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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/399: Iran-Report Nr. 12 - Dezember 2017


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 12 - Dezember 2017
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Sieg der Gemäßigten über Konservative
• Sunniten protestieren gegen Benachteiligung
• Über zwei Millionen Iraner pilgerten in den Irak
• Neues Gesetz zum Kampf gegen Drogenkriminalität
• Ahmadinedschad greift iranische Führung an


SIEG DER GEMÄßIGTEN ÜBER KONSERVATIVE

Die Gemäßigten und Reformer haben über die Konservativen einen wichtigen Sieg errungen. Wochenlang dauerte der Streit zwischen den Fraktionen. Anlass war die Wiederwahl des Lokalpolitikers Sepanta Niknam in der Stadt Yasd im Zentraliran. Niknam war vier Jahre lang Mitglied des Stadtrats. Doch sein Rivale, der Hardliner Ali Asghar Bagheri, protestierte gegen die Wiederwahl. Das Verwaltungsgericht gab ihm Recht und sprach Niknam das Recht ab, sein Mandat wahrzunehmen. Als Grund gab es an, Niknam sei Zoroaster und gehöre einer religiösen Minderheit an. Das Gericht stützte sich dabei auf ein Votum des erzkonservativen Wächterrats. Demnach dürfen Angehörige religiöser Minderheiten in Städten, deren Einwohner mehrheitlich Muslime sind, nicht in den Stadtrat gewählt werden.

Dieser Ansicht widersprach Parlamentspräsident Ali Laridschani. Die Annullierung der Wiederwahl Niknams sei illegal, sagte er. Sie stehe im Widerspruch zu der Verfassung der Islamischen Republik. Dagegen nahm Mohammad Yasdi, Mitglied des Wächterrats, Stellung. "Auch ein Parlamentspräsident kann sich nicht erlauben, Unsinn zu reden", sagte er. Die Mitglieder des Wächterrats hätten der Annullierung einstimmig zugestimmt. "Das ist eine juristische und religiöse Entscheidung. Sie ist endgültig und kann von niemandem geändert werden", betonte Yasdi. Jeder Widerstand gegen diese Entscheidung sei gleichzusetzen mit Widerstand gegen die Fundamente der Islamischen Republik und könne daher nicht akzeptiert werden.

Dem widersprach Präsident Rohani. Zu dem Fall Niknam gebe die Verfassung eine klare Antwort, sagte er am 6. November bei einem Treffen mit Mitgliedern des Teheraner Stadtrats. Darin seien die Rechte der Bürger festgelegt. "Ich werde, wie ich dem Volk versprochen habe, diese Rechte verteidigen. Das war so und es wird auch so bleiben." Der Stadtratsmitglied Hassan Chalilabadi sagte nach dem Treffen der Presse, Rohani habe im Zusammenhang mit dem Fall Niknam ein Schreiben an Revolutionsführer Chamenei geschickt. Die für Frauen und Familie zuständige Vizepräsidentin Masumeh Ebtekar dementierte diese Aussage. Ein solches Schreiben des Präsidenten sei ihr nicht bekannt, sagte sie in einem Interview mit der Zeitung Farhichtegan. Sie fügte hinzu: Niknam habe vier Jahre lang eine gute Arbeit geleistet und dies sei von der Bevölkerung in Yasd honoriert worden. Der Fall sei sensibel und müsse mit Bedacht gelöst werden.

Am 8. November erklärte Rohanis Stabchef Mahmud Waesi, das Parlament und die Justiz hätten sich geeinigt. Niknam könne in den Stadtrat zurückkehren. "Solange die Gesetze nicht geändert werden, können Leute wie Niknam wie bisher ihre Arbeit fortsetzen", sagte er. Das Gesetz, dem auch der Wächterrat bereits vor Jahren zugestimmt hatte, besagt, dass Angehörige religiöser Minderheiten in den Stadtverwaltungen Ämter ausüben können, solange sie ihre eigene Religion pflegen.

Die Aufhebung des Verbots können die Gemäßigten und Reformer als einen Sieg über die Konservativen und Hardliner für sich verbuchen. In den sozialen Netzwerken wurde die Aufhebung mit großer Begeisterung begrüßt.


SUNNITEN PROTESTIEREN GEGEN BENACHTEILIGUNG

Während in der ganzen Region die Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten eskalieren, warnte der Imam der Sunniten in der im Osten Irans gelegene Stadt Sahedan, Hauptstadt der Provinz Belutschistan, vor Konflikten zwischen Schiiten und religiösen Minderheiten in Iran. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Isna sagte Molawi Abdolhamid, der Islamische Staat (IS) habe in der Provinz Belutschistan nicht Fuß fassen können, weil die Sunniten wachsam gewesen seien. Nun sollten beide Fraktionen in Iran (Konservative und Reformer) ihr Verhalten gegenüber den Sunniten in Iran ändern.

Grund der Aufforderung und Warnung ist die Unterdrückung und Benachteiligung, die die sunnitische Minderheit in Iran zu erdulden hat. Sunniten werden bei den Behörden schwerer eingestellt als Schiiten und sie sind in führenden Positionen nicht vertreten, weder national, noch regional. Sie beklagen sich darüber, dass sie über keine eigene Moschee in der Hauptstadt Teheran verfügen. Der einzige Gebetsraum, den es früher gegeben habe, sei vor zwei Jahren zerstört worden.

Er habe Präsident Rohani geraten, in sein Kabinett unbedingt Frauen und Sunniten aufzunehmen, sagte Abdolhami. Das sei aber nicht geschehen. "Wieso sollen Frauen nicht in der Lage sein, ein Ministerium zu führen. Wenn es Vizeministerinnen gibt, kann es auch Ministerinnen geben."

Über all dies hatte sich Abolhamid bereits kürzlich in einem Schreiben an den Revolutionsführer Ali Chamenei beklagt. War das Interview nun eine letzte Warnung? "Die Benachteiligungen könnten die Sicherheit des Landes gefährden", sagte er in dem Interview. Ihre Beseitigung sei im Interesse der gesamten Nation.

Auf das Schreiben Abdolhamids hatte Chamenei durch seinen Büroleiter Mohammad Golpajgani geantwortet. Darin wird bestritten, dass es in Iran Ungleichheiten gebe. "Alle Instanzen der Islamischen Republik sind verpflichtet, auf der Basis der Grundsätze des Islam und der Verfassung der islamischen Republik, jede Art von Benachteiligungen der iranischen Staatsbürger, gleichgültig welcher Religion oder Ethnie sie angehören, zu unterbinden. Wir sind entschieden davon überzeugt, dass alle Menschen in unserem Land in einer geschlossenen Reihe die Würde unseres Staates verteidigen und es nicht zulassen, dass die Feinde unseres Landes und die mit ihnen verbundenen Ehrlosen unsere Gesellschaft spalten."

Abdolhamid begrüßte die Stellungnahme des Revolutionsführers. "Möglicherweise wird die Umsetzung dieser Richtlinien sich verzögern. Aber die in dem Schreiben enthaltenen Anweisungen sind in der Tat so eindeutig, dass sie nicht ignoriert werden können", sagte er.


ÜBER ZWEI MILLIONEN IRANER PILGERTEN IN DEN IRAK

Nach offiziellen Angaben sind mehr als zwei Millionen Gläubige zur Teilnahme an dem Arbain-Fest in den Irak gepilgert. Wie das Komitee zur Organisierung der Pilgerfahrten am 8. November bekannt gab, hätten bereits 2,2 Millionen Pilger die Grenzen zum Irak überquert.

Arbain ist der 40. Tag nach Aschura, dem Tag, an dem Imam Hussein, ein Enkel des Propheten Mohammed, in der Schlacht von Kerbela gegen den Umayyaden-Kalifen Jasid den Märtyrertod starb. Der Darstellung der Schiiten zufolge war Hussein in diese Schlacht gegangen, obwohl diese für ihn und seinen Getreuen völlig aussichtslos gewesen sei. Er habe sich für den Islam geopfert, heißt es. Für die Schiiten ist diese Überlieferung eine Hauptquelle der Märtyrerideologie. Die Schlacht von Kerbela, am 10. Oktober 680 nach Christus, spielt auch eine wichtige Rolle bei dem Prozess, der zur Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten führte.

Die Stadt Kerbela liegt in der gleichnamigen Provinz nahe dem Euphrat, etwa 80 Kilometer südlich der Hauptstadt Bagdad.


NEUES GESETZ ZUM KAMPF GEGEN DROGENKRIMINALITÄT

Das neue Gesetz, das Todesurteile gegen Drogendealer reduzieren soll, ist am 14. November in Kraft getreten. Doch, wie bereits bei der Debatte über die Gesetzesvorlage, sprach sich das Amt für den Kampf gegen Drogenkriminalität gegen das Gesetz aus. Als Begründung gab es an, das neue Gesetz werde "den Zugang zu und den Konsum von Drogen erleichtern."

Das neue Gesetz schreibt vor, dass Produzenten und Dealer von Drogen nur dann zum Tode verurteilt werden sollen, wenn sie mehr als 50 Kilogramm Opium, zwei Kilogramm Heroin oder drei Kilogramm Crystal besitzen. Zuvor wurden Besitzer von mehr als fünf Kilogramm Opium und 30 Gramm Heroin oder Crystal mit dem Tod bestraft.

Das neue Gesetz ist auch rückwirkend gültig, so dass mindestens 4.000 bereits zum Tode Verurteilte, mildere Strafen erhalten werden.

Jahja Kamalipur, Vizevorsitzender des Rechts-Ausschusses im Parlament, der zu den eifrigsten Verfechtern des neuen Gesetzes gehört, sagte: "Ich war zwanzig Jahre lang Richter. Ich bin über die Lage der Gefangenen und ihrer Angehörigen bestens informiert. 90 Prozent der zum Tode Verurteilten haben ein schweres Schicksal hinter sich. Sie haben kein Geld, um eine Aussteuer für ihre Tochter zu kaufen oder eine Operation ihrer Mutter zu bezahlen. Daher riskieren sie durch Drogenschmuggel ihr Leben. Nicht sie, sondern die eigentlichen Drogendealer verdienen die Todesstrafe."

Auch nach dem neuen Gesetz werden jene Dealer, die Waffen besitzen, in Drogenhandel investieren oder Jugendliche unter 18 Jahren für den Drogenschmuggel einsetzen, mit dem Tod bestraft.

Über das neue Gesetz wurde über eine lange Zeit kontrovers im Parlament debattiert. Auch zwischen der Justiz, dem Wächterrat und der Regierung gab es heftige Debatten. So wurde die ursprüngliche Vorlage, die noch stärker zugunsten der Straftäter war, auf Druck der Gegner abgeändert.

Während der Debatte hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International das Parlament aufgefordert, die Todesstrafe gänzlich abzuschaffen.


AHMADINEDSCHAD GREIFT IRANISCHE FÜHRUNG AN

Den Berichten iranischer Medien zufolge hat Ex-Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad scharfe Kritik gegen die Staatsführung der Islamischen Republik, namentlich gegen den Justizchef und den Parlamentspräsidenten, geübt. "Das iranische Volk wird euch beide schon rechtzeitig absetzen", sagte er am 16. November in der Abdolasim Moschee südlich von Teheran. Dort befanden sich sein ehemaliger Vize, Hamid Baghai, der frühere Schatzmeister, Habibollah Chorasani, und sein Pressesprecher, Ali Akbar Dschawanfekr, im Sitzstreik. Sie waren am Vortag zu einem Gerichtstermin bestellt, weigerten sich jedoch diesen wahrzunehmen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Korruption und Veruntreuung von Staatsgeldern vor.

Die drei früheren Mitarbeiter Ahmadinedschads veröffentlichten eine Erklärung, in der sie scharfe Kritik gegen Justizchef Sadegh Laridschani übten. Laridschani habe stets versucht, die damalige Regierung von Ahmadinedschad zu schwächen und auch jetzt setze er seinen Rachefeldzug gegen Mitarbeiter des früheren Präsidenten fort. Sie baten Revolutionsführer Ali Chamenei, den früheren Justizchef Haschemi Schahrudi zu beauftragen, sich mit den Vorwürfen zu beschäftigen. "Sollten die Vorwürfe gegen uns zutreffen, so sind wir bereit, die höchste Strafe zu akzeptieren. Sollten sie aber nicht zutreffen, müssen all jene, die für die gerichtliche Verfolgung verantwortlich sind, von ihren Posten abgesetzt und bestraft werden."

