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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/369: Iran-Report Nr. 8 - August 2016


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 8 - August 2016
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Terroristische Aktivitäten in Iran • Dschannati für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt • Amnesty International: Das "Spiel mit dem Leben" der politischen Gefangenen ist "brutal" • Wird Ahmadinedschad für das Präsidentenamt kandidieren? • Flugblätter gegen Rohani und Rafsandschani • Arbeiterprotestkundgebung vor einer Zuckerfabrik • Journalist/innen bedroht • Ayatollah Schirazi erlaubt in Notfällen Aufhebung der Kleidungspflicht • Kadchodai kritisierte das Wahlsystem • Aids - neue Erkrankungswelle in Iran


TERRORISTISCHE AKTIVITÄTEN IN IRAN

Am Abend des 4. Juli brachte das staatliche Fernsehen einen Bericht, in dem zwei Personen als Mitglieder des Islamischen Staates vorgestellt wurden. Die Männer gestanden, terroristische Aktivitäten in Iran geplant zu haben. Der Bericht, der den Titel "in der Tiefe des Scheiterns" trug, zeigte, wie die beiden Personen vom Geheimdienst verfolgt wurden. Einer der beiden wurde als "Führer der Aktivitäten in Teheran" vorgestellt und der andere als Spezialist für Bombenbau.

Zuvor hatte Geheimdienstchef Mahmud Alawi von zehn Terroristen gesprochen, die eine Serie von Terroranschlägen an fünfzig verschiedenen Orten in der Hauptstadt geplant hätten. Beamte des Informationsministeriums (Geheimdienstministeriums) hätten 100 Kilo Sprengstoff beschlagnahmt. Zudem sei die Übergabe von weiteren zwei Tonnen Sprengstoff verhindert worden.

In dem Fernsehbericht wurde die Sprengung einer 150 kg schweren Bombe außerhalb der Hauptstadt getestet. Einer der Verdächtigen sagte, bei den geplanten Anschlägen sollten zwei bis drei Tonnen Sprengstoff eingesetzt werden. Diese Menge sei ausreichend für einhundert Selbstmordanschläge, sagte der Kommentator.

In dem Bericht wurde betont, dass es dem IS bisher nicht gelungen sei, "einschneidende" Aktionen in Iran durchzuführen. Es seien lediglich einige "blinde Anschläge" in den Grenzgebieten durchgeführt worden. Ferner sei es dem IS nicht gelungen, einheimische Mittäter zu engagieren, womit angedeutet werden sollte, dass selbst unter den Sunniten im Iran niemand bereit sei, den IS zu unterstützen. "Reaktionäre" (gemeint sind die arabischen Staaten) hätten den Terroristen verlockende Angebote gemacht, um in der Hauptstadt Teheran Anschläge zu verüben. Jeder Anschlag sollte mit einer Million US-Dollar belohnt werden. Die Geständnisse der beiden Terrorverdächtigen wurden angeblich aus Sicherheitsgründen nicht vollständig wiedergegeben.

Dem Bericht zufolge habe der IS in Sarawan, 20 km vor der iranischen Grenze im Osten, einen Stutzpunkt errichtet und habe versucht, von dort aus verschiedene Zweige des IS zu bilden. Diese Aktivitäten hätten jedoch stets unter der Beobachtung der Sicherheitsdienste gestanden. Am Ende des 15-minütigen Beitrags wurden bewaffnete Sicherheitskräfte beim Sturm auf ein Haus gezeigt, die Terrorverdächtige festnahmen und ihnen Handschellen anlegten.

Am 7. Juli protestierte die iranische Polizei gegen Pakistan. Das Land habe es versäumt, gegen Terroristen vorzugehen. Den Mördern von vier iranischen Grenzbeamten sei es gelungen, über die Grenze nach Pakistan zu fliehen. Der Sprecher der Polizei, Montaser Almahdi, sagte, am Morgen des 7. Juli habe es an der Grenze zu Pakistan zwischen der Polizei und einigen "terroristischen Gruppen", die in Iran eindringen wollten, bewaffnete Auseinandersetzungen gegeben. Dabei seien vier Grenzbeamte getötet worden. Es sei nicht das erste Mal, dass Terroristen in Iran einzudringen versuchten und pakistanische Grenz- und Sicherheitsbeamte sich ihnen gegenüber untätig verhielten.

Am 10. Juli berichtete die dpa, Unbekannte hätten im Westen Irans im Bezirk Dalahu, einer Gegend, die vorwiegend von Kurden bewohnt wird, zwei Menschen getötet. Dabei habe es auch drei Verletzte gegeben, darunter einen Abgeordneten des islamischen Parlaments, der leichte Verletzungen erlitt. Die fünf Personen seien im Auto unterwegs gewesen. Sie seien von den Tätern angehalten und mit Waffen angegriffen worden. Anschließend seien die Täter über die Grenze nach Irak geflohen.

Am 18. Juli gab die Revolutionsgarde der Provinz Kerman laut der Agentur Tasnim bekannt, dass die Garden gemeinsam mit der Sicherheitspolizei eine große Menge Sprengstoff und Sprenggürtel entdeckt haben. "Solche Waffen werden von terroristischen Gruppen gegen Grenzbeamte oder Menschenansammlungen eingesetzt", hieß es.

Am 21. Juli berichtete Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli über die Festnahme von vier Terroristen im Osten Irans, die einen 20 Meter tiefen und 40 Meter langen Tunnel gebaut hätten, um Terroranschläge zu verüben. Den genauen Ort gab der Minister nicht bekannt. Den Angaben zufolge führte der Tunnel zu einem Stützpunkt des Militärs und Sicherheitsdienstes. Die Täter seien in einer Wohnung in der Nähe des Tunnels festgenommen worden. Dabei seien eine große Menge Sprengstoff, Waffen und Munition beschlagnahmt worden. Wenige Stunden zuvor hatte die Polizei die Festnahme einer "zehnköpfigen Gruppe von Terroristen" in der Provinz Sistan-Belutschistan, im Osten Irans, bekannt gegeben.

Einem Bericht der AFP vom 22. Juli zufolge wurde eine Gruppe von Terroristen, die aus der Türkei kommend in Iran eindringen wollte, nahe der Stadt Sals in der Provinz West-Aserbaidschan gestoppt.

Die Befürchtungen der iranischen Führung, die Terror-Milizen des Islamischen Staates könnten nun auch in Iran eindringen, haben in den letzten Monaten stark zugenommen. Vor allem, weil die Terrororganisation nach Irak und Syrien nun auch in Afghanistan Fuß gefasst und eine Reihe verheerende Anschläge verübt hat. Hinzu kommen sowohl im Osten unter den Belutschen, als auch im Westen unter den Kurden und Aseries separatistische Gruppen, die sich durch zunehmende Anschläge bemerkbar machen. Schließlich wird befürchtet, dass die sich in der Region verbreitende Feindschaft zwischen Sunniten und Schiiten auch in Iran, wo die Mehrheit der Bevölkerung aus Schiiten besteht, die Gesellschaft spalten könnte.


DSCHANNATI FÜR WEITERE SECHS JAHRE IM AMT BESTÄTIGT

Der 89-jährige Geistliche Ahmad Dschannati wurde am 20. Juli für weitere sechs Jahre in seinem Amt als Vorsitzender des mächtigen Wächterrats bestätigt. Der ultrakonservative Dschannati wurde schon bei der Gründung des Wächterrats 1980 vom damaligen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini zum Mitglied des Rats ernannt, seit 1992 sitzt er dem Rat vor.

Der Wächterrat hat gemäß der Verfassung der Islamischen Republik mehrere wichtige Funktionen. Zunächst bedarf jedes Gesetz, das vom Parlament verabschiedet wird, der Zustimmung des Wächterrats. Der Wächterrat ist auch für die Präsidentenwahl, den Parlamentswahlen und der Wahl des Expertenrats zuständig. Er entscheidet, welche Bewerber für das jeweilige Gremium kandidieren dürfen. Ablehnungen werden gewöhnlich vom Rat nicht begründet. Schließlich ist der Rat für die Überwachung der Wahlen zuständig. Diese beiden Aufgaben haben fast bei jeder Wahl zu dem Vorwurf geführt, der Rat sei bei den Entscheidungen parteiisch und greife oft manipulativ in Wahlvorgänge ein. 2009, bei der umstrittenen Wiederwahl des Präsidenten Ahmadinedschad, gab es monatelang landesweite Proteste, die schließlich brutal niedergeschlagen wurden.

Der Rat besteht aus zwölf Mitgliedern, von denen sechs Geistliche vom Revolutionsführer ernannt werden, die weiteren sechs Mitglieder sind Juristen, die vom Justizchef, der selbst vom Revolutionsführer ernannt wird, dem Parlament vorgeschlagen werden.


AMNESTY INTERNATIONAL: DAS "SPIEL MIT DEM LEBEN" DER POLITISCHEN GEFANGENEN IST "BRUTAL"

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat in ihrem jüngsten Bericht vom 18. Juli unter dem Titel "Geiselnahme der Gesundheit" der iranischen Führung vorgeworfen, den politischen Gefangenen die medizinische Versorgung vor zu enthalten. Das "Spiel mit dem Leben" der Gefangenen sei "brutal", hieß es in dem Bericht.

In dem 45-seitigen Bericht heißt es, politische Gefangene würden der Gefahr gesundheitlicher Dauerschäden ausgesetzt. Die Gefängnisleitung verweigere kranken Gefangenen die Übergabe an ein Krankenhaus. Als Beispiel werden Namen wie Nargess Mohammadi, Omid Kokabi , Farhad Atlasi und andere genannt. Selbst die Empfehlung der Gefängnisärzte, die Gefangenen im Krankenhaus zu behandeln, werde ignoriert. Der Umgang mit politischen Gefangenen stehe im krassen Gegensatz zu den international vereinbarten Verpflichtungen, die Iran eingegangen sei.

AI nennt auch einige Foltermethoden. Zum Beispiel werden kranke Gefangene an Betten angekettet, was zusätzliche Schmerzen verursacht. Manche Ärzte beteiligten sich an den Misshandlungen. In einigen Fällen habe man die medizinische Versorgung von Geständnissen abhängig gemacht, die der Gefangene ablegen sollte. Auch Staatsanwälte weigerten sich oft, die Erlaubnis zu einer Überführung ins Krankenhaus zu erteilen, auch dann, wenn im Gefängnis keine Möglichkeit der medizinischen Fürsorge besteht. Auch Anträge auf Hafturlaub, die von manchen Ärzten empfohlen würden, werden von Staatsanwälten abgelehnt.


WIRD AHMADINEDSCHAD FÜR DAS PRÄSIDENTENAMT KANDIDIEREN?

