mahmud Waezi, sollten die Mittel bis zur festgesetzten Frist nicht bereitstehen, werde die Justiz die Schließung der Netzwerke selbst veranlassen.

In dem Schreiben verwies Ejehi auf Witze, die über Ayatollah Chomeini neuerdings verbreitet werden und bezeichnete diese als "strafbare Verstöße gegen die islamische Sittsamkeit und Moral und gegen die nationale Sicherheit".

Tatsächlich wurden in den vergangenen Wochen zahlreiche Witze über Ayatollah Chomeini im Internet verbreitet. Die Polizei erklärte, die Drahtzieher gefunden zu haben. Am 21. September gab Esmail Mohebbipur, Kommandant der Revolutionsgarden der im Süden des Landes gelegenen Provinz Fars bekannt, elf Personen im Zusammenhang mit den Witzen über Chomeini festgenommen zu haben, berichtete die Agentur ISNA. Alle Festgenommenen hätten "ihre Schuld gestanden", sagte Mohebbipur. Er beschuldigte die Bertreiber der Internet-Netzwerke, die mit Hilfe von Geheimdiensten die Festgenommenen in eine Falle gelockt hätten. Dies sei eine der Varianten des "sanften Krieges", der gegen die Islamische Republik geführt werde.

Ejehi verwies in seinem Schreiben an Waezi auf die dreimonatige Frist, um die die Justiz das Ministerium gebeten hatte, um die Mittel zur Schließung und Kontrolle sozialer Netzwerke bereit zu stellen. Doch leider seien während dieser Zeit keine nennenswerten Schritte in diese Richtung unternommen worden, schrieb er. Daher werde die Justiz nach Ablauf der nun festgesetzten Frist alle, die die Anordnungen der Justiz missachten, unabhängig von ihrem Status, zur Rechenschaft ziehen.


BEWÄHRUNGSSTRAFEN FÜR TEILNEHMER DES "HAPPY"-VIDEOS

Die sieben jungen Iraner und Iranerinnen, die eine eigene Version des "Happy"-Videos von Pharrell Williams gedreht hatten, wurden zu sechs bis zwölf Monaten Gefängnis und jeweils 91 Peitschenhieben verurteilt. Die Strafe wurde jedoch zur Bewährung für drei Jahre ausgesetzt. Dies teilte ihr Anwalt Farschid Rofugaran am 19. September der Nachrichtenagentur AFP mit. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, einen Film "illegal" verbreitet und "unerlaubte Beziehungen" gepflegt zu haben.

Auf dem Video-Clip, den Initiatoren im Mai dieses Jahres über das Internet verbreitet hatten, waren drei unverschleierten Frauen und drei Männer zu sehen, die fröhlich und mit großem Spaß auf den Straßen und Dächern Teherans zu Williams Happy-Song tanzen und singen. Dieser, aus der Sicht der Ordnungshüter und Sittenwächter "vulgäre Clip", führte zu ihrer Festnahme. Die Polizei sprach von einem Verstoß gegen die "öffentliche Sittsamkeit".

Wenige Tage später legten die Festgenommenen öffentlich im Staatsfernsehen ein "Geständnis" ab, was bei vielen Zuschauern heftige Proteste hervorrief. Die Menschen fragten sich, ob es in Iran verboten sei, glücklich zu sein. Selbst Präsident Rohani sah sich genötigt, einzugreifen. Man solle "durch Freude ausgelöstes Verhalten nicht allzu streng bewerten", sagte er.

Gegen das Urteil gab es sowohl in Iran als auch im Ausland Proteste. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete das Urteil als "ebenso absurd wie ungerecht". Sie forderte die Rücknahme der Urteile, die die Filmemacher als "Verbrecher" brandmarke, "bloß weil sie ein Musikvideo als Hommage an die Fröhlichkeit gedreht haben".

Der Clip wurde inzwischen mehr als eine Million Mal bei You Tube abgerufen. Williams sagte zu der Festnahme der Akteure, er habe zwar Respekt vor religiösen Überzeugungen, aber die jungen Menschen hätten doch nichts anders getan als zu tanzen und Freude zu verbreiten.


YAHOO WIEDER ZUGÄNGLICH

Der Internetdienst Yahoo gab am 17. September bekannt, dass die Nutzer in Iran seinen Dienst wieder in Anspruch nehmen können. Yahoo war seit einem Jahr für iranische Nutzer gesperrt. Damals hatte Yahoo die Nutzer aufgefordert, ihre Telefonnummern bekannt zu geben, um die Seite nutzen zu können. Doch weil die Telefonnummer der Staaten, die von den USA mit Sanktionen belegt worden sind nicht in den USA zugelassen sind, konnte das Verfahren nicht funktionieren. Dies führte im vergangenen Frühjahr bei iranischen Oppositionsorganisationen zu heftigen Protesten. Denn ihrer Meinung nach würden 63 Prozent der iranischen Internetnutzer, die Yahoos Dienste in Anspruch nehmen, durch das neue Verfahren gezwungen, über staatliche Internet-Dienste zu kommunizieren, die der staatlichen Kontrolle unterliegen.

Yahoo versprach, das Problem zu lösen, was nun mit der Ankündigung vom 17. September geschah. Allerdings scheint es nach Angaben der im Ausland ansässigen "Internationalen Kampagne für Menschen in Iran" für Iraner immer noch nicht möglich zu sein, Waren online zu kaufen, obwohl dies trotz der Sanktionen zulässig sei.

Der iranische Staat verhält sich gegenüber Internetdiensten äußerst skeptisch. Internetdienste wie Facebook, Twitter oder You Tube werden gefiltert. Der Kommandant der iranischen Ordnungskräfte Esmail Ahmadi Moghaddam sagte einmal: "Die Suchmaschinen sind Instrumente der internationalen Spionage. Es gibt keinen Grund, dass man diese Dienste in Anspruch nimmt und damit überall Spuren hinterlässt."

Seit Jahren versucht Iran ein nationales Internet zu gründen, um damit die gesamte Kommunikation von Nutzern unter Kontrolle zu haben. Die offizielle Begründung des Projekts lautet: Sicherheit vor fremden Eingriffen, Sparen von Devisen und mehr Arbeitsplätze für Einheimische.


NEUE ENGLISCHSPRACHIGE ZEITUNG IN TEHERAN

Die erste Nummer der neuen englischsprachigen Zeitung "Financial Tribune" erschien am 7. September in Teheran. Sie ist das Pendant der in Teheran erscheinenden "Donjaj-e Eghtesad" (Weltwirtschaft). Inhaltlich behandelt die Zeitung vorwiegend Wirtschaftsthemen.

In dem Leitartikel der ersten Nummer beklagt Chosro Ghadiri, dass der Kapazität der iranischen Wirtschaft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden sei. Die Zeitung habe das Ziel, neue wirtschaftliche Verbindungen zum Ausland zu knüpfen und die Beziehungen zu intensivieren.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Wirtschaftswachstum lag im Vorjahr bei minus 1,9 Prozent
• Zehn Verträge zwischen Iran und Tadschikistan unterzeichnet
• Todesfälle bei Arbeitsunfällen um 50 Prozent gestiegen
• Medikamentenkrise überwunden
• Neu Kampfdrohnen und Boden-Luft-Raketen hergestellt


ATOMKONFLIKT

Die Atomverhandlungen durchlaufen in diesen Wochen die letzte Phase vor Ablauf der festgesetzten Frist, dem 24. November. Es ist die schwierigste Phase, nun es geht ums Eingemachte.