Ahmadinedschad gesellte sich aus Solidarität zu den Streikenden. "Wenn ihr gegen meine Mitarbeiter vorgehen wollt, müsst ihr erst über meine Leiche gehen", sagte er vor Journalisten. Der inzwischen 61-Jährige führte von 2005 bis 2013 die Regierung.

Nach Darstellung der Anhänger von Ahmadinedschad soll eine Gruppe am späten Abend des 17. November versucht haben, die Moschee zu stürmen und die Streikenden dort herauszuholen. Die Webseite Bahar, die Ahmadinedschad unterstützt, berichtete, dass es Schlägereien und Verletzte gegeben habe.

Am 19. November beendeten die drei Politiker "vorläufig" ihren Sitzstreik mit der Begründung, sie wollten verhindern, dass die Würde der Moschee von dem "Mob" verletzt werde. Ahmadinedschad erklärte, er werde weiterhin seine früheren Mitarbeiter unterstützen. Zwar sei für "Entrechtete" der "legale Weg versperrt", doch die Unterstützung von Menschen, denen Unrecht widerfahren ist, sei eine menschliche und religiöse Pflicht.

Ahmadinedschad bezeichnete die iranische Justiz als "Diktatur". Die Justiz habe versucht, einen Mitarbeiter von Baghai anzuheuern. Er habe falsche Geständnisse ablegen sollen, sagte er. "Haben wir die Revolution gemacht, um solch eine Justiz zu bekommen? (...) Sie (die Justiz) sagt, überlasst mir das Land, dann wird alles richtig. Das sagt jeder Diktator." Die Justiz habe unbegrenzte Befugnisse, sogar mehr als der Revolutionsführer. "Keiner kontrolliert sie." Wenn man gegen die Justiz klagen wolle, müsse man die Klage bei der Justiz einreichen. "Wer seid ihr denn, dass ihr euch über das Gesetz und über das Volk stellt? Wenn wir eine diktatorische Justiz gewollt hätten, hätten wir keine Revolution zu machen gebraucht. Die gab es auch vorher."

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KULTUR

• Größte Ausstellung afghanischer Kunst in Teheran
• "Stimmen aus Teheran"
• Studierende sollen sich nicht blind verlieben
• Sanktionen gegen Mitarbeiter der BBC dauern an
• Weniger Einschränkungen im Internet
• Deutsch-iranische Künstlerin auf der Anklagebank


GRÖßTE AUSSTELLUNG AFGHANISCHER KUNST IN TEHERAN

53 afghanische Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt stellten ihre Werke im Teheraner Kulturhaus Niyawaran aus. Die Ausstellung, die am 3. November eröffnet wurde, enthält 140 Kunstwerke, darunter Gemälde, Skulpturen, Videos, Fotos und kaligraphische Werke. Titel der Ausstellung lautet "Nimrus". So heißt eine Provinz in Afghanistan und dies bedeutet zugleich "Mittag".

Die Ausstellung soll das durch Krieg, Terror, Gewalt und Armut verzerrte Bild Afghanistans korrigieren und einen Eindruck vom Denken und Fühlen der Menschen in dem Nachbarland vermitteln. Allerdings können auch die ausgestellten Kunstwerke nicht die seit Jahrzehnten herrschende Realität ausblenden. Davon zeugt zum Beispiel eine Installation, die ein Massengrab darstellt, oder ein Gemälde, auf dem eine Frau mit Burka zu sehen ist, die ein Instrument in der Hand hält und von schwarzen Vögeln umkreist wird. Ein anderes Bild zeigt ein lachendes Kind, das auf einem Haufen von Müll liegt.

Es ist das erste Mal, dass afghanische Künstler ihre Werke in Iran präsentieren. Das Kulturhaus Niyawaran, das zu den größten Galerien Irans gehört, hat seine Räume den Künstlern und Künstlerinnen gratis zur Verfügung gestellt. Es ist ein Teil des Niyawaran-Palastes, in dem früher der Schah und seine Familie residierten. Hier veranstaltete die damalige Kaiserin Farah in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts beispielsweise eine Ausstellung indischer Kunstwerke.

Mariam Kuhestani, selbst Künstlerin und Professorin an der Universität der Künste in Teheran, ist die eigentliche Initiatorin der Ausstellung afghanischer Kunstwerke. Sie arbeite seit Jahren mit afghanischen Flüchtlingskindern, sagte sie der BBC. Dies habe in ihr eine starke Neugierde für die afghanische Kunst geweckt. Sie sei mehrmals in dem Land gewesen und habe zu den Künstlern Kontakt aufgenommen. Die Vorbereitung der Ausstellung habe 14 Monate gedauert. Sie sei überrascht, wie groß das Interesse für die Ausstellung sei. Gleich am ersten Tag der Eröffnung hätten mehr als 2.000 Menschen die Ausstellung besucht, darunter viele iranische Künstlerinnen und Künstler. Bei der Auswahl der Werke seien für sie weder die geschlechtliche und ethnische Zugehörigkeit, noch die Motive ausschlaggebend gewesen, sondern einzig die künstlerische Qualität der Werke, sagte Kuhestani.


"STIMMEN AUS TEHERAN"

Ein Interviewsammelband zur zeitgenössischen Kunst in Iran (Beitrag von Anja Hoffmann)

Mit ihrem Buch "Stimmen aus Teheran. Interviews zur zeitgenössischen Kunst im Iran", erschienen bei Edition Faust, holt Hannah Jacobi Originalstimmen aus der aktuellen iranischen Kunstszene nach Deutschland. 18 Interviews mit Kunstschaffenden, Kuratoren, Galerieinhabern und Kunstredakteuren, geben ganz verschiedene Einblicke in das, was es heute bedeutet Künstler oder Künstlerin in Iran zu sein.

Das Buch gibt der iranischen Perspektive auf die neue, zeitgenössische Kunst in Iran Raum. Es lädt die deutschsprachigen Leserinnen und Leser dazu ein, orientalistische Betrachtungsweisen zu hinterfragen. "Ich war von Anfang an gegen dieses Konzept beziehungsweise gegen die Art, wie die iranische Kunst international rezipiert wurde. Die sogenannte globale Perspektive mündet immer in einen exotisierenden Blick", so der Kunstwissenschaftler und Maler Ruyin Pakbaz (S. 146).

Neben authentischen Stimmen zur Kunstszene Irans, zeichnet das Buch ein buntes Bild der iranischen Gesellschaft, voller Brüche und Widersprüche: "Die Moderne und die moderne Kunst sind an spezifische Bedingungen, einen bestimmten Zustand der Gesellschaft, geknüpft. In diesem Zustand befindet sich unsere Gesellschaft nicht, sie ist noch nicht 'modern' geworden. (...) Sie ist irgendwo zwischen Tradition und Moderne zu lokalisieren. Das entspricht einem Zustand, in dem sich alles vermengt. Genau das spiegelt sich heute in unserem Leben wider" (Ruyin Pakbaz, S. 145).

Bei der Buchvorstellung am 26. Oktober in Berlin, bei der neben der Autorin auch die Künstlerin Raana Farnoud und der Kurator und Publizist Behzad Nejadghanbar anwesend waren, steht eine Botschaft im Mittelpunkt der anschließenden Diskussion: Kunst aus Iran ist nicht immer politisch. Sie drückt nicht immer Unterdrückung aus, sondern ist divers, umstritten und strittig. Alle drei beschreiben lebhaft, dass Kunst in Teheran mittlerweile auch ein Event, und eben auch ein Markt, sei. Freitagnachmittags haben die Galerien der Stadt geöffnet. Ihre Besucherinnen und Besucher stylen sich auf, bevor sie ihre Tour beginnen. Die circa zehn aktiven Galerien der iranischen Hauptstadt sind ein Treffpunkt. Hier wird geraucht und lebhaft diskutiert. Die Galerien haben sich zu halböffentlichen Räumen entwickelt, in denen die Regeln der Islamischen Republik teilweise ausgehebelt sind.


STUDIERENDE SOLLEN SICH NICHT BLIND VERLIEBEN

Der neue Minister für Hochschulbildung, Mansur Gholami, gab am 9. November der dpa zufolge den Studentinnen und Studenten "einen guten Rat": sie sollen sich nicht so oft verlieben. "Man muss sich überlegt und sorgfältig, nicht aber blind und zu häufig verlieben", zitiert ihn die Agentur. Er selbst habe sich auch während seines Studiums in eine junge Frau verliebt, sie aber dann auch geheiratet, sagte der Minister.

Auf den Rat des Ministers gab es auf Twitter laut dpa zahlreiche Reaktionen. "Was geht dich denn das an, wie wir uns verlieben", schrieb eine Studentin. Ein Student wollte wissen, "wie man mit Sorgfalt eine Studentin anmachen sollte". Ein anderer fragte, ob "ein Minister dieses Landes wirklich nichts Besseres zu tun" habe, als sich um die Gefühle der Studierenden zu kümmern.


SANKTIONEN GEGEN MITARBEITER DER BBC DAUERN AN

Im britischen Oberhaus (House of Lords) wurde Kritik gegen die andauernden Sanktionen gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BBC und ihren Angehörigen laut. Lord Ahmad, Staatssekretär im Londoner Außenministerium, erklärte am 8. November, er sei "sehr besorgt" über diese Sanktionen.

Wie der Sender am 15. August bekannt gab, hat es die iranische Justiz 152 derzeitigen und früheren Mitarbeitern der BBC verboten, in Iran mit ihrem Eigentum Geschäfte zu machen. Dies kommt einer Beschlagnahmung ihres Privatbesitzes gleich.

Seit Jahren werden die Beschäftigten der BBC und ihre Angehörigen in Iran unter Druck gesetzt. Lord Ahmad sagte, er habe Iran schon mehrmals dazu aufgefordert, seine internationalen Verpflichtungen einzuhalten und das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Presse zu akzeptieren.

Indes hat die BBC bei der UNO eine Beschwerde gegen Iran eingereicht. Auch zwei UN-Sonderbeauftragte haben Iran aufgefordert, die Sanktionen gegen die BBC aufzuheben. "Es scheint, dass Iran jede Verbindung zur BBC als Straftat einstuft", erklärten Assemeh Dschahangir und David Kaye. Ziel solcher Maßnahmen sei offenbar, dem persischsprachigen Programm der BBC Steine in den Weg zu legen.

Die UNO warf Iran vor, die Mitarbeiter der BBC daran zu hindern "ihre elementaren Menschenrechte" wahrzunehmen. Dies stehe auch im Widerspruch mit der Verfassung der Islamischen Republik.


WENIGER EINSCHRÄNKUNGEN IM INTERNET

Die internationale Nichtregierungsorganisation Freedom House mit Hauptsitz in Washington bescheinigt Iran in ihrem am 15. November veröffentlichten Bericht eine Besserung der Lage der Freiheit im Internet. Sie erteilt dem Land jedoch immer noch eine sehr schwache Note.

Auch 2017 hätten zahlreiche Staaten die Kontrolle im Internet verstärkt, heißt es in dem Bericht. In Iran gebe es zwar nach wie vor starke Einschränkungen, aber der Zugang zum Internet habe sich "einwenig" gebessert. Besorgt zeigt sich die Organisation über den Versuch der iranischen Behörden, den Verkehr im Internet auf ein nationales Netzwerk zu lenken, um die Aktivitäten im virtuellen Raum besser kontrollieren zu können. Allerdings hätten die Investitionen in diesem Bereich zu einer größeren Geschwindigkeit und leichterem Zugang zum Internet geführt. Dies habe sich bei den Präsidentschaftswahlen im Mai dieses Jahres positiv bemerkbar gemacht. Bei diesen Wahlen konnten Wahlkampagnen im Internet eine wichtige Rolle spielen.

Zugleich spricht der Bericht von zahlreichen Festnahmen von Internetnutzern und Warnungen an Gruppenbildungen im Netzwerk Telegram. Dieses Netzwerk gehört zu den erfolgreichsten in Iran. Die Zahl der monatlichen Nutzerinnen und Nutzer liegt bei mehr als 20 Millionen.

Zwar habe sich die Lage seit der Regierungsübernahme durch Hassan Rohani gebessert. Aber die Regierung habe mit ihrem Bestreben, individuellen Freiheiten im Internet auszuweiten, keinen Erfolg gehabt, so Freedom House. Die meisten Netzwerke im Internet sowie die Kommunikationen sowohl von Unternehmen als auch von Individuen stünden unter der Kontrolle der Revolutionsgarden und der Justiz. Diese beiden Instanzen bildeten die größte Hürde für den Fortschritt bezüglich des Internets.