Mahmud Ahmadinedschad, von 2005-2013 Präsident der Islamischen Republik, zeigt sich seit einigen Monaten nach längerem Schweigen wieder öfter in der Öffentlichkeit. Seine jüngsten Auftritte in verschiedenen Städten deuten darauf hin, dass er möglicherweise die Absicht hat, im nächsten Jahr für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Er selbst sagte auf Anfrage, er habe sich noch nicht entschieden.

Aber selbst wenn er die Absicht hätte, sich zu bewerben, ist es nicht sicher, dass er als Kandidat zu der Wahl zugelassen werden würde. Die Entscheidung darüber liegt beim Wächterrat. Zwar wird der Wächterrat mit absoluter Mehrheit von Hardlinern beherrscht, aber nicht alle Hardliner sind dem Ex-Präsidenten wohl gesonnen. Denn Ahmadinedschad hatte sich in seiner zweiten Amtszeit mit dem Revolutionsführer Ali Chamenei überworfen und versucht, eigene Wege zu gehen. Zudem muss Ahmadinedschad sich möglicherweise wegen Veruntreuung und Verschwendung von Geldern in seiner Regierung vor Gericht verantworten, was im Falle einer Verurteilung ein Hindernis für seine Bewerbung bilden könnte.

Abbasali Kadchodai, Sprecher des Wächterrats, sagte auf Anfrage auf einer Pressekonferenz am 23. Juli, es sei noch zu früh über die Entscheidung des Rats zu spekulieren. "Jeder, dem es beliebt, kann dazu eine Meinung haben. Das wird aber auf die Entscheidung des Rats keinen Einfluss haben", sagte Kadchodai.

Bereits zuvor hatte der Abgeordnete Ahmad Tawakoli, der der Fraktion der Konservativen angehört, gemeint, eine mögliche Bewerbung von Ahmadinedschad werde wahrscheinlich abgelehnt werden. Der Abgeordnete Ali Mottahari sagte, bevor Ahmadinedschad kandidiere, müsse er sich für seine "Untaten" vor Gericht verantworten.


FLUGBLÄTTER GEGEN ROHANI UND RAFSANDSCHANI

Einem Bericht der Nachrichtenagentur ILNA vom 6. Juli zufolge, wurden in der berühmten Moschee in der heiligen Stadt Ghom Flugblätter gegen Präsident Rohani und Ex-Präsident Rafsandschani verteilt. Hinter der Aktion vermutet die Agentur rechtsradikale Kräfte.

In den Flugblättern stehen Äußerungen von Revolutionsführer Ali Chamenei gegen Kontakte zu den USA. Die Autoren bezeichnen Rafsandschani und Rohani als Verräter revolutionärer Ideen und Grundsätze. Die beiden Politiker seien schon seit Jahrzehnten bemüht, durch Geheimverhandlungen mit Washington den Rückweg der USA in den Iran zu ebnen.


ARBEITERPROTESTKUNDGEBUNG VOR EINER ZUCKERFABRIK

Eine Gruppe von Werktätigen einer Zuckerfabrik in der im Südwesten gelegenen Stadt Ahwas hat am 19. Juli vor den Toren der Fabrik eine Protestkundgebung veranstaltet. Die Teilnehmer protestierten gegen ihre "unsichere Berufslage" und gegen seit Monaten ausgebliebene Lohnzahlungen.

Die Agentur ILNA berichtete, dass laut Aussage der Kundgebungsteilnehmer 41 fest angestellte Werktätige seit Februar keine Löhne erhalten hätten. Auch die im Iran übliche Zulage zum Jahreswechsel (21. März) sei nicht gezahlt worden. Zudem hätte die Fabrikleitung nicht die Gebühren für die Versicherung der Arbeiter überwiesen, so dass sie zurzeit ohne Krankenversicherung seien.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Arbeiter dieser Zuckerfabrik gegen die Fabrikleitung demonstrieren. Die Teilnehmer erklärten der Agentur gegenüber, sie seien bereits mehrmals protestierend auf die Straße gegangen, doch bis jetzt habe die Fabrikleitung ihnen gegenüber keinerlei Entgegenkommen gezeigt.


JOURNALIST/INNEN BEDROHT

Etwa 700 Journalist/innen wurden am 2. Juli per SMS vor Kontakten mit dem Ausland "gewarnt". Alle Kontakte und jede Zusammenarbeit mit feindlichen Elementen - per e-mail oder über andere Kommunikationsmethoden - sind ein Verbrechen und werden vor Gericht gebracht. "Diese SMS ist die letzte Warnung", hieß es. Das Informationsministerium erklärte in einer Stellungnahme, solche Drohungen widersprächen der Strategie des Ministeriums, das das Ziel verfolge, die Rechte der Bürger zu schützen. Dem gegenüber erklärte der Sprecher der Justiz, er betrachte die Warnung nicht als Drohung. "Es ist keine Drohung, wenn jene gewarnt werden, die in die Falle der Feinde der Revolution geraten sind", sagte er. Das sei strafbar und müsse selbstverständlich entsprechend geahndet werden.

Die beiden sich widersprechenden offiziellen Stellungnahmen spiegeln den Machtkampf wider, der im Bereich der Kultur bereits seit Jahren, eigentlich seit der Gründung der Islamischen Republik, zwischen den konservativen Islamisten und Reformern geführt wird. Seit der Regierungsübernahme Präsident Rohanis, der zu dem moderaten und Gemäßigten im islamischen Lager gezählt wird, hat sich dieser Kampf erheblich verschärft. Besonders nach dem Atomabkommen, das auch eine Neubelebung der Beziehungen Irans zu den USA und den Staaten der Europäischen Union einleiten sollte, warnen die Konservativen vor einer kulturellen Unterwanderung, vor einem "samtenen Umsturz". Sie befürchten, dass mit dem Einzug westlicher Investoren und Unternehmen auch der kulturelle Einfluss des Westens verstärkt und damit die herrschende, islamistisch orientierte Ideologie Schritt für Schritt unterhöhlt wird. Und als westlich wird nicht nur das verstanden, was aus der Sicht der Islamisten als dekadent und moralisch verwerflich gilt, sondern jede Kritik, die sich gegen das System richtet, jeder Ruf nach Freiheit und Vielfalt.

So löst jeder Versuch, die von Islamisten festgesetzten ideologischen Grenzen zu überschreiten und den engen Rahmen um einen Spalt zu öffnen, panische Ängste aus, das System des Welayat-e Faghieh (absolute Herrschaft der Geistlichkeit) könnte ihre Legitimation verlieren. Diese geradezu pathologische Angst führt dazu, dass die Konservativen jedes Bestreben der Regierung, die strenge Zensur zu lockern, zu vereiteln versuchen. Je größer die vermeintliche Gefahr, desto vehementer und heftiger die Reaktion auf Reformversuche der Regierung.


AYATOLLAH SCHIRAZI ERLAUBT IN NOTFÄLLEN AUFHEBUNG DER KLEIDUNGSPFLICHT

Ayatollah Makarem Schirasi, einer der religiösen Instanzen des schiitischen Glaubens, der zu den erzkonservativen Geistlichen zählt, hat am 6. Juli eine Fatwa (religiöse Order) erlassen. Demnach sei es in "Notfällen" erlaubt, auf die Kleidungspflicht zu verzichten. "Ich hoffe, dass alle ihre religiösen Pflichten erfüllen und diese Fatwa von niemandem missbraucht wird", fügte er hinzu. "Wenn junge fromme Frauen nicht studieren, werden ungläubige Lumpen die hohen Posten im Staat einnehmen. Frommen Frauen wird es erlaubt, in Notfällen auf die Kleidungspflicht zu verzichten. Ansonsten müssen sie die Pflichten einhalten", sagte der Ayatollah. "Ohne Zweifel gehört die Kleidungspflicht zu den Grundsätzen des Islam. Doch bei jeder religiösen Pflicht kann es Ausnahmen geben", steht auf der Webseite Schirazis. "Wenn zum Beispiel eine Frau krank wird und sie keine Ärztin erreichen kann, ist sie gezwungen, zu einem Arzt zu gehen und sie wird möglicherweise bei der Untersuchung die Kleidungsvorschriften nicht einhalten können. In so einem Fall ist es ihr erlaubt, auf die Vorschriften zu verzichten."


KADCHODAI KRITISIERTE DAS WAHLSYSTEM

Der Sprecher des Wächterrats, Abbasali Kadchodai, erklärte am 16. Juli, das aktuelle Wahlsystem der Islamischen Republik sei nicht "praktikabel". Zudem gebe es keine Kriterien, nach denen sich der Wächterrat bei der Eignungsprüfung der Kandidat/innen richten könnte. Daher sei der Rat gezwungen, sich nach der subjektiven Meinung seiner Mitglieder zu richten, was oft Anlass zur Kritik geboten habe. "Selbstverständlich sind die Mitglieder bemüht, so weit wie möglich objektiv zu bleiben. Aber wenn es bei einer Wahl 12.000 Bewerber gibt, dann wird ein objektives Urteil schwierig", sagte Kadchodai.

Ein weiteres wichtiges Problem bei den Wahlen sei das Fehlen von politischen Parteien, obwohl laut Verfassung die Bildung von Parteien erlaubt sei. Zwar gebe es politische Gruppen, diese seien aber keine richtigen Parteien, sagte Kadchodai. Einen echten Wettbewerb der Parteien gebe es in Iran nicht.

Das gesamte Wahlsystem beruhe auf Meinungen, die in den ersten Jahren nach der Gründung der Islamischen Republik existierten. Die Zeit des Wahlkampfs sei zu kurz, die Kontrolle des Wahlvorgangs ungenau. Auch bezüglich der erlaubten und unerlaubten Wahlwerbung gebe es keine klaren Richtlinien, erklärte Kadchodai.


AIDS - NEUE ERKRANKUNGSWELLE IN IRAN

Dr. Ali Akbar Sayyari, Vizegesundheitsminister, warnte auf einer Pressekonferenz am 13. Juli vor einer neuen Welle der Aids-Krankheit in Iran. Die Infizierung mit HIV-Viren schreite rasch voran. Hauptgrund für die Verbreitung sei der Mangel an Information. Es gebe zu viele gesellschaftliche Tabus im Bereich der Sexualität.

Im Vergleich zu vor zehn Jahren habe sich die Zahl der Infizierten verdoppelt, sagte Sayyari. "Das Problem besteht in der Übertragung der Viren durch sexuellen Verkehr und darin, dass wir nicht offen über alles sprechen und informieren können, zum Beispiel über Kondome." Um der Krankheit Einhalt zu gebieten, gebe es drei Möglichkeiten: "Selbstbeherrschung, Familienbildung und Verhütung". "Wir müssen die Menschen aufklären und ihnen Verhütungsmittel zur Verfügung stellen." Die Menschen müssten ihr Verhalten ändern. Voraussetzung dafür sei Aufklärung. Hier aber gebe es kulturelle Hemmschwellen", sagte Sayyari.

Der Vizegesundheitsminister berichtete über die Gründung von Gesundheitszentren, in denen unter anderem Prostituierte untersucht und aufgeklärt würden. Dadurch solle die Übertragung von ansteckenden Krankheiten verhindert werden.

