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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/412: Iran-Report Nr. 6 - Juni 2018


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 6 - Juni 2018
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNEN- UND AUSSENPOLITIK

• USA steigen aus dem Atomabkommen aus
• Rede Rohanis zum Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen
• Andere Reaktionen aus Iran
• Chamenei verlangt Garantien
• Obama kritisiert Entscheidung Trumps
• Reaktionen der Vertragspartner
• Iran setzt eine Frist von 60 Tagen
• Unterstützer von Trumps Entscheidung
• Giuliani: USA streben nach einem Regimewechsel in Iran
• Feindschaft zwischen Iran und Israel eskaliert
• Marokko bricht diplomatische Beziehungen zu Iran ab
• Entschädigung für die Opfer des 11. September


USA STEIGEN AUS DEM ATOMABKOMMEN AUS

Wie von vielen befürchtet, und von anderen erhofft, erklärte der US-Präsident Donald Trump am 8. Mai den sofortigen Ausstieg der USA aus dem 2015 mit China, Russland, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Iran abgeschlossenen Atomabkommen. Die UNO hatte den Vertrag bestätigt.

Den Schritt, der allgemein als folgenreich betrachtet wird, begründete Trump mit der Unterstützung, die Iran aus seiner Sicht dem internationalen Terrorismus gewähre. Das Iranische Regime sei "der führende staatliche Sponsor des Terrors. Es exportiert gefährliche Raketen, schürt Konflikte im gesamten Nahen Osten und unterstützt terroristische Vertreter und Milizen wie die Hisbollah, die Hamas, die Taliban und die al-Qaida", sagte der Präsident.

Iran und seine Verbündeten hätten amerikanische Botschaften und Militäreinrichtungen angegriffen und dabei zahlreiche Soldaten getötet, in Haft genommen und gefoltert. Das Teheraner Regime habe das eigene Volk ausgeraubt und damit den Terror finanziert. Zudem habe Iran versucht, Nuklearwaffen, und die nötigen Mittel zu ihrem Einsatz, zu bauen.

Das Atomabkommen, das die Welt vor dem Irrsinn einer iranischen Atombombe schützen sollte, gewähre Iran in Wirklichkeit die Möglichkeit, die Urananreicherung fortzusetzen, um mit der Zeit an Nuklearwaffen zu gelangen. Es habe die Wirtschaftssanktionen gegen Iran aufgehoben, ohne das Land daran zu hindern, seine "bösartigen" Aktivitäten in Syrien, im Jemen und an anderen Orten auf der ganzen Welt fortzusetzen. Zudem hätten die USA dem Regime in Teheran "viele Milliarden Dollar" - zum Teil in bar - übergeben, was "eine große Peinlichkeit für mich und für alle Bürger der Vereinigten Staaten" gewesen sei, betonte Trump.

Das Versprechen Irans, die Atomenergie friedlich zu nutzen, sei eine Lüge gewesen. Dafür gebe es eindeutige Beweise, darunter jene, die Israel wenige Tage zuvor präsentiert habe. Das Abkommen sei ein "schrecklicher, einseitiger Deal". Der Vertrag hätte niemals zustande kommen dürfen. Er habe keine Ruhe, keinen Frieden gebracht. Iran habe inzwischen seinen Militärhaushalt um 40 Prozent erhöht, obwohl die Wirtschaft sich in einer schlechten Lage befinde. Es habe seine Mittel eingesetzt, um ballistische Raketen zu bauen, den Terrorismus zu unterstützen und in der Region Chaos zu stiften.

Das Abkommen sichere keine vollständigen Kontrollen des iranischen Atomprogramms. Viele Orte, darunter die militärischen Einrichtungen, seien für Inspektoren nicht zugänglich. Auch das iranische Raketenprogramm, ebenso wie die Aktivitäten Irans in der Region, ließen sich durch das Abkommen nicht einschränken.

"Seit dem Abkommen sind die blutigen Ambitionen Irans noch unverschämter geworden", sagte Trump weiter. Aus all den genannten Gründen habe er (Trump) im vergangenen Oktober gefordert, entweder das Abkommen neu zu verhandeln, oder es zu beenden. Dieselbe Forderung habe er im Januar wiederholt. Inzwischen habe er viele Gespräche mit verschiedenen Partnern geführt. Alle seien der Meinung gewesen, dass Iran niemals Atomwaffen besitzen dürfe. Dieses Ziel sei jedoch mit dem bestehenden Abkommen nicht zu erreichen. "Deshalb kündige ich heute an, dass sich die Vereinigten Staaten aus dem Atomabkommen mit Iran zurückziehen werden."

Mit der Unterzeichnung eines entsprechenden Memorandums, würden die Nuklearsanktionen gegen Iran wieder eingeführt. "Wir werden die höchste Stufe wirtschaftlicher Sanktionen einführen. Jede Nation, die Iran bei der Suche nach Atomwaffen hilft, könnte auch von den Vereinigten Staaten stark sanktioniert werden (...). Wir werden nicht zulassen, dass ein Regime, das "Tod für Amerika" ruft, Zugang zu den tödlichsten Waffen der Welt erhält."

Die USA würden nun versuchen, mit ihren Verbündeten eine umfassende, dauerhafte Lösung für die nukleare Bedrohung durch Iran auszuarbeiten, welche es ermögliche, das iranische Raketenprogramm zu stoppen und Irans Aktivitäten in der Region zu blockieren. "Mächtige Sanktionen" würden ihre Wirkung entfalten. Sollte das Regime in Teheran "seine nuklearen Bestrebungen" fortsetzen, werde es "größere Probleme als je zuvor haben".

Zum Schluss seiner Ausführungen sandte Trump eine Botschaft an das iranische Volk. Das Volk sei eine "stolze Nation", die seit fast 40 Jahren von einer Diktatur "als Geisel" genommen werde. "Aber die Zukunft Irans gehöre seinem Volk". Die Führung werde sich natürlich weigern, neu zu verhandeln. "Das ist in Ordnung. (...) Aber Tatsache ist, dass sie ein neues und dauerhaftes Abkommen schließen wird, das dem gesamten Iran und dem iranischen Volk zugutekommt. Sollten sie dies tun, wäre ich dazu bereit, willig und fähig."


REDE ROHANIS ZUM AUSSTIEG DER USA AUS DEM ATOMABKOMMEN

Unmittelbar nach der Ankündigung des US-Präsidenten, erklärte Irans Präsident Hassan Rohani, Iran werde weiterhin an dem Abkommen festhalten und seine eingegangenen Verpflichtungen erfüllen. Dies gelte, solange die Interessen des Landes dadurch gewahrt blieben.

"Heute waren wir Zeuge einer wichtigen historischen Erfahrung: seit 40 Jahren stellen wir fest, dass Iran zu seinen Verpflichtungen steht und dass die USA nicht zu ihren Verpflichtungen stehen", sagte Rohani. "Die Geschichte lehrt uns seit 40 Jahren, dass sich die USA dem iranischen Volk und den Völkern der Region gegenüber stets feindlich verhalten haben. (...) Sie haben (1953) gegen den legitimen iranischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh geputscht, sich in Angelegenheiten des vergangenen Regimes (Schah-Regime) eingemischt (...), eine iranische Passagiermaschine abgeschossen und unschuldige Menschen getötet und sie haben Maßnahmen gegen Irak, andere Staaten des Nahen Ostens, Nordafrikas und andere Völker der Welt unternommen."

Die USA hätten nun erklärt, dass sie aus dem Atomabkommen aussteigen würden. Doch genau dies täten sie bereits seit Monaten. Eigentlich hätten sie, im Gegensatz zu Iran, nie ihre Pflichten erfüllt.

Bei dem Abkommen handele sich um keine bilaterale Vereinbarung zwischen den USA und Iran, das durch den Ausstieg eines der Vertragspartner hinfällig werden würde. Es sei ein Abkommen zwischen mehreren Staaten, das zudem vom UN-Sicherheitsrat bestätigt worden sei. "Heute sind wir Zeuge, dass die USA internationale Verträge nicht achten. Sie sind auch aus der Klima-Vereinbarung von Paris ausgestiegen." Was Trump gemacht habe, sei eine "psychologische und wirtschaftliche Kriegserklärung" gewesen. Iran werde nicht zulassen, dass die USA aus diesem "Krieg" als Sieger hervorgingen. Das einzige Regime, das Trumps Position unterstützt habe, sei das "zionistische Regime" gewesen, jenes Regime, das iranische Atomwissenschaftler getötet habe. "Es vergeht kein Tag, an dem dieses Regime gegen das palästinensische Volk keine Verbrechen verübt."

"Nun hat Iran statt sechs, fünf Vertragspartner", sagte Rohani. "Wir werden sehen, wie sich diese Partner verhalten werden." Er (Rohani) habe den Außenminister angewiesen, in den nächsten Wochen mit den europäischen Staaten und den beiden Großmächten Russland und China Gespräche zu führen, um das weitere Vorgehen zu koordinieren. "Wenn wir am Ende dieser kurzen Frist feststellen, dass wir mit den übrigen fünf Staaten kooperieren und durch das Abkommen die Interessen Irans bewahren können, werden wir entgegen den Wünschen der USA und des zionistischen Regimes (...) an dem Atomabkommen festhalten und weitere Schritte zugunsten des Friedens und der Sicherheit der Region und der Welt unternehmen. Sollte wir jedoch feststellen, dass unsere Interessen nicht gewahrt bleiben, werden wir unser Volk über die weiteren Schritte informieren. Ich betone, unsere Bevölkerung braucht sich um die Zukunft des Landes keine Sorgen zu machen. Wir waren schon vor Wochen und Monaten zu dem Ergebnis gekommen, dass Trump sich nicht um internationale Vereinbarungen wie das Atomabkommen schert. Daher haben wir schon längst die notwendigen Entscheidungen für unsere Wirtschaft getroffen."