Zu den umstrittenen Fragen gehört der Schwerwasserreaktor in Arak. Um in diesem Punkt dem Westen entgegenzukommen, gab Iran am 27. August bekannt, mit der Reduzierung der Plutoniumproduktion begonnen zu haben. Laut ISNA sagte der Vizepräsident und Chef der iranischen Atombehörde Ali Akbar Salehi, er habe auch die Internationale Atombehörde darüber in Kenntnis gesetzt. Demnach soll in Arak weit weniger Plutonium als bisher produziert werden. Der Westen hat die Befürchtung, Iran könnte mit dem produzierten Plutonium Nuklearwaffen herstellen und fordert daher die Stilllegung der Anlage.

Zwei Tage später warteten die USA überraschend mit neuen Sanktionen gegen Iran auf. Diese richteten sich gegen mehr als 25 Unternehmen, Banken und Einzelpersonen. Ihnen wurde vorgeworfen, iranische Banken und das iranische Raketenprogramm unterstützt und die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen gefördert zu haben.

Präsident Rohani reagierte verärgert auf die neuen Sanktionen. "Sanktionen sind ungerecht und aggressiv. Wir müssen dagegen Widerstand leisten", sagte er am 30. August auf einer Pressekonferenz in Teheran. Die Sanktionen würden keine Wirkung auf die Verhandlungen haben. Was die USA gemacht hätten, sei "hässlich" und richte sich gegen die "gute Atmosphäre" bei den Verhandlungen. "Die Sanktionen stimmen weder mit dem Willen, internationale Probleme gemeinsam diplomatisch zu lösen noch mit dem Willen, die Vertrauensbildung zu befördern überein. Sie schaden allen Seiten." Rohani fuhr fort: "Bei den sechs Staaten (der Verhandlungsgruppe 5+1) stellen sich nur die USA gegen eine Einigung, der Rest aber nicht."

Auch Vizeaußenminister Madschid Tacht-Rawantschi verurteilte die Sanktionen. "Die Doppelzüngigkeit der Amerikaner ist völlig inakzeptabel", sagte er. "Man kann nicht auf der einen Seite sagen, dass man mit gutem Willen verhandelt und zugleich solche Mittel benutzen."

Außenminister Dschawad Sarif zeigte sich trotz der Sanktionen "recht optimistisch". "Es gibt Hindernisse, aber wir sind dennoch entschlossen, voranzukommen", sagte Sarif laut dpa am 1. September in Brüssel nach einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. "Das Verhalten einiger Staaten - einschließlich der USA - ist sicherlich weniger positiv für Fortschritte." Sarifs Gespräch mit Ashton dauerte drei Stunden. Dabei wurde auch über die Lage im Nahen Osten gesprochen.

Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur AP vom 3. September berichteten nicht näher genannte Diplomaten, die Internationale Atombehörde (IAEA) käme bei der Untersuchung des iranischen Atomprogramms nicht voran. Die Behörde untersucht parallel zu den internationalen Verhandlungen iranische Atomanlagen. Zwar hatte sich der IAEA-Chef Yukiya Amano zwei Wochen davor optimistisch über die Inspektionen geäußert, doch in einem vertraulichen Bericht der IAEA-Mitarbeiter soll laut Diplomaten das Gegenteil zu lesen gewesen sein. Es fehlten die Antworten auf Fragen, die bis zum 25. August hätten geklärt sein sollen, hieß es.

Dazu sagte Resa Nadschafi, Irans Vertreter bei der IAEA, manche Fragen basierten auf "illegalen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats oder auf unbegründeten Unterstellungen". Über andere Fragen, die noch nicht beantwortet seien, habe man der IAEA bereits mitgeteilt, dass sie zu kompliziert seien, um sie bis zum 25. August beantworten zu können.

Am 4. September gab es bilaterale Gespräche zwischen Iran und den USA. Wie das US-Außenministerium mitteilte, nahmen an dem Treffen in Genf auf amerikanischer Seite Vizeaußenminister William Burns und Staatssekretärin Wendy Sherman teil, auf iranischer Seite waren es der Vizeaußenminister Tacht-Rawantschi, zuständig für die Beziehungen zu Europa, und Araghtschi. Über den Inhalt des Gesprächs wurde nichts mitgeteilt. Araghtschi, Leiter der iranischen Verhandlungsdelegation, sagte lediglich, die Gespräche seien nützlich gewesen. "Es gibt zwar noch Streitpunkte, aber solche nützlichen Verhandlungen können zu einem Ende der Differenzen beitragen." Iranische Medien berichteten, dass die Gespräche zwanzig Stunden gedauert hätten, zwölf Stunden wurden politische Gespräche geführt und acht Stunden Sachgespräche. Es war die zweite bilaterale Gesprächsrunde zwischen Iran und den USA.

Das nächste Atomgespräch fand am 11. September in Wien statt. Daran waren neben Iran Großbritannien, Frankreich und Deutschland beteiligt. Dabei sollte ein Fahrplan für die nächsten Wochen festgelegt werden. Auch hier wurde über den Inhalt nichts mitgeteilt.

Offensichtlich waren die Verhandlungen in eine schwierige Phase geraten, die eine Lösung des Atomkonflikts bis zur vereinbarten Frist in Frage stellte. Am 15. September erklärte Araghtschi, der sonst Optimismus verbreitete, er sei "skeptisch" ob man eine Einigung erreichen könne. "In Anbetracht der Menge der Themen, die noch zu behandeln sind, glaube ich kaum, dass wir bis zur festgesetzten Frist zu einer Einigung gelangen werden", sagte er der Agentur IRNA. Die nächsten Verhandlungen sollen am Rande der UN-Vollversammlung in New York fortgeführt werden.

Am 15. September meldete sich noch einmal Amano zu Wort. Iran müsse entweder über sein Atomprogramm vollständige Klarheit schaffen oder sich mit einem IAEA-Bericht abfinden, der den Verdacht über mögliche Pläne des Landes zum Bau von Nuklearwaffen weiterhin aufrechterhalte, sagte Amano in Wien vor dem IAEA-Gouvernement. Es sei sehr wichtig, dass Iran die offen gebliebenen Fragen rechtzeitig beantworte, um die Zustimmung der IAEA zu seinem Programm zu erhalten.

Indes forderte Iran die EU auf, sich bei den Verhandlungen mehr zu engagieren. "Um eine Einigung zu erreichen, sollte die EU ein aktiveres Engagement zeigen", sagte Außenminister Sarif bei einem Treffen mit dem neuen italienischen Botschafter in Teheran am 15. September.

Am 16. September erklärte Wendy Sherman, eine Einigung im Atomstreit sei nicht zu erreichen, solange Iran eine Reduzierung seines Urananreicherungsprogramms nicht akzeptiere. Vor einer Versammlung von rund 200 ausländischen Botschaftern in Washington sagte Sherman, die nächste Verhandlungsrunde biete möglicherweise die letzte Chance zur Lösung der anstehenden Fragen.