DEUTSCH-IRANISCHE KÜNSTLERIN AUF DER ANKLAGEBANK

Verkehrte Welt: Seit 19 Jahren fährt die deutsch-iranische Künstlerin Parastou Forouhar jedes Jahr nach Teheran, um den Mord an ihren Eltern zu beklagen und gemeinsam mit Verwandten und Freunden zu trauern. Sie fordert mutig und unermüdlich, dass der Mord endlich aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Doch nun wurde sie selbst, anstellte der Auftraggeber und Schergen, die ihre Eltern brutal ermordet haben, auf die Anklagebank gesetzt. Ihr werden "Propaganda gegen die islamische Republik" und Blasphemie vorgeworfen.

Die Morde geschahen während der sogenannten Kettenmorde von 1989, einer Serie von Morden, denen oppositionelle Schriftsteller, Journalisten und Intellektuelle zum Opfer fielen. Zu ihnen gehörten Parastous Eltern, Dariusch und Parvaneh Forouhar, beide führende Oppositionelle. Sie wurden am 22. November 1989 in ihrem Haus überfallen und bestialisch ermordet. Parvaneh Forouhar erlitt über 20 Messerstiche in der Brust.

Die Empörung im Land war so groß, dass der Geheimdienst gestehen musste, die Morde in Auftrag gegeben zu haben. 2001 gab es einen umstrittenen Schauprozess, bei dem 18 Beamte wegen des Mordes an dem Ehepaar Forouhar und den Schriftstellern Mohammad Mokhtari und Mohammad Jafar Pouyandeh angeklagt wurden. Diese erklärten, solche "physischen Eliminierungen" gehörten zu ihrem Beruf. Sie legten Dokumente vor, die ihre Aussagen bestätigten. Das Gericht ignorierte und vertuschte die Aussagen, fällte ein paar Urteile, die später revidiert wurden. Die Auftraggeber, die eigentlich Verantwortlichen, kamen ungeschoren davon. Das wollten die Hinterbliebenen nicht hinnehmen.

"Bezogen auf solche Vertuschungen sind wir, die Angehörigen der Ermordeten und unsere Anwälte bis zum heutigen Tag um eine gerechte Wahrheitsfindung bemüht. Das zu erreichen sehe ich als mein Recht und Aufgabe, auf die berufe ich mich", sagt Parastou Foruhar. Die international bekannte Künstlerin lebt seit 1991 in Deutschland.

Im vergangenen Jahr reichte das Informationsministerium eine Klage gegen sie ein. Zum einen wird ihr Propaganda gegen die Islamische Republik vorgeworfen. Damit sind ihre kritischen Notizen über ihre jährlichen Besuche, Berichte über Raubüberfälle im Haus ihrer ermordeten Eltern und ihre Interviews mit den Medien gemeint. Im Klartext heißt das, sie ist angeklagt, weil sie über die Verbrechen des Regimes nicht schweigt. Zum anderen geht es um ihre Kunst, die das Informationsministerium als "Beleidigung des Sakrosankten" bezeichnet. Konkret handelt es sich um Arbeiten von vor zehn Jahren, um Sitzsäcke mit religiösen Motiven, die sie Countdown-Serie nennt. Die Klage landete beim Revolutionsgericht. Der Termin der Gerichtsverhandlung wurde auf den 25. November gesetzt.

Als Parastou Forouhar in diesem Jahr wieder nach Iran reiste, wurde ihr bei der Ankunft der Pass abgenommen. Sie wandte sich an das Präsidialamt. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass die Trauerzeremonie für ihre Eltern erlaubt sei. Die Feier dürfe aber nicht politisch instrumentalisiert werden. Für jede unerlaubte Handlung sei sie verantwortlich. Daraufhin veröffentlichte Forouhar einen Aufruf an die Teilnehmer der Zeremonie, in dem es hieß: "Kommt, um zwei Stunden lang im Schweigen unserer Geliebten zu gedenken, die der Unterdrückung und politischen Gewalt zum Opfer fielen. Unser Schweigen ist voll mit Ungesagtem. Es ist eine Hoffnung auf den Tag, an dem wir unser Recht auf die Freiheit des Wortes zurückerlangen."

Tatsächlich konnte die Trauerfeier ohne Zwischenfälle abgehalten werden. Die Zahl der Teilnehmer war weit größer als in vergangenen Jahren, unter ihnen viele Jugendliche. Die Gäste schwiegen, nur Parastou sprach ein paar Worte. "Gedenken wir an das, was geschehen ist und warum", sagte sie.

Bereits vor ihrer Reise hatte Parastou lange überlegt, ob sie beim Gericht erscheinen und damit die möglichen Folgen und Risiken auf sich nehmen sollte. Doch sie entschloss sich, nicht vor der Justiz zu kapitulieren. Denn sie wollte ihren Versuch, die Wahrheit ans Licht zu bringen, nicht aufgeben. "Es wird mit allen Mitteln versucht, mir Hürden in den Weg zu stellen, damit ich zu dem Ergebnis komme, es habe keinen Sinn, weiter auf das Recht zu pochen", sagte sie in einem Interview.

Der erste Tag der Gerichtsverhandlung verlief reibungslos, der Prozess wird vermutlich mehrere Wochen oder gar Monate dauern. Zum Glück verordnete das Gericht kein Ausreiseverbot.

Dass die Trauerfeier zum ersten Mal legal stattfinden konnte, war ein Erfolg. Bemerkenswert war auch, dass ein Parlamentsabgeordneter gegen den Prozess protestierte. Es sei "verwunderlich", dass man statt Frau Forouhar zu trösten, ihr den Prozess mache, sagte er.

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WIRTSCHAFT

• EU hält am Atomabkommen fest
• Treffen der EU und Iran in Teheran und Isfahan
• Reichweite der Raketen soll nicht erhöht werden
• "Business Center" für deutsche Unternehmen eröffnet
• Europa zu größerem wirtschaftlichem Engagement aufgefordert


EU HÄLT AM ATOMABKOMMEN FEST

Bislang hält die EU an dem 2015 zwischen den UN-Vetomächten plus Deutschland und Iran vereinbarten Atomabkommen fest. Sie ist auch bemüht, die USA, insbesondere die Abgeordneten des Kongresses, davon zu überzeugen, dass eine Kündigung des Abkommens unabsehbare Folgen haben könnte. "Ich habe deutliche Zeichen gesehen, dass die Abgeordneten dazu neigen, das Abkommen zu bestätigen", sagte die EU-Außenbeauftragte Frederica Mogherini der Presse am 8. November in Washington.

Dem Gesetz nach muss die US-Regierung alle sechzig Tage neu bescheinigen, dass Iran seine im Abkommen eingegangenen Verpflichtungen erfüllt. Tut sie es nicht, muss der Kongress über das weitere Vorgehen entscheiden. Präsident Donald Trump hatte am 13. November erklärt, er könne die Bestätigung nicht erteilen, denn Iran habe durch seine Aktivitäten in der Region sowie durch den Bau ballistischer Raketen gegen den "Geist" des Vertrags verstoßen. Nun ist der Kongress am Zug. Er muss bis Mitte Dezember entscheiden, wie mit Iran verfahren werden soll.

Mogherini führte zahlreiche Gespräche mit Regierungsvertretern und Abgeordneten. "Wir wollen, dass die Vereinigten Staaten auch in Zukunft an dem Abkommen festhalten", sagte sie. Dies liege auch aus Sicherheitsgründen im Interesse der Europäischen Union. Es gebe keine Möglichkeit, erneut über das Abkommen zu verhandeln. Sollte ein Teil davon zur Debatte gestellt werden, müsste das ganze Abkommen erneut verhandelt werden. Die EU werde die Entscheidung des Kongresses akzeptieren, fügte Mogherini hinzu.

Am 9. November erklärte der Chef der Internationalen Atombehörde (IAEA), Yokia Amano, gegenüber der US-Botschafterin Nikki Haley, Iran halte sich nach wie vor an das Abkommen und die Inspekteure seiner Behörde hätten Zugang zu allen erwünschten Orten. Zuvor hatte Präsident Trump gesagt, nach Informationen, die er erhalten habe, hätten die IAEA-Kontrolleure keinen Zugang zu militärischen Einrichtungen.

Haley sagte, sie unterstütze die Aktivitäten der IAEA und betonte, es sei wichtig, dass die Behörde zu allen Einrichtungen in Iran Zugang habe. Amano, der sich in den USA aufhielt, führte auch mit einigen Kongress-Abgeordneten Gespräche.

Am 10. November forderte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif die EU auf, Iran beim Atomkonflikt mit den USA zu unterstützen. "Die EU sollte ihre theoretische Unterstützung für das Abkommen nun auch auf eine praktische umlenken", sagte er laut dpa nach einem Treffen mit Mogherini in der usbekischen Stadt Samarkand. Falls nötig, solle die EU auch auf die USA Druck ausüben, damit sie das Abkommen korrekt umsetzen. Das Land habe seine Pflichten erfüllt, doch ihm würden die Vorteile durch die USA vorenthalten. "Da muss die EU aktiver eingreifen", sagte Sarif. Iran geht es vor allem um Vorteile, die sich das Land mit der Unterzeichnung des Abkommens erhofft hatte

In einem Bericht der IAEA, der laut einer Meldung der dpa der Agentur vorlag, wurde abermals bestätigt, dass Iran alle in dem Abkommen vorgeschriebenen Pflichten erfüllt habe. Mit knapp 97 Kilogramm niedrig angereichertem Uran lägen die Bestände weit niedriger als die erlaubte Menge von 300 Kilogramm. Auch in Bezug auf die Produktion von Schwerwasser habe sich das Land an den Vereinbarungen gehalten. Das Schwerwasser kann zur Herstellung von atomwaffenfähigem Plutonium verwendet werden.


TREFFEN DER EU UND IRAN IN TEHERAN UND ISFAHAN

Eine Delegation der EU unter der Leitung von Helga Schmid, Generalsekretärin des Auswärtigen Dienstes der EU, führte am 20. und 21. November Gespräche mit Vertretern der iranischen Regierung. Es ging dabei um die Beziehungen zwischen Teheran und der EU. Zunächst stand das Atomabkommen zur Debatte. Beide Seiten waren sich einig, dass das Abkommen aufrechterhalten werden muss. Differenzen gab es bei den Themen Menschenrechte und die Außenpolitik Irans in der Region.

Irans Vizeaußenminister Abbas Araghtschi sagte laut dpa die Gespräche seien "gut und konstruktiv" gewesen. Er begrüßte, dass die EU erneut betont habe, das Atomabkommen unterstützen zu wollen und erneute Verhandlungen auszuschließen. Weiter sagte Araghtschi, die Übereinstimmung bezüglich des Atomabkommens könne allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen Iran und der EU vor allem beim Thema Menschenrechte, sowie bezüglich der Aktivitäten Irans in der Region Differenzen gebe. Genaue Details nannte er nicht. Es ist jedoch bekannt, dass die EU Iran immer wieder wegen Verletzung der Menschenrechte kritisiert. Auch das iranische Raketenprogramm und der zunehmende Einfluss Irans in der Region werden von der EU abgelehnt. Andererseits ist die EU stark daran interessiert, ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Iran auszubauen. Laut Araghtschi seien die Gespräche über diesen Bereich "sehr konstruktiv" gewesen. Über die Finanzierung von Handelsprojekten seitens europäischer Banken sei man sich einig gewesen. Ebenso über die Zusammenarbeit in den Bereichen Energie und Umwelt. Vereinbart wurde auch das Bestreben nach einem regen Kulturaustausch. Beide Seiten betonten die Notwendigkeit der raschen Eröffnung einer EU-Mission, die schon seit mehr als zwei Jahren geplant ist.

Die Gespräche wurden am nächsten Tag in Isfahan fortgesetzt. Auch hier forderten die Iraner die EU eindringlich dazu auf, sich bezüglich des Atomabkommens nicht von den USA umstimmen zu lassen. "Unsere höchste Priorität sollte es sein, den Atomdeal zu retten", sagte der Sprecher der iranischen Atomorganisation, Behrus Kamalwandi. Die EU solle es nicht zulassen, dass das international anerkannte Abkommen von den USA unterhöhlt und zerstört werde.