Bei der ersten Erkrankungswelle von Aids, Mitte der achtziger Jahre, sei es gelungen, die Verbreitung von HIV-Viren bei Drogensüchtigen unter Kontrolle zu bringen. Dafür seien damals Kliniken eingerichtet worden, was zu einer erheblichen Reduzierung der Zahl der Infizierten geführt habe.

Das Gesundheitsministerium hatte zuvor die Zahl der Aids-Kranken auf 32.000 geschätzt, davon seien 85 Prozent Männer.

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KULTUR

• Kiarostami gestorben • Gedenkfeier für Schamlu verhindert • Ausreiseverbot für Tanawoli • Ein Millionenschatz iranischer Kunst in München entdeckt • 100.000 Satellitenschüsseln zerstört • Die Polizei soll sich um "Unsittlichkeiten" bei Konzertveranstaltungen kümmern • Die Hälfte der Iraner sind Mitglieder sozialer Netze im Internet • Wüste Lut zum Kulturerbe erklärt


KIAROSTAMI GESTORBEN

Der international gefeierte iranische Filmemacher Abbas Kiarostami starb am 7. Juli im Alter von 76 Jahren in einer Pariser Klinik. Er war seit März dieses Jahres wegen einer Darmkrankheit viermal in Teheran operiert worden. Eine Woche vor seinem Tod hatte er sich zur Fortsetzung seiner Behandlung nach Paris begeben.

Insbesondere Angehörige der Filmbranche zeigten sich bestürzt über den unerwarteten Tod des iranischen Regisseurs. "Abbas war der größte Cineast Irans und der Rossellini von Teheran", sagte der frühere Präsident des Festivals von Cannes laut AFP. Der amerikanische Regisseur Martin Scorsese bezeichnete den Kollegen als "einen ganz besonderen Menschen: still, elegant, bescheiden, wortgewandt und ziemlich aufmerksam". Kiarostami habe Filmgeschichte geschrieben, sagte der französische Staatspräsident François Hollande.

"Trauer liegt auf den Schultern der Stadt", titelte die in Teheran erscheinende Tageszeitung "Schahrwand" nach dem Tod des international geachteten iranischen Filmregisseurs Abbas Kiarostami. Mehrere Tausend Bewunderer des Filmemachers nahmen an der Trauerfeier in Teheran teil.

"Wir hatten uns daran gewöhnt, dass er ins Ausland ging, um große Preise entgegenzunehmen, dass er wieder in die Heimat zurückkehrte, seine Lehrstunden in Teheran und in der Provinz abhält und ohne jemanden zu stören, sein Leben lebt", schreibt die Zeitung. Nicht einmal die einheimischen Medien hätten sich um den berühmten Regisseur gekümmert. "Wir wussten, dass er bei den Wahlen für niemanden Partei ergreifen würde, wir ließen ihn in Ruhe."

Während Kiarostami im Ausland auf internationalen Filmfestivals mit höchsten Preisen ausgezeichnet wurde, fand er offiziell in der Islamischen Republik kaum Beachtung. Sein Film, "Der Geschmack der Kirsche", für den er 1997 bei den Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme erhielt, wurde im Iran auf den Index gestellt. Das Regime in Teheran hatte vergeblich versucht, die Präsentation des Films zu verhindern. Der Film erzählt von einem Iraner, der Selbstmord begehen will und nach jemandem sucht, der seinen Leichnam begräbt. Aus der Sicht des Regisseurs ist der Film ein Loblied auf das Leben, im Iran wurde er aber offiziell als Ermunterung zum Suizid gedeutet und als schädlich abgelehnt.

Kiarostami wollte trotz Einschränkungen, die ihm in der Heimat auferlegt wurden, nie im Exil leben. Er brauche das Milieu, die Atmosphäre, die Landschaft, die Menschen, ohne die er nicht schöpferisch arbeiten könne, sagte er. Dennoch sah er sich in den letzten Jahren gezwungen, seine Filme im Ausland zu drehen.

Bei konservativen Medien und Politikern gab es kaum Reaktionen auf den Tod von Kiarostami. Dem gegenüber sagte Präsident Rohani, Kiarostami habe mit seinem Werk "zu Frieden und Freundschaft" aufgerufen. "Seine tiefsinnige und unkonventionelle Einstellung und seine Botschaft für Frieden und Freundschaft wird uns immer in Erinnerung bleiben", twitterte Rohani. Kulturminister Ali Dschannati bezeichnete den Filmemacher als "einen Avantgardisten mit dem Anspruch eines Humanisten und Moralisten".

Der Sohn des verstorbenen Regisseurs, Ahmad Kiarostami, sagte am 13. Juli der Presse, er und seine Familie werden gegen die Ärzte, denen er für den Tod seines Vaters die Schuld gab, Anzeige erstatten. Seinen Angaben zufolge habe die zweite Operation zu inneren Blutungen und danach zu Infektionen geführt, was die Ärzte dazu veranlasst habe, ihn ins Koma zu versetzen. Die Behandlung hatte bereits zu der Zeit, in der Kiarostami im Krankenhaus lag, auch in den Medien zu Auseinandersetzungen geführt. Der Leiter des iranischen Ärztevereins hat eine Untersuchung des Falls gefordert. Kiumars Purahmad, Filmemacher und nahe stehender Freund von Kiarostami, kündigte einen Film über die medizinische Behandlung von Kiarostami an. Der Film werde das Werk von Kiarostami, seinen besonderen Blick und seinen Einfluss auf den iranischen aber auch internationalen Film behandeln und schließlich den "zweifelhaften Tod" des Regisseurs darstellen. Der Titel des Films soll heißen: "Bericht über einen zweifelhaften Tod".

Bei der Trauerfeier für Kiarostami wurde ein Transparent getragen, auf dem geschrieben stand: "Kiarostami hat uns verlassen, Schadscharian lebt."

Mohammad Resa Schadscharian ist seit mehr als zwei Jahrzehnten der populärste Sänger Irans. Bei seinen Auftritten im Ausland wird er von Iranern umjubelt, in der Heimat ist er aber seit 2009 aus den Medien ausgeschlossen, seine Stimme wurde aus Rundfunk und Fernsehen verbannt, weil er damals die Protestbewegung gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad unterstützt hatte. Das Lied, das er damals gegen Tyrannen sang, wurde im ganzen Land verbreitet und gesungen. Schadscharians Popularität rettete ihn vor Gefängnisstrafe und Folter. Man begnügte sich mit dem zwar nicht gerichtlich beschlossenen, aber in der Praxis geübten Auftrittsverbot. Seitdem tritt Schadscharian nur noch im Ausland auf.


GEDENKFEIER FÜR SCHAMLU VERHINDERT

Dutzende von Freunden und Verehrern von Ahmad Schamlu, die am Todestag des großen Poeten an seinem Grab seiner gedenken wollten, wurden von der Polizei und zivilen Sicherheitsbeamten vertrieben, berichtete die Nachrichtenagentur ILNA am 23. Juli.

Schamlu war 1925 in Teheran geboren und 2000 in der nördlich von der Hauptstadt gelegenen Stadt Karadj gestorben. Er war der weitaus bekannteste und beliebteste Lyriker seiner Zeit in Iran. Neben Nimajuschidj gilt Schamlu als Gründer und Wegbereiter der modernen Lyrik. Er veröffentlichte mehr als 30 Gedichtbände. Darüber hinaus liegen von ihm zahlreiche Erzählungen, Märchen und Übersetzungen vor.

Schamlu war nicht nur ein Meister der poetischen Sprache, sondern auch ein ausgezeichneter Sprachforscher. Zusammen mit seiner Frau Aida Sarkisian erstellte er unter dem Titel "Das Buch der Gasse" ein Lexikon der Alltagssprache, das in mehreren Bänden, auch nach seinem Tod, veröffentlicht wurde.

Zum 16. Todestag des Dichters veröffentlichte der Verband iranischer Schriftsteller eine Erklärung, in der der Einsatz Schamlus für Unterdrückte hervorgehoben wird. "Sein Werk war nicht der Ausdruck einer sprachlichen Eitelkeit und verwirrenden und krankhaften Gedanken. Es war eine Liebeserklärung an Mitmenschen", schrieben die Autoren.


AUSREISEVERBOT FÜR TANAWOLI

Dem 79-jährigen Bildhauer Parvis Tanawoli wurde Anfang Juli am Teheraner Flughafen Imam Chomeini der Reisepass abgenommen. Er war zu Vorträgen im Britischen Museum und im Asia House nach London eingeladen worden. Tanawoli zählt zu den bekanntesten Künstlern Irans, der auch im Ausland hochgeschätzt wird. Bei einer Auktion 2008 in Dubai wurde sein Werk "Die Mauer" für 2,84 Millionen Dollar verkauft. Der Grund für das Ausreiseverbot wurde bislang offiziell nicht bekannt gegeben. Der Künstler selbst sagte, ihm werde vorgeworfen, mit seinem mehr als fünfzigjährigen Schaffen Aufruhr gestiftet und Unwahrheiten verbreitet zu haben. Vor einigen Monaten sei in der Tageszeitung Keyhan ein Artikel erschienen, in dem ihm die Überschreitung moralischer Grenzen unterstellt wurde, mit der Begründung, bei einigen seiner ausgestellten Kunstwerken seien bestimmte Körperteile zu sehen gewesen, sagte Tanawoli.

Am 16. Juli gab Tanawoli laut Pressemeldungen bekannt, dass er seinen Reisepass zurückbekommen habe und dass das Reiseverbot gegen ihn aufgehoben sei.


EIN MILLIONENSCHATZ IRANISCHER KUNST IN MÜNCHEN ENTDECKT

Das Münchener Landeskriminalamt hat laut Medienberichten am 21. Juli einen Millionenschatz eines iranischen Kunstsammlers, bestehend aus Handschriften, Zeichnungen und Koranexemplaren, den Erben übergeben. Der Sammler war vor zwanzig Jahren gestorben. Vor etwa fünf Jahren wurde die bayrische Kriminalpolizei im Keller eines Mehrfamilienhauses im Münchner Stadtteil Zamdorf fündig. 174 wertvolle Dokumente lagen in mehreren Koffern versteckt.

Der Sammler hatte sich 1962 in München niedergelassen. Über all den langen Jahren seines Lebens in München sammelte er mit großer Liebe und Hingabe kunstvolle iranische und islamische Handschriften, Zeichnungen und Koranausgaben. Gelegentlich verkaufte er ein Werk und bestritt damit sein Leben. Als er 1997 mit 86 Jahren starb, stellten die Hinterbliebenen fest, dass ein Teil der Kunstwerke verschwunden war. Zunächst beauftragten sie einen Agenten, nach den Schätzen zu suchen, danach wandten sie sich an die Kriminalpolizei. Die Polizei ging im In- und Ausland der Sache nach, tappte einige Jahre lang im Dunkeln. Schließlich fiel der Verdacht auf einen deutsch-iranischen Ingenieur, der in den letzten Lebensjahres des Sammlers bei ihm aus und ein ging und dessen Geschäfte verwaltete. Im Dezember 2011 entdeckten die Beamten des Kriminalamts im Haus des inzwischen 70-jährigen Ingenieurs die Werke, deren Wert auf mehr als drei Millionen Euro geschätzt wird.