Am 18. September warf Sarif den USA anlässlich einer Rede in einem US-Think Tank vor, von Sanktionen "besessen" zu sein. Sanktionen sind zu einem Selbstzweck geworden", sagte der Außenminister. Voraussetzung für eine Einigung sei die Aufhebung von Sanktionen. Doch weil der US-Kongress "Sanktionen aufrechterhalten will", sperre er sich gegen ein Abkommen. Indes setzten Washington und Teheran ihre bilateralen Verhandlungen am Rande der UN-Vollversammlung in New York fort. Ziel der Atomverhandlungen sei aus Sicht der USA eine Garantie, die die Nutzung der Atomenergie für militärische Zwecke ausschließe, sagte US-Außenminister John Kerry. "Dieses Ziel haben wir noch nicht erreicht. Ich weiß nicht, ob wir es erreichen können."

Indes warnte Israel die EU vor einer "schlechten Einigung" mit Iran. Der Minister für strategische Fragen Juval Steinitz würdigte am 18. September die Arbeit der Außenbeauftragten der EU Catherine Ashton. Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass es aber möglich sei, dass sie mit Blick auf das Ende ihrer Amtszeit eiligst zu einer Einigung mit Iran kommen wolle. Er wiederholte die Sorgen der israelischen Führung und sagte: "Wir sind zutiefst besorgt (...), wir haben den Eindruck, dass die Verhandlungen in die falsche Richtung laufen." Der Minister warnte davor, bei dem notwendigen Kampf gegen die Terrororganisation IS, Iran aus den Augen zu lassen.

Am 20. September begann eine neue Verhandlungsrunde der 5+1-Gruppe in New York. Es ging wieder um die strittigen Fragen, in denen weiterhin keine Einigung erzielt werden konnte. Dasselbe gilt für ein Treffen von Sarif und Kerry am 21. September. Zwar lobten alle Beteiligten die gute Atmosphäre, aber konkrete Ergebnisse hatten sie nicht vorzuweisen. Kerry bot seine Bereitschaft zu weiteren Gesprächen an. Er äußere die Hoffnung auf Fortschritte in den nächsten Tagen. Die beiden Minister hätten auch über dem Kampf gegen die Terrororganisation IS gesprochen, hieß es.

Am 26. September zog Araghtschi eine erste Bilanz der New Yorker Gespräche. "Wir hatte gehofft, die Gespräche am Rande der UN-Vollversammlung würden Fortschritte bringen. Das geschah aber nicht", sagte er. In einem Interview mit dem iranischen Fernsehen sagte Araghtschi, die Gespräche seien in eine "atemberaubende Phase" eingetreten. "Auf beiden Seiten wurden konkrete Punkte zur Diskussion gestellt. Doch bislang haben wir in den Schlüsselfragen keine Einigung erzielen können. Wir insistieren auf unsere Rechte und wollen verhindern, dass unsere roten Linien überschritten werden." Die iranische Delegation werde niemals die Verhandlungen verlassen, aber auch keinen Schritt von den eigenen Grundsätzen zurückweichen. Araghtschi ließ offen, ob die Verhandlungen auch fortgesetzt werden würden, falls bis zu der festgesetzten Frist keine Einigung erzielt werde.

Wendy Sherman zeigte sich optimistisch. In einem Interview mit Voice of America sagte sie, bei den letzten Gesprächen seien Fortschritte erzielt worden, "obwohl noch wichtige Entscheidungen ausstehen". Die gegenwärtigen Verhandlungen seien äußerst kompliziert, betonte sie.

Wie aus eingeweihten Kreisen bekannt wurde, hatten die USA zuletzt einen nichtoffiziellen Kompromissvorschlag vorgelegt. Demnach sollte Iran eine größere Kapazität zur Urananreicherung zugestanden werden, und zwar 4.500 Zentrifugen anstatt 1.500. Gleichzeitig sollte aber sichergestellt werden, dass damit kein Material zum Bau von Atombomben hergestellt wird. Iran besitzt derzeit 9.400 Zentrifugen und weigert sich bislang diese Zahl zu reduzieren.

Insgesamt haben die Verhandlungen in New York, die am 27. September zu Ende gingen, keine nennenswerten Ergebnisse gebracht. Ein zuvor in Aussicht gestelltes Treffen der Außenminister kam nicht mehr zustande, weil, wie Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte, die Gespräche nicht entscheidend weitergekommen seien. Rohani meinte, es habe zwar "Schritte nach vorn" gegeben, doch seien sie "nicht bedeutsam" gewesen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow gab sich hingen optimistisch. Er betonte, dass alle Seiten an einer Lösung interessiert seien und die restlichen Hindernisse aus dem Weg räumen wollen. Diese seien "klein, aber äußerst wichtig". Er sei zuversichtlich, bis Ende November eine Einigung erzielen zu können. "Wir sind kurz vor unserem Ziel", sagte der Minister.

Araghtschi sagte, bei keinem der wichtigen Punkte habe man eine Lösung finden können.


WIRTSCHAFTSWACHSTUM LAG IM VORJAHR BEI MINUS 1,9 PROZENT

Der jüngst Bericht der Zentralbank über die Lage der iranischen Wirtschaft im vergangenen Jahr zeigt ein Minus des Wachstums von 1,9 Prozent. Die Inflationsrate lag im Vergleich zum Vorjahr bei 34,7 Prozent.

Die Zahlen für die Ölindustrie zeigen eine drastische Abnahme des Negativwachstums. Während im Jahr davor das Wachstum im Winter 2012 bei minus 37 Prozent lag, sank der Wert im Winter 2013 um nur 8,9 Prozent.

Im Bereich Industrie und Bergbau lag das Wachstum bei minus 3,6 Prozent, in der Bauindustrie bei minus 3,1 Prozent und im Dienstleistungsbereich bei 1,5 Prozent. Insgesamt zeigt der Bericht der Zentralbank eine Verlangsamung des Negativwachstums.

Die iranische Wirtschaft geriet aufgrund der Sanktionen in eine ernsthafte Krise. Der Ölexport nahm drastisch ab und beim Transfer von Divisen gab es erhebliche Probleme. Vor Inkrafttreten der Sanktionen exportierte Iran rund zwei Millionen Barrel Öl pro Tag. Mit den Sanktionen sank die Ausfuhr auf eine halbe Million Barrel pro Tag.

Die Gesamteinnahmen Irans aus dem Export lagen im vergangenen Jahr bei 93 Milliarden Dollar, während sie 2011, dem Jahr vor der Verhängung der Sanktionen, in dem die Ölpreise ungewöhnlich hoch waren, bei 145 Milliarden Dollar lagen. Demgegenüber betrug der Gesamtimport 2011 nahezu 62 Milliarden Dollar, 2013 waren es nur noch 49 Milliarden Dollar.

Regierungsvertreter behaupten, dass mit dem diesjährigen Frühjahr die dreijährige wirtschaftliche Talfahrt beendet worden sei. Dazu liegen allerdings noch keine offiziellen Daten der Zentralbank vor. Es liegen lediglich Angaben der Zentralbank über die Inflationsrate vor. Demnach ist die Teuerung der Waren im Durchschnitt in den ersten fünf Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent gesunken und liegt nun bei 23 Prozent.

Indes hat auch das in der Schweiz ansässige "World Economic Forum" in seinem Jahresbericht die Erwartung geäußert, dass Iran sich auf dem Weg zu Wiederherstellung seiner wirtschaftlichen Stabilität befindet. Diese Stabilität sei eine wichtige Chance für Iran, heißt es in dem Bericht. Das Forum empfiehlt eine Verwaltungsreform, um auf den Finanzmärkten und dem Arbeitsmarkt mehr Erfolge erzielen zu können.