REICHWEITE DER RAKETEN SOLL NICHT ERHÖHT WERDEN

General Mohammad Ali Dschafari, Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden (Pasdaran), erklärte am 31. Oktober gegenüber Journalisten in Teheran, es sei nicht notwendig, die Reichweite der Raketen über 2.000 Kilometern zu erhöhen. Denn innerhalb der Reichweite von 2.000 Kilometern seien die Interessen der USA und ihre militärischen Kräfte bereits zu treffen. Die Reichweite sei vom Revolutionsführer festgelegt worden. "Sie kann zwar erhöht werden, das ist aber im Augenblick nicht nötig", sagte der General.

Einen möglichen Krieg zwischen den USA und Iran schloss Dschafari aus, denn "die Amerikaner fürchten sich vor den Folgen". "Ihnen ist bewusst, dass sie einen Krieg gegen Iran verlieren würden. Daher versuchen sie, durch einen sanften Krieg und wirtschaftlichen Druck die Islamische Republik zu schädigen", meinte der General.

Iran sei auf allen Gebieten zur Verteidigung des eigenen Landes in der Lage. "Das iranische Volk ist stolz auf die Verteidigungskapazität und die Abwehrraketen", erklärte Dschafari. Er hatte einige Wochen zuvor die USA gewarnt: "Sollten die USA neue Sanktionen gegen die Pasdaran beschließen, müssten sie ihre Militärstützpunkte innerhalb eines Umkreises von 2.000 Kilometern räumen."

Die von den USA beschlossenen Sanktionen gegen die Pasdaran seien nicht militärisch sondern wirtschaftlich, sagte der General. Die militärische Kapazität der Pasdaran sei nur ein Vorwand. Ziel der USA sei, Iran wirtschaftlich zu schaden. "Je mehr die Amerikaner wirtschaftlichen Druck ausüben, desto mehr werden wir unsere militärische Kapazität stärken und die Reichweite unserer Raketen erhöhen."

Der Vizekommandeur der Pasdaran, General Hossein Salami, warnte die EU vor Einmischung in das iranische Raketenprogramm. "Sonst betrachten wir auch die Europäer als Bedrohung und werden entsprechend handeln", sagte er am 26. November der Agentur ISNA. Im Falle einer Einmischung werde Iran die selbst gesetzte Begrenzung der Rechweite seiner Raketen aufheben und sie "sogar bis Europa erweitern". Zudem solle Europa sich nicht in die iranische Außenpolitik einmischen. Die Entscheidung, welches Land Iran unterstütze, werde allein in Iran gefällt und nicht in Europa, sagte der General.


"BUSINESS CENTER" FÜR DEUTSCHE UNTERNEHMEN ERÖFFNET

Einem Bericht der dpa vom 2. November zufolge hat die Deutsch-Iranische Handelskammer zur Beratung deutscher Unternehmen das erste "German Business Center" in Teheran eröffnet. "Das neue Center ist ab jetzt das Herz für bilaterale Treffen und Verhandlungen", sagte der Präsident der Kammer Omid Jaraghi bei der Eröffnungsfeier. Geplant sei auch die Gründung einer Rechtsabteilung für politisch-wirtschaftliche Beratungen.

Teilnehmer an der Eröffnungsfeier waren unter anderem der deutsche Botschafter in Teheran und der iranische Botschafter in Berlin. Was die Kammer und auch die deutschen Unternehmen derzeit besonders beschäftig, ist die Rolle der Vereinigten Staaten gegenüber Iran und die Drohung neuer Sanktionen gegen das Land. "Nach dem Atomabkommen und der Aufhebung der Sanktionen schien alles gut, bis dieser Trump auftauchte", sagte Irans Botschafter in Berlin, Ali Majedi.

Im vergangenen Jahr habe der Handel zwischen den beiden Ländern ein Volumen von rund drei Milliarden Euro erreicht, sagte Schatzmeister Tim Latif. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres verzeichnete der Außenhandel einen Anstieg von rund 25 Prozent. Prognosen für die weitere Entwicklung seien aufgrund der Iran-Politik der USA nicht möglich. Eine Unsicherheit habe sich bei den deutschen Unternehmen breitgemacht. Die anfängliche Euphorie nach der Aufhebung der Sanktionen habe zu der Einschätzung verleitet, das Handelsvolumen könne sich kurzfristig auf 15 Milliarden steigern lassen, was aus heutiger Sicht unrealistisch erscheine, sagte Latif.


EUROPA ZU GRÖßEREM WIRTSCHAFTLICHEM ENGAGEMENT AUFGEFORDERT

Einem Bericht der Agentur Reuters vom 7. November zufolge hat ein hochrangiger Vertreter der iranischen Regierung, der nicht genannt werden wollte, Europa zu größerem wirtschaftlichen Engagement in Iran aufgefordert. Da die USA mit der Kündigung des Atomabkommens drohten, müssten sich die europäischen Staaten, die nach eigenen Angaben an dem Abkommen festhalten wollten, mehr um den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen mit Iran bemühen. Sie sollten zum Beispiel die Großbanken ermuntern nach Iran zurückzukehren. "Wenn sie (die Europäer) warten, bis (US-Präsident) Trump eine Entscheidung gefällt hat, ist es zu spät", sagte der nicht genannte Politiker.

Reuters berichtete am 8. November von einem Gespräch mit dem Finanzchef des Chemikalienhändlers Brenntag, Georg Müller, über den Handel mit Iran. Demnach sagte Müller, seine Firma blicke inzwischen nüchtern auf die Geschäftsaussichten in Iran. "Als die EU die Sanktionen für Iran gelockert hat, waren wir offen, uns diesen Markt anzuschauen. Offen gesagt, wir schauen immer noch, aber dabei ist es bis zum jetzigen Stand geblieben."

Zwar seien die Pläne der Firma nach wie vor aktuell und einen Rückschlag habe es auch nicht gegeben, sagte Müller weiter. "Aber ich würde schon sagen, dass wir unterwegs schon einmal optimistischer waren, als wir es jetzt sind."

Brenntag ist Weltmarktführer in der Chemiedistribution. Das Unternehmen ist in 70 Ländern vertreten, nicht aber in Iran. Eigentlich sei Iran allein wegen seiner großen Bevölkerungszahl für das Unternehmen interessant, fuhr Müller fort. Doch zum einen sei das Land für gute Geschäfte noch nicht stabil genug. "Zum anderen ist es natürlich schon so, dass die internationale Meinung nach wie vor skeptisch zum Iran ist."

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AUSSENPOLITIK

• Konflikt Iran Saudi-Arabien
• Die Krise in Libanon
• Chamenei: USA Feind Nummer eins
• Putin zu Besuch in Teheran
• BBC: Iran plant Militärstützpunkt in Syrien
• Von Iran unterstützte Milizen "größte Gefahr" für Irak
• Rohani: Der Islamische Staat (IS) ist besiegt
• Dreiertreffen in Sotschi
• Kairo warnt Teheran
• Netanjahu: Iran plant die Gründung eines Imperiums
• Annährung zwischen Israel und Saudi-Arabien: Gemeinsam gegen Iran
• Keine Verbindung zu Bin Laden
• Terroranschlag in New York verurteilt
• Weißes Haus dementiert Trumps Wunsch eines Treffens mit Rohani
• UN-Resolution zur Lage der Menschenrechte in Iran
• Sarif in Tadschikistan
• Fall Zaghari wird zum Politikum


KONFLIKT IRAN SAUDI-ARABIEN

Zwei Ereignisse verschärften die Spannungen zwischen den rivalisierenden Staaten Iran und Saudi-Arabien: Der Abschuss einer Rakete aus Jemen auf Saudi-Arabien am 4. November und der Rücktritt des libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri am 5. November.

Am 4. November meldeten die Medien, die saudische Zivilluftfahrtbehörde habe eine Rakete in der Nähe des König-Chalid-Flughafen in Riad abgeschossen. Es habe sich um eine Rakete des Typs Volcano H-2 mit einer Reichweite von 850 Kilometer gehandelt. Die Huthi-Rebellen in Jemen bestätigten den Angriff. "Wir haben das Recht, zurückzuschlagen und Raketen abzufeuern auf jene, die unsere Söhne und unsere Bevölkerung mit ihren Flugzeugen töten", sagte al-Kahum vom politischen Büro der Huthi-Rebellen.

Saudi-Arabien machte Iran für den Raketenangriff verantwortlich. Die Militärkoalition, die unter der Führung Saudi-Arabiens aus mehreren arabischen Staaten besteht und seit März 2015 gegen die Rebellen in Jemen Krieg führt, erklärte, der Raketenangriff könne als "Kriegsakt" gedeutet werden. Saudi-Arabien behalte sich vor, "in angemessener Zeit und Weise" darauf zu reagieren. Die erste Reaktion war die Schließung sämtlicher Häfen und Flughäfen Jemens. Der saudische Außenminister Adel al-Dschbeir sagte in einem Interview mit CNN, die Rakete sei in Iran hergestellt und durch die Hisbollah an die Huthis weitergegeben worden. Das könne als eine "Kriegserklärung" Irans an Saudi-Arabien verstanden werden. Auch Kronprinz Mohammad bin Salman warf Iran vor, auf eine Kriegserklärung gegen sein Land hinzuarbeiten. Der Raketenangriff gleiche einem "kriegerischen Akt", sagte er.

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif reagierte darauf auf Twitter mit den Worten: "Das saudische Königreich hat Jemen bombardiert und zerstört, Tausende unschuldige Menschen, darunter Kinder, getötet, im ganzen Land Hungersnot und Cholera verbreitet und nun soll Iran für die Katastrophe verantwortlich sein!"

Auch US-Präsident Donald Trump äußerte sich zu dem Vorfall. "Meiner Ansicht nach steckt Iran hinter dem Raketenangriff", sagte er am 5. November. Dem widersprach der Oberbefehlshaber der iranischen Revolutionsgarden General Mohammad Ali Dschafari. "Die Äußerungen Trumps sind unausgegoren, unsinnig, er verbreitet Lügen." Iran habe keine Möglichkeit, Raketen nach Jemen zu bringen. "Die Raketen, die Jemen abfeuert gehören Jemen, die Huthis haben sie ausgebaut und die Reichweite erhöht, um sich für die Opfer zu rächen." Und Irans Verteidigungsminister Amir Hatami sagte, niemand frage die USA, welche Waffen sie Saudi-Arabien zur Verfügung stellen. Die USA sollten nicht für alles, was in der Region geschieht, Iran verantwortlich machen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bezeichnete den Raketenangriff als "Kriegsverbrechen". "Der wahllose Abschuss einer ballistischen Rakete auf einen überwiegend zivil genutzten Flughafen ist offensichtlich ein Kriegsverbrechen", sagte die Direktorin Sarah Leah Whitson am 7. November in New York. "Aber dieser illegale Angriff rechtfertigt nicht, dass Saudi-Arabien die humanitäre Katastrophe in Jemen verschlimmert, in dem es den Zugang und die Hilfe für das Land behindert."

Indes sorgte die Schlagzeile einer iranischen Tageszeitung im In- und Ausland für Aufruhr. Die erzkonservative Tageszeitung Kayhan, die auflagenstärkste Zeitung des Landes, die als Sprachrohr des Revolutionsführers Ali Chamnei gilt, titelte in ihrer Ausgabe vom 7. November: "Abschuss der Rakete der Freunde Gottes auf Riad, nächstes Ziel Dubai." Dazu sagte Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobacht: "Wir werden gegen Zeitungen vorgehen, die den nationalen Interessen schaden." Die Zeitung reagierte auf die Kritik mit den Worten: "Unsere nationalen Interessen bestehen in der Unterstützung der Unterdrückten Menschen in Jemen und nicht in dem Erhalt der Wolkenkratzer in Dubai." Die Zeitung wurde mit zwei Tagen Erscheinungsverbot bestraft.

Am 7. November reagierten die Huthis auf die Schließung der Häfen und Flughäfen mit der Drohung, alle Häfen und Flughäfen in Saudi-Arabien und den Arabischen Emiraten mit Raketen zu beschießen. "Das ist unser gutes Recht und wir haben genug Kapazität, um diese Drohung wahr zu machen", hieß es.