"Wir haben jetzt ein Abkommen ohne die USA und man wird sehen, dass sich unser wirtschaftliches Wachstum fortsetzen wird."

Den Äußerungen Rohanis zufolge wird seine Regierung zunächst versuchen, moderat vorzugehen, den diplomatischen Weg einzuschlagen und mit den Unterzeichnern des Abkommens, China, Russland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu verhandeln. Sollte es nicht gelingen, das Abkommen zu retten, werde Iran die "industrielle Urananreicherung" im vollen Umfang wieder aufnehmen, sagte Rohani.

Rohani appellierte an das Volk, "entschlossener als zuvor" seine Geschlossenheit zu wahren. "So wie wir bisher aus allen Verschwörungen als Sieger hervorgegangen sind, werden wir auch dieses Mal siegen", sagte er. "Wir werden ein paar Wochen warten. Alles hängt davon ab, ob unsere Interessen durch das Abkommen gesichert werden. Ich versichere, dass wir die Probleme bewältigen, und dass die Menschen in ihrem Alltag keine Schwierigkeiten spüren werden."

Zum Schluss bedauerte Rohani die "herausragenden Menschen", in den USA für ihren "beschämenden Präsidenten".


ANDERE REAKTIONEN AUS IRAN

Für die iranische Bevölkerung war der Austritt der USA aus dem Atomabkommen schockierend und rief Resignation hervor. Viele befürchten, dass, mit den von Trump angekündigten Sanktionen, schwere Zeiten auf sie zukommen werden. Die iranische Wirtschaft befindet sich in keinem guten Zustand. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist weit verbreitet. Das war der eigentliche Grund für die Proteste um die Jahreswende. Es ist ungewiss, welche Reaktionen eine weitere Verschlechterung der Lage in der Bevölkerung auslösen und welche politischen Folgen die sich abzeichnende Krise für die Islamische Republik haben wird.

Für die Regierung von Rohani ist die Kündigung des Abkommen durch die USA ohne Zweifel ein schwerer Schlag. Rohani hatte alle Karten auf das Atomabkommen gesetzt und gehofft, mit der Aufhebung der Sanktionen einen wirtschaftlichen Aufschwung herbeiführen zu können. Dies trat nicht ein, weil erstens die USA mit allen Mitteln Geschäfte großer Unternehmen und Banken mit Iran zu verhindern suchten. Und zweitens die im Land weit verbreitete Korruption, Erfolge in der Wirtschaft verhindert. Die Regierung scheint weder mächtig genug noch fähig die Korruption einzudämmen. Die Folge ist, dass die Hoffnung, die Millionen Wähler in die Moderaten und Reformer um Rohani gesetzt hatten, zunehmend verloren geht. Die Frage ist nun, ob die Regierung Rohani diesen neuen Schlag aus Washington und die von Trump verordneten Sanktionen überleben kann. Die Gegner der Regierung, die Hardliner und rechten Konservativen reiben sich sicherlich die Hände. Sie waren schon immer gegen das Abkommen und der Meinung, dass man den Amerikanern nicht trauen könne. Es ist nun durchaus möglich, dass die Krise, nicht wie die Amerikaner es wünschen, zu einem Regimewechsel, sondern zu einem Machtwechsel in Iran führt und die Ultras wieder ihren radikalen Kurs aufnehmen.

Die unterschiedlichen Stellungnahmen zeigen, dass die Reformer und Moderaten ihre Hoffnung auf Europa setzen, während die Radikalen und Konservativen einen konfrontativen Kurs einschlagen wollen.

Ähnlich wie Rohani äußerte sich Außenminister Mohammad Dschawad Sarif. Er werde eine diplomatische Initiative ergreifen und prüfen, ob er die Interessen Irans sicherstellen könne. "Das Ergebnis wird unsere Antwort bestimmen", twitterte der Minister.

Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani warf den USA einen Verstoß gegen eine internationale Vereinbarung vor. Mit dem Ausstieg der Amerikaner sei eine neue Lage entstanden, in der Iran nicht mehr verpflichtet sei, seine Zusagen einzuhalten. Skeptisch äußerte sich Laridschani über die Haltung der europäischen Partner. "Ich bin nicht sicher, ob die europäischen Unterzeichner des Abkommens ihre Versprechen erfüllen werden", sagte er. Iran werde jedenfalls alle diplomatischen Wege versuchen. Man sollte jedoch in Betracht ziehen, dass Trump mit Argumenten und Vernunft nicht beizukommen sei. "Er versteht eher die Sprache der Gewalt", sagte Laridschani.

Vizepräsident und Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, sagte in einem Interview mit Ilna: "Wir haben alle Szenarien in Erwägung gezogen und sind auf alle Eventualitäten vorbereitet." Die Entscheidung werde durch die oberste Führung des Staates verkündet. Auch die Atombehörde sei bereit, jede Art von Entscheidung umzusetzen. Zu den politischen Folgen von Trumps Entscheidung sagte Salehi, für die ganze Welt sei nun deutlich geworden, dass Iran zu seinen Verpflichtungen stehe, während die Gegenseite wortbrüchig geworden sei. Die USA seien von Anfang an nicht vertrauenswürdig gewesen.

Ganz anders als die moderaten Politiker, reagierten die Hardliner und Konservativen auf Trumps Entscheidung. Einige Abgeordneten riefen zu Beginn der Parlamentssitzung am 9. Mai "Tod für Amerika". Sie verbrannten die amerikanische Fahne und eine symbolische Kopie des Atomabkommens.

Der Abgeordnete Hossein Amir Abdollahian, zuständige für internationale Fragen im islamischen Parlament, sagte, Trump sei offenbar nicht bewusst, dass die Zeiten, in denen die Großmächte mit Gewalt ihre Interessen durchsetzten, längst vorbei seien. "Wir werden unsere konstruktive Rolle in der Region fortsetzen und unser Raketenprogramm und Verteidigungspotential erhöhen und unsere Wirtschaft aus eigener Kraft und durch Kooperation mit anderen Staaten weiterentwickeln."

Die ultrarechte Tageszeitung Kayhan, die als Sprachrohr des Revolutionsführers Ali Chamenei gilt, schrieb in ihrer Ausgabe vom 9. Mai, "Trump hat das Atomabkommen zerrissen, nun sind wir am Zug, es zu verbrennen."

General Mohammad Bagheri, Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte, meinte, Iran müsse auf eigenen Beinen stehen. Die iranischen Streitkräfte seien heute in der Lage, dafür zu sorgen, dass der Staat ohne Sorgen das Land verwaltet. Feindliche Staaten hätten oft die Absicht gehabt, Iran anzugreifen, doch sie hätten es niemals gewagt. Der amerikanische Verteidigungsminister sei nach eigenen Angaben mehrmals von Trump unter Druck gesetzt worden, um einen Angriff gegen Iran vorzubereiten. Doch die Militärs hätten sich geweigert, weil ein Angriff gegen Iran große Opfer und hohe Verluste bringen würde, so der General weiter. Die Feinde Irans hätten nun einen Wirtschaftskrieg gegen Iran begonnen. "Wir haben mit Großzügigkeit und Edelmut ein Atomabkommen unterzeichnet, das für unser Volk nicht genehm war. Doch die Gegenseite hat nicht Wort gehalten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir, wenn wir weiter existieren wollen, auf eigenen Beinen stehen müssen und uns nicht auf solche Abkommen stützen dürfen", erklärte Bagheri.

General Mohammad Dschafari, Oberbefehlshaben der Revolutionsgarden, begrüßte den Ausstieg der USA aus dem Abkommen. Das Abkommen habe ohnehin keinen Wert gehabt, sagte der General. Er bezweifle, ob die Europäer an dem Abkommen festhalten würden. "Die Europäer sind von den USA abhängig und folglich nicht in der Lage, sich frei für die USA oder Iran zu entscheiden. Das Schicksal des Abkommens ist bereits entschieden." Für die USA sei das Atomprogramm nur ein Vorwand. Es gehe um das militärische Potential der Islamischen Republik.

General Abdolrahim Mussavi, Oberbefehlshaber der regulären Armee, dankte Gott für den Ausstieg der USA. Das Beste an dem Abkommen sei die Bestätigung der Unzuverlässigkeit der Amerikaner. Über Präsident Trump sagte der General: "Jeder Hirnlose Mensch macht gelegentlich auch was Gutes. Wir müssen ihm für den Ausstieg dankbar sein."

Einige Gegner der Regierung versammelten sich am 9. Mai auf dem Teheraner Azadi-Platz. Sie warnten Präsident Rohani, den Europäern zu trauen und riefen "Tod für Amerika".


CHAMENEI VERLANGT GARANTIEN

Auch Revolutionsführer Ali Chamenei nahm zu Trumps Äußerungen Stellung. In der Erklärung Trumps habe es "zehn Lügen", vulgäre Ausdrücke und Beleidigungen gegen die Islamische Republik und das iranische Volk gegeben, sagte Chamenei. "Im Namen des iranischen Volkes sage ich: Herr Trump Sie machen einen Fehler."

Er habe schon immer gesagt, dass das Problem der USA nicht das iranische Atomprogramm sei, das lediglich als Vorwand benutzt werde. Sollte Iran jetzt auch noch die Forderungen Präsident Trumps, sein Raketenprogramm einzustellen, akzeptieren, würden die USA einen neuen Konflikt heraufbeschwören. Das Hauptangriffsziel der USA sei die Islamische Republik.

"Seit zweieinhalb Jahren setzen wir das Atomabkommen um, und nun kommt auf einmal dieses Männchen und sagte, ich mache nicht mehr mit", führte Chamenei fort.