Im März 2016 gestand der Ingenieur vor Gericht, die Werke entwendet zu haben. Er wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Zwei prächtige handgeschriebene Koranausgaben wurden, wie im Testament des Sammlers gewünscht, dem Historischen Museum in Teheran übergeben. Als Dank für die Entdeckung des Schatzes überreichten die Erben der Bayrischen Staatsbibliothek zwei Bücher. Den größten Teil der Sammlung bekamen die Erben. Laut Aussagen der Erben fehlt bei der Sammlung eine höchst wertvolle Ausgabe des Diwans des großen persischen Dichters Hafis. Die Polizei bat alle, bei der Suche nach dem Buch, dessen Wert auf mehr als eine Million Euro geschätzt wird, mitzuhelfen. Die Erben haben dafür einen Finderlohn von 50.000 Euro ausgesetzt.


100.000 SATELLITENSCHÜSSELN ZERSTÖRT

Laut iranischen Medien wurden am 24. Juli auf einem Platz in Teheran öffentlich rund 100.000 Satellitenschüsseln zerstört. Der Oberbefehlshaber der Basidsch-Milizen, General Mohammad Resa Naghdi, der bei der Aktion anwesend war, sagte: "Wir Verantwortlichen dürfen nicht, um wieder gewählt zu werden und uns beliebt zu machen, der Bevölkerung etwas vorgaukeln, indem wir Instrumente des Verderbens zulassen." Die Satellitenschüsseln seien "schädlich für die Moral und Kultur der Gesellschaft", sie seien "die Ursache für die Zunahme von Scheidungen, der Drogen-Abhängigkeit und Unsicherheit".

Einige Besitzer, die ihre Satellitenschüssel angeblich freiwillig abgegeben hatten, nahmen an der Zeremonie teil. Die Parabolantennen waren in einer Blitzaktion im Westen der Hauptstadt Teheran von den Milizen eingesammelt worden. Der Besitz von Satellitenschüsseln ist schon seit Jahren verboten. Wer solche Antennen besitzt oder verkauft, muss mit einer Strafe von umgerechnet bis zu 2.500 Euro rechnen. Durch das Verbot soll das Schauen ausländischer Sender verhindert werden. Offiziell wird die Maßnahme damit begründet, dass ausländische Fernsehprogramme moralisch und sittlich für die Gesellschaft schädlich seien.

Obwohl die Ordnungskräfte oder auch Revolutionswächter immer wieder Aktionen starten, um die Antennen zu beschlagnahmen, benutzen die meisten Iraner Satellitenschüsseln, vor allem weil ausländische Sender unterhaltender und informativer sind, als die einheimischen Sender, die sich ausschließlich in staatlicher Hand befinden. Die Regierung von Rohani hat immer wieder vergeblich versucht, das Verbot aufzuheben.

Wenige Tage zuvor hatte Kulturminister Ali Dschannati das neue Parlament aufgefordert, das vor 25 Jahre verhängte Verbot von Parabolantennen abzuschaffen. Es sei "völlig absurd, dass inzwischen 70 Prozent der Bevölkerung trotz des Verbots eine Parabolantenne besitzen". "Damit verstossen de facto 70 Prozent gegen das Gesetz." Auch der Intendant des staatlichen Rundfunks und Fernsehens Ali Asgari bestätigte, dass "mehr als 60 Prozent" der Bevölkerung Zuschauer ausländischer Sendungen seien.

Die Agentur Fars berichtete, dass die zerstörten Satellitenschüsseln dem Eisenschmelzwerk in Isfahan zur Verfügung gestellt worden seien.


DIE POLIZEI SOLL SICH UM "UNSITTLICHKEITEN" BEI KONZERTVERANSTALTUNGEN KÜMMERN

General Masud Dschasayeri, Stellvertreter des Oberbefehlshabers der iranischen Streitkräfte, erteilte der Polizei den Befehl, sich künftig um Unsittlichkeiten bei Konzertveranstaltungen zu kümmern. In dem Befehl vom 21. Juli an General Hossein Aschtai, Oberbefehlshaber der Polizei, heißt es, die Kontrolle "unsittlicher, unmoralischer Handlungen" an öffentlichen Orten, unter anderem bei Konzertveranstaltungen, müsse "ernsthaft" geleistet werden.

Dieser Befehl wurde erteilt, nachdem die Regierung erklärt hatte, dass für Konzertveranstaltungen, die vom Kulturministerium erlaubt worden seien, eine Genehmigung der Ordnungskräfte nicht nötig sei. Die Polizei sei lediglich für den Verkehr und die Sicherheit zuständig.

Diese widersprüchlichen Stellungnahmen sind Ausdruck eines Problems, das in den letzten Monaten verstärkt zu einer Auseinandersetzung zwischen den Konservativen und der gemäßigten Regierung von Präsident Rohani geführt hat. Zahlreiche Konzertveranstaltungen, die von Kulturministerium genehmigt wurden, wurden kurz vor der Aufführung unter verschiedenen Vorwänden von der Polizei, den Geheimdiensten oder der Revolutionsgarden abgesagt.

Der Sprecher der Polizei, Said Motaser al-Mahdi, erklärte am 21. Juli vor der Presse, es sei richtig, dass für den Inhalt der Veranstaltungen das Kulturministerium zuständig sei und nicht die Polizei. Aber die Ordnungskräfte seien verpflichtet, in vieler Hinsicht für die Sicherheit des Lebens, für finanzielle, moralische und sittliche Sicherheit zu sorgen und sie zu verteidigen.


DIE HÄLFTE DER IRANER SIND MITGLIEDER SOZIALER NETZE IM INTERNET

Mortesa Musawian, Leiter der Abteilung für Internet und digitale Kommunikation im Kulturministerium sagte am 23. Juli der Presse, "53 Prozent der iranischen Bevölkerung sind Mitglieder von mindestens einem sozialen Netzwerk im Internet. Unter den 18 bis 29-jährigen sind es sogar 72 Prozent". Jeder Nutzer halte sich im Durchschnitt fünf bis neun Stunden im Netz auf.

Manche beliebte Netzwerke wie Facebook oder Twitter werden vom Staat gefiltert. Dennoch finden Nutzer zu diesen Netzwerken Zugang über Datentunnel. Zahlreich seien auch die Nutzer des Internets im Mobilfunk, sagte Musawian. Besonders beliebt sei das Netzwerk Telegramm. Laut Mussawian gibt es im Iran rund 40 Millionen Smartphone-Nutzer. Seinen Angaben zufolge interessieren sich iranische Nutzer in erster Linie für Nachrichten, gefolgt von Spielen, Kommunikation und Bildungsportale.


WÜSTE LUT ZUM KULTURERBE ERKLÄRT

Die Wüste Lut wurde bei der 40. Zusammenkunft der Unesco zum Kulturerbe der Menschheit erklärt. Iran hatte auch die Anerkennung des iranischen Kanatsystems (uralte Bewässerungstechnik) als Kulturerbe beantragt. Beiden Anträge wurden angenommen.

Die Wüste Lut mit einer Fläche von 175.000 Quadratkilometern befindet sich im Osten Irans, nordöstlich der Provinz Kerman. Sie bildet zehn Prozent der Gesamtoberfläche des Landes. Die Wüste gehört zu den heißesten Zonen der Erde. Den Forschungen zufolge deuten die bisherigen Funde in diesem Gebiet auf ein Alter von über fünftausend Jahren.

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WIRTSCHAFT

• Atomabkommen gefährdet • Iran verteidigt sein Raketenprogramm • Verfassungsschutz: Iran denkt immer noch an den Bau der Atombombe • US-Kongress untersagt Verkauf von Boeing-Maschinen • Südkoreas Botschaft kritisiert Zurückhaltung der Banken • Daimler liefert LKW nach Iran


ATOMABKOMMEN GEFÄHRDET

Das vor einem Jahr vereinbarte Atomabkommen zwischen Iran und der Gruppe 5+1 (Ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland) könnte aufgrund aufgetauchter Probleme kippen. Mehrere iranische Politiker drohten am Jahrestag des Vertrags, das ursprüngliche Atomprogramm wieder aufzunehmen, sollte der Westen seine eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllen. Iran selbst hat nach Angaben der Internationalen Atombehörde (IAEA) bislang seine Pflichten erfüllt. Das iranische Atomprogramm, das gemäß dem Abkommen vom vergangenen Jahr erheblich reduziert wurde, steht unter Kontrolle von130 Inspektoren der IAEA. Der Pool soll in kommenden Herbst auf 150 erweitert werden.

Die Regierung von Hassan Rohani hatte bei dem Atomdeal erhebliche Zugeständnisse gemacht, mit der Hoffnung, dass das Abkommen, wozu auch die Aufhebung der Sanktionen gehört, dem Land einen wirtschaftlichen Aufschwung bringen würde. Doch bislang sind die Erwartungen nicht eingelöst worden. Ein wichtiger Grund dafür liegt darin, dass internationale Großbanken sich bei Geschäften mit Iran zurückhalten, weil sie seitens der USA Sanktionen befürchten. Am 13. Juli warnte Präsident Rohani, sollten sich Irans Verhandlungspartner nicht an das Abkommen halten, könnte Iran "sehr schnell" zu dem Stand von vor dem Abkommen zurückkehren.

Auch politisch ist das Abkommen gefährdet. In den USA steht ein Regierungswechsel bevor. Sollten die Republikaner die Wahl gewinnen, werden sie, wie ihr Kandidat Donald Trump erklärt hat, das Abkommen ablehnen und versuchen, neu mit Iran zu verhandeln. Aber auch im Falle eines Sieges von Hillary Clinton wird es in der Iran-Politik der USA einen Kurswechsel geben. Auch in Iran sind im nächsten Jahr Präsidentschaftswahlen. Auch dort kann es einen Regierungswechsel geben, sollte es bis dahin der Regierung Rohani nicht gelingen, die Wirtschaft anzukurbeln. Im Iran gibt es mächtige Kräfte, die genauso wie die Republikaner in den USA gegen das Abkommen sind, vor allem auch gegen eine Annäherung Irans an den Westen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich über die Lage besorgt und forderte die Iraner auf, mehr Geduld aufzubringen. "Ich glaube, die Iraner konzentrieren sich im Augenblick noch zu sehr darauf, dass es vor allen Dingen ein amerikanisches Zögern gibt, die Sanktionen wirklich so zu lockern wie vereinbart", sagte der Minister am 14. Juli. "Wir Europäer haben dieses sofort nach dem Inkrafttreten der Atomvereinbarung getan. (...) Es geht nicht über Nacht, dass verloren gegangenes Vertrauen wieder aufgebaut wird. Deshalb wird dieser Erneuerungsprozess ein wenig mehr Zeit erfordern, als sich viele das in Iran erhofft haben."