Indes erklärte Nikki Haley, US-Botschafterin bei der UNO, die Raketen, die im vergangenen Juni aus Jemen auf Saudi-Arabien gefeuert wurden, stammten aus Iran. So könne auch die Rakete, die Anfang November in der Nähe von Riad abgefangen wurde, aus Iran stammen. Damit habe Iran gegen zwei Resolutionen der UNO verstoßen. "Wir ermuntern die Vereinten Nationen und die internationalen Partner dazu, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um das iranische Regime für diese Verletzungen zur Verantwortung zu ziehen", sagte Haley.

Iran wies die Behauptung entschieden zurück. Der Botschafter Irans bei der UNO, Gholamali Choschru, sagte: "Solche Unterstellungen seien destruktiv und provokativ, sie verstoßen gegen Artikel 4, Absatz 2 der Charta der Vereinten Nationen, der jegliche Drohung von Gewalt gegen andere Staaten verbietet." Solcherlei Behauptungen dienten der Ablenkung von den Verbrechen (der Saudis und ihrer Verbündeten) gegen die Bevölkerung in Jemen. Saudi-Arabien und seine Verbündeten sollten endlich begreifen, dass die Krise in Jemen nicht militärisch gelöst werden könne. Iran trete für eine diplomatische Lösung und einen Dialog zwischen den Gruppen in Jemen ein.

Mit Blick auf die Schließung der Grenzen warnte die UNO vor einer Katastrophe für die Menschen in Jemen. Sieben Millionen Menschen bräuchten dringend Nahrungsmittel und Medikamente, sie seien von Hunger und von Seuchen bedroht. Sie forderte die arabische Koalition auf, die Grenzen wieder zu öffnen.


DIE KRISE IN LIBANON

In dieser ohnehin schon verworrenen Situation kam überraschend auch noch der Rücktritt des libanesischen Ministerpräsidenten Saad al-Hariri hinzu. Dieser wurde nicht etwa in Beirut, sondern in Riad erklärt, und vom arabischen Sender Al-Arabija bekannt gegeben. Der 47-jährige Regierungschef erhob dabei schwere Vorwürfe gegen Iran und die Hisbollah. Seinen Rücktritt begründete er mit der Furcht um sein Leben. "Ich habe gefühlt, was heimlich ausgeheckt wird, um auf mein Leben zu zielen", sagte Hariri. Iran mische sich in alle Angelegenheiten der Region ein und verbreite überall Unruhe. Die Hisbollah sei ein Handlanger Irans, durch die in Libanon "ein Staat im Staat" geschaffen worden sei. Iran schüre Zwietracht in Libanon. "Die Hisbollah ist der Arm Irans, nicht nur im Libanon, sondern auch in anderen arabischen Ländern."

Auch Saudi-Arabien warf Iran und der Hisbollah Aggression vor. Riad werde die libanesische Regierung als eine Macht behandeln, "die Saudi-Arabien den Krieg erklärt", hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums.

Das Außenministerium in Teheran bezeichnete Hariris Rücktritt und die Angriffe gegen Iran als "Teil eines neuen Szenarios, um Spannungen in der Region und im Libanon zu schüren". Die Vorwürfe seien dieselben, die Israel, Saudi-Arabien und die USA gegen Iran erheben würden, sagte der Sprecher Bahram Ghassemi. Der Rücktritt sei "überraschend und bedauerlich". Er bestritt Irans Einmischung in Libanon. Teheran achte die Unabhängigkeit, die nationale Souveränität und die Stabilität Libanons. Auch die Hisbollah wies die Anschuldigungen zurück. Ihr Chef, Hassan Nasrallah, erklärte, Hariris Rücktritt sei nicht freiwillig gewesen. Es sei "weder seine Absicht, noch sein Wille, noch seine Entscheidung gewesen." Er empfahl seinen Anhängern und der Bevölkerung "Ruhe zu bewahren", bis die Hintergründe des Rücktritts geklärt seien.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, der Rücktritt Hariris sei ein "Alarmsignal". Es sei höchste Zeit, der iranischen Aggression Einhalt zu gebieten.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte bei einem Besuch in Washington am 7. November vor einer weiteren Eskalation zwischen Teheran und Riad. Die Lage sei "extrem gefährlich", sagte sie. Sie appellierte an beiden Seiten, sich zu mäßigen und ein "Minimum an Konsens" zu suchen. Auch mit Blick auf Washington sagte sie laut AFP, dass sie mit ihrer Aufforderung zu rhetorischen Zurückhaltung "nicht die Mehrheitsposition in der Welt von heute" vertrete, die "völlig verrückt zu werden scheint". US-Präsident Donald Trump hatte den Saudis "volles Vertrauen" zugesichert und erklärt, König Salman und Kronprinz Mohammad bin Salman "wissen genau, was sie tun".

Auch Irans Präsident Hassan Rohani meldete sich zu Wort. "Was soll das Volk in Jemen gegen die massive Bombardierung tun", sagte er am 8. November im iranischen Fernsehen. "Man sagt, die Jemeniten sollen ihre Waffen nicht einsetzen. Hört ihr mit der Bombardierung auf, dann werdet ihr sehen, ob das Volk nicht positiv darauf reagiert. Die USA und Israel begrüßen Auseinandersetzungen in der Region, um ihre Herrschaft über Öl und Reichtum zu sichern. Aber es ist nicht klar, wozu die Feindschaft, die Saudi-Arabien pflegt, dienen soll. Was haben sie davon", sagte Rohani. "Warum übt ihr Feindschaft gegen die Völker in Syrien und Irak, warum unterstützt ihr den IS, warum mischt ihr euch in die inneren Angelegenheiten Libanons ein. Es gibt in der Geschichte kein Beispiel dafür, dass ein Land, wie es aussieht, den Regierungschef eines anderen Landes zum Rücktritt zwingt."

Am 9. November forderte Saudi-Arabien alle seine Bürger dazu auf, Libanon zu verlassen, beziehungsweise nicht in das Land zu reisen. Am selben Tag traf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Riad ein. Vor der Abreise kündigte er in Dubai an, er wolle mit dem saudischen Kronprinzen bin Salman über Iran, Jemen und Libanon sprechen. Er habe "sehr harte Positionen, insbesondere über Iran gehört, die (...) nicht konform sind, mit dem, was ich denke", zitierte ihn dpa am 9. November. Bei dem Gespräch mit bin Salman wolle er erläutern, "wie entscheidend der Libanon in meinen Augen ist". Er wolle eine "strukturierte Diskussion" haben, damit "ich die vom Kronprinzen auf nationaler Ebene getroffenen Entscheidungen besser verstehe".

Am 13. November warnte die EU die Staaten in der Region, sich in die inneren Angelegenheiten Libanons einzumischen. Die Außenbeauftragte Mogherini sagte nach einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel laut AFP, "regionale Konflikte, Dynamiken und Spannungen" dürften nicht "in den Libanon importiert werden". Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sagte, Libanon laufe Gefahr, erneut in "große politische und manchmal militärische Auseinandersetzungen" zurückzufallen. "Der Libanon hat es wirklich verdient, dass er sein Schicksal allein bestimmt und nicht jeweils entweder von Syrien oder von Saudi-Arabien oder von anderen zum Spielball nationaler Interessen gemacht wird." Noch schärfer äußerte sich Gabriel beim Besuch seines libanesischen Kollegen Dschibran Bassil in Berlin am 16. November. Aus Europa müsse "gemeinsam das Signal kommen, dass wir das Abenteuertum, was sich in den letzten Monaten dort (in der Golfregion) breitgemacht hat, nicht mehr bereit sind, einfach sprachlos hinzunehmen". Nach der katastrophalen Lage in Jemen durch den Krieg und die Auseinadersetzungen mit Katar sei mit der Art und Weise, "wie mit dem Libanon umgegangen wird", nun die Spitze erreicht, sagte Gabriel dem Agentur-Bericht zufolge. Riad bezeichnete Gabriels Äußerungen als "gefährliche Erklärungen" und rief seinen Botschafter aus Berlin zurück.

Indes kritisierte Iran die EU-Staaten, mit Waffenlieferungen an Saudi-Arabien die Krise in der Region zu verschärfen. Mit weiteren Waffen verschärfe man die humanitäre Katastrophe in Jemen und es würde noch mehr Tote geben, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi am 17. November. "Nach Riad zu reisen und sich von der kriegerischen Rhetorik sowie den erfundenen Drohungen der Saudis beeinflussen zu lassen, wird die jetzige Krise definitiv nur verschärfen." Damit reagierte Iran auf die Äußerung des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian, der bei einem Besuch in Riad Iran einen "Willen zu Vormachtstellung" vorgeworfen hatte. "Es ist dieser Wille Irans, sich ballistische Fähigkeiten zu verschaffen, die Saudi-Arabien schwächen und beunruhigen", sagte Drian.

Am 18. November traf Hariri in Paris ein. Die Behauptung, er sei von den Saudis festgehalten worden, sei eine Lüge, twitterte er. Am 22. November kehrte er nach Libanon zurück und nahm seinen Rücktritt vorerst zurück.

Auch die Arabische Liga attackierte, bei einem Treffen der Außenminister am 19. November, Iran scharf und warf dem Land vor, die gesamte Region zu destabilisieren. Konkrete Schritte wurden jedoch nicht vereinbart. Es wurde lediglich beschlossen, Fernsehsendern, die von Iran finanziert werden, nicht mehr zu erlauben, über arabische Satelliten zu senden. Liga-Chef Ahmad Aboul-Gheit sagte, "wir erklären zu diesem Zeitpunkt Iran nicht den Krieg". Aber die Liga werde sich bei der UNO für eine Resolution gegen Iran einsetzen. Zur Lage in Libanon sagte er: "Die arabischen Staaten verstehen und berücksichtigen die Situation in Libanon und wollen ihm jeden Streit ersparen."

Irans Präsident Rohani versicherte in einem Telefonat mit Macron am 21. November: "Wir wollen keine Spannungen, sondern Stabilität und Frieden aller Länder in der Region. Einige junge Prinzen haben wenig Erfahrung und verfolgen daher eine abenteuerliche und provokative Politik. (...) Wir sind dagegen", sagte der Präsident.

Am 24. November bezeichnete Prinz bin Salman in einem Interview mit der New York Times Irans Revolutionsführer Ali Chamenei als "neuen Hitler des Nahen Ostens" und fügte hinzu: "Aber wir haben von Europa gelernt, dass Beschwichtigungspolitik nicht funktioniert. Wir wollen nicht, dass der neue Hitler im Nahen Osten wiederholt, was in Europa passiert ist."


CHAMENEI: USA FEIND NUMMER EINS

In einer im staatlichen Fernsehen übertragenen Rede bezeichnete Revolutionsführer Ali Chamenei die USA als "Feind Nummer eins" der Islamischen Republik. "Die Feindseligkeiten der USA richten sich gegen die iranische Nation", sagte er. Anlass zu dieser Attacke war der Jahrestag der Geiselnahme von 52 Angehörigen der amerikanischen Botschaft in Teheran 1979. Die Geiselnahme dauerte 444 Tage.

Iran werde sich niemals dem Druck aus den USA beugen, sagte Chamenei. Das Nachgeben gegenüber den USA werde sie "noch dreister und wilder" machen. Er forderte unnachgiebigen Widerstand. Die iranische Jugend müsse, um zu ihren erwünschten Zielen zu gelangen, "den heimtückischen Hauptfeind des iranischen Volkes" kennenlernen.

Wenn Iran seine "zukunftsträchtige Entwicklung" fortsetzen wolle, dürfe man nie den Hauptfeind aus den Augen lassen, so Chamenei weiter. Die Feinde der Islamischen Republik versuchten, durch Verbreitung von Prostitution, Drogensucht und verderbliche Spiele im Internet die Jugend auf Irrwege zu führen. Zugleich betonte Chamenei, dass bis jetzt alle Versuche der Feinde, auf Iran Einfluss zu nehmen, vergeblich gewesen seien.


PUTIN ZU BESUCH IN TEHERAN

Russlands Präsident Wladimir Putin traf am 1. November in Teheran ein. Anlass des Besuchs war ein trilaterales Wirtschaftstreffen mit den Vertretern Irans und Aserbaidschans, dessen Präsident Ilham Aliyev ebenfalls in Teheran empfangen wurde. Die drei Staaten, die zu den großen Energieproduzenten zählen, wollen enger als bisher zusammenarbeiten. "Wir wollen nicht miteinander konkurrieren, sondern unsere Kräfte koordinieren", sagte Putin.