Obwohl einige Kommandanten der Revolutionsgarden und Parlamentsabgeordneten nach dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen, auch den Ausstieg Irans forderten, stellte Chamenei Bedingungen für einen weiteren Verbleib Irans in dem Abkommen. Er verlangte von Deutschland, Frankreich und Großbritannien "absolute und praktische Garantien. (...) Auch diesen drei Staaten traue ich nicht", sagte er. An die iranischen Verhandlungspartner gerichtet, sagte er: "traut den Europäern nicht. Wenn ihr Abmachungen treffen wollt, müsst ihr praktische und absolute Garantien verlangen. Sonst werden sie dasselbe tun, was die Amerikaner getan haben. Wenn ihr Sicherheiten bekommt, was ich bezweifle, dann ist es gut. Wenn nicht, können wir das Abkommen nicht mehr fortsetzen."

Die Verhandlungsführer hätten eine große Verantwortung, sagte Chamenei weiter. "Die Frage ist, ob es ihnen gelingen wird, die Würde der Nation zu wahren oder nicht."


OBAMA KRITISIERT ENTSCHEIDUNG TRUMPS

Der frühere Präsident der USA, Barack Obama, übte scharfe Kritik an Präsident Trumps Entscheidung, aus dem Atomdeal mit Iran auszusteigen. Das Abkommen gehört zu den herausragenden Erfolgen Obamas. Er warf Trump wenige Stunden nach der Aufkündigung vor, den engsten Verbündeten der USA "den Rücken gekehrt" zu haben. Er begründete ausführlich, warum das Atomabkommen mit Iran für die Sicherheit der USA und der Welt wichtig sei. Durch das internationale Abkommen sei die Gefahr eines nuklear bewaffneten Irans für Jahre ausgeschlossen worden, erklärte Obama. Die Vereinbarung beruhe nicht auf Vertrauen, sondern auf strengsten Kontrollen der iranischen Atomanlagen. Iran habe bis jetzt seine Pflichten erfüllt. Das hätten nicht nur seine Regierung, sondern auch die Sicherheitsorgane und die Internationale Atombehörde immer wieder bestätigt. Angesichts dieser Fakten, sei die Kündigung des Abkommens ein Fehler gewesen. Ohne das Abkommen gebe es für die USA zwei Alternativen: Einen nuklear bewaffneter Iran oder einen neuen Krieg im Nahen Osten.

Ziel des Abkommen sei nicht die Lösung aller Probleme zwischen Iran und den Vereinigten Staaten gewesen, betonte Obama. "Wir alle kennen die Gefahr einer atomaren Bewaffnung Irans. Das Regime in Teheran, das nun als Bedrohung dasteht, wird aggressiver werden und unsere Freunde in der Region mit Vernichtung drohen. Zudem gibt es nun die Gefahr einer allseitigen nuklearen Aufrüstung im gesamten Nahen Osten."


REAKTIONEN DER VERTRAGSPARTNER

In den ersten Stunden nach dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen haben die europäischen Vertragspartner sich eindeutig zu dem Abkommen bekannt und erklärt, dass sie daran festhalten werden. Ob aber diese eindeutige Reaktion und der Wille zum Erhalt des Abkommens auch umgesetzt werden können, bleibt fraglich. Denn die Umsetzung ist nicht allein eine politische, sondern in erster Linie eine wirtschaftliche Frage. Iran hatte dem Abkommen zugestimmt, weil es darin die Möglichkeit sah, die Sanktionen loszuwerden und einen wirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen. Das ist in den vergangenen drei Jahren kaum gelungen, vor allem, weil die USA, trotz ihrer Beteiligung an dem Abkommen, Geschäfte der Banken und Großunternehmen mit Iran weitgehend blockierten. Diese Blockade wird, nach dem nun erfolgten Ausstieg, erheblich verschärft werden. Das bedeutet für die Unternehmen und Banken, dass sie bei Geschäften mit Iran ein weitaus größeres Risiko in Kauf nehmen müssen. Zudem ist es kaum denkbar, dass sie Geschäfte mit Iran denen mit den USA vorziehen würden. Angesichts dieser Lage gibt es für die EU drei Möglichkeiten:

Erstens, eine direkte wirtschaftliche und wohl auch politische Konfrontation mit den USA. Das scheint in Anbetracht der gravierenden Folgen jedoch unvorstellbar. Die EU müsste in diesem Fall den Zusammenbruch des transatlantischen Bündnisses riskieren. Dazu wäre wohl kein EU-Staat bereit.

Zweitens, die EU könnte mit den USA über mögliche Ausnahmeregelungen verhandeln. Doch scheint es kaum denkbar, dass die USA der EU in Bezug auf Iran Zugeständnisse machen würden. Möglich wäre etwa, die europäischen Unternehmen von Strafmaßnahmen auszuschließen. Doch damit würden die USA ihrem eigenen Plan zuwiderhandeln. Dieser besteht darin, ein Höchstmaß an Druck auf Iran auszuüben, um das Land zu einem neuen Abkommen zwingen zu können.

Drittens könnte die EU versuchen, die finanziellen Risiken der Unternehmen und Banken zu übernehmen. Doch auch diese Möglichkeit scheint wenig aussichtsreich. Denn der Plan würde einen großen finanziellen Aufwand voraussetzen. Zudem würden die Großunternehmen wohl nicht auf Geschäfte mit den USA zugunsten Irans verzichten. Bestenfalls ließe sich dieser Plan für kleine und mittlere Unternehmen umsetzen, die keine Geschäfte mit den USA betreiben.

Was realistischer als die skizzierten Handlungsoptionen erscheint, wäre ein Versuch, das bereits bestehende Abkommen um einige Punkte, wie das iranische Raketenprogramm und die Rolle Irans in der Region, zu ergänzen. Aber ob Iran zu diesen Zugeständnissen bereit wäre, ist mehr als fraglich.

Die folgenden Stellungnahmen aus der EU machen deutlich, dass sie im Dunkeln tappt und noch keinen gangbaren Weg aus der Krise gefunden hat:

Wenige Minuten nach Trumps Rede nahm die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, sichtlich verärgert über die Äußerungen Trumps, in ungewöhnlich scharfen Worten zum Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen Stellung. Es sei einfach nicht erlaubt, ein vom UN-Sicherheitsrat bestätigtes internationales Abkommen einseitig zu kündigen, sagte sie. Die EU sei "entschlossen", an dem Abkommen festzuhalten, "nach ihren Sicherheitsinteressen zu handeln und ihre wirtschaftlichen Investitionen zu schützen". Das Abkommen mit Iran sei die "Krönung von 12 Jahren Diplomatie." Es habe "seinen Zweck erfüllt", nämlich, dass Iran keine Atomwaffen entwickelt.

"Wir werden das Atomabkommen weiter umsetzen, wir hoffen, dass die internationale Gemeinschaft das ebenfalls tut", betonte Mogherini. Sie appellierte an Iran, das Abkommen weiter umzusetzen. "Bleiben Sie Ihren Verpflichtungen treu, so wie wir unseren Verpflichtungen treu bleiben werden. (...) Der Deal gehört uns allen. Lassen Sie nicht zu, dass irgendjemand das Abkommen auflöst."

Der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach von einer echten Krise zwischen der Europäischen Union und den USA. "Ich bedauere zutiefst die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten, die ich für unnötig halte", sagte er laut dpa am 9. Mai. Sie diene nicht dem Frieden. Eine echte diplomatische Krise auszulösen sei aber nicht notwendig, weil es sie bereits gebe, zitiert dpa den Politiker.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einer schwerwiegenden Entscheidung Präsident Trumps. Dennoch werde Europa an dem Vertrag festhalten, so Merkel. Ihre Regierung werde die Konsequenzen für deutsche Unternehmen und Banken prüfen. Auf dem Katholikentag in Münster sagte sie mit Blick auf die USA, wenn man internationale Vereinbarungen nicht mehr einhalte, mache jeder das, "worauf er Lust hat. Dann ist das eine schlechte Nachricht für die Welt". Zwar sei das Abkommen alles andere als ideal. "Trotzdem glaube ich, dass es nicht richtig ist, ein Abkommen, das verabredet wurde, über das man im UN-Sicherheitsrat abgestimmt hat, es einstimmig gebilligt hat, dass man ein solches Abkommen einseitig aufkündigt. Das verletzt das Vertrauen in die internationale Ordnung." Merkel äußerte Zweifel darüber, ob es gelingen könnte, das Abkommen ohne die USA zu retten. "Inwieweit wir überhaupt dieses Abkommen am Leben halten können, wenn eine riesige Wirtschaftsmacht auch nicht mitmacht, das muss jetzt auch mit Iran besprochen werden."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der selbst am Zustandekommen des Abkommens beteiligt war, bezeichnete die Entscheidung Trumps als "schweren Rückschlag" für die Friedensdiplomatie. "Das ist bitter in einer Zeit, in der wir sie brauchen - dringender denn je", sagte er am 9. Mai in Berlin. Bedauerlicherweise sei "mit der gestrigen Entscheidung des amerikanischen Präsidenten, einseitig aus dem Atomabkommen auszusteigen, ein langfristiger Friede im Mittleren Osten nicht wahrscheinlicher geworden. Der Geist des Abkommens, nämlich die Spirale der Eskalation durch den Weg der Verhandlung und der verbindlichen Vereinbarung zu durchbrechen, ist mehr Konfrontation und mehr Unberechenbarkeit in dieser spannungsgeladenen Region gewichen."