US-Finanzminister Jacob Lew, der für Wirtschaftssanktionen gegen Iran zuständig ist, sagte am 15. Juli zum Jahrestag des Atomabkommens, die iranische Wirtschaft habe von dem Abkommen profitiert. Iran habe seinen Ölexport erheblich steigern und zahlreiche Unternehmen für Investitionen gewinnen können. Seit dem Abkommen seien mehr als drei Milliarden Dollar in Iran investiert worden. Er lobte das Abkommen als eine internationale Errungenschaft. Durch das Abkommen sei eine mögliche Nuklearbewaffnung Irans verhindert worden. Zugleich betonte er, dass die USA mit Sanktionen, die nicht das iranische Atomprogramm betreffen, weiterhin auf Iran Druck ausüben werden. Es handele sich um Sanktionen, die gegen Iran wegen der Unterstützung des Terrorismus und wegen des iranischen Raketenprogramms verhängt wurden. "Wir werden unsere bei dem Abkommen eingegangenen Verpflichtungen genau erfüllen", sagte der Minister.

Am 16. Juli legte das Teheraner Außenministerium dem Parlament einen Bericht über die Umsetzung des Atomabkommens vor. Darin wird abermals betont, dass zwar die Sanktionen aufgehoben worden seien, nicht aber die Einschränkungen für Geldtransfer und Devisenaustausch. Zugleich versuchte der Bericht, die Erwartung auf einen raschen Aufschwung der Wirtschaft einzudämmen. Die Wiederherstellung der Lage, die es vor den Sanktionen gegeben habe, gleiche dem Wiederaufbau nach einem zehnjährigen Krieg, heiß es in dem 41-seitigen Bericht. Dabei spielten die weiterhin bestehenden Sanktionen eine wichtige Rolle. Diese Sanktionen bildeten nicht nur wirtschaftliche Einschränkungen, sie bedeuteten auch psychologische Hindernisse bei Geschäften mit Großbanken. Die iranischen Banken seien über Jahre vom internationalen Banken- und Finanzsystem abgeschnitten gewesen. Es brauche Zeit und Geduld, um aus dieser Isolation herauszukommen.

Weitere Hindernisse seien Regierungen, Institutionen und Personen, die von den Sanktionen gegen Iran über all die Jahre mit "Hunderten Milliarden Dollar" profitiert hätten. Das betreffe auch jene, die im Inland die Notlage genutzt und als Vermittler und Zwischenhändler "Unsummen" verdient hätten und nun das Abkommen zu sabotieren versuchten.

In Iran verschärft sich die Auseinandersetzung über die Vor- und Nachteile des Abkommens. Die Gegner behaupten, die Regierung habe zu viele Zugeständnisse gemacht, ohne dabei entsprechende Vorteile erzielen zu können. Dieses Argument erhielt mehr Nahrung durch Äußerungen des Revolutionsführers Chamenei, der immer wieder betont, dass man den Amerikanern nicht trauen sollte. Möglicherweise waren diese Äußerungen der Anlass für den Vizeaußenminister Abbas Araghtschi zu erklären, dass sämtliche Vereinbarungen bei den Atomverhandlungen mit Zustimmung des Revolutionsführers erfolgt seien. "Die roten Linien wurden vom Revolutionsführer festgelegt. Diese mussten jedoch im Laufe der Verhandlungen geändert werden. Aber auch diese Änderungen erfolgten mit seiner Zustimmung", sagte Araghtschi am 17. Juli auf einer Pressekonferenz in Teheran. Araghtschi war zuletzt Irans Chefunterhändler bei den Verhandlungen mit der Gruppe 5+1. "Wir haben nicht ohne seine Zustimmung gehandelt."

Am 18. Juli sorgte die Veröffentlichung eines Geheimdokuments, das die AP von einem Diplomaten erhalten hatte, für Aufruhr. Wie die AP, die das Dokument einsehen konnte, berichtete, werde Iran, dem Dokument zufolge, erlaubt, nach Ablauf von elf bis dreizehn Jahren seine 5.060 unbrauchbaren Zentrifugen durch bis zu 3.500 Maschinen neuerer Technologie zu ersetzen. Damit wäre Iran dann in der Lage, innerhalb von sechs Monaten eine Atombombe herzustellen. Das Dokument ist das einzige, was in dem Abkommen als "geheim" eingestuft wurde.

Irans Außenminister Sarif sagte iranischen Medien zufolge am 19. Juli, das Dokument sei "eine große Ehre" und ein Erfolg für die iranische Verhandlungsdelegation. Wenige Tage danach nahm auch die iranische Atombehörde zu der Veröffentlichung Stellung. Behrus Kamalwandi, Sprecher der Behörde, sagte am 24. Juli, seiner Einschätzung nach sei das Dokument bei der Internationalen Atombehörde durchgesickert. Dagegen werde Iran offiziell protestieren. Tatsächlich wurde am 25. Juli ein Protestbrief an die IAEA entsandt.

Ebenfalls für Aufruhr sorgte der Bericht des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon, den er zum Jahrestag des Atomabkommens dem UN-Sicherheitsrat vorlegte. Darin kritisierte Ban iranische Raketentests im März dieses Jahres. "Ich fordere die Islamische Republik auf, auf derartige Tests zu verzichten. Diese Tests können zur Eskalation der Auseinandersetzungen in der Region führen", heißt es in dem Bericht. Zugleich betonte Ban, dass Iran seine Verpflichtungen erfülle, was ihm, dem Generalsekretär, Zuversicht verleihe. Iran habe sich über die weiterhin bestehenden Einschränkungen beschwert und darüber, dass ein amerikanisches Gericht beschlossen habe, Opfer von Terroranschlägen aus iranischen Guthaben bei amerikanischen Banken zu entschädigen. Ban berichtete auch, dass er dabei sei, Vorwürfe gegen Iran, Waffen an die Rebellen in Jemen geschickt zu haben, zu untersuchen. Dergleichen gelte für die Rolle Irans im Irak.

Die USA, Iran und Russland haben, jeweils aus ihrer Sicht, den Bericht von Ban kritisiert. Die USA kritisierten, dass in dem Bericht die Vorwürfe Irans gegen die USA aufgenommen wurden. Iran bezeichnete den Bericht als "parteiisch und voreingenommen". Der Bericht sei unter dem Druck der Vereinigten Staaten geschrieben worden, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Bahram Ghassemi. Die Vorwürfe gegen Iran entbehrten jeder Grundlage. Sie widersprächen dem Geist des Atomabkommens. Zudem stehe dem UN-Generalsekretär nicht zu, im Zusammenhang mit dem Abkommen die Raketentests zu kritisieren.

Auch Russland kritisierte den Bericht. Der russische UN-Botschafter Vitaly Churkin sagte, der Bericht enthalte einige Fehler. Zudem habe der Teil des Berichts über das iranische Raketenprogramm mit dem eigentlichen Thema des Berichts nichts zu tun. Einige Teile des Berichts überschritten die Kompetenzen des Generalsekretärs.

Am 20. Juli drohte Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani mit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen. "Leider gibt es immer noch Hindernisse bei der Umsetzung des Atomabkommens", sagte er. "Wir sind daher an einen Punkt angelangt, wo auch wir etwas unternehmen müssten." Er schlug vor, einen Plan für den Bau einer neuen Urananreicherungsanlage auszuarbeiten. Auch Laridschani kritisierte den Bericht von Ban. "Ich frage mich, was der Test einer Rakete mit dem Atomabkommen zu tun hat", sagte er und fügte hinzu: "Iran wird vorgeworfen, im Irak und Syrien präsent zu sein, anstatt dem Land zu danken für den ehrenhaften Kampf gegen den wilden Terrorismus und dafür, dass es den Islamischen Staat aus vielen Städten hinausgejagt hat."


IRAN VERTEIDIGT SEIN RAKETENPROGRAMM

Iran hat die Vorwürfe der UN und Deutschlands gegen sein Raketenprogramm entschieden zurückgewiesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte während einer Regierungserklärung im Bundestag Iran vorgeworfen, mit den Raketentests gegen UN-Resolutionen verstoßen zu haben. "Im eindeutigen Widerspruch zu den einschlägigen Bestimmungen des UN-Sicherheitsrats entwickelt der Iran sein Raketenprogramm weiter", sagte sie am 7. Juli zur Rechtfertigung des Plans der NATO zur so genannten Erstbefähigung der Raketenabwehr. Diese habe defensiven Charakter und richte sich nicht gegen Russland. "Beim Iran handelt es sich um ein Regime, das das Völkerrecht mit Füßen tritt", sagte Merkel und betonte: "Es ist leider keineswegs so, dass dieses (iranische) Raketenprogramm durch das historische Wiener Abkommen zur Kontrolle des iranischen Nuklearprogramms beendet worden wäre."

Deutschland, die USA, Großbritannien und Frankreich hatten Anfang März in einem gemeinsamen Schreiben erklärt, dass das iranische Raketenprogramm ein Verstoß gegen das Atomabkommen und vor allem gegen die Resolution 2231 darstelle. Dort wurde Iran verpflichtet, keine ballistischen Raketen, die mit atomarem Sprengstoff bestückt werden könnten, herzustellen. Das Schreiben der vier westlichen Mächte war eine Reaktion auf die Tests mit Kurz-, Mittel und Langstreckenraketen, die Iran Anfang März durchgeführt hatte.

Am 9. Juli nahm das Teheraner Außenministerium zu den Äußerungen Merkels Stellung. Das Raketenprogramm diene einzig der Sicherheit des Landes und sei defensiv, sagte der Sprecher des Ministeriums Bahram Ghassemi. Die Raketen seien nicht als Träger von Atomsprengköpfen gebaut worden, sie hätten mit dem Atomprogramm nichts zu tun. "Die nicht gerade konstruktiven Behauptungen der Bundeskanzlerin werden daher hiermit zurückgewiesen", sagte er.

Ghassemi wies auch die Kritik des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon zurück, der in einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat geschrieben hatte, das Raketenprogramm widerspreche dem Geist des Atomabkommens. "Auch wenn es dem Sicherheitsrat obliegt, seine eigenen Resolutionen selbst zu deuten, bin ich besorgt, dass diese ballistischen Raketenabschüsse nicht dem konstruktiven Geist entsprechen, die sich manifestiert in der Unterzeichnung des Atomabkommens", hieß es in dem Bericht. Iran werde sein Raketenprogramm fortsetzen, sagte Ghassemi an Ban gerichtet.