Das Forum stuft Irans Konkurrenzfähigkeit als mittelmäßig ein. Das Land steht demnach auf Rang 83 von 144 Ländern. Der Jahresbericht des Forums liefert jährlich eine Einschätzung der Konkurrenzfähigkeit der Länder auf dem Weltmarkt und informiert über deren wirtschaftliche Lage.


ZEHN VERTRÄGE ZWISCHEN IRAN UND TADSCHIKISTAN UNTERZEICHNET

Während des Staatsbesuchs von Präsident Rohani am 9. September in Tadschikistan wurden zehn Verträge unterzeichnet. Sie betreffen die Bereiche innere Sicherheit, Kampf gegen Drogenschmuggel, Außenbeziehungen, gemeinsame Strategien für die Region, Pflege der persischen Sprache und medizinische Versorgung. Zum Schluss unterzeichneten die beiden Präsidenten Rohani und Emamali Rahman ein Abkommen über den Ausbau der gegenseitigen Beziehungen.

Rohani sagte nach der Unterzeichnung, die Sicherheit Tadschikistans sei aus der Sicht Irans der eigenen Sicherheit ebenbürtig. "Unsere Region ist äußerst sensibel." In den letzten Monaten seien ernsthafte Sicherheitsprobleme hinzugekommen. "Wir erklären hier offiziell, dass wir die Sicherheit Tadschikistans als eigene Sicherheit betrachten und bereit sind, alle unsere Möglichkeiten einzusetzen, um dieses Land im Bereich der Sicherheit und Selbstverteidigung zu unterstützen. Die Sicherheit Tadschikistans ist auch für die Sicherheit der gesamten Region wichtig."

Wie die Unterstützung konkret aussehen könnte, sagte Rohani nicht. Er begnügte sich nur mit der allgemeinen Äußerung, die beiden Staaten würden ihre Zusammenarbeit in allen Bereichen intensivieren.

Rohani betonte auch die Wichtigkeit der Zusammenarbeit im Bereich Tourismus. Auch die Universitäten die beiden Länder sollen in Zukunft enger zusammenarbeiten und Studenten und Wissenschaftler austauschen.

Rahman betonte die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Diese werde insbesondere durch gemeinsame Projekte vorangetrieben.


TODESFÄLLE BEI ARBEITSUNFÄLLEN UM 50 PROZENT GESTIEGEN

Der Leiter der Gerichtsmedizin in Großteheran Dr. Baschir Nasparwar erklärte am 17. September laut iranischen Medien, in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres (Beginn 21. März) sei ein Unfall am Arbeitsplatz Ursache für 190 registrierte Todesfälle gewesen. Dies bedeute im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Anstieg um 49,6 Prozent. Die Toten seien überwiegend Männer gewesen. Im Großraum Teheran waren zwei Frauen und im ganzen Land sechs Frauen infolge von Arbeitsunfällen gestorben.

Der rapide Anstieg der Todesfälle durch Unfall betrifft den Angaben der Gerichtsmedizin zufolge nur Großteheran. Im ganzen Land sei nur ein geringer Anstieg zu verzeichnen. Demnach sei die Anzahl der Unfalltode in der Provinz nur von 632 auf 657 gestiegen. Im vergangenen Jahr seien insgesamt 1994 Personen bei Arbeitsunfällen gestorben. Die meisten Unfälle ereigneten sich in der Bauindustrie.

Der Vizeminister des Arbeitsministeriums Ahmad Meydari hatte bereits am 5. September in einem Interview mit der Agentur IRNA gesagt, die meisten Arbeiter, die bei Arbeitsunfällen sterben, seien nicht versichert. Lediglich zehn Prozent der Opfer im vergangenen Jahr seien versichert gewesen.


MEDIKAMENTENKRISE ÜBERWUNDEN

Rasul Dinarwand, Vizeminister im Gesundheitsministerium, erklärte laut IRNA vom 14. September: "Im vergangenen Jahr hatten wir bei der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten große Probleme. Inzwischen haben wir beachtliche Fortschritte erzielt und wir können sagen, dass wir die Krise überwunden haben."

"Wir müssen den Medikamentenmarkt stabilisieren", sagte Dinarwand. Dies werde erst erreicht, wenn der Mangel an Medikamenten auf ein Minimum reduziert und die Preise entsprechend gesenkt werden. "Ich kann verkünden, dass von nun an die Preise nicht nur nicht ansteigen werden, sie werden sogar spürbar sinken."

Der Medikamentenmangel, vor allem der Mangel an Medikamenten für Krankheiten wie Krebs, wurde für Kranke und deren Angehörige in den vergangenen drei Jahren zu einem großen Problem. Zwar zählten Medikamente nicht zu den sanktionierten Bereichen der iranischen Wirtschaft, aber der Boykott iranischer Banken und der damit verbundene Anstieg der Wechselkurse führten dazu, dass weit weniger Medikamente als zuvor eingeführt werden konnten.


NEU KAMPFDROHNEN UND BODEN-LUFT-RAKETEN HERGESTELLT

Einer Meldung der DPA vom 31. August zufolge hat Iran zwei neue Kampfdrohnen mit den Namen Sadegh und Nasser vorgestellt. Laut Nachrichtenagentur Tasnim kann die Sadegh-Drohne mit Raketen bestückt werden, während die Nasser lediglich der Aufklärung dient. Bereits im vergangenen November hatte Iran nach Angaben des Verteidigungsministeriums eine Kampfdrohne mit einer Reichweite von 2.000 Kilometern gebaut, mit der auch Israel erreicht werden könnte. Es wird vermutet, dass diese Drohne eine Kopie der US-Drohne vom Typ RQ-170 ist, die im Dezember 2011 von Iran abgefangen wurde.

Am 2. September stellte Iran eine neue Boden-Luft-Rakete mit dem Namen Talasch-3, auch Endeavor-3 genannt, sowie zwei Radarsysteme vor, die die Verteidigungsfähigkeit des Landes stärken sollen. Laut Angaben des Luftverteidigungschefs General Farsad Esmaili sei die Rakete vor kurzem erfolgreich getestet worden. Damit sei Iran in der Lage, "jedes feindliche Ziel abzuschießen", auch in größere Höhen, sagte der General in einer Rede, die direkt im staatlichen Fernsehen übertragen wurde.

Auch zwei Radarsysteme wurden vorgestellt, das eine, Arasch-2, soll in der Lage sein, Miniaturdrohnen in 150 Kilometern Entfernung zu entdecken. Das andere, Keyhan, soll die Fähigkeit besitzen, Marschflugkörper und Drohnen zu erkennen, erläuterte General Esmaili.

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AUSSENPOLITIK

• Rohani in New York
• Gespräche mit Hollande und Cameron
• Kampf gegen IS
• Sarif: "Neues Kapitel in saudisch-iranischen Beziehungen"
• UN soll israelischen Drohneneinsatz verurteilen
• Klagen über Anschläge auf Atomprogramm
• Iran dementiert Schließung seiner Kulturinstitute im Sudan
• DAAD-Büro in Teheran wieder eröffnet
• Nürnberg verlangt Freilassung von Soltani


ROHANI IN NEW YORK

Während in der Ära Ahmadinedschad die meisten anderen Staatsoberhäupter auf der UN-Vollversammlung, vor allem die aus dem Westen, keine Begegnung mit dem iranischen Präsidenten wünschten, waren sie in diesem Jahr bemüht, möglichst rasch einen Termin für ein Gespräch mit Rohani zu bekommen. Auch internationale Medien zeigten sich gespannt, was der iranische Präsident mitzuteilen hatte.