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, glaubt kaum an eine Möglichkeit, das Atomabkommen zu erhalten. "Das Abkommen ist wahrscheinlich nicht zu retten", sagte er dem Spiegel. "Natürlich gibt es noch Unsicherheit über die nächsten Schritte - aber höchstwahrscheinlich wird sich Trump durchsetzen." Denn Europa hätte "Iran nichts als Gegenleistung anzubieten. (...) Wer in Iran investiert, wird von den US-Sanktionen hart getroffen - das ist nicht zu kompensieren." Zum Nachrichtenmagazin Focus sagte Röttgen am 11. Mai: "Ohne die Amerikaner geht es nicht. Iran werde, wenn es dabeibleiben würde, von den Europäern Gegenleistungen verlangen, was diese nicht garantieren könnten. (...) Und am Ende ist es auch eine Unternehmensentscheidung. Wenn sich europäische Firmen zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Markt entscheiden müssen, wird den meisten der US-Markt wichtiger sein."

Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz sagte am 9. Mai in Berlin, man müsse nun versuchen, die wirtschaftlichen Schäden für deutsche Unternehmen gering zu halten. "Wir werden versuchen, alles Mögliche hinzubekommen, was dazu beiträgt, dass europäische Unternehmen nicht allzu sehr beeinträchtigt werden." Der Ausstieg der Amerikaner sei ein Fehler gewesen. "Wir glauben, dass es ein wichtiger Gewinn war, dass es dieses Abkommen gibt." Um die Konsequenzen festzustellen habe es noch am selben Tag "mehrere Gespräche" mit "unseren Freunden in den USA" gegeben, sagte der Minister.

Der Britische Außenminister Boris Johnson forderte am 9. Mai vor dem Parlament in London die USA dazu auf, andere Länder nicht daran zu hindern, das Abkommen einzuhalten.

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte am 9. Mai im RTL-Radio: "Das Abkommen ist nicht tot. Es gibt einen amerikanischen Rückzug aus dem Vertrag, aber der Vertrag besteht fort." Auch Frankreich sorge sich über das iranische Raketenprogramm, doch man könne darüber verhandeln, ohne den Atomvertrag zu kündigen. Der Minister zeigte sich besorgt über die Folgen der Entscheidung der USA. "Es gibt ein echtes Risiko einer Konfrontation. Ich hoffe, es wird keinen Rückschlag für den Frieden geben."

Klarer als der Außenminister äußerte sich Präsident Emmanuel Macron. Er forderte ein erweitertes Abkommen mit Iran, welches auch das iranische Raketenprogramm einbeziehen solle. Die kommenden Wochen würden zeigen, welchen Wert man dem Abkommen ohne die USA noch beimessen könne, sagte der Präsident am 9. Mai in einem Interview mit den Tagesthemen der ARD. Bei seiner Auszeichnung mit dem Karlspreis in Aachen am 10. Mai sagte Macron laut AFP, Europa habe nun "die Aufgabe, Frieden und Stabilität auch in Nahen Osten zu schaffen". "Wir dürfen nicht einfach etwas hinnehmen, wir brauchen europäische Souveränität. Wir müssen das Heft des Handelns selber in die Hand nehmen."

Bei ihrer Laudatio auf den Preisträger sagte Kanzlerin: "Die Eskalationen der vergangenen Stunden zeigen uns, dass es wahrscheinlich um Krieg und Frieden geht. Ich kann nur alle Beteiligten dazu aufrufen, dass hier Zurückhaltung zu üben ist." Die meisten Konflikte fänden "vor der Haustür Europas statt. Und es ist nicht mehr so, dass die Vereinigten Staaten von Amerika uns einfach schützen werden." Europa müsse sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das sei die Aufgabe der Zukunft.

Wie die europäischen Vertragspartner, Deutschland, Frankreich und Großbritannien, haben auch Russland und China ihren Willen bekundet, das Atomabkommen mit Iran auch ohne die USA fortsetzen zu wollen. Das chinesische Außenministerium erklärte am 2. Mai, "alle relevanten Parteien sollten das Ganze und die langfristigen Interessen im Sinn behalten und die Vereinbarung exakt umsetzen und aufrechterhalten". Die Sprecherin des Ministeriums Hua Chunying wies auf die Stellungnahmen der Internationalen Atombehörde (IAEA) hin, die bisher zehn Mal bescheinigt habe, dass Iran seinen Verpflichtungen nachgekommen sei. Bei einem Treffen des iranischen Außenministers mit seinem chinesischen Amtskollegen in Peking am 12. Mai versicherte China, auch nach dem Austritt der USA an dem Abkommen festzuhalten. Ähnlich äußerte sich Russland


IRAN SETZT EINE FRIST VON 60 TAGEN

Nach einer Sitzung im Parlament, unter der Teilnahme des Vizeaußenministers und Verhandlungsführers bei den Atomgesprächen, Abbas Araghtschi, setzte Iran eine Frist von 60 Tagen. Während dieser Zeit sollen die europäischen Vertragspartner nach Wegen suchen, die es ermöglichen, ohne die Teilnahme der USA und bei Wahrung der Interessen Irans, das Abkommen fortzusetzen. " Iran hat die Europäische Union und speziell Deutschland, Frankreich und Großbritannien gebeten, so schnell wie möglich ihre Position darzulegen, wie Irans Interessen Genüge getan und sie nach dem Ausstieg der USA garantiert werden können", hieß es im iranischen Fernsehen zu der bevorstehenden Reise von Außenminister Sarif zu einem Treffen mit den Außenministern der drei europäischen Vertragspartner und der Außenbeauftragten der EU, Federica Mogherini, am 15. Mai.

Darauf nahm Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" am 13. Mai Bezug. " In dieser Zeit werden wir alle Möglichkeiten nutzen, um die amerikanische Regierung zu einer Änderung ihres Verhaltens zu bewegen. Das geht vor allen Dingen durch Gespräche und auch dadurch, dass wir aufzeigen, dass am Ende alle verlieren, wenn wir weltweit in eine Eskalation von einseitigen Maßnahmen hineinlaufen. "

Etwas skeptischer äußerte sich Bundesaußenminister Heiko Maas. " Eine einfache Lösung, Unternehmen von allen Risiken amerikanischer Sanktionen abzuschirmen, sehe ich nicht", sagte er der Bild am Sonntag. Ziel der Konsultationen in den nächsten Wochen mit anderen Unterzeichnern des Abkommens sei, zu erreichen, " dass sich Iran weiter an die Regeln und Beschränkungen des Wiener Abkommens hält".

Nach den Gesprächen mit Mogherini und den drei EU-Außenministern zeigte sich Sarif zufrieden. Es sei ein guter Start gewesen, sagte er. "Wir gehen in die richtige Richtung. Viel wird davon abhängen, was wir in den nächsten Wochen tun können". Den Worten Mogherinis zufolge, wollten die Europäer in den nächsten Wochen nach Wegen suchen, wie sie die Investoren dazu bewegen könnten, trotz drohender Sanktionen aus den USA, ihre Geschäfte mit Iran fortzusetzen. Darüber würden die 28 EU-Staaten am 16. Mai in Sofia beraten. Doch zugleich betonte Mogherini, dass die EU Banken und Unternehmen weder rechtlichen Schutz noch finanzielle Garantien werde gewähren können.

Am 16. Mai erklärte die EU-Kommission in Brüssel, sie sei fest entschlossen, an dem Abkommen mit Iran festzuhalten. Ein Ausweg biete sich durch Reaktivierung eines Gesetzes zur Abwehr amerikanischer Sanktionen. "Sollte es notwendig sein, sind wir bereit", zitierte dpa den EU-Kommissar Demitris Avramopoulos. Das Gesetz, Blocking Statutes, das wegen US-Sanktionen gegen Kuba verabschiedet wurde, stammt aus den neunziger Jahren. Es sieht Strafmaßnahmen für Unternehmen vor, die nicht bereit sind, ihre Geschäfte mit dem von den USA bestraften Land fortzusetzen. Demgegenüber werden jene Unternehmen entschädigt, die beim Handel mit dem bestraften Land, in diesem Fall mit Iran, Verluste erleiden.

EU-Ratschef Donald Tusk forderte alle Mitgliedstaaten dazu auf, sich zu einer "geschlossenen Front" zusammenzuschließen. "Wenn man sich die jüngsten Entscheidungen von Präsident Trump ansieht, könnte man denken: Mit solchen Freunden, wer braucht da noch Feinde", sagte er in Sofia mit Blick auf den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen. Er warf dem US-Präsidenten "launenhaften Behauptungswillen" vor. Ganz so konfrontativ wollte sich Kanzlerin Angela Merkel nicht äußern. "Trotz aller Schwierigkeiten, die wir in diesen Tagen haben, sind und bleiben die transatlantischen Beziehungen von herausragender Bedeutung", sagte sie.

"Wir müssen jetzt handeln", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beim EU-Gipfel am 18. Mai in Sofia. Die Staatschefs beschlossen, das Abwehr-Gesetz, genannt "Blocking Statute", erneut in Kraft zu setzen. Zudem solle nachgeprüft werden, ob und inwieweit die Europäische Investitionsbank EU-Investitionen in Iran unterstützen könnte. Schließlich soll Iran im Rahmen von "vertrauensbildenden Maßnahmen" Finanzhilfen erhalten. Ob diese Beschlüsse durchführbar sind, wird sich herausstellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel jedenfalls warnte vor "Illusionen". "In einer umfassenden Weise die gesamte Wirtschaft zu entschädigen bei entsprechenden Maßnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika - da können und dürfen wir auch keine Illusionen schüren", sagte sie.


UNTERSTÜTZER VON TRUMPS ENTSCHEIDUNG

Während sämtliche Vertragspartner, sowie die meisten Mitgliedsstaaten der UNO, den Austritt der USA aus dem Atomabkommen kritisiert haben, wurde die Entscheidung von US-Präsident Trump von wenigen Staaten begrüßt, allen voran von Israel und Saudi-Arabien.