VERFASSUNGSSCHUTZ: IRAN DENKT IMMER NOCH AN DEN BAU DER ATOMBOMBE

Einem Bericht der Deutschen Welle zufolge ist der Verfassungsschutz der Meinung, dass Iran trotz des Atomabkommens weiterhin an den Bau der Atombombe denkt. Das Land sei bemüht, illegal auf dem deutschen Markt Teile der Atomtechnologie zu erwerben. Allerdings sei der Erfolg nicht höher als zehn Prozent. Der Geheimdienst verfügt nach eigenen Angaben über wichtige Informationen, die zeigen, dass Iran nach wie vor mit aller Kraft versucht, Materialien zu bekommen, die zum Bau von Atomsprengköpfen und Trägerraketen nötig sind. Deutschland sei mit den zahlreichen Firmen, die über modernste Technologie verfügen, für Iraner besonders interessant.

Anfang Juli hatte der Verfassungsschutz unverblümt die Öffentlichkeit über die Absichten Irans informiert, danach hat auch der Verfassungsschutz in Nordrhein Westfalen am 4. Juli die Aussagen bestätigt. In dem Bericht, der in Düsseldorf vorgestellt wurde, erklärte der Landesverfassungsschutz, zwei Drittel der Versuche Irans zu illegalen Käufen seien entdeckt worden. Die Organisation habe für das vergangene Jahr 141 Fälle registriert. Im Vergleich zum Jahr davor (2014) mit 82 Fällen sei dies ein beachtlicher Anstieg.

Einige Politiker in Deutschland reagierten mit Stellungnahmen auf die Informationen. Armin Schuster, Mitglied des Innenausschusses, sagte, sollte Iran sich nicht an die getroffenen Vereinbarungen halten, müsse man erneut über Sanktionen sprechen. Volker Beck von den Grünen und Leiter der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe kritisierte die Bundesregierung. Er habe kürzlich einen Regierungsbericht erhalten, in dem erklärt werde, dass Iran nichts unternehme, was gegen das Atomabkommen verstoßen würde.


US-KONGRESS UNTERSAGT VERKAUF VON BOEING-MASCHINEN

Der US-Kongress verabschiedete am 7. Juli Maßnahmen, mit denen ein Verkauf von Flugzeugen des US-Herstellers Boeing an Iran verhindert werden soll. Die Regierung in Washington erklärte hingegen, Präsident Obama werde gegen jeden Beschluss, der das Atomabkommen unterlaufe, sein Veto einlegen.

Iran hatte im vergangenen Monat offiziell erklärt, über den Verkauf von Flugzeugen mit der Firma Boeing Einigung erzielt zu haben.

Gegner des Deals mit Iran erklärten, Iran könnte die Passagiermaschinen für militärische Zwecke einsetzen. Das sei bei einem Regime, das terroristische Organisationen unterstütze, durchaus möglich. Ein Abgeordneter der republikanischen Partei behauptete, man könne Boeing-Maschinen umbauen, um damit 100 ballistische Raketen oder 15.000 RPG-Geschosse zu transportieren.

Ziel der republikanischen Partei sei, das Atomabkommen zu unterlaufen und zu schwächen, sagte der demokratische US-Abgeordnete Jose Serrano.

Ali Abedsadeh, Leiter des iranischen Luftverkehrs, hatte am 19. Juni von einer Vereinbarung über den Kauf von 100 Boeing-Maschinen gesprochen. Er erklärte, dass Iran beim US-Finanzministerium die Genehmigung für das Geschäft beantragt habe. Erst danach könne ein Vertrag unterzeichnet werden. Es handele sich um Maschinen der Baureihen 737 und 777, mit einem Volumen von bis zu 25 Milliarden Dollar.

Sollte der Beschluss des Kongresses in Kraft treten, was allerdings die Zustimmung des Präsidenten voraussetzen würde, wären auch die Käufe von Passagierflugzeugen, die Iran plant, zum Beispiel der Kauf von Airbus-Maschinen, kaum noch möglich. Denn fast alle, auch die Airbus-Maschinen, sind mit mehr als zehn Prozent mit Ersatzteilen aus den USA bestückt. Iran hatte bereits vor Monaten mit Airbus über den Kauf von 100 Passagiermaschinen verhandelt. Aber auch Airbus erklärte, Voraussetzung für das Geschäft sei die Zustimmung des US-Finanzministeriums.

Iran erklärte, der Beschluss des US-Kongresses sei mit dem Atomabkommen "unvereinbar".

Boeing-Chef Ray Carter sagte am 11. Juli, Einschränkungen der Geschäfte mit Iran würden US-Unternehmen gegenüber ausländischen Konkurrenten schwächen.

Ein weiterer Schritt zur Schwächung des Atomabkommens unternahm das US-Repräsentantenhaus, indem es ein Gesetz verabschiedete, das der Regierung von Präsident Obama verbieten soll, Schwerwasser aus Iran zu kaufen. 249 Abgeordnete stimmten für und 176 Abgeordnete dagegen. Auch dagegen wird Obama, wie angekündigt, sein Veto einlegen. Das Schwerwasser stammt aus der Anlage in Arak. Laut Abkommen sollte Iran den größten Teil des Bestands seines Schwerwassers verkaufen. Kürzlich hatte die US-Regierung 32 Tonnen davon für 8,6 Millionen Dollar gekauft.


SÜDKOREAS BOTSCHAFT KRITISIERT ZURÜCKHALTUNG DER BANKEN

Der Botschafter Südkoreas kritisiert die großen Banken, dass sie sich auch sechs Monate nach der Aufhebung der Sanktionen gegen Iran immer noch dem Land gegenüber zurückhalten. Kim Siung sagte auf einer Ausstellung in Teheran, die Banken seien nicht bereit, Gelder nach Iran zu transferieren. "Sogar wir sind gezwungen, unseren Etat für die Botschaft aus verschiedenen Ländern ins Land zu schmuggeln".

Kim forderte die westlichen Staaten auf, ihre Banken zu ermuntern, mit Iran Geschäfte zu machen.


DAIMLER LIEFERT LKW NACH IRAN

Einem Bericht der AFP vom 30. Juni zufolge wird Daimler noch in diesem Jahr LKWs der Marke Fuso nach Iran liefern. Spartenchef Wolfgang Bernhard sagte dem Onlineportal manager-magazin: "Das Geschäft werden wir nicht den Chinesen überlassen." Die Lieferung sei mit dem iranischen Partner Mammut bereits vertraglich unterzeichnet.

Unmittelbar nach der Aufhebung der Sanktionen gegen Iran im Januar dieses Jahres waren die Vertreter von Daimler nach Teheran geeilt, um möglichen Konkurrenten zuvor zu kommen. Dabei unterzeichnete LKW-Hersteller Daimler Trucks eine Absichtserklärung zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens. "Wir wollen zunehmend auf vor Ort produzierte Teile umsteigen - von Motoren über Getriebe und Achsen bis hin zu kompletten LKWs", sagte Bernhard im manager.magazin.de. Zwar sei Iran gegenwärtig finanziell noch nicht stark genug, um einen tatsächlichen wirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen. Aber die Aussichten auf die Zukunft seien gut, so wie in der Türkei, wo der Konzern im vergangenen Jahr 20.400 LKWs abgesetzt habe.

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AUSSENPOLITIK

• Iran und die Golfstaaten • Das Scheitern der Putschs in der Türkei begrüßt • Regierung in Berlin über innere Auseinandersetzungen in Iran besorgt • Terrorattentate verurteilt • Hunderttausend Raketen in Libanon richten sich gegen Israel • Argentinischer Richter stellt Antrag auf Verhaftung von Welayati • Anklage gegen vier Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft


IRAN UND DIE GOLFSTAATEN

Die Konflikte zwischen Iran und den arabischen Staaten, insbesondere mit Saudi-Arabien, spitzen sich weiter zu. Am 6. Juli warnte Revolutionsführer Ali Chamenei die Führung in Bahrain vor einem Bürgerkrieg. "Wir mischen uns in Angelegenheiten Bahrais nicht ein, das haben wir nie getan und das werden wir auch in Zukunft nicht tun. Aber wir möchten der Führung raten, die Auseinandersetzungen nicht zu einem Bürgerkrieg eskalieren zu lassen", sagte Chamenei. Die Führung in Bahrain sollte es unterlassen, das Volk zu spalten.

Bahrain hatte kurz nach Saudi-Arabien im vergangenen Winter die diplomatischen Beziehungen zu Iran abgebrochen. Das Land hat in jüngster Zeit den Druck auf die schiitische Minderheit verstärkt, unter anderem dem populären schiitischen Geistlichen Scheich Isa Ghassem die Staatsbürgerschaft entzogen. Diese Maßnahme hat in Iran heftige Proteste ausgelöst. Der legendäre General Ghassem Soleimani, Oberbefehlshaber der für Auslandseinsätze zuständigen Al-Kuds Brigade, sagte, sollte Bahrain die "rote Linie" überschreiten, werde es für die Menschen keine andere Wahl mehr geben, als "die Waffe in die Hand" zu nehmen. Das Ergebnis werde nichts anderes sein als "die Vernichtung des brutalen Regimes".

Nach Soleimani nahm auch Hassan Firusabadi, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Stellung. Der Herrscher von Bahrain sei einer, der seine Offiziersausbildung bei den Briten und den Amerikanern absolviert habe. Mit der Unterstützung beider Staaten und dem militärischen Beistand Saudi-Arabiens habe er Bahrain in ein Gefängnis verwandelt, in dem gefoltert werde."

Schiiten bilden in Bahrain die Mehrheit der Bevölkerung, doch das Land wird von Sunniten beherrscht. Bahrain behauptet, dass die Schiiten unter dem Einfluss Irans stehen, was von den Führern der Schiiten bestritten wird. Eine Rebellion der Schiiten während des so genannten arabischen Frühlings wurde mit militärischer Unterstützung Saudi-Arabiens blutig niedergeschlagen.

Auf Regierungsebene versucht Iran versöhnliche Töne anzuschlagen. So hat Iran die Terroranschläge vom 5. Juli in Saudi-Arabien verurteilt. "Es gibt keine rote Linien mehr, die die Terroristen noch überschreiten könnten" twitterte Außenminister Mohammad Dschawad Sarif. Schiiten und Sunniten sollten, wenn sie nicht weiterhin Opfer sein wollten, zusammenhalten. Und der Sprecher des Außenministeriums erklärte: "Es gibt keine andere Lösung, als die Schaffung einer regional und international vereinten Front gegen ihn."