Den ersten großen öffentlichen Auftritt hatte Rohani im New American Center. Hier forderte er die USA auf, endlich den "sinnlosen Druck" gegen Iran einzustellen und erläuterte, um mit Washington Einigkeit im Atomkonflikt zu erzielen, müsse man sich gewissen Gruppen, die Druck ausüben wollen, entgegenstellen.

Zu der Lage in Nahost sagte Rohani, man könne sich nicht sicher fühlen, wenn in den Nachbarländern Krieg herrsche. Als vor drei Jahren die Unruhen in Syrien begannen, habe es keinen "Islamischen Staat" gegeben. Erst die Einmischung von außen habe den Terrorismus gefördert. Das Problem des "Islamischen Staats" sei das Ergebnis einer irrigen Sichtweise auf die Region. Die Lösung des Problems bestehe nicht in der Förderung terroristischer Gruppen, erklärte Rohani. Ob er damit die "Freie Syrische Armee" meine, wurde er gefragt. Die USA hätten angekündigt, eine Gruppe auszubilden und sie danach zum Kampf gegen das syrische Regime in das Land zu schicken, sagte Rohani. "Wer gibt ihnen das Recht dazu? Wie kam es, dass man den ,Islamischen Staat' akzeptierte, solange er in Syrien gegen das Regime kämpfte und ihn erst dann ablehnt, als er sich auf den Irak ausweitete? So kann man mit Terroristen nicht umgehen", sagte der Präsident.

Auf die Frage, welche Strömung Iran in Syrien unterstütze, sagte Rohani: "Wir sind gegen jede Strömung, die unschuldige Menschen tötet. Die Terroristen müssen aus der Region hinausgetrieben werden." Die Einheit Syriens müsse gewahrt bleiben. Das Land dürfe nicht geteilt werden. Dasselbe gelte für den Irak. "Das sind die Ziele, die wir seit drei Jahren anstreben."

Bezug nehmend auf die Äußerung Präsident Obamas, der auf der UN-Vollversammlung an die iranische Führung appellierte, "die Chance nicht zu verpassen", sagte Rohani: "Ja, diese Chance entstand als das iranische Volk im vergangenen Jahr seine Wahl traf (gemeint sind die Präsidentschaftswahlen). Auch wir meinen, dass man diese Chance nicht verpassen sollte." Wichtiger als eine Einigung im Atomkonflikt sei die gute Atomsphäre, die danach entstehen würde und beiden Staaten (Iran und den USA) die Gelegenheit zu einer Zusammenarbeit bieten würde, die für beide nützlich sei.

Bei seiner viel beachteten Rede auf der UN-Vollversammlung sagte Rohani, Iran sei ein "sicheres, stabiles und ruhiges Land mit einer klaren politischen Position. Seine Regierung strebe eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten an. Das Gerede von dem Wunsch Irans nach Hegemonie über die islamischen Nachbarstaaten sei "ein Märchen" und gehöre zu dem Versuch, in der Region Ängste gegen Iran zu schüren.

Mit Blick auf die Vorgänge in der Region, insbesondere im Irak und Syrien, sagte Rohani: "Die strategischen Patzer des Westens im Nahen Osten, in Zentralasien und im Kaukasus haben diese Gegenden der Welt zu einem Rückzugsort für Terroristen und Extremisten gemacht. Wenn wir nicht eine richtige Position im Kampf gegen den Extremismus einnehmen, werden alle Staaten der Region davon in Mitleidenschaft gezogen werden."

Eine richtige Strategie wäre denkbar, wenn der Kampf sich nicht auf äußere, sondern auf innere Kräfte stützen würde. "Die richtige Lösung des Problems muss aus der Region selbst kommen", sagte Rohani. Die Weltgemeinschaft könne lediglich "Unterstützung" leisten.

Zum Atomkonflikt sagte Rohani, angesichts der klaren Position Irans sei es durchaus möglich, innerhalb der festgesetzten Frist zu einer Einigung zu gelangen, sofern auch die Gegenseite diesen Willen aufbringe. Dann würde auch eine völlig andere Atmosphäre entstehen, die eine enge Kooperation in der Region und international ermöglichen würde.

Während seiner Zeit in New York kam es wiedererwarten nicht zu einem Treffen zwischen Rohani und Obama oder zu einem Telefonat wie im vergangenen Jahr. "Empfindlichkeiten, die noch immer zwischen den beiden Staaten vorherrschen", ließen eine erneute

Kontaktnahme nicht zu, sagte Rohani am 27. September in New York. Im vergangenen Jahr hatte Obama Rohani, der sich auf dem Weg zum Flughafen befand, angerufen. Das Telefonat, das als "historisch" bewertet wurde, dauerte eine Viertelstunde. Es war das erste Gespräch zwischen den Präsidenten Irans und der USA seit der Revolution von 1979. Wenn es keine Gründe mit "hohen Zielen" gebe, seien Telefonate "sinnlos", sagte Rohani auf einer Pressekonferenz.


GESPRÄCHE MIT HOLLANDE UND CAMERON

Es war das erste Treffen eines iranischen Präsidenten und eines britischen Premiers nach der Revolution von 1979. Die beiden Staatsmänner trafen sich am 25. September am Rande der UN-Vollversammlung in New York. Begleitet wurde Rohani dabei von seinem Außenminister Mohammad Dschawad Sarif und seinem Büroleiter Mohammad Nahawandian.

Die beiden Staatsmänner sprachen über die Intensivierung der Beziehungen ihrer Länder und äußerten die Hoffnung auf einen raschen Ausbau ihrer Zusammenarbeit. Auch die Themen Atomkonflikt und der internationale Terrorismus kamen zur Sprache. Einen Tag zuvor hatte die Times Online geschrieben, Camerons Ziel beim Treffen mit Rohani sei, "eine größere Garantie" für die Unterstützung der internationalen Koalition gegen den sogenannten Islamischen Staat.

Cameron sagte im Anschluss an das Gespräch laut AFP, Iran könne "Teil der Lösung" sein. Das Land könne zur Stabilisierung der beiden Länder Syrien und Irak einen wichtigen Beitrag leisten.

Rohani veröffentlichte in Twitter ein gemeinsames Foto mit Cameron und schrieb darunter: "Eine Stunde konstruktiven und pragmatischen Dialogs, neuer Ausblick."

Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung sagte Cameron: "Ich habe Präsident Rohani getroffen. (...) Wir haben ernsthafte Kontroversen. Die Unterstützung terroristischer Organisationen durch Iran, das Atomprogramm sowie der Umgang mit den eigenen Bürgern müssen geändert werden." Dann fügte er hinzu: "Aber die iranische Führung kann bei der Abwendung der Gefahr des IS behilflich sein. Sollten sie dazu bereit sein, müssen wir ihre Unterstützung begrüßen."

Diese Äußerungen Camerons erzeugten zornige Reaktionen in Teheran. Die Sprecherin des Außenministeriums Marsieh Afkham verurteilte die Stellungnahme des britischen Premiers und erklärte: "Es ist bedauerlich, dass eine Regierung, die mit ihren Aktivitäten und ihrer Unterstützung der Terroristen unserer Region und der Welt den sogenannten

Islamischen Staat beschert hat, sich nun erlaubt, ein Land, das stets bei der Bekämpfung dieses unseligen Phänomens (Terrorismus) an vorderster Front stand, so falsch zu beurteilen." Die Äußerungen des britischen Premiers seien "die Fortsetzung der Sichtweise einer egozentristischen Macht, die in unserer Region viel Unheil angerichtet hat." Die meisten heutigen Probleme der Region seien Folge der britischen Politik, sagte Afkham.