Demgegenüber begrüßte Israel den Austritt der USA. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zeigte sich, unmittelbar nach der Ankündigung Präsident Trumps, höchst zufrieden mit der Entscheidung und bezeichnete sie als " historisch" und " mutig". Saudi-Arabien, das Iran als Erzfeind betrachtet, lobte die " Strategie" der Vereinigten Staaten gegenüber Iran. Auch die Arabischen Emirate und Bahrain begrüßten die Entscheidung Präsident Trumps.

Saudi-Arabiens Außenminister Adel Al-Dschubeir sagte in einem Interview mit dem amerikanischen Sender CNN, Iran müsse auf sein Raketenprogramm und die Unterstützung der libanesischen Hisbollah und der Huthis im Jemen verzichten. Zudem müsse Iran Kontrollen seiner militärischen Stützpunkte und Einrichtungen zu jeder Zeit und an jedem Ort erlauben und seine Einflussnahme in der Region beenden. Sollte Iran sein Atomprogramm weiterentwickeln, werde Saudi-Arabien alles unternehmen, was seiner Verteidigung diene. Auf die Frage, ob damit auch eine nukleare Bewaffnung gemeint sei, sagte der Minister "ja".


GIULIANI: USA STREBEN NACH EINEM REGIMEWECHSEL IN IRAN

Bereits am 6. Mai erklärte der frühere New Yorker Bürgermeister, Rudy Giuliani, vor einer Versammlung iranischer Oppositioneller, Präsident Trump verfolge das Ziel, einen Regimewechsel in Iran herbeizuführen. "Wir haben einen Präsidenten, der knallhart ist, einen Präsidenten, der nicht auf Schwarzmaler hört, und einen Präsidenten, der dem Regimewechsel in Iran genauso verpflichtet ist, wie wir."

Er zeigte sich zuversichtlich, dass Trump den Atomvertrag kündigen werde und verwies dabei auf Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolten, deren starke Abneigung gegen Iran niemandem verborgen geblieben sein dürfte. "Was wird mit dieser Vereinbarung geschehen", fragte er und demonstrierte das Zerreißen eines Papiers, auf das er spuckte.

Ein Regimewechsel in Iran sei "der einzige Weg zum Frieden im Nahen Osten", sagte Giuliani. "Er ist wichtiger als ein israelisch-palästinensischer Deal."

Demgegenüber sagte Bolton am 13. Mai dem Sender ABC, Präsident Trump habe derzeit nicht die Absicht, in Iran einen Regimewechsel durchzusetzen. Wichtig für ihn sei, dass Iran niemals in den Besitz von Nuklearwaffen gelangen könne. Früher hatte Bolton mehrmals für einen Regimewechsel in Iran plädiert. Nun sagte er: "Ich habe eine Menge Sachen geschrieben und gesagt in all den Jahren, in denen ich vollkommen unabhängig war."


FEINDSCHAFT ZWISCHEN IRAN UND ISRAEL ESKALIERT

Nach Darstellung der israelischen Regierung verfolgt Iran ein geheimes Atomprogramm und missachtet damit das Atomabkommen. Um diese Behauptung zu beweisen, präsentierte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu am 1. Mai der Öffentlichkeit Dokumente. Aus diesen soll hervorgehen, dass Iran über Jahre hinweg ein "geheimes Archiv" versteckt habe, um sein Atomprogramm entgegen der internationalen Vereinbarung weiterzuführen. Somit habe Iran seine nuklearen Ziele bis heute nicht aufgegeben.

Präsentiert wurden Aktenordner, die den Worten Netanjahus zufolge 55.000 Seiten Beweise enthielten. Zu sehen war auch ein Regal mit 183 CDs, die angeblich aufschlussreiche Daten enthielten. Die Beweisstücke seien vom israelischen Geheimdienst Mossad von Iran nach Israel gebracht und ausgewertet worden, sagte der Ministerpräsident.

US-Außenminister Mike Pompeo, der bis kurz davor die Leitung des US-Geheimdienstes CIA innehatte, bestätigte die Echtheit der Dokumente. Allerdings seien zahlreiche der vorgelegten Dokumente der internationalen Atombehörde bereits seit Jahren bekannt. Auch Pompeo musste zugeben, dass das geheime Archiv längst nicht mehr geheim sei und dass das iranische Atom-Programm höchstens bis Januar 2004 entwickelt wurde. Der ehemalige Leiter der israelischen Atomkommission, Uzi Eilam, sagte laut dpa vom 1. Mai: "Alles, was Netanjahu bei seiner Präsentation gesagt hat, war Geschichte, und kein Beweis dafür, dass die Iraner den Atom-Vertrag nicht einhalten. (...) Das einzig Neue ist, dass unser Geheimdienst, vielleicht der Mossad, sehr umfassende Unterlagen in die Hände bekommen hat und in der Lag war, sie nach Israel zu bringen."

Iran warf Netanjahu Lügen vor. Die Präsentation sei das Werk " eines eingefleischten Lügners, dem die Ideen ausgehen", hieß es auf der Webseite des Teheraner Außenministeriums. Der Sprecher des Ministeriums, Bahram Ghassemi, meinte, der Ministerpräsident habe nur Lügen und Täuschungen zu bieten. Offenbar habe er "keine andere Möglichkeit" gefunden, " um das Überleben seines Regimes zu sichern". Was Netanjahu vorgeführt habe, sei nichts Anderes als "aufgewärmter Bluff". Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif twitterte mit Blick auf die bevorstehende Entscheidung US-Präsident Trumps über das Abkommen: "perfektes Timing".

Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, warf Netanjahu "Verwirrung und Täuschungsmanöver" vor. Der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, meinte, was Netanjahu vorgeführt habe, sei nichts Neues gewesen. "Seine Enthüllungen verstärken den Vorwurf, dass die Iraner gelogen haben". Auch das sei nicht überraschend. Und der Politiker der Grünen, Jürgen Trittin, bezeichnete die Präsentation als "Geheimdienstshow", mit der er Trump einen Vorwand liefern solle, aus dem Atomvertrag auszusteigen.

Am 3. Mai warnte Israels Staatspräsident, Reuven Rivlin, am Rande eines Treffens mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas in Äthiopien: "Die schiitische Achse in Syrien und im ganzen Nahen Osten unter iranischer Führung bedroht die gesamte freie Welt und nicht nur Israel." Er sei sehr besorgt über die Präsenz Irans im Nachbarland Syrien, sagte der Präsident. "Es ist wichtig, dass Deutschland und die ganze freie Welt sich dieser stärker werdenden Präsenz bewusst sind und nicht tatenlos zuschauen."

Kurz vor Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen mit Iran meldete sich Netanjahu abermals mit scharfen Worten gegen Iran zu Wort. Eine Konfrontation mit Iran solle "besser jetzt als später" erfolgen, sagte er zu Beginn der Kabinettssitzung am 6. Mai in Jerusalem. "Wir sind fest entschlossen, die iranische Aggression noch in den Anfängen zu stoppen, auch wenn dies mit einem Kampf verbunden ist." Schon seit Monaten sei Iran dabei, modernste Waffen nach Syrien zu bringen, "um uns an der Front und an der Heimatfront zu treffen." Zum Atomabkommen sagte der Ministerpräsident: "Eine Vereinbarung, die Iran ermöglicht, all sei Atomwaffen-Know-how zu behalten und zu verbergen, ist eine schreckliche Vereinbarung." Das Abkommen müsse "entweder vollständig in Ordnung gebracht oder abgeschafft" werden. "Wenn man mit dieser Vereinbarung nichts macht, wenn man sie beibehält, wie sie ist, wird man in sehr kurzer Zeit einen Iran mit einem Atomarsenal haben."

Am 7. Mai drohte der israelische Energieminister, Juval Steinitz, dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad mit seinem "Ende", falls er Angriffe Irans auf Israel erlaube. "Wir sind nicht an einen Krieg mit Iran oder anderen interessiert. Aber wir dürfen es Iran nicht erlauben, Syrien in eine Militärbasis zu verwandeln - der iranischen Revolutionsgarden, der Luftwaffe, der Luftabwehr, ballistischer Raketen, die uns bedrohen."

Einen Tag nach dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen mit Iran meldeten israelische Medien einen massiven iranischen Raketenangriff auf israelische Stützpunkte an der Grenze zu Syrien. Demnach wurden vier Raketen abgefangen, der Rest sei auf der syrischen Seite gelandet. Die Reaktion darauf erfolgte nach wenigen Stunden. "Wir haben fast die gesamte iranische Infrastruktur in Syrien getroffen", sagte der israelische Verteidigungsminister Avogor Liebermann. Es seien die schwersten Angriffe Israels in Syrien seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973 gewesen, hieß es in den Medien. Mehr als 50 iranische Ziele seien angegriffen worden. Den Angaben der syrischen Armee zufolge wurden drei Menschen getötet. "Der Ball liegt nun auf iranischer Seite", sagte der frühere Leiter des israelischen Stabs zur Terrorbekämpfung, Nitzan Nuriel. Die Iraner könnten nun entscheiden, "ob sie den Konflikt verschärfen wollen, und zum Beispiel die (libanesische) Hisbollah in Aktion setzen". Zur Begründung des Angriffs sagte Netanjahu: "Iran hat eine rote Linie überschritten." Er habe dem "Regime al-Assad eine klare Botschaft übermittelt. Zwar richte sich der israelische Einsatz nur gegen iranische Ziele. Sollte jedoch die syrische Armee reagieren, werde auch sie angegriffen. "Wer Israel angreift, muss mit einem siebenfach härteren Angriff rechnen."