Eine scharfe Reaktion kam aus Teheran wegen der Teilnahme eines saudischen Prinzen an einer Protestveranstaltung der oppositionellen Volksmodschahedin. Der ehemalige Geheimdienstchef Saudi-Arabiens, Prinz Turki al-Faisal plädierte auf der Veranstaltung in Paris für den Sturz der Islamischen Republik. Seine Rede wurde von dem arabischen Sender Al-Arabia direkt übertragen. Interessant war, dass an dieser Veranstaltung Politiker sowohl aus den USA als auch aus einigen Staaten der EU teilgenommen hatten. Wie Prinz Turki bekleiteten die meisten von ihnen kein offizielles Amt, waren aber ehemals Träger hoher Ämter. Besondere Aufmerksamkeit richtete sich auf den Prinzen, weil die Äußerungen eines der einflussreichsten Männer in Saudi-Arabien als eine offizielle Stellungnahme des Königsreichs gedeutet werden könnte. So wurden auch in Teheran seine Worte wahrgenommen. Ebenso bemerkenswert war, dass die oppositionellen Volksmodschahedin, die früher Jahre lang mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein zusammengearbeitet hatten, auch zu der Zeit als Saddam Hussein gegen Iran Krieg führte, nun offenbar zu der Front hinzugestoßen zu sein scheinen, die unter der Führung Saudi-Arabiens gegen Iran entstanden ist.

Turki sprach von der Kultur der vorislamischen Zeit in Iran, von der Islamisierung Irans, davon, dass die Iraner die arabische Schrift benutzen. Den heutigen Iran bezeichnete er als ein isoliertes Land, das den Export der Revolution anstrebe und unter der Parole der Solidarität mit den Schwachen und Habenichtsen den Terrorismus im Irak, Libanon, in Syrien und Jemen verbreite. Das Regime unterdrücke nicht nur seine Gegner, sondern auch ethnische Minderheiten wie Kurden, Araber, Aseries, Turkmenen ebenso wie religiöse Minderheiten wie Sunniten, Ismailiten, Bahais und Juden, sagte Turki. Doch es gebe nun immer mehr Widerstände in verschiedenen Teilen des Landes. "Wir stehen bei der Befreiung eures Volkes an eurer Seite und bitten Gott um Beistand, damit das iranische Volk seine Rechte erlangt", sagte der Prinz.

Die Äußerungen des Prinzen lösten in Teheran Entrüstung aus. Das Teheraner Außenministerium verurteilte die Worte Turkis auf das Schärfste. Zudem wurde der Botschafter Frankreichs ins Außenministerium einbestellt, weil Paris eine Veranstaltung, auf der der Sturz der Islamischen Republik gefordert wurde, erlaubt hatte.

Am 16. Juli erklärte der Chef der Marine der Revolutionsgarden, General Ali Ghadawi: "Wir sind in der Lage, Saudi-Arabien zerstörende Schläge zu erteilen, aber unser wirklicher Feind ist Amerika." Saudi-Arabien und andere Mitglieder des Golfkooperationsrats seien nicht in der Lage, gegen die militärische Macht Irans Widerstand zu leisten. Das sei diesen Staaten auch bewusst. Um von der Feindschaft Irans gegen die USA abzulenken, versuchten die USA, Israel und Saudi-Arabien den Eindruck zu erwecken, als sei Saudi-Arabien der eigentliche Feind Irans.

Ähnlich äußerte sich der Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden, General Mohammad Ali Dschafari, Saudi-Arabien und einige andere arabische Staaten seien zu den Feinden Irans gestossen, sagte er am 21. Juli vor einer Versammlung der Kommandanten der Revolutionsgarden. "Die Feinde der Islamischen Republik versuchen, alles einzusetzen, um in Iran Unsicherheit zu verbreiten. Doch unsere militärischen Kräfte sind in der Lage, alle diese Versuche zu vereiteln." Der General sagte weiter, nach dem erfolgreichen Abschluss des Atomabkommens seien die Befürchtungen in den arabischen Staaten gestiegen, Iran könnte seinen Einfluss in der Region vergrößern. Dadurch sei die Lage gefährlicher geworden. Sie fordere größere Aufmerksamkeit und größere Anstrengungen, um die Revolution zu verteidigen. Es gäbe Versuche, die Aufgaben der Revolutionsgarden auf das Militärische einzuschränken. "Aber die Garden haben nicht nur militärische Aufgaben, sie sind Hüter der Revolution", sagte Dschafari.

In einem Interview mit Euronews vom 22. Juli drohte der saudische Außenminister Adel al-Dchubeir der Islamischen Republik. Mehr als dreißig Jahre Einmischung in innere Angelegenheiten Saudi-Arabiens und seinen Verbündeten seien genug, sagte der Minister. "Das werden wir nicht länger dulden." Auch er warf Iran vor, die Hisbollah in Libanon und Terroristen im Iran und Syrien zu unterstützen und den Huthis in Jemen Waffen zu liefern.

In einer Stellungnahme zu al-Dschubeirs Äußerungen sagte der Sprecher des Teheraner Außenministeriums, Bahram Ghassemi, der Minister sollte seine Worte abwägen, bevor er sie ausspreche. "Immer wenn der saudische Außenminister Niederlagen erleidet, findet er komische Worte gegen Iran. Und er glaubt, mit diesen Worten von der Tatsache ablenken zu können, dass Saudi Arabien der Vater von Al Qaida und Islamischer Staat ist."

Am 22. Juli gab das Innenministerium von Bahrain die Festnahme von fünf "Terrorverdächtigen" bekannt, die den Angaben des Ministeriums zufolge von den Revolutionsgarden in Iran und der Hisbollah im Irak ausgebildet worden seien. Bei der Festnahme seien auch Waffen und Munition beschlagnahmt worden. Die Verdächtigen hätten Terroranschläge an mehreren Orten in Bahrain geplant. Über die Staatsangehörigkeit der Festgenommenen erteilte das Ministerium keine Angaben. Doch allem Anschein nach handelt es sich bei sämtlichen fünf Inhaftierten um Staatsbürger von Bahrain. Die Polizei sei weiter auf der Suche nach möglichen Komplizen.

Am 24. Juli berichteten die Agenturen von einem überraschenden Treffen eines saudischen Generals mit israelischen Politikern in Israel. Das bestätigte auch laut BBC das israelische Außenministerium. Emmanuel Nahshon, Sprecher des Ministeriums, sagte, der saudische General Anwar Eschghi habe sich mit Dore Gold, Unterstaatssekretär im israelischen Außenministerium im Hotel King David in Westjerusalem getroffen. Zum Thema und Inhalt des Gesprächs gab Nahshon keine Informationen.

Den israelischen Medien zufolge hat General Eschghi auch den Koordinator militärischer Aktivitäten der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen und Westjordanland, General Yoav Mordechai, getroffen. Zwei Tage zuvor hatte die Zeitung Haaretz ein Foto veröffentlicht, auf dem neben dem saudischen General einige Mitglieder der Knesset zu sehen waren.

Der Besuch des saudischen Generals war zwar nicht offiziell, dennoch höchst ungewöhnlich. Israel und Saudi-Arabien hatten niemals diplomatische Beziehungen. Riad hat sich stets geweigert, Israel anzuerkennen. Doch seit einigen Monaten scheint die Furcht vor der Zunahme des iranischen Einflusses in der Region, die beiden Staaten einander näher gebracht zu haben. Zweck dieser Annäherung sei der Austausch von Informationen, heißt es in offiziellen Stellungnahmen.

Indes haben vier arabische Staaten im Vorfeld zum arabischen Gipfel in Mauretanien, vor der "Zunahme der Einmischung Irans in Angelegenheiten der Region" gewarnt. "Widerstand gegen die Drohungen aus Iran" ist auch das Hauptthema bei dem Gipfel.

Die Außenminister der vier Staaten, Saudi-Arabien, Arabische Emirate, Ägypten und Bahrain haben in einer gemeinsamen Erklärung vor der "vielseitigen und ernstzunehmenden Einmischung Irans in Angelegenheiten arabischer Staaten und provokativen Äußerungen gegen diesen Staaten" gewarnt. Zudem forderten sie Iran auf, "ab sofort die Unterstützung terroristischer Organisationen" zu beenden. Die Minister verurteilten Iran auch wegen der "Besatzung der drei Inseln im Persischen Golf, Abu Musa, Großtomb und Kleintomb". Iran hat stets die Besitzansprüche der Arabischen Emirate auf diese Insel zurückgewiesen und seinerseits diese Inseln als Teil des eigenen Territoriums betrachtet.


DAS SCHEITERN DER PUTSCHS IN DER TÜRKEI BEGRÜßT

Präsident Hassan Rohani und Parlamentspräsident Ali Laridschani haben das Scheitern des Militärputsches in der Türkei begrüßt. In einem Telefongespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan sagte Rohani laut Webseite des Präsidialamts: "Wir freuen uns, dass unter Ihrer klugen Führung und durch den Widerstand der Bevölkerung, in der Türkei wieder Stabilität und Sicherheit hergestellt worden sind." Den Widerstand der Anhänger der Präsidenten gegen die Putschisten bezeichnete Rohani als "Verteidigung der Demokratie und Loyalität gegenüber der gewählten Regierung" und fügte hinzu, die türkische Bevölkerung habe bei diesem Putsch wieder einmal ihre politische Reife gezeigt und bestätigt, dass gewaltsame Methoden zur Durchsetzung politischer Ziele nicht zum erwünschten Ergebnis führen. Die Islamische Republik sei vom ersten Augenblick an gegenüber den Putschisten nicht gleichgültig gewesen und habe die Entwicklung genau verfolgt. "Ihr Appell an das türkische Volk in den ersten Stunden, auf den Straßen Präsenz zu zeigen, spendete für uns Zuversicht." Die Türkei habe aus der Sicht der Islamischen Republik eine herausragende Stellung. Ruhe und Sicherheit in der Türkei verstärkten Stabilität und Sicherheit in der gesamten Region.

Ohne einen Staat beim Namen zu nennen, sagte Rohani: "Wir haben keinen Zweifel daran, dass einige Großmächte sowie Terroristen nicht wünschen, dass in den Ländern der Region Stabilität und Sicherheit herrschen. "Der jüngste Putsch in Ihrem Land bot Ihnen eine Gelegenheit, Ihre Freunde im In- und Ausland zu testen", sagte Rohani.

Bei einer Rede in des westiranischen Stadt Kermanschah am 17. Juli verurteilte Rohani den Militärputsch in der Türkei und sagte: "Kanonen und Panzer können wahre demokratisch gewählte Regierungen nicht mehr stürzen. ... Die Zeiten sind vorbei." Einige seien immer noch der irrigen Meinung, ein Machtwechsel ließe sich mit Gewalt erreichen. Sie sollten aber endlich begreifen, dass nur das Volk bei Wahlen über die Macht entscheiden könne.

Auch Parlamentspräsident Ali Laridschani brachte in einem Telefonat mit dem türkischen Parlamentspräsidenten Ismail Ghahreman seine Freude über das Scheitern des Militärputsches zum Ausdruck. Die Islamische Republik habe bereits in den ersten Stunden den "irrsinnigen Putsch" verurteilt und ihre Solidarität mit dem türkischen Volk und der türkischen Regierung sowie mit der nationalen Souveränität der Türkei und dem Prozess der Demokratie in diesem Land bekundet.