Auch Parlamentspräsident Ali Laridschani warf Cameron vor, den Terrorismus zu fördern. Die Äußerungen des britischen Premiers seien "recht merkwürdig" und "kindisch", "wie ein Geschrei aus Angst", sagte er. "Vor ein paar Tagen hätte sich beinahe ein Teil Ihres

Landes abgespalten. Das britische Imperium besteht längst nicht mehr. Daher ist es verwunderlich, wenn Sie sich erlauben, uns Vorschriften zu machen", sagte Laridschani weiter in Reaktion auf Cameron.

Vor dem Treffen mit Cameron hatte Rohani am 23. September Frankreichs Präsident Francois Hollande in New York getroffen. Wie die Webseite des iranischen Präsidenten berichtete, habe Rohani bei dem Gespräch erklärt, die in diesen Tagen laufenden Atomverhandlungen hätten eine große Bedeutung für die Zukunft. Er hoffe dass der Streit in einer ausgeglichen Art beigelegt werde, von der beide Seiten Gewinne erzielen könnten.

Hollande erklärte bei dem Treffen, eine Lösung des Atomkonflikts werde das Vertrauen zwischen den beiden Ländern steigern. Weiter sagte er, Paris sei ebenso wie Teheran entschlossen, den Irak im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen.

Rohani und Hollande hatten sich bereits im vergangenen Jahr am Rande der UN-Vollversammlung getroffen. Neben Hollande traf Rohani den japanischen Ministerpräsidenten sowie Venezuelas Staatspräsidenten.


KAMPF GEGEN IS

Es gibt viele Gründe, die Iran veranlassen, den sogenannten Islamischen Staat als Feind zu bekämpfen. Abgesehen davon, dass der IS den Schiiten den Kampf angesagt hat, fürchtet Iran, dass die Eroberungsfeldzüge der Terror-Miliz seinen Einfluss in Syrien, im Irak und in anderen arabischen Nachbarstaaten unterhöhlen und schließlich das Land in der Region isolieren könnte. Der IS könnte, wenn sich seine bisherigen Erfolge fortsetzen, die ohnehin brüchige Ordnung in der Region vollends zerstören. Dann würde ein Chaos entstehen würde, das nicht mehr beherrschbar wäre.

Aus diesem Grund hat der Iran von Anfang an, bereits als die ersten Keime der IS in Syrien heranwuchsen, den IS als Feind betrachtet und bekämpft. Doch das Heranwachsen der Terrororganisation erfolgte weit rascher als Iran es sich vorstellen konnte. Der IS ist für alle Staaten überraschend zu einer großen Macht geworden, die nicht mehr einfach zu bezwingen ist. Er ist so stark, das weder die syrischen noch die irakischen Militärs ihn in die Schranken weisen können. Auch die Islamische Republik wird nicht in der Lage sein, den Vormarsch der Terroristen im Alleingang zu stoppen, trotz ihrer militärischen Stärke. Daher ist Iran auf der Suche nach Verbündeten.

Iran würde die Bildung einer gemeinsamen Front mit den arabischen Staaten bevorzugen. Doch es ist kaum vorstellbar, dass Länder wie Saudi-Arabien, Katar oder die Arabischen Emirate bereit wären, gemeinsam mit dem großen Rivalen gegen die Terrormiliz zu kämpfen, schon deshalb nicht, weil ein gemeinsamer Waffengang mit einem schiitischen Staat gegen sunnitische Milizen ihrem Ansehen in der arabischen Welt enorm schaden würde. Iran kann von der Wiederholung der Forderung nach einem gemeinsamen regionalen Bündnis propagandistisch profitieren, wird dieses Ziel unter den gegebenen Umständen jedoch kaum erreichen können.

Es bleiben also einzelne Bündnispartner wie zum Beispiel die irakischen Kurden oder aber ein wie auch immer geartetes Bündnis mit westlichen Staaten, allen voran mit den USA. Um diese Fragen ging es im vergangenen Monat.

Am 30. August warf Präsident Rohani den USA vor, über lange Zeit die Warnungen vor dem IS ignoriert zu haben. "Das waren die gleichen Elemente, die in Syrien aktiv waren, und schon damals haben wir vor dieser neuen Terrorwelle gewarnt", sagte Rohani auf einer Pressekonferenz in Teheran laut dpa. "Die USA sollten nicht erst einschreiten, wenn die Todesopfer Amerikaner sind."

Diese Äußerung beinhaltet eigentlich eine Zustimmung zu einem militärischen Angriff seitens der USA. Ob Iran bereit wäre, die USA dabei zu unterstützen, ließ Rohani offen. Eine direkte Zusammenarbeit mit Washington gebe es noch nicht, sagte der Präsident. "Wir unterstützen aber jedes Land, das den Terrorismus bekämpft."

Am 5. September meldete die BBC, Revolutionsführer Chamenei habe den iranischen Militärs erlaubt, mit amerikanischen Militärs im Irak Gespräche zu führen. Das Teheraner Außenministerium dementierte dies. Auch aus Washington meldete sich der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats mit den Worten, es gebe keine militärische oder geheimdienstliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Iran, es gebe auch keine Pläne hierfür. Er fügte aber hinzu: "Wir sind der Meinung, dass alle Staaten, unabhängig von bestehenden Problemen zwischen ihnen, zur Schwächung und schließlich zur Vernichtung der Terroristen beitragen müssen." Die USA seien zur Zusammenarbeit mit Iran bereit. Das sei nichts neues, auch habe es früher in Bezug auf Afghanistan gemeinsame Aktivitäten gegeben.

Wenige Tage später änderten die USA ihre Position. Während Frankreich Iran zu einer internationalen Konferenz in Paris am 15. September einladen wollte, stimmten die USA dagegen. "Die Vereinigten Staaten kooperieren nicht mit Iran, weder militärisch noch anderswie, und haben auch keine Absicht, das in diesem Prozess zu tun", sagte

Außenminister John Kerry am 10. September. Am 15. September wurde aber das kategorische Nein ein wenig aufgeweicht. Außenamtssprecherin Jen Psaki teilte per Twitter mit: "Wir stimmen uns militärisch nicht mit Iran ab. Doch möglicherweise werde es in Zukunft "am Rande" eine Chance geben, mit Teheran darüber ins Gespräch zu kommen.

Am selben Tag hieß es auf der Internetseite von Revolutionsführer Chamenei, die US-Regierung habe "über ihren Botschafter im Irak" um Kooperation im Kampf gegen die Terrormiliz gebeten. Er habe die Bitte abgelehnt, "weil sie schmutzige Hände habe". "Diese US-Koalition (gegen die IS) ist parteiisch und daher nutzlos." Offenbar war Chamenei

darüber erbost, dass Iran nicht zu der Konferenz in Paris eingeladen wurde. Dazu sagte Vizeaußenminister Hossein Amir-Abdollahian: "Der beste Weg, IS und den Terrorismus in der Region zu bekämpfen, ist, die Regierungen im Irak und Syrien zu unterstützen." Und

der Kommandeur der Revolutionsgarden Mohammad Ali Dschafari sagte am 16. September: "Solange die Koalition im Kampf gegen IS von den Amerikanern angeführt wird, hätten wir auch bei einer Einladung nicht an der Konferenz teilgenommen." Sein Land hege ernsthafte Zweifel, ob die USA tatsächlich nur die Vernichtung von IS planten oder andere Ziele verfolgten.