Berlin verurteilte den iranischen Raketenangriff. "Diese Angriffe sind eine schwere Provokation, die wir auf das Schärfste verurteilen", twitterte das Auswärtige Amt am 10. Mai. "Israel hat - das haben wir immer betont - ein Recht auf Selbstverteidigung". London rief zur Besonnenheit auf. "Wir verurteilen Irans Attacke auf Israel", sagte ein Regierungssprecher. Er forderte Russland auf, weitere iranische Angriffe zu verhindern.

Laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei dem israelischen Angriff 23 Menschen getötet, darunter acht Iraner. Bahrain verteidigte den israelischen Angriff. "Solange Iran die Region destabilisiert und Länder mit seinen Truppen und Raketen verletzt, hat jedes Land in der Region, einschließlich Israel, das Recht, sich zu verteidigen und Quellen der Gefahr zu zerstören", twitterte Außenminister Chalid bin Ahmed al Chalifa am 10. Mai. Das Außenministerium in Damaskus erklärte, mit der direkten Einmischung Israels und seiner Verbündeten in den syrischen Krieg habe eine "neue Phase" begonnen.

Die USA haben ihre uneingeschränkte Unterstützung für Israel bekundet. "Ausdrücklich unterstützen wir Israels Recht auf Selbstverteidigung", hieß es aus dem Weißen Haus. Sie machten die iranischen Revolutionsgarden für den Raketenangriff verantwortlich. "Die iranischen Revolutionsgarden tragen die volle Verantwortung für die Konsequenzen ihrer rücksichtslosen Aktion", hieß es in der Stellungnahme.

Russland rief sowohl Iran als auch Israel dazu auf, gegenseitige Provokationen zu unterlassen. Außenminister Sergej Lawrow kritisierte den israelischen Angriff. Er stelle eine gefährliche Eskalation der Lage im Nahen Osten und eine "sehr alarmierende Entwicklung" dar. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte vor einer Zuspitzung der Lage. Es gehe "wahrlich um Krieg und Frieden", sagte sie. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte vor einer Eskalation der Lage im Nahen Osten. Ohnehin sei die Region in schreckliche Konflikte verwickelt. Er appellierte an den UN-Sicherheitsrat, die Entwicklung aufmerksam zu beobachten.

Teheran bestritt, an dem Raketenangriff gegen Israel beteiligt gewesen zu sein. Es seien "frei erfundene und grundlose Unterstellungen", die Israel als Vorwand benutzt habe, um syrische Stellungen anzugreifen, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Bahram Ghassemi. Er kritisierte jene Länder, die den israelischen Angriff zu rechtfertigen versucht hätten. Damit hätten sie dem Land grünes Licht für weitere Aktionen gegeben, "die die Region nur unsicherer und instabiler machen". Bemerkenswert ist, dass die offizielle Stellungnahme Teherans sehr kurzgefasst war. Aggressiver reagierte der ultrakonservative Freitagsprediger Ahmad Chatami. Sollte Israel "töricht handeln", würden Tel Aviv und Haifa zerstört werden. Trotz des Drucks aus dem Westen, werde Iran sein Raketenprogramm fortsetzen. Dem gegenüber reagierte Irans Präsident Hassan Rohani beschwichtigend auf den israelischen Angriff. In einem Telefonat mit Merkel sagte er am 11. Mai, sein Land wolle keine "neuen Spannungen" im Nahen Osten.


MAROKKO BRICHT DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN ZU IRAN AB

Marokko hat am 2. Mai seine diplomatischen Beziehungen zu Iran abgebrochen. Außenminister Nasser Bourita warf Teheran vor, die Rebellengruppe Polisario in der Westsahara mit Waffen unterstützt zu haben. Die marokkanische Botschaft in Teheran werde ab sofort geschlossen und der iranische Botschafter in Rabat ausgewiesen, sagte der Minister. Auch die libanesische Hisbollah habe die Polisario durch Ausbildung von Kämpfern und durch Waffenlieferungen unterstützt. Die Hisbollah bestritt den Vorwurf und erklärte, Marokko habe unter Druck aus den USA, aus Israel und Saudi-Arabien gehandelt.

Bourita hatte die Maßnahme einen Tag nach seinem Besuch in Teheran bekannt gegeben. Wie die Agentur Isna berichtete, hat Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif bei dem Treffen mit Bourita jede Unterstützung der Polisario seitens Iran bestritten. Die Vorwürfe seien völlig unbegründet, Marokko habe keine Beweise für seine Behauptung vorlegen können. Die Außenpolitik Irans basiere auf "Respekt für die Souveränität und Sicherheit" anderer Staaten und mische sich nicht in deren Angelegenheiten ein.

Iran und Marokko hatten erst vor vier Jahren ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen, nachdem diese sechs Jahre lang ausgesetzt waren. Der Konflikt zwischen den beiden Staaten bestand unter anderem wegen der Unterstützung, die Marokko den sunnitischen Herrschern in Bahrain während des Aufstands der Schiiten 2011 gewährte. Damals wurde der Aufstand blutig niedergeschlagen. Andere Konflikte zwischen den beiden Staaten liegen noch weiter zurück. Es wird vermutet, dass Iran in der Zeit, in der Marokko dem flüchtenden Schah Hilfe gewährte, feste Beziehungen zur Polisario aufbaute. Doch Teheran behauptet seit Jahren, keine Verbindungen mehr zu Polisario zu haben. Marokko betrachtet die Westsahara als untrennbaren Teil seines Staates, doch die Polisario strebt die Gründung eines eigenen Staates an und fordert eine Volksbefragung unter der Aufsicht der Vereinten Nationen. Die Organisation wird von Algerien unterstützt.

Saudi-Arabien verurteilte die "Einmischung Irans" in die Angelegenheiten anderer Staaten und versicherte "dem brüderlichen Königreich" Marokko jede mögliche Unterstützung zu. Ähnliche Stellungnahmen kamen aus Bahrain und den Arabischen Emiraten.


ENTSCHÄDIGUNG FÜR DIE OPFER DES 11. SEPTEMBER

Ein amerikanisches Gericht in New York hat Iran zur Zahlung von Entschädigungen an Hinterbliebene der Opfer des Terroranschlags vom 11. September 2001 verurteilt. Der Richter hat die Klage von rund 1.000 Hinterbliebenen gegen die Islamische Republik, iranische Revolutionsgarden und der iranischen Zentralbank als berechtig bezeichnet und Iran zur Zahlung von sechs Milliarden Dollar Entschädigung verurteilt. Demnach muss Iran an Ehepartner, Eltern, Kinder und Geschwister der Opfer jeweils 4,250 bis 12,5 Millionen Entschädigung zahlen. Die Summen schließen auch die Zinsen von 17 Jahren mit ein.

Vertreter Irans sind der Gerichtsverhandlung ferngeblieben, das Urteil wurde in deren Abwesenheit ausgesprochen. Die Anwälte der Opfer erklärten, die Islamische Republik sei mit der "Unterstützung des Terrorismus" und Terrornetzwerks al-Qaida an dem Anschlag vom 11. September 2001 beteiligt gewesen und müsse daher an die Hinterbliebenen Entschädigungen zahlen. Demgegenüber sah das Gericht eine direkte Beteiligung Irans an den Anschlägen nicht als erwiesen an.

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KULTUR

• Internationale Buchmesse in Teheran
• Herausgeber von "Schargh" vorübergehend festgenommen
• Rohani kritisiert Blockierung von Telegram


INTERNATIONALE BUCHMESSE IN TEHERAN

Am 2. Mai wurde die internationale Buchmesse in Teheran eröffnet. Sie unterscheidet sich von anderen Buchmessen dadurch, dass sie mehr zum Buchverkauf dient als zur Präsentation von Neuerscheinungen und zum Austausch von Informationen zwischen Verlegern, Autoren und Agenturen oder zum Kauf von Lizenzen. Die Ausstellung gleicht einem großen Büchermarkt, der von mehr als drei Millionen Interessierten besucht wird.

Für die kleineren Verlage und Buchhändler bringt die Buchmesse Nachteile. Denn ihnen ist es, anders als den großen Verlagen, nicht möglich, ihre Produkte auf der Buchmesse mit Rabatt zu verkaufen. So kommt es, dass sich nach der Buchmesse jährlich eine Reihe von Buchhandlungen nicht mehr auf dem Buchmarkt behaupten können und ihre Geschäfte schließen müssen. In diesem Jahr appellierten Verlage wie Naschr-e Ghatre an die Käufer, ihre Bücher im eigenen Stadtbezirk statt auf der Messe zu kaufen.

Hinzu kommt, dass die Zahl der Leser sowie die Auflagen der Bücher einen kontinuierlichen Rückgang verzeichnen. Auflagen von 500 bis gar 200 Exemplaren sind keine Seltenheit mehr. Der zunehmende Preis von Papier und der Anstieg der Produktionskosten haben dazu geführt, dass die Zahl der Käufer spürbar rückläufig ist.

Dass die Zahl der Messebesucher trotzdem jedes Jahr zunimmt, liegt wohl daran, dass die Messe die Möglichkeit zum direkten Kontakt mit Autoren, Übersetzern und Verlegern bietet. Das findet allerdings weniger im Rahmen von Lesungen, Diskussionsveranstaltungen und kritischen Auseinandersetzungen mit Repräsentanten der Kultur statt. Die Besucher müssen sich zumeist mit Autogrammen und Fotos begnügen.