"Zum Glück hat das großartige islamische Volk in der Türkei bei diesem Vorfall viel Mut gezeigt", sagte Laridschani weiter. Auch die politischen Parteien hätten den Putsch verurteilt. Laridschani betonte die Solidarität der Islamischen Republik mit dem türkischen Volk und der türkischen Regierung und sagte: "Fremde Mächte versuchen immer wieder, gegen die islamischen Länder vorzugehen, mit dem Ziel, deren Entwicklung aufzuhalten. Leider lassen sich auch einige Staaten (der Region) für dieses Ziel instrumentalisieren."

"Wir unterstützen die vom türkischen Volk demokratisch gewählte Regierung und verurteilen den Putsch", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Keywan Chosrawi, laut IRNA am 16. Juli. Die Entwicklung in der Türkei werde vom Rat genau beobachtet und eine Krisensitzung, geleitet von Präsident Rohani, werde die Lage analysieren. Zudem sei Außenminister Mohammad Dschawad Sarif im ständigen Kontakt mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu. Sarif hatte sich während der Nacht vom 15. auf den 16. Juli auf Twitter über die Lage in der Türkei sehr besorgt gezeigt. "Ein Militärputsch hat in unserer Region nichts zu suchen", notierte der Außenminister. Einem Bericht der Agentur Fars zufolge wurden am 16. Juli zwei Grenzübergänge zur Türkei geschlossen.


REGIERUNG IN BERLIN ÜBER INNERE AUSEINANDERSETZUNGEN IN IRAN BESORGT

Laut einem Bericht der Agentur Reuters vom 8. Juli zeigte sich die Bundesregierung besorgt über innere Auseinandersetzungen in Iran. Es gebe "erhebliche Kräfte", die die Umsetzung des Atomabkommens sowie die Bemühungen um die Normalisierung der Beziehungen zum Westen zu torpedieren versuchten, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Berlin. Zwar genieße die Regierung von Präsident Rohani, mit der das Atomabkommen vereinbart worden sei, das volle Vertrauen der Bundesregierung. "Aber wir sehen gleichzeitig auch, dass es durchaus ein innenpolitisches Gerangel in Iran gibt über den Kurs, den das Land in der Zukunft nehmen soll", zitiert Reuters den Sprecher.


TERRORATTENTATE VERURTEILT

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif hat den blutigen Terroranschlag gegen die schiitische Minderheit der Hasara in Afghanistan scharf verurteilt. "Das terroristische Attentat in Afghanistan ist ein neuer Akt der Barbarei von Daesch (Islamischer Staat)", sagte er am 24. Juli. Er forderte die Muslime aller Konfessionen zur Einheit auf. "Schiiten und Sunniten müssen sich vereinen, um die Extremisten zu besiegen", sagte der Außenminister.

Bei dem Anschlag gegen die schiitischen Hasaren, die in der Hauptstadt Kabul einen Protestmarsch gegen die Route einer Stromleitung veranstaltet hatten, kamen 80 Menschen ums Leben, 231 Personen wurden verletzt. Zu dem Anschlag bekannte sich der so genannte Islamische Staat. Offensichtlich haben sich die IS-Terroristen nun auch in Afghanistan Zugang verschafft. Der IS, der eine extreme Auslegung des sunnitischen Islam vertritt, betrachtet die Schiiten als Abtrünnige, die es zu töten gilt. Iran unterstützt die Schiiten in Afghanistan.

Teheran hat auch den Terroranschlag in München, der durch einen eingebürgerten Deutschen mit iranischer Abstammung verübt wurde, verurteilt. "Wir trauern mit dem deutschen Volk und der Regierung und verurteilen die Ereignisse in München", sagte der Sprecher des Außenministeriums Bahram Ghassemi am 23. Juli. Er bezeichnete den Terrorismus als einen "Schandfleck der heutigen Zeit". Er forderte alle Länder auf, gemeinsam gegen die Terroristen vorzugehen. Zu der iranischen Abstammung des Täters äußerte sich der Sprecher nicht.

Nach dem Anschlag in Nizza forderte Iran alle Staaten zum gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus auf. "Wir sind tief bestürzt und unsere Gedanken sind in erster Linie bei den Opfern dieses Terroranschlags, deren Angehörigen, dem Volk und der französischen Regierung", erklärte Bahram Ghassemi, Sprecher des Außenministeriums am 15. Juli. Der Terrorismus sei ein "teuflisches Phänomen ohne Grenzen", er könne nur gemeinsam bekämpft werden.


HUNDERTTAUSEND RAKETEN IN LIBANON RICHTEN SICH GEGEN ISRAEL

General Hossein Salami, Vizebefehlshaber der Revolutionsgarden sagte am 1. Juli beim Freitagsgebet in Teheran, allein in Libanon seien Hunderttausend Raketen abschussbereit gegen Israel. "Zehntausende Langstreckenraketen sind an verschiedenen Orten der islamischen Welt aufgestellt, bereit für den Befehl, Israel aus der Welt verschwinden zu lassen", sagte der General.

Anlass der Rede war der Al-Kuds-Tag, der jedes Jahr am Ende des Fastenmonats zur Solidarität mit dem palästinensischen Volk veranstaltet wird.

Die libanesische Hisbollah hat in diesem Jahr überraschenderweise aus Sicherheitsgründen die Zeremonien zum Al-Kuds-Tag ausfallen lassen.


ARGENTINISCHER RICHTER STELLT ANTRAG AUF VERHAFTUNG VON WELAYATI

Ein argentinischer Richter beantragte am 20. Juli bei der Justiz in Singapur und Malaysia, den früheren iranischen Außenminister Ali Akbar Welayati festzunehmen und ihn an Argentinien auszuliefern. Welayati ist gegenwärtig außenpolitischer Berater des iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei. Laut iranischen Agenturen befand sich Welayati auf der Reise zur Teilnahme an einer Regionalkonferenz dieser Staaten.

Welayati wird beschuldigt, an dem Attentat von 1994 in Buenos Aires gegen das Amia-Gebäude, eine Zentrale der jüdischen Gemeinde, bei dem 87 Personen ums Leben kamen, beteiligt gewesen zu sein. Es war der schwerste Anschlag in der Geschichte Argentiniens. Damals war er Außenminister. Welayati selbst und auch die iranische Regierung insgesamt bestritten, an dem Attentat beteiligt gewesen zu sein.

Das Attentat richtete sich gegen die jüdische Gemeinde in Buenos Aires. Neben den Toten gab es auch 150 Verletzte. Schon seit Jahren werden die Islamische Republik und die libanesische Hisbollah für den Anschlag verantwortlich gemacht. Ein argentinisches Gericht hatte 2007 im Zusammenhang mit dem Attentat gegen Welayati und den damaligen Staatspräsident Haschemi Rafsandschani Haftbefehl erlassen.

Offenbar wurde die Verfolgung der Täter, soweit es jene aus der Islamischen Republik betraf, durch die damalige argentinische Regierung wegen Geschäfte mit Iran behindert. 2015 klagte Staatsanwalt Alberto Nisman die amtierende Staatspräsidentin Christina Kirchner deswegen an. Just an dem Tag, an dem er die Anklage im Parlament erläutern sollte, wurde er vor seiner Wohnung erschossen. Sein Nachfolger, Gerardo Pollicita, wertete die Unterlagen aus und klagte im Februar 2015 Kirchner an. Doch ein Revisionsgericht erklärte die Akte für geschlossen.


ANKLAGE GEGEN VIER PERSONEN MIT DOPPELTER STAATSBÜRGERSCHAFT

Staatsanwalt Mahmud Dschafari Dolatabadi gab am 11. Juli bekannt, dass die Anklageschriften gegen Nasanin Saghri-Ratcliffe, Homa Hoodfar, Siamak Namasi und Nesar Saka fertiggestellt worden seien. Alle vier Personen besitzen neben der iranischen, die Staatsangehörigkeit eines weiteren Staates.

Sagheri-Ratcliffe, Projektmanagerin bei der Thomson Reuters Stiftung, besitzt die britische Staatsangehörigkeit. Sie lebt seit Jahren in Großbritannien, wurde im März dieses Jahres, als sie mit ihrer zweijährigen Tochter nach England zurückfliegen wollte, auf dem Flughafen festgenommen. Der Grund ihrer Verhaftung ist nicht bekannt. Die Umstände seien geheim, er könne darüber keine Auskunft geben, sagte der Staatsanwalt.

Die 65-jährige Anthropologin Hoodfar ist emeritierte Professorin. Sie lebt in Kanada und besitzt die Staatsbürgerschaft des Landes. Sie wurde im Juni, zwei Tage vor ihrem Abflug aus Iran, in der Wohnung, in der sie sich vorübergehend aufhielt, festgenommen. Ihr Laptop, Reisepass, Bücher, Handy und Unterlagen wurden beschlagnahmt. Ihr wurde mitgeteilt, dass sie Ausreiseverbot habe.

Siamak Namasi, Wirtschaftsberater, ist die dritte Person, gegen die Anklage erhoben wurde. Er besitzt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Er ist in der Ölindustrie tätig. Seine Festnahme erfolgte im vergangenen November während eines Besuches in der Heimat.

Nesar Saka wurde im September vergangenen Jahres verhaftet. Er war der Einladung der iranischen Regierung zur Teilnahme an einer Tagung gefolgt. Er hat neben der iranischen, auch die libanesische Staatsbürgerschaft. Die Agentur Tasnim schrieb nach Sakas Festnahme, er habe geheimdienstliche und militärische Verbindungen zu den Vereinigten Staaten, zum Pentagon und der CIA.

Am 24. Juni gab der Sprecher der Justiz, Gholamhossein Mohsseni Ejehi, eine weitere Festnahme bekannt. Demnach wurde der amerikanische Staatsbürger iranischer Abstammung, Rabin Schahini, in der im Norden gelegenen Stadt Gorgan während des Besuches seiner Angehörigen festgenommen. Den Grund der Verhaftung gab Ejehi nicht bekannt.

Die Familie Schahinis, die in San Diego lebt, hatte eine Woche zuvor der Presse gegenüber erklärt, Rabin sei vor längerer Zeit festgenommen worden. Er habe vor zwei Monaten seine Verwandten in Iran besucht, wurde in Gorgan festgenommen und zu einem unbekannten Ort gebracht.

Ejeh sagte, ohne den Namen des Gefangenen zu nennen, er sei zwar in Gorgan festgenommen worden, sein Fall werde jedoch in Teheran behandelt. Das Teheraner Außenministerium erklärte am 21. Juli, es sei dabei, über den Fall Informationen zu sammeln.

Die Freundin von Schahini sagte der AP, sie befürchte, dass der 46-jährige Rabin in Haft genommen worden sei, weil er in den sozialen Netzen die Menschenrechtspolitik der Islamischen Republik kritisiert habe.

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Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann
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15. Jahrgang

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2016

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