Am 18. September hatte Außenminister Dschawad Sarif jede Kooperation mit den USA im Kampf gegen IS ausgeschlossen. Am gleichen Tag kritisierte Rohani die USA, keine Bodentruppen in den Irak zu schicken. "Haben die Amerikaner Angst vor Verlusten am Boden?", fragte Rohani im Interview mit dem US-Sender NBC. Man könne schwerlich den Terrorismus bekämpfen, ohne Opfer zu bringen. Am Ende werde derjenige den Sieg davon tragen, "der bereit sei, Opfer zu erbringen." Rohani verurteilte den IS scharf für die Enthauptung von Geiseln. Die Tötung unschuldiger Menschen widerspreche den Grundsätzen des Islam. Die Tat sei "beschämend", sagte er.

Am 19. September machte Washington Teheran eine kleine Offerte. Obwohl Iran nicht zur Teilnahme an der Koalition im Kampf gegen den IS eingeladen worden sei, könne das Land im Kampf gegen die Terrorgruppe eine Rolle spielen, sagte Kerry in New York. Die Koalition gegen IS sei nicht ausschließlich militärisch. Sie schließe auch andere Aktivitäten mit ein, an denen fast alle Staaten sich beteiligen könnten, darunter auch Iran.

Am 20. September dementierte der Vizeaußenminister Irans und Verhandlungsführer im Atomkonflikt Abbas Araghtschi, dass man am Rande der Atomverhandlungen Gespräche mit den USA über den gemeinsamen Kampf gegen IS geführt habe.

Am 21. September sorgte eine Meldung der Agentur Reuters für Aufsehen. Demnach sollen iranische Regierungsvertreter der Agentur gesagt haben, die Führung in Teheran

sei zur Kooperation mit den USA im Kampf gegen IS bereit, möchte aber im Gegenzug Zugeständnisse bei den Atomverhandlungen erhalten. Iran sei ein einflussreiches Land in der Region und könne bei der Lösung des Problems helfen. "Aber das ist keine Einbahnstraße. Man gibt etwas, man bekommt etwas." Dieser Deal wurde umgehend von Washington abgelehnt. Der Sprecher des US-Präsidialamts Josh Earnest sagte am 22. September laut Reuters, die Atomverhandlungen liefen "vollständig getrennt" von den Bemühungen der USA um die Bildung einer Koalition gegen IS.

Am 23. September kritisierte Iran die Luftangriffe der USA und ihrer arabischen Verbündeten gegen den IS in Syrien scharf. Die Angriffe seien illegal, weil sie ohne ein UN-Mandat und ohne eine Genehmigung der syrischen Regierung erfolgt seien, sagte Präsident Rohani in New York. Auch Vizeaußenminister Abdollahian erklärte, die Souveränität Syriens sei verletzt worden. Angriffe ohne syrische Zustimmung seien inakzeptabel.

Am 25. September bestätigte ein hochrangiger Militär Gerüchte, die seit Monaten über die Aktivitäten des Oberkommandierenden der Al Ghods Brigade Ghassem Soleimani in Syrien und Irak im Umlauf waren. Die Al Ghods Brigade ist eine Kampfeinheit der Revolutionsgarden für Auslandeinsätze. General Amir Ali Hedschazi, Leiter der Luftwaffe der Revolutionsgarden, sagte in einem Interview mit dem iranischen Fernsehen, Soleimani habe bei der Verteidigung von Erbil eine Schlüsselrolle gespielt. Er habe gemeinsam mit 70 Soldaten die kurdischen Peschmerga unterstützt, die Soldaten hätten sowohl direkt an den Kämpfen teilgenommen als auch die Kurden beraten. "Ohne Soleimani und seine Mitkämpfer wäre Erbil in die Hände des IS gefallen", sagte Hedschazi.

Soleimani, der als großer Stratege und Taktiker bekannt ist, führt seit siebzehn Jahren die Al Ghods Brigade. Er spielte sowohl bei dem Aufbau der libanesischen Hisbollah als auch bei der Aufstellung von schiitischen Milizen im Irak eine wichtige Rolle. Zudem gilt er als unabkömmlicher Berater der syrischen Streitkräfte. Revolutionsführer Chamenei verlieh ihm den Titel "lebenden Märtyrer".

Am 26. September würdigte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nach einem Treffen mit Rohani in New York die Rolle Irans im Kampf gegen die Terrormiliz im Irak. Er begrüßte, dass Iran "eine Position einnimmt gegen die Erstarkung von islamistischen terroristischen Gruppierungen." Auch lobte er den Beitrag Irans bei der Bildung einer neuen Regierung im Irak, die die Einbindung aller Bevölkerungsgruppen anstrebe.


SARIF: "NEUES KAPITEL IN SAUDISCH-IRANISCHEN BEZIEHUNGEN"

Irans Außenminister Mohammad Dschwad Sarif bezeichnete das Treffen mit seinem saudi-arabischen Amtskollegen Saud al-Faisal der Agentur IRNA vom 22. September zufolge als ein "neues Kapitel" in der Beziehung beider Länder zur Sicherung des Friedens und der internationalen Sicherheit. Das Treffen fand in New York an Rande der UN-Vollversammlung statt und dauerte eine Stunde. Die neue Zusammenarbeit könne auch den Kampf gegen die Terror-Miliz Islamischer Staat zum Erfolg führen, sagte Sarif.

Iran und Saudi-Arabien seien beide einflussreiche Staaten in der Region und ihre Zusammenarbeit werde zur Sicherung des Friedens in der Region und zur Sicherheit der internationalen Lage einen wichtigen Beitrag leisten, sagte auch al-Faisal. Er sei sich der schwierigen Lage in der Region bewusst. Es sei nun wichtig, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, um die Krise gemeinsam bewältigen zu können.

Es war das erste Treffen der beiden Außenminister nach dem Amtsantritt von Rohanis Regierung. Am Tag nach dem Treffen schickte Präsident Rohani eine Botschaft an den saudischen König, in der er ihm, der saudischen Regierung und dem saudischen Volk zum Jahrestag des königlichen Nationalfeiertags gratulierte und seine Hoffnung auf eine stetige Verbesserung der bilateralen Beziehungen beider "Bruderstaaten" zum Ausdruck brachte.

Die Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien waren spätestens seit dem Ausbruch der Unruhen in Syrien in eine Krise geraten. Während Saudi-Arabien die Rebellen unterstützte, leistete Iran dem Assad-Regime Beistand. Bereits nach dem Sturz des Saddam-Regimes im Irak hatte sich eine Frontenbildung sunnitisch-arabischer Staaten gegen den schiitischen Iran und seine Verbündeten in der Region angebahnt. Die Ereignisse in Syrien verschärften die Frontenbildung, die sich mit der Bildung des sogenannten Islamischen Staates extrem zuspitzte. Die Radikalisierung löste aber auch in Saudi-Arabien und den Nachbarstaaten die Befürchtung aus, selbst Zielscheibe der Extremisten zu werden. Während Iran selbstverständlich an einem Bündnis mit Saudi-Arabien brennend interessiert ist, um gegen die Extremisten vorzugehen und die sunnitische Front zu spalten, ist es schwer vorstellbar, dass Saudi-Arabien bereit wäre, mit dem schiitischen Iran die sunnitischen Extremisten zu bekämpfen.