Zu den herausragenden Büchern, die auf der diesjährigen Buchmesse veröffentlicht wurden, gehören die Memoiren von Mohammad Ali Foroughi, der von 1877 bis 1942 lebte. Foroughi gehört zu den interessantesten Figuren der jüngsten Geschichte Irans. Er war Kulturschaffender, Literaturkenner, Diplomat, Parlamentsabgeordneter, Minister und Premierminister. Er hat akribisch Tagebuch geführt und sein ganzes Leben lang seine Erlebnisse und Beobachtungen aufgezeichnet und analysiert. Diese Aufzeichnungen wurden Jahrzehntelang von seinen Verwandten aufbewahrt und erst jetzt zur Veröffentlichung freigegeben.

Neu erschienen ist der Roman "Tarighe besmel schodan"(die Art gelyncht zu werden) von Mahmud Doulatabadi. Der Roman lag etwa zehn Jahre bei der Zensurbehörde und wurde erst jetzt freigegeben. Er handelt vom iranisch-irakischen Krieg (1980-1988). Ein iranischer und ein irakischer Soldat sind die Protagonisten der Erzählung. Beide geraten in eine schwere Notlage.

Ein anderer Roman von Doulatabadi, "Der Colonel", hat, obwohl er bislang in Iran nicht veröffentlicht werden durfte, Berühmtheit erlangt. Er liegt bereits seit mehr als zehn Jahren bei der Zensurbehörde. Der Roman handelt von der Zeit des Übergangs vom Schah-Regime zum Regime der Ayatollahs. Er erzählt das Schicksal eines Offiziers und seiner erwachsenen Kinder. Mehrmals verlangte die Zensurbehörde Korrekturen und Streichungen, die Doulatabadi zum Teil akzeptierte. Der Roman wurde inzwischen in mehrere Sprachen übersetzt und veröffentlicht. In deutscher Sprache ist er beim Züricher Unionsverlag erschienen.

Im vergangenen Jahr erschien in Teheran ein Roman unter dem Titel "Der Colonel", als Autor wurde Doulatabadi genannt. Doch es war eine Fälschung. Jemand hatte die deutsche Übersetzung ins Persische übertragen und auf den Markt gebracht. Der Text war miserabel, doch bevor er eingesammelt wurde, hatten viele das Buch gekauft, weil sie glaubten, es stamme von Doulatabadi. "Ein schmutziges Geschäft", nannte Doulatabadi den Vorgang.

Vor einigen Jahren hatte Bahman Dari, Vizekulturminister, gesagt, er habe das Manuskript gelesen, der Roman sollte nicht veröffentlicht werden. "Nicht wegen Verwendung unzulässiger Sätze und Wörter. Der Roman insgesamt eignet sich nicht zur Veröffentlichung. Ich denke, die Auffassung von bestimmten Ereignissen und Entwicklungen, die der Roman schildert, können die Leser negativ beeinflussen."

Nach der Regierungsübernahme durch Rohani schien sich das Blatt zu wenden. Der frühere Vizekulturminister, Abbas Salehi, kündigte das baldige Erscheinen des Romans sogar an. Später wurde diese Äußerung jedoch dementiert. Zugleich warnte der für kulturelle Fragen zuständige Vizekommandeur der Revolutionsgarden, Hamid Resa Moghaddanfar, es wäre "ein großer Fehler, dieses konterrevolutionärste aller Werke, die nach der Revolution verfasst worden sind, zu veröffentlichen".

Auf der diesjährigen Buchmesse erklärte Doulatabadi, da nun verschiedene Gerüchte über eine mögliche Freigabe des Romans im Umlauf seien, werde er sich "zum letzten Mal" zum Kulturministerium begeben und den Minister oder seinen Vize fragen, "warum man mir all dies antut".


HERAUSGEBER VON "SCHARGH" VORÜBERGEHEND FESTGENOMMEN

Der Herausgeber der liberalen Tageszeitung Schargh, Mehdi Rahmanian, wurde wegen eines Berichts über das Armenviertel in der im Norden Irans gelegene Stadt Maschad vorübergehend festgenommen. Der Bericht war vor allem deshalb brisant, weil die Heilige Stadt Maschad, die jährlich von Millionen Pilger besucht wird, als Hochburg der Konservativen gilt und weil sich dort das Zentrum religiöser Stiftungen befindet, das über ein enormes Reichtum verfügt.

Rahmanian berichtete, er sei zweimal zur Staatsanwaltschaft von Maschad bestellt und beim zweiten Mal festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft begründete die Festnahme mit Anzeigen, die einige Bewohnerinnen des Viertels gegen die Zeitung erstattet hatten.Sie seien in dem Bericht als Prostituierte bezeichnet worden. "Als ich mich zum zweiten Mal zur Staatsanwaltschaft begab und dort im Flur wartete, bis ich aufgerufen werde, kam ein Soldat, der mich zum diensthabenden Offizier brachte", sagte Rahmanian. "Dort wurde ich einer Leibesvisitation unterzogen, danach wurde ich in eine Einzelzelle gebracht. Ich war sehr verwundert. Ohne ein Wort mit mir zu wechseln, war ich im Gefängnis gelandet. Ich protestierte, wollte den Grund meiner Verhaftung wissen, bekam aber keine Antwort. Nach einer Stunde legte man mir Handschellen und Fußfesseln an. Am nächsten Tag wurde ich zum Revolutionsgericht gebracht."

Rahmanian wurde schließlich gegen eine Kaution in Höhe von 50 Millionen Tuman (etwa 10.000 Euro) vorläufig wieder freigelassen.


ROHANI KRITISIERT BLOCKIERUNG VON TELEGRAM

Am 31. April wurde der Messengerdienst Telegram in Iran gesperrt. Einen Tag nach der Sperrung hat die Regierung von Präsident Rohani die Maßnahme der Justiz indirekt kritisiert. In der Erklärung hieß es, für derlei Entscheidungen sei der Nationale Sicherheitsrat zuständig. Verschiedene Auffassungen über Befugnisse und Kompetenzen seien der Grund für unterschiedliche Verordnungen und Maßnahmen, die an die Medien weitergegeben würden.

Bereits zuvor hatte der Minister für Kommunikation, Mohammad DschawadAzari, erklärt, dass keine Maßnahme mehr in der Lage sei, den Zugang zu Informationen zu verhindern. Auch dann nicht, wenn man das eine oder mehrere Netzwerke sperrt. "Das ist eben das digitale Zeitalter", schrieb der Minister. Allerdings gebe es für viele Länder einen Widerspruch zwischen freier Verbreitung von Informationen und der Unantastbarkeit der Souveränität von Staaten. "Wenn die Netzwerke die Gesetze eines Landes nicht beachten, sind Reaktionen des betreffenden Staates logisch und natürlich."

Am Vortag hatte die bei der Staatsanwaltschaft zuständige Abteilung für Kultur und Medien die sofortige und vollständige Sperrung des Messengerdienstes Telegramm angeordnet. Sie wies Internetprovider dazu an, den Zugang zu der App zu sperren. Für diese Maßnahme wurden folgende zehn Gründe genannt: "Versuch, durch Thematisierung der ethnischen Konflikte und durch Ermunterung der Bevölkerung zur Aufruhr, das Volk zu spalten. Sammlung von Informationen, auch über das Privatleben der Bürger und ihre Weiterleitung an Fremde. Spionage zugunsten fremder Staaten. Handel mit moralisch verwerflichen Inhalten und Verbreitung von Prostitution und Unzucht. Beleidigung islamischer Heiligtümer zugunsten antiislamischer Kräfte. Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit durch terroristische Gruppen. Betrug, Missachtung des geistigen Eigentums. Propaganda gegen die Islamische Republik. Denunzierung von Einzelpersonen."

Die Forderung der Konservativen nach der Sperrung von Telegramm war besonders im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten um die Jahreswende laut geworden. Telegramm spielte bei der Organisierung der Proteste eine wichtige Rolle. Ziel der Hardliner in Iran ist es, den Zugang zu ausländischen Netzwerken zu unterbinden und diese durch nationale Netzwerke, die unter der Kontrolle des Staates stehen, zu ersetzen. Die in Iran entwickelte App Sorousch konnte im Vergleich zu Telegram jedoch nur wenige Nutzer gewinnen. Sie genießt das Vertrauen der Bevölkerung nicht.

In Anbetracht der hohen Zahl der Nutzer von Telegramm (rund 40 Millionen) ist die Entscheidung, den Messengerdienst zu sperren, von großer Tragweite. Daher vermuten politische Beobachter in Iran, dass sie nicht von einem normalen Staatsanwalt oder Richter getroffen wurde, sondern von höchster Stelle. Eine Klarheit darüber, wer tatsächlich den Befehl erteilt habe, forderte am 4. Mai auch Rohani. "Wenn die höchste Stelle des Staates (gemeint ist der Revolutionsführer) die Maßnahme angeordnet habe, dann müsse das Volk genau über die Entscheidung informiert werden, schrieb er auf Instagram. Die Verordnung der Justiz bezeichnete er als "bestelltes Urteil". Seine Regierung jedenfalls sei an der Verordnung nicht beteiligt gewesen. Rohani hatte dem Volk immer wieder versprochen, den freien Zugang zu den sozialen Netzwerken zu ermöglichen. Nun sagte er: "Die Politik der Regierung basiert auf dem Recht auf freien Zugang zum Internet, und nicht auf polizeistaatliche Maßnahmen. Bisher hat die Regierung keine Sperrung angeordnet. Sie stimmt solchen Maßnahmen auch nicht zu. Das gilt auch für die Zukunft."

Revolutionsführer Chamenei hatte wenige Tage zuvor erklärt, dass er und sein Büro Telegram nicht mehr benutzen werden.