Konkret geht es, den Angaben des iranischen Vizeaußenministers Ebrahim Rahimpur zufolge, um den Aufbau neuer "Handelskorridore". Diese sollen Iran über das Schwarze Meer Zugang zu europäischen Märkten und Russland und Aserbaidschan über den Persischen Golf Zugang zu arabischen Märkten ermöglichen. Zudem sollen die Bankbeziehungen und der Tourismus ausgebaut, und Zollkontrollen erleichtert werden.

Außerdem führte Putin politische Gespräche mit der iranischen Führung über die Zusammenarbeit beider Staaten in Syrien und über Irans Atomkonflikt mit den USA.

Irans Präsident würdigte die wichtige und konstruktive Rolle Russlands beim Kampf gegen den "Terrorismus" in Syrien. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten habe die schwere Niederlage des Islamischen Staates (IS) ermöglicht, sagte er. Sie habe auch zu den Verhandlungen in Astana geführt, die den Weg für eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts geebnet hätten. Diese Zusammenarbeit müsse nun auch in der "Endphase genauso konsequent weitergeführt werden". Teheran begrüße "die aktive Präsenz russischer Investoren und Privatwirtschaft zur Durchführung von wichtigen infrastrukturellen Projekten, wie im Bereich der Energie, des Ausbaus von Schienenwegen und bei der Gründung von 'Nord-Süd-Korridoren'".

Auch Putin betonte: "Dank unserer gemeinsamen Bemühungen, sowie des Engagements der Türkei, entwickeln sich der Kampf gegen den Terrorismus in Syrien sowie der Verhandlungsprozess in Astana gut."

Zu dem Atomabkommen von 2015 zwischen den Vetomächten im UN-Sicherheitsrat plus Deutschland und Iran sagte Rohani, das Abkommen sei ein international anerkannter Vertrag, der dem Frieden und der Stabilität in der Region diene. Er dürfe nicht von den USA sabotiert werden. "Russland spielt auch hier eine wichtige Rolle", sagte Rohani.

Putin betonte, sein Land werde eine Ablehnung des Abkommens, von welcher Seite auch immer, nicht akzeptieren. Das Abkommen diene dem Weltfrieden und dürfe nicht annulliert werden. Bereits zuvor hatte der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow die Forderung der US-Regierung nach einer Änderung des Atomabkommens als "abwegig und unrealistisch" bezeichnet.

Sowohl Rohani als auch Putin hoben die gute Nachbarschaft zwischen Russland und Iran hervor. Beide erklärten, dass die Partnerschaft zwischen Teheran und Moskau von strategischer Natur sei. Russland sei für Iran "Freund, Nachbar und strategischer Partner", sagte Rohani.

Putin wurde während seines Aufenthalts in Teheran auch von Revolutionsführer Ali Chamenei empfangen. Die Zusammenarbeit der beiden Staaten in Syrien sei "eine gute Erfahrung", sagte Chamenei. "Diese nützliche Erfahrung der vergangenen Jahre sollte auch bei der Lösung von anderen Konflikten angewendet und zur Festigung unserer bilateralen Beziehungen führen." Den "gemeinsame Widerstand" der beiden Staaten in Syrien bezeichnete Chamenei als "bedeutungsvoll". Diese Politik habe Russlands Einfluss in Westasien gestärkt. Die amerikanischen Sanktionen könne man "wirkungslos machen", indem man zum Beispiel den Dollar durch die nationale Währung ersetze, sagte Chamenei.

Auch Putin bezeichnete beim Gespräch mit Chamenei Iran als "strategischen Partner und großen Nachbarn". Zu dem Atomabkommen sagte er: "Wir betrachten jede einseitige Änderung des multilateralen Abkommens als Missachtung internationaler Gesetze und Normen."


BBC: IRAN PLANT MILITÄRSTÜTZPUNKT IN SYRIEN

Wie die BBC am 10. November berichtete, habe eine "westliche Quelle" dem Sender mitgeteilt, dass Iran dabei sei, einen Militärstützpunkt in Syrien einzurichten. Demnach befinde sich der Ort 14 Kilometer südlich von Damaskus. Der Platz sei bislang von den syrischen Streitkräften benutzt worden.

Aus den Luftaufnahmen, die von der BBC in Auftrag gegeben worden seien, gehe hervor, dass zwischen Januar und Oktober dieses Jahres an dem Ort Bautätigkeiten vorgenommen wurden. Es handele sich um 12 Gebäude, die, wie der Sender vermutete, für die Unterbringung von Militärfahrzeugen und Militärpersonal errichtet worden seien. Dennoch könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass es sich bei dem Gebäudekomplex um eine Militärbasis handele, erklärte der Sender. Die inzwischen veröffentlichten Luftaufnahmen deuten, den Angaben des Senders zufolge, nicht auf Unterbringung von schweren militärischen Rüstungsgeräten hin. "Sollte es sich doch um einen Militärstützpunkt handeln, dann gehe es wahrscheinlich um die Unterbringung von Soldaten und einfachen Fahrzeugen", erklärte die BBC.

Iran wird, insbesondere von Israel, vorgeworfen, seinen Einfluss innerhalb der so genannten schiitischen Achse auszubauen, und einen sicheren und direkten Weg von Iran nach Libanon bauen zu wollen. Dieser Vorwurf wurde umso lauter, nachdem der Islamische Staat (IS) in Syrien, ebenso wie im Irak, starke Niederlagen erlitten und sich aus den von ihm besetzten Gebieten zurückgezogen hatte. Dieser Umstand begünstige die Einflussnahme Irans, meinen dessen Kritiker. Israel hatte in der Vergangenheit mehrmals erklärt, dass es eine iranische Militärbasis in Syrien nicht dulden werde. Der Stützpunkt befindet sich 50 Kilometer von den Golanhöhen entfernt, die unter israelischer Besatzung stehen. Würde Iran hier tatsächlich einen Militärstützpunkt errichten, wäre dies in direkter Nachbarschaft Israels, was die Gefahr eines Krieges erheblich steigern würde.


VON IRAN UNTERSTÜTZTE MILIZEN "GRÖßTE GEFAHR" FÜR IRAK

Laut dpa vom 7. November warnte Iraks Vizepräsident Osama al-Nudschaifi, bei seinem Besuch in Washington, vor dem steigenden Einfluss schiitischer Milizen im Irak, die von Iran unterstützt würden. Sie seien die "größte Gefahr für die Sicherheit des Landes".

Al-Nudschaifi gehört der sunnitischen Minderheit Iraks an. Die schiitischen Milizen bildeten inzwischen "eine Parallelarmee" zu den regulären Streitkräften des Landes. Sie könnten das Land spalten, sagte der Vizepräsident beim US Institute of Peace.


ROHANI: DER ISLAMISCHE STAAT (IS) IST BESIEGT

Irans Präsident Hassan Rohani erklärte am 21. November im staatlichen Fernsehen, der Islamische Staat (IS) sei besiegt, seine Herrschaft über Gebiete im Irak und Syrien sei zu Ende. Die Hauptarbeit hätten die Völker und Streitkräfte Iraks, Syriens und Libanons geleistet. "Und wir haben sie aufgrund unserer religiösen Pflichten unterstützt." Rohani warf den Großmächten und den "reaktionären Staaten der Region" vor, den IS unterstützt zu haben. "Wir konnten uns nicht vorstellen, dass die Verbrecher, die vom Westen und Zionisten unterstützt wurden, im 21. Jahrhundert derartige Verbrechen begehen."

Auch der legendäre General Ghassem Soleimani, Oberbefehlshaber der für Auslandeinsätze zuständige Al-Kuds Brigade, pflichtete dem Präsidenten bei. Er betonte auch die wichtige Rolle, die die libanesische Hisbollah, die von Iran unterstützt wird, beim Kampf gegen den IS gespielt habe.

Das Fernsehen zeigte Videoaufnahmen von Soleimani in der Stadt Abu Kamal, aus der der IS vertrieben wurde. Die Stadt sei die letzte Bastion des IS in Syrien gewesen, sagte der General.

Iran bestreitet an dem Krieg in Syrien aktiv beteiligt zu sein. Die dort anwesenden iranischen Militärs hätten lediglich eine beratende Funktion, wird behauptet. Zugleich gebe es, so die offizielle Darstellung, mehr als tausend Kämpfer aus Iran, die im syrischen Krieg ums Leben gekommen seien.

In einem Brief an Revolutionsführer Chamenei vom 21. November schrieb Soleimani, die Herrschaft des IS in Syrien und Irak sei zu Ende. "Ich als ein Soldat, unter Ihrem Befehl, gebe bekannt, dass mit dem Fall von Abu Kamal, der letzten Bastion des IS, die Existenz dieser amerikanisch-zionistischen Missgeburt beendet ist. Im Namen der Befehlshaber und der Tausenden von namenslosen iranischen, irakischen, syrischen, libanesischen, afghanischen und pakistanischen Kämpfern, die ihr Leben für den Islam und seine Heiligtümer geopfert haben, möchte ich Ihnen, den islamischen Völkern Irans, Iraks und Syriens zu diesem schicksalhaften Sieg gratulieren."

Indes sagte Rohani am 22. November, vor dem Abflug zu einem Treffen in Sotschi mit den Präsidenten Russlands und der Türkei, bei dem über die nächsten Schritte in Syrien gesprochen werden sollte, "die Rückeroberung von Abu Kamal bedeutet keineswegs, dass die Probleme Terrorismus und IS in der Region gelöst sind. Aber die Fundamente sind zerstört. Die Terroristen haben kein Territorium mehr, sie können daher nicht behaupten, ein Staat zu sein. Doch sie werden in kleinen Gruppen weiter existieren."

Zu Syrien sagte Rohani: "Von nun an liegt das Schicksal Syriens nicht mehr in der Hand fremder Mächte. Über die Zukunft des Landes wird das syrische Volk entscheiden." Er betonte, dass für die Existenz Irans, die territoriale Einheit und Souveränität sowie die nationale Unabhängigkeit Syriens, wichtig seien. Beim Treffen in Sotschi werde auch über den Wiederaufbau und die Rückkehr der Flüchtlinge gesprochen.


DREIERTREFFEN IN SOTSCHI

Am 22. November trafen sich die Präsidenten Russlands, Irans und der Türkei in der russischen Stadt Sotschi am Schwarzen Meer, um die Weichen für die weiteren Entwicklungen in Syrien zu stellen. Wladimir Putin, Hassan Rohani und Recep Tayyip Erdogan erklärten gemeinsam, sie planten einen "Kongress der Völker Syriens", an dem alle politischen Strömungen in dem vom Krieg zerstörten Land teilnehmen sollten. Die Außenminister der drei Länder seien beauftragt worden, eine Liste der Teilnehmer zu erstellen und ein Datum festzulegen.

Am Vortag hatte Putin überraschend Syriens Präsidenten Baschar al-Assad in Moskau empfangen. Das Gespräch dauerte vier Stunden. Dieses Treffen diene der Vorbereitung des Treffens mit Rohani und Erdogan, sagte Putin. Über den Inhalt informierte er US-Präsident Trump, den saudischen König Salman, Israels Ministerpräsidenten Netanjahu und den ägyptischen Präsidenten al-Sisi.

Zu dem geplanten Volkskongress sagte Putin bei dem Dreiergipfel: Der Kongress befasste sich mit Schlüsselfragen der nationalen Tagesordnung Syriens. Dazu gehörten die Ausarbeitung einer Verfassung und die Durchführung von freien Wahlen unter der Aufsicht der Vereinten Nationen.

Russland, Iran und die Türkei haben sich als "Garantiemächte" zur Lösung der Krise in Syrien zusammengefunden, obgleich Russland und Iran das syrische Regime unterstützen, während die Türkei auf der Seite der Gegner der Machthaber in Damaskus steht. Erdogan hatte vor seiner Ankunft in Sotschi kritisiert, dass "das Assad-Regime, an dessen Händen das Blut von Hunderttausenden seiner Bürger klebt, immer noch an der Macht ist". Nach dem Gipfel zeigte Erdogan sich mit den erzielten Ergebnissen zufrieden. Der Erfolg hänge allerdings von der "Haltung der Parteien ab, allen voran der des Regimes und der Opposition". Auch Rohani äußerte sich positiv über das Treffen. Der geplante Volkskongress sei ein richtiger Schritt, um den Frieden in Syrien zu erlangen. Danach kämen freie Wahlen und damit Sicherheit und Stabilität. Rohani appellierte an die Weltgemeinschaft, dem syrischen Volk zu helfen, sein Leiden zu beenden und den Flüchtlingen zu ermöglichen, in ihre Heimat zurückzukehren.