UN SOLL ISRAELISCHEN DROHNENEINSATZ VERURTEILEN

Iran hat die zuständige UN-Behörde, die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), in einer Anfrage, die am 9. September im Internet veröffentlicht wurde, aufgefordert, den Flug einer israelischen Drohne in der Nähe einer iranischen Atomanlage zu verurteilen. Iran hatte Ende August bekannt gegeben, eine israelische Drohne abgeschossen zu haben. Iran habe das Recht, alle rechtlich notwendigen Maßnahmen zur Verteidigung seines Landes zu unternehmen. Die IAEA habe die Pflicht, diesen "Akt der Aggression" zu verurteilen.

Israel behauptet seit Jahren, Iran plane den Bau von Nuklearwaffen, was für die Existenz Israels eine große Gefahr darstelle. Iran bestreitet dies und behauptet seinerseits, die Atomenergie ausschließlich für friedliche Zwecke nutzen zu wollen. Über den Konflikt wird seit 2003 verhandelt. Die UNO, die USA und die EU haben Iran mit Sanktionen bestraft, weil das Land sich geweigert hat, sein Atomprogramm aufzugeben. Bis Ende November soll nun der Konflikt beigelegt werden. Israel kritisiert die laufenden Verhandlungen und wirft dem Westen vor, Iran mit dem Zugeständnis, sein Atomprogramm mit Einschränkungen fortsetzen zu dürfen, zu weit entgegengekommen zu sein.


KLAGEN ÜBER ANSCHLÄGE AUF ATOMPROGRAMM

In einem Interview mit der AP, über das die Agentur am 2. September berichtete, beklagte sich Asghar Sarean, der stellvertretende Leiter der iranischen Atombehörde, über vermehrte Anschläge ausländischer Mächte gegen die iranische Atomindustrie. Man habe versucht, Atomexperten abzuwerben und defekte Geräte geliefert, um Atomanlagen zu sabotieren.

"Wir wollen das Bewusstsein über den Feind erhöhen, der uns jeden Tag noch feindseliger gegenübersteht", zitierte AP Sarean. Man habe zu iranischen Atomexperten, die sich auf Auslandreisen befanden, Kontakt aufgenommen und versucht, sie anzuwerben. Außerdem seien Pumpen und Modems manipuliert worden.

Bereits 2010 wurden mit dem Stuxnet-Virus massive Angriffe auf iranische Atomanlagen verübt, die den Betrieb vorübergehend ins Stocken brachten. Tausende Zentrifugen gerieten in der Urananreicherungsanlage Natans zum Stillstand. Später stellte sich heraus, dass die Angriffe von Israel gemeinsam mit den USA geplant und durchgeführt worden waren. Den AP-Reportern wurde bei ihrem Besuch ein Überwachungsprogramm vorgeführt, das sämtliche zukünftigen Cyberattacken entdecken soll.


IRAN DEMENTIERT SCHLIEßUNG SEINER KULTURINSTITUTE IM SUDAN

Vizeaußenminister Hossein Amir Abdollahian, zuständig für die arabischen Staaten und Afrika, dementierte am 3. September die Nachricht, dass der Sudan die Schließung iranischer Kulturinstitute angeordnet und deren Mitarbeiter ausgewiesen habe.

"Manchen Kreise im Sudan versuchen, das gute Verhältnis zwischen Teheran und Khartum zu zerstören", sagte Abdollahian und fügte hinzu: "Die Botschaften sowie alle Kultureinrichtungen beider Länder setzen ihre Arbeit wie bisher fort. Wir sind überzeugt, dass die sudanesische Staatsführung es nicht gestatten wird, die historisch guten Beziehungen der beiden Staaten anzutasten."

Einen Tag zuvor hatte der Sprecher des Außenministeriums in Khartum berichtet, dass alle Kultureinrichtungen der iranischen Botschaft in Khartum und anderen Städten geschlossen worden und deren Mitarbeiter aufgefordert worden seien, innerhalb von 72 Stunden den Sudan zu verlassen. Dieser Bericht war auch auf der Webseite des sudanesischen Außenministeriums erschienen. Sudanesische Medien berichteten, die Maßnahme sei nötig gewesen, weil die iranischen Kultureinrichtungen "ihre Kompetenzen weit überschritten hatten und eine Gefahr für die geistliche und gesellschaftliche Sicherheit Sudans darstellten". Manche Zeitungen begründeten die Maßnahme mit dem Versuch Irans, unter Jugendlichen den Schiismus im Sudan verbreiten zu wollen. Andere äußerten die Vermutung, arabische Staaten wie Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate hätten Sudan unter Druck gesetzt.

Sudan und Iran pflegten in den vergangenen Jahren gute Beziehungen. Iran leistete im Sudan in verschiedenen Bereichen Hilfe. Nach Ansicht politischer Beobachter habe gerade diese enge Zusammenarbeit, die mit größerer Einflussnahme Irans verbunden war, Staaten wie Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate auf den Plan gerufen. Sie hätten mit der Einstellung ihrer finanziellen Hilfe für die sudanesische Wirtschaft gedroht.


DAAD-BÜRO IN TEHERAN WIEDER ERÖFFNET

Nach mehrjähriger Schließung ist das Büro des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, DAAD, am 14. September in Teheran wieder eröffnet worden, meldete der Evangelische Pressedienst, epd, am 16. September. Das Zentrum steht nun Studenten und Akademikern aus Deutschland und Iran wiederoffen.

Das Büro hatte 2007 seine Arbeit einstellen müssen, weil iranische Behörden ihm zu viele Einschränkungen auferlegt hatten, sagte ein DAAD-Sprecher dem epd. Studenten bzw. Akademiker, die sich für ein Studium in Deutschland interessierten, mussten sich direkt an die deutsche Botschaft wenden. Die neue Regierung habe dem DAAD nun für die Wiedereröffnung grünes Licht gegeben, sodass das Büro wieder seine Arbeit aufnehmen kann.

Das Interesse an einem Studium in Deutschland ist in Iran sehr groß. Auch Wissenschaftler haben großes Interesse an einem Austausch mit deutschen Kollegen. Trotz aller Einschränkungen hat es auch in den vergangenen Jahren einen regen Kulturaustausch zwischen Deutschland und Iran gegeben. Schriftsteller, Künstler sowie Theater- und Musikgruppen pflegten einen regen Austausch.


NÜRNBERG VERLANGT FREILASSUNG VON SOLTANI

Einer Meldung des Evangelischen Pressedienstes vom 11. September zufolge hat Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly Präsident Rohani aufgefordert, den Menschenrechtsaktivisten Abdolfattah Soltani aus der "ungerechtfertigten Haft" freizulassen.

Soltani gehörte zu den wenigen Anwälten, die bereit waren, iranische Dissidenten zu verteidigen. Sein Engagement für die Menschenrechte wurde ihm zum Verhängnis. 2012 wurde er unter dem Vorwurf, das "Zentrum zur Verteidigung der Menschenrechte" mitbegründet zu haben von einem Revolutionsgericht zu dreizehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Stadt Nürnberg hatte Soltani 2009 mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet. Doch Soltani konnte zur Preisverleihung nicht erscheinen, weil ihm vor der Abreise der Pass abgenommen wurde. Seitdem bemüht sich die Stadt vergeblich um seine Freilassung.

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Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bernd Asbach
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13. Jahrgang

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2014