Zwischen den drei Staatsoberhäuptern gab es auch Differenzen. Die Türkei weigerte sich mit den Kurden zusammenzuarbeiten. Erdogan bezeichnete die Miliz YPG als "terroristische Elemente", die die Sicherheit der Türkei gefährdeten. "Wenn wir uns schon zur territorialen Integrität und politischen Einheit Syriens bekennen, dann können wir eine Bande mit Blut an den Händen, die versucht das Land zu teilen, nicht als legitimen Partner sehen", sagte er.

Putin erklärte, es gebe eine "echte Chance", den Konflikt in Syrien zu beenden. Dies erfordere allerdings "Zugeständnisse aller Beteiligten, einschließlich der syrischen Regierung". "Dank der Bemühungen Russlands, Irans und der Türkei haben wir den Kollaps Syriens verhindern können und vermieden, dass es in die Hände internationaler Terroristen fällt."

Die drei Staatspräsidenten vereinbarten, die Gespräche in der kasachischen Hauptstadt Astana fortzusetzen.


KAIRO WARNT TEHERAN

Ägypten hat sich nun auch in den Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien eingeschaltet. Der Präsident des Landes, Abdel Fattah al-Sisi, forderte laut dpa am 8. November Iran dazu auf, seine "Einmischung" in innere Angelegenheiten der Staaten der Region zu beenden. "Die Sicherheit am (Persischen) Golf ist eine rote Linie und andere müssen damit aufhören, sich in unsere Angelegenheiten einzumischen und an einer Eskalation von Spannungen zu arbeiten", sagte der Präsident. "Ich bin gegen Krieg, wir können Krisen mit Dialog lösen", betonte al-Sisi als er gefragt wurde, ob ein Krieg mit Iran oder der libanesischen Hisbollah wahrscheinlich sei.

Seit der Machtübernahme al-Sisis in Ägypten bestehen zwischen dem Land und Saudi-Arabien enge Bindungen. Ägypten ist auch an der Koalition beteiligt, die unter der Führung von Saudi-Arabien gegen die Huthis in Jemen Krieg führt.


NETANJAHU: IRAN PLANT DIE GRÜNDUNG EINES IMPERIUMS

Bei einem Vortrag im Chattam House London (International Affairs Think Tank) sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu laut BBC am 3. November, Iran sei bestrebt zwischen Teheran und Tartus (Stadt an der Mittelmeer-Küste Syriens) eine Brücke zu bauen und ein Imperium zu errichten. "Teheran möchte die Schiiten in das gesamte Gebiet des Nahen Osten exportieren." Er versuchte an Hand einer Landkarte die jüngste Entwicklung in der Region zu demonstrieren. Dabei reihte er, so der BBC-Bericht, Iran unter die Extremisten und Fundamentalisten und Israel und die arabischen Staaten unter die modernen, moderaten Staaten ein.

Der israelische Ministerpräsident fragte mit Blick auf das Verhältnis zwischen Russland und Iran im Zusammenhang mit der Entwicklung in Syrien: "Ist es im Interesse Russlands, dass solch eine Macht hier in dieser Region existiert?" Darüber habe er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen, sagte Netanjahu.

Es gehe "um den Kampf zwischen Modernisten und Fundamentalisten", sagte Netanjahu. Die Fundamentalisten seien schiitische Extremisten unter der Führung Irans und sunnitische Extremisten unter der Führung von Al-Kaida. Hinzu käme der Islamische Staat (IS) und "Gott weiß wer morgen dazu kommt". Sie kämpften untereinander um den Thron. Es sei ein Kampf der "Barbaren", bei dem "Iran als Sieger hervorzugehen scheint". "Iran will den ganzen Nahen Osten verschlingen. (...) Das ist eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht aber ist, dass alle Araber in der Region dabei sind, ihre Position gegenüber Israel zu mildern."

Zum Atomabkommen mit Iran sagte Netanjahu: "Für mich ist das Atomabkommen nicht wichtig. Wichtig ist für mich, dass Iran keine Nuklearwaffen bekommt. Ob dies durch eine härtere Gestaltung oder durch eine Kündigung des Abkommens erreicht wird, ist für mich gleichgültig. Wichtig ist, dass wir in den kommenden Jahren nicht in eine Lage geraten, die schlechter ist als die in Nordkorea."

Netanjahu war am 2. November zum hundertsten Jahrestag der Balfour Deklaration nach London gekommen. Bei einem Treffen mit der britischen Premierministerin Theresa May sagte er: "Iran bedroht Europa, bedroht den Westen, bedroht die Welt und provoziert ein ums andere Mal mehr. Deshalb begrüße ich, dass Präsident Trump auf Sanktionen gegen Iran beharrt."


ANNÄHRUNG ZWISCHEN ISRAEL UND SAUDI-ARABIEN: GEMEINSAM GEGEN IRAN

Zwischen Saudi-Arabien und Israel bestehen keine diplomatischen Beziehungen und Riad erkennt den israelischen Staat nicht an. Dennoch scheint der gemeinsame Feind Iran, die beiden Staaten zu einer Annährung, ja gar zu einer gemeinsamen Frontbildung, veranlasst zu haben.

Dies bestätigte Israels Energieminister Yuval Steinitz laut BBC am 19. November, in dem er von "geheimen Beziehungen" zwischen Riad und Tel Aviv sprach. "Wir haben keine Probleme, diese Beziehungen öffentlich zu machen. Es ist die andere Seite, die möchte, dass darüber geschwiegen wird", sagte der Minister. Es seien die gemeinsamen Interessen, die diese Beziehungen notwendig machten. "Unsere Kontakte zu den gemäßigten arabischen Staaten helfen uns, Iran zu stoppen."

Wenige Tage später sagte General Gadi Einzenkot, Generalstabchef der israelischen Streitkräfte, in einem Interview mit der arabischen Internetzeitung Elaph, Israel und Saudi-Arabien seien über die Ziele Irans in der Region gleicher Meinung. Er bezeichnete Iran als die "größte, reale Bedrohung in der Region" und fügte hinzu: "Iran hat die Absicht, mit der Bildung des schiitischen Halbmonds, die Kontrolle über das gesamte Gebiet von Libanon bis Iran und vom Persischen Golf bis zum Roten Meer zu übernehmen. Wir müssen diesen Plan verhindern."

"Wir wollen, dass die Hisbollah Syrien verlässt und auch Iran sich mit seinen paramilitärischen Kräften aus dem Land zurückzieht", sagte der General. "Wir akzeptieren nicht, dass sich Iran in Syrien etabliert. Wir werden die Präsenz der Iraner in Syrien nicht erlauben."

Manche politischen Beobachter vertreten die Ansicht, dass Israel einen Krieg gegen Libanon plant, um damit die Hisbollah zum Rückzug aus Syrien und zur Rückkehr nach Libanon zu zwingen. Es gibt aber selbst in der israelischen Führung Gegner eines neuen Libanon-Kriegs. Der Diplomat Dan Shapiro, ehemaliger Botschafter Israels in den USA, schrieb in der israelischen Zeitung Haaretz, es sei zu vermuten, dass die Saudis neue Pläne schmieden würden, um Irans Einfluss in Libanon zu unterbinden: einen Krieg zwischen Israel und Hisbollah.

Welcher Lesart man auch anhängt, es scheint als würde das Tabu von Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien gebrochen. Dies könnte zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern führen. Gründe für eine Zusammenarbeit beider Staaten gibt es genug. Für Saudi-Arabien ist der ausweglose Krieg in Jemen zu einer großen Belastung geworden. Der Konflikt mit Katar hat den Golfkooperationsrat erheblich geschwächt, in Syrien und im Irak ist der Rivale Iran als Sieger hervorgegangen und in Libanon haben die jüngsten Ereignisse die Basis der Saudis geschwächt und die Hisbollah gestärkt. Die Saudis brauchen einen starken Verbündeten in der Region.

Begünstigt wurde die Annäherung zwischen Riad und Tel Aviv durch den Machwechsel in Washington. Während Präsident Obama bemüht war, den Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien zu schlichten, macht Präsident Trump keinen Hehl daraus, dass er voll und ganz hinter den Saudis steht und alles versuchen will, um Iran zu schwächen. General Gadi Einzenkot sagte, dass Präsident Trump an der Spitze der US-Regierung die Chance liefere, um eine neue, internationale und regionale Koalition zu bilden und eine Strategie zu entwickeln, die dem Vormarsch Irans Einhalt gebiete.


KEINE VERBINDUNG ZU BIN LADEN

Irans Außenminister, Mohammad Dschawad Sarif, bezeichnete die Behauptung der USA, Iran habe Verbindung zu dem Al-Kaida-Führer Ossama Bin Laden gehabt, als "fake news". In einer Twitter-Botschaft schrieb er am 3. November, die Veröffentlichung "ausgesuchter Al-Kaida-Dokumente durch den US-Geheimdienst CIA und das Politikinstitut FDD habe einzig das Ziel gehabt, Iran in ein falsches Licht zu stellen".

Der Vorwurf gegen Iran basiert auf Dokumenten, die eine US-Sondereinheit am 2. Mai 2011 nach der Tötung Bin Ladens aus dessen Versteck im pakistanischen Abbottabad mitgenommen hatte. Die nun veröffentlichten Dokumente wurden zuvor der Foundation for Defense (FDD) zur Einsicht übergeben. Das Institut erklärte, aus den Dokumenten gehe hervor, dass Iran zu der Terrororganisation Al-Kaida Kontakt gehabt habe.

Iran bestreitet jede Verbindung zu Terrornetzwerken. Schließlich bekämpfe das Land diese Gruppen seit Jahren im Irak und in Syrien, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme.


TERRORANSCHLAG IN NEW YORK VERURTEILT

Der Sprecher des Außenministeriums, Bahram Ghassemi, verurteilte am 1. November den Terroranschlag in New York und sprach den Hinterbliebenen der Opfer sein Beileid aus. "Unschuldige und hilflose Menschen auf Straßen und an öffentlichen Plätzen zu ermorden, zeigt die Brutalität von Daesch (Islamischer Staat)". Zugleich warf Ghassemi den USA vor, nicht konsequent gegen Terrororganisationen zu kämpfen, sondern diese für eigene Interessen zu instrumentalisieren.


WEIßES HAUS DEMENTIERT TRUMPS WUNSCH EINES TREFFENS MIT ROHANI

Das Weiße Haus dementierte die Behauptung der iranischen Regierung, US-Präsident Donald Trump habe während der UN-Vollversammlung in New York im September dieses Jahres versucht, den iranischen Präsidenten Hassan Rohani zu treffen. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, sagte dem Sender NBC am 30. Oktober, diese Meldung sei völlig aus der Luft gegriffen.

Irans Außenamtssprecher, Bahram Ghassemi, hatte zuvor erklärt, Trump habe den Wunsch zu einem Gespräch geäußert, doch Rohani habe abgelehnt. Der letzte Kontakt zwischen den Präsidenten der beiden Staaten hatte im September 2013 stattgefunden. Damals führten Rohani und Obama, kurz vor dem Abflug Rohanis aus New York, ein Telefongespräch miteinander.

Seit der Regierungsübernahme von Donald Trump haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten extrem verschlechtert. Trump hatte auf der UN-Vollversammlung Iran scharf angegriffen, was bei Rohani eine ebenso scharfe Gegenreaktion auslöste.

Am 3. November meldete die Washington Post, Frankreichs Präsident, Emanuel Macron, sollte auf Wunsch des Weißen Hauses ein Gespräch zwischen Trump und Rohani vermitteln. Die Zeitung stützt sich auf Aussagen von Politikern, die dem Weißen Haus naheständen, aber nicht genannt werden möchten. Demnach sollte Außenminister Rex Tillerson den Wunsch Trumps dem französischen Präsidenten überbringen. Iran habe das Gespräch abgelehnt. Die Franzosen hätten dem Weißen Haus mitgeteilt, dass die Iraner Trump nicht geglaubt und das Gesprächsangebot als eine "List" betrachtet hätten, schrieb die Washington Post.

Dem widersprach Ghassemi. "Ich muss betonen, dass alles, was über die Rolle von Außenstehenden, insbesondere über die Vermittlungsrolle des französischen Präsidenten, gemeldet wurde, nicht richtig ist."

Indes erklärte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, auf die Frage, ob der Wunsch nach einem Gespräch bestanden habe: "Ich weiß, dass der Außenminister das Thema vorgebracht hat. (...) Die Iraner haben nein gesagt und damit war die Angelegenheit erledigt."

Die Washington Post zitierte einen anonymen Politiker, der meinte, Trump habe die Absicht gehabt, Rohani zu sagen, "die goldene Ära Obama und der Versuch, die bilateralen Beziehung zu Iran zu bessern, sind zu Ende. Iran muss sein schlechtes Verhalten ändern".


UN-RESOLUTION ZUR LAGE DER MENSCHENRECHTE IN IRAN

Die Lage der Menschenrechte in Iran sei "in verschiedenen Bereichen besorgniserregend", heißt es in der Resolution, die am 14. November von der UN-Vollversammlung verabschiedet wurde. Die Vorlage dazu war von Kanada eingereicht worden. Für die Resolution stimmten 83 Mitgliedstatten, 30 Staaten lehnten sie ab, 67 enthielten sich.

Die Resolution beruft sich auf einen 33-seitigen Bericht der UN-Sonderbeauftragten für Menschenrechte in Iran, Assieh Dschahangir, der einen Monat zuvor veröffentlicht wurde. Darin zeigen sich die Mitgliedstaaten besorgt über Folterungen von Gefangenen, erzwungene Geständnisse, die hohe Zahl der Hinrichtungen, darunter auch Hinrichtung von Minderjährigen, den schlechten Zustand der Gefängnisse, den Mangel an medizinischer Versorgung der Gefangenen, die willkürlichen Verhaftungen, die Einschränkung der Freiheiten religiöser und ethnischer Minderheiten und über die Benachteiligungen von Frauen. Kritisiert wird auch die Verhaftung von Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Schließlich fordert die Resolution Iran dazu auf, Personen, die sich in Zusammenhang mit den Protesten von 2009 gegen die umstrittene Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in Haft oder Hausarrest befinden, freizulassen.

Zugleich begrüßt die Resolution Fortschritte in Bezug auf die Todesstrafe, Teilnahme Irans an dem Komitee für Kinderrechte und Rechte der Behinderten. Ferner wird auch auf die friedliche Durchführung von Wahlen als positives Zeichen hingewiesen.

Der Vertreter Irans bei der UNO attackierte den kanadischen Botschafter als Initiator der Resolution, die er als politisch motiviert bezeichnete.

Am 16. November erklärte der Sprecher des Teheraner Außenministeriums: "Die Resolution zur Lage der Menschenrechte in Iran, die von Kanada und anderen westlichen Staaten initiiert und auf der 72. UN-Vollversammlung verabschiedet wurde, ist ein zu verurteilender Akt und inakzeptabel." Die "politische Instrumentalisierung der Menschenrechte seitens des Westens gegen unabhängige Staaten" sei ein "verwerfliches Unternehmen", das den "hohen Wert" der Menschenrechte degradiere, sagte Ghassemi.


SARIF IN TADSCHIKISTAN

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif traf sich am 8. November mit dem tadschikischen Präsidenten Emamali Rahman in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbeh. Die Politiker sprachen über die bilateralen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen, über die Sicherheit in der Region und über den Kampf gegen den Terrorismus.

"Die Partner erörterten wichtige nationale, regionale und internationale Fragen", stand auf der Webseite Rahmans. "Gesprochen wurde unter anderem über bereits getroffenen Vereinbarungen, den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, den Handel, Investitionen, Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Handwerk. Beide Politiker unterstrichen die Bedeutung der Kommission, die sich mit Fragen der Wirtschaft, Handel und Kultur beschäftigt und in den nächsten Tagen ihre turnusmäßige Tagung abhalten wird. Ferner wurden Probleme der Sicherheit in der Region und des Kampfes gegen den Terrorismus erörtert", hieß es.

Der Besuch Sarifs war überraschend. Er führte auch Gespräche mit seinem Amtskollegen Sarajddin Aslov und anderen führenden Politiker des Landes und nahm an der Eröffnung der neu gebauten iranischen Botschaft teil. Es war, nach der Trübung des Verhältnisses zwischen Teheran und Duschanbeh vor zwei Jahren, der erste Besuch eines ranghohen iranischen Politikers in Tadschikistan. Die Beziehungen waren damals durch die Einladung des Führers der verbotenen "Islamischen Bewegung Tadschikistans", Mohajeddin Kabiri, nach Teheran getrübt worden. Diese Organisation war in Tadschikistan als "terroristisch" eingestuft. Danach wurden die Aktivitäten einer Reihe iranischer Institutionen in Tadschikistan eingestellt. Auch der Handel zwischen den beiden Staaten ging zurück. Familien, deren Angehörige in Iran lebten, wurden von tadschikischen Sicherheitskräften unter Druck gesetzt. Manche tadschikischen Studenten an iranische Universitäten sahen sich gezwungen, Iran zu verlassen.

Vor etwa zwei Monaten zeigte das staatliche Fernsehen Tadschikistans einen Dokumentarfilm, in dem Iran vorgeworfen wurde, an Kettenmorden gegen tadschikische Politiker 2011 beteiligt gewesen zu sein. Iran bestritt den Vorwurf und erklärte, ein Drittstaat sei an der Trübung der Beziehung beider Staaten interessiert.

Iran und Tadschikistan haben sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeiten. Viele hoffen nun, dass der Besuch Sarifs zur Wiederbelebung der bilateralen Beziehungen zwischen Teheran und Duschanbeh führen wird.


FALL ZAGHARI WIRD ZUM POLITIKUM

Der Fall der iranisch-britischen Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe ist zum Politikum geworden. Er belastet die Beziehung zwischen Iran und Großbritannien.

Die 38-jährige Projektmanagerin der Thomson-Reuters-Stiftung war im April 2016, als sie nach einem Besuch in Iran mit ihrer kleinen Tochter das Land verlassen wollte, auf dem Flughafen festgenommen worden. Sie war, unter dem Vorwurf der Spionage, zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seit Juni 2016 befindet sie sich im Gefängnis. Im Oktober dieses Jahres wurden neue Vorwürfe gegen sie laut. Sie soll Organisationen unterstützt haben, die den Sturz der Islamischen Republik planten, an Protestdemonstrationen vor der iranischen Botschaft in London beteiligt gewesen sein und sie soll von der BBC sowie von Reuters Geld bekommen haben.

Nun hat sich, neben zahlreichen Menschenrechtsorganisationen und politischen Parteien, auch der britische Außenminister Boris Johnson für sie eingesetzt, womit er möglicherweise das Gegenteil dessen bewirken könnte, was er beabsichtigt hatte. Er sagte am 1. November im britischen Parlament, Zaghari habe während ihres Aufenthalts in Teheran Journalisten geschult. Bisher hatten sowohl Zagharis Mann als auch ihre Anwälte ihren Aufenthalt in Iran als privaten Besuch bezeichnet und jede politische Aktivität bestritten. Johnson lieferte mit seiner Äußerung der iranischen Justiz den Beweis, den Besuch doch als politisch motiviert zu deuten.

Die Thomson-Reuters-Stiftung warf dem Minister daraufhin vor, sich fahrlässig geäußert zu haben. Tatsächlich erklärte die Staatsanwaltschaft in Teheran, der Außenminister habe bestätigt, dass Zaghari sich aus politischen Gründen in Teheran aufgehalten habe.

Das Londoner Außenministerium erklärte zu dem Vorwurf am 7. November, auch die Äußerung des Ministers rechtfertige das Urteil gegen Zaghari nicht. Der Minister selbst sagte im Parlament, er hätte sich klarer ausdrücken müssen und fügte hinzu, Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif habe ihm in einem Teefongespräch versichert, dass die neuen Vorwürfe gegen Zaghari nichts mit seinen Äußerungen zu tun hätten. Johnson sagte, eigentlich habe er sagen wollen, selbst wenn die Behauptungen der iranischen Justiz zutreffen würden, wären die Maßnahmen gegen Zaghari nicht zu rechtfertigen. Er warf den Kritikern, vor allem der Labourparty, vor, mit ihren Angriffen gegen das Außenministerium Irans Vorgehen zu rechtfertigen und den Außenminister als schuldig darzustellen.

Irans Medien berichteten, dass Sarif bei seinem Telefongespräch mit Johnson erklärt habe, dass Iran die doppelte Staatsbürgerschaft nicht anerkenne und daher Zaghari als iranische Staatsbürgerin behandle. Zudem sei die iranische Justiz unabhängig und er könne auf ihre Entscheidungen keinen Einfluss nehmen.

Der Fall Zagharis machte in den britischen Medien Schlagzeilen. Sowohl die Opposition als auch Menschenrechtsorganisationen forderten sogar Johnsons Rücktritt. "Die Kampagne zur Freiheit für Zaghari" erklärte, es sei nach der neuen Lage zu befürchten, dass das Urteil gegen Zaghari auf 16 Jahre Gefängnis erhöht werde.

Jeremy Corbyn, Vorsitzender der Labour-Partei, übte am 12. November im Observer scharfe Kritik gegen Johnson und forderte Theresa May auf, den Minister zu entlassen. Seit langem schon sei das Verhalten Johnsons für Großbritannien "beschämend", schrieb er. "Sein rückwärts gerichteter, kolonialistischer Blick", stehe im eklatanten Widerspruch zu der "pluralistischen, modernen Realität unserer Gesellschaft". "Wir müssen die Entwicklung des 21. Jahrhunderts fortsetzen und dürfen uns nicht nach dem 19. Jahrhundert sehnen." Johnsons "Unfähigkeit" und "Unsensibilität" schadeten dem Land. "Er muss entlassen werden." Auch der Londoner Bürgermeister, Sadeg Khan, forderte Johnsons Rücktritt.

Doch im selben Blatt schrieb Michael Gove: "Wer ist hier schuldig? Iran, die Justiz und die Revolutionsgarden. Wir machen einen Fehler, wenn wir meinen, dem Politiker eines demokratischen Landes die Schuld geben zu können. Nicht die Politiker, die versuchen, einer Frau, die in Schwierigkeiten geraten ist und in einem iranischen Gefängnis sitzt, zu helfen sind schuld, sondern der Staat, der ununterbrochen die Menschenrechte verletzt und den Terrorismus unterstützt."

Indes gab das Außenministerium in London bekannt, dass Johnson vor Jahresende nach Iran reisen werde. Dabei werde er der iranischen Regierung konkrete Vorschläge machen, um Zaghari freizubekommen. Der Minister traf auch den Mann von Frau Zaghari, der ihn bat, ihn nach Teheran begleiten zu dürfen. Politische Beobachter meinen jedoch, Johnson werde dieser Bitte kaum nachkommen. Richard Ratcliffe sagte nach dem Treffen mit Johnson am 15. November der Presse, er habe den Minister um Unterstützung gebeten, doch er habe den Eindruck, dass der Minister gewisse Bedenken habe, über die er mit seinen Beratern sprechen wolle. Der Minister entschuldigte sich für seine Äußerung. "Ich entschuldige mich bei Frau Zaghari-Ratcliffe und ihrer Familie, falls ich ihr unabsichtlich weitere Qualen verursacht haben sollte. "

In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass Großbritannien sich bereiterklärt habe, Altschulden aus den siebziger Jahren in Höhe von 450 Millionen Pfund (über 500 Millionen Euro) an Iran zurückzuzahlen. Doch sowohl London als auch Teheran erklärten, dass dies mit dem Fall Zaghari nichts zu tun habe. Es handele sich um einen alten Vertrag über den Kauf von 1.500 Panzern und 250 Militärfahrzeugen. Der Vertrag war vor der Revolution, noch unter dem Schah, geschlossen worden. Die Briten hatten lediglich 185 Panzer geliefert. Die Lieferung war nach der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran eingestellt worden. Die Summen, die Iran bereits gezahlt hatte, wollte Großbritannien nicht zurückzahlen. Nach nun vierzig Jahren juristischen Streits, will Großbritannien die Gelder freigeben. Die Regierung bestreitet, dass dies als Lösegeld für die Freilassung von Zaghari mit Iran vereinbart wurde.

Auch der iranische Botschafter in London, Hamid Baidinedschad, dementierte die Berichte einiger Medien. Es sei völlig abwegig, zwischen der Schuldenbegleichung und dem Fall Zaghari einen Zusammenhang herstellen zu wollen, sagte er.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann/Birgit Arnhold
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
16. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 12/2017 - Dezember 2017 / 16. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2017

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