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WIRTSCHAFT

• USA beschließen neue Sanktionen gegen Iran
• Probleme beim Kauf von Boeing und Airbus
• Unsicherheit bei der deutschen Wirtschaft
• Anstieg der Ölpreise


USA BESCHLIEßEN NEUE SANKTIONEN GEGEN IRAN

Wegen finanzieller Unterstützung der iranischen Revolutionsgarden hat die US-Regierung gegen drei Firmen und sechs Personen Sanktionen verhängt. Nach Darstellung des US-Finanzministers Steven Mnuchin habe die iranische Zentralbank missbräuchlich auf Firmen in den Vereinigten Emiraten zugegriffen, um die Aktivitäten der Al-Kuds-Brigade, einer Abteilung der Revolutionsgarden für Auslandeinsätze, mit Millionen Dollar zu unterstützen. Die Firmen und Personen wurden auf eine entsprechende Liste gesetzt, in der mutmaßliche iranische Terroristen und Finanzspekulanten eingetragen sind, berichtete die Agentur Reuters am 11. Mai.

Am 15. Mai verhängte das US-Finanzministerium Sanktionen gegen den Chef der iranischen Zentralbank, Waliollah Seif. Seif wurde als Terrorist eingestuft. Weltweit wurde jedes Geschäft mit ihm untersagt. Nach Darstellung des Ministeriums sollen Seif und sein Mitarbeiter Ali Tarsali durch eine irakische Bank zur Unterstützung der libanesischen Hisbollah Millionen Dollar geschleust haben. "Die Weltgemeinschaft muss gegenüber den hartnäckigen Versuchen Irans wachsam sein, seinen terroristischen Stellvertretern finanziell Hilfe zu leisten", sagte Finanzminister Steven Mnuchin.


PROBLEME BEIM KAUF VON BOEING UND AIRBUS

Die Konsequenzen des Ausstiegs der USA aus dem Atomvertrag machen sich auch für Geschäfte der Flugzeugbauer Airbus und Boeing mit Iran bemerkbar. "Airbus wird seine Entscheidung in den nächsten Tagen bekannt geben", sagte der Berater von Irans Verkehrsminister, Asghar Fachrieh-Kaschan, laut der Agentur Reuters vom 11. Mai. Das sei die Antwort des Flugzeugbauers auf eine Anfrage Irans.

Die USA wollen im Zuge der Wiederaufnahme der Sanktionen gegen Iran Flugzeugbauern die Lizenz für den Verkauf von Passagiermaschinen entziehen. Wie Boeing und Airbus müssen auch andere europäische und amerikanische Unternehmen mit Strafmaßnahmen rechnen, sollten sie mit Iran Handel betreiben. Iran-Air hatte 200 Maschinen mit einem Listenpreis von insgesamt 38,3 Milliarden Dollar bei Boeing und Airbus bestellt, 80 bei Airbus und 20 bei dem französisch-italienischen Hersteller von Turboprop-Maschinen ATR. "Bei den Verhandlungen mit Airbus haben wir die Möglichkeit eines Rückzugs aus dem Abkommen nicht in Betracht gezogen und es wird auch nicht in den Verträgen erwähnt", zitiert die Agentur Fachrieh-Kaschan. Geliefert wurden bislang drei Airbus-Jets und acht ATR.

Auch die amerikanische Firma Boeing muss auf Milliarden Summen verzichten. Aber Konzernchef Dennis Muilenburg bleibt gelassen. Sein Unternehmen könne dies verkraften, sagte er laut dpa vom 10. Mai. Die Vorbereitungen für die Produktion der Maschinen für Iran seien ohnehin noch nicht getroffen worden, so Muilenburg weiter. Seine Firma werde den Anweisungen der politischen Führung der USA Folge leisten. Dem Unternehmen gehen rund 10 Milliarden Dollar verloren.


UNSICHERHEIT BEI DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT

Die deutsche Wirtschaft hatte in den Abschluss des Atomabkommens und die Aufhebung der gegen Iran verhängten Sanktionen große Hoffnungen gesetzt und auf gute Geschäfte mit dem Land gehofft. Sie rechnete mit einer kurzfristigen Verdoppelung des Handelsvolumens. Dieses lag 2015 bei 2,4 Milliarden Euro. Längerfristig, das heißt nach fünf Jahren, sollte die Marke von 10 Milliarden erreicht werden. Doch die Entwicklung lief nicht wie erwünscht. Zwar gab es eine Steigerung, aber sie war weitaus geringer als erhofft. 2016 war das Handelsvolumen auf 3,4 Milliarden Euro gewachsen. Die Euphorie flaute ab. Die Enttäuschung war groß. Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Volker Treier erklärte laut dpa vom 8. Mai, bereits die Drohung von Präsident Trump, das Abkommen mit Iran zu kündigen, hätten negative Auswirkungen gehabt. "Diese Risiken gefährden die wieder verbesserten Wirtschaftsbeziehungen deutscher Unternehmen mit Iran. Sollte das Abkommen scheitern, würde dies nicht nur die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen treffen, sondern auch das Vertrauen in internationale Vereinbarungen."

Der Agentur Reuters sagte Treier am 3. Mai: "Das zarte Pflänzchen, das sich da zuletzt entwickelt hat, könnte dadurch (durch den Ausstieg der USA) wieder zertreten werden. (...) Mit der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, am 12. Mai 2018 die Aussetzung der US-Sanktionen nicht verlängern zu wollen, steht das Iran-Geschäft in Frage", zitiert Reuters aus einer internen Studie des DIHK. Auf die Frage, ob das Ausfallen der Geschäfte mit Iran zu einer Abschwächung der deutschen Wirtschaft führen, sagte Treier, nein, dazu spielten die Geschäfte mit Iran innerhalb der Gesamtwirtschaft Deutschlands eine zu geringe Rolle. Mit einem Volumen von knapp 3 Milliarden stehe Iran auf Platz 50 der deutschen Rangliste der Exportpartner.

Indes lehnte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier laut Reuters vom 11. Mai Forderungen ab, zur Abfederung der US-Sanktionen für deutsche Unternehmen Kompensationsmechanismen einzurichten. Solche Forderungen seien abwegig und sollten nicht vorgebracht werden. Er verwies auf die bereits bestehenden Hermes-Bürgschaften, mit denen der deutsche Export garantiert würde. Er sehe im Moment keinen Grund, "das bewährte System der Hermes-Bürgschaften zu ändern", sagte der Minister. "Wir sind bereit, mit allen Unternehmen darüber zu reden, was wir tun können, um die negativen Folgen nach Möglichkeit zu begrenzen. Das heißt, es geht im Moment um Schadensbegrenzung." Um deutsche Unternehmen gegen US-Sanktionen zu schützen, fehlten juristische Möglichkeiten, betonte Altmaier. Zudem werde er sich nicht in betriebswirtschaftliche Angelegenheiten einmischen.


ANSTIEG DER ÖLPREISE

Nach dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen mit Iran stieg der Ölpreis auf dem Weltmarkt. Mitte Mai lag der Preis bei 77 Dollar. Das ist der höchste Preis seit dreieinhalb Jahren. Der Boykott des Kaufs des iranischen Öls soll, wie Präsident Trump am 8. Mai ankündigte, in 180 Tagen erfolgen.

Als im Januar 2016 gemäß dem Atomabkommen die Sanktionen gegen iranisches Öl aufgehoben wurden, konnte Iran sich erneut als eines der größten Ölexporteure der Welt auf dem Weltmarkt behaupten. Zurzeit ist Iran, nach Saudi-Arabien und Irak, der drittgrößte Ölexporteur unter den OPEC-Ländern. Im April dieses Jahres lag der iranische Ölexport bei 2,6 Millionen Barrel pro Tag. China, Indien und andere ostasiatische Staaten sind die Hauptabnehmer des iranischen Öls. Nach Einschätzung von Experten wird Irans Ölexport infolge der Wiederaufnahme der Sanktionen wieder drastisch sinken. Zur Zeit der Sanktionen lag er bei einer Million Barrel pro Tag.

Iran behauptet, dass der Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen keine Auswirkungen auf den iranischen Ölexport haben werde. Ölminister Bijan Sangeneh sagte laut Reuters vom 11. Mai, sollten ausländische Unternehmen in die Ölbranche investieren, werde die Entwicklung des Ölexports beschleunigt werden. "Wenn nicht, werden wir auch nicht sterben."

Saudi-Arabien versucht indes beruhigend auf Investoren am Weltmarkt zu wirken, berichtete Reuters am 9. Mai. Voraussichtlich werde der Ausstieg der USA aus dem Atomvertrag bis zum Sommer, gar bis zum Herbst, keine Auswirkung auf den Ölmarkt haben, sagte ein Insider der Agentur. Sollte es erforderlich sein, könne Riad seine Produktion jederzeit steigern.

Indes hat ein internationales Konsortium, trotz Drohungen aus den USA, die Ausbeutung eines Ölfeldes in Iran vereinbart. Die britische Firma Pergas hat mit der iranischen Energieunternehmen Nisoc eine entsprechende Vereinbarung getroffen, teilte das Teheraner Ölministerium am 17. Mai mit. Ölminister Bijan Sangeneh deutete diesen Schritt, als Entschlossenheit Großbritanniens, an dem Atomabkommen festzuhalten.

Dem entgegengesetzt verhielt sich der französische Konzern Total. Das Unternehmen teilte mit, dass es sich aus dem gemeinsamen Erdgasprojekt mit Iran "South Pars" zurückziehen werde, falls es seitens der USA nicht von möglichen Sanktionen befreit werde. Der Konzern könne sich keine Risiken erlauben. Das milliardenschwere Abkommen, an dem auch der chinesische Ölkonzern beteiligt ist, war im vergangenen Juli vereinbart worden. Es war seit dem Atomabkommen das erste Energieabkommen mit einem Konzern aus dem Westen.

Der Iran-Report kann kostenfrei auf der Website der Heinrich Böll Stiftung abonniert werden unter
https://themen.boell.de.

Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Anja Hoffmann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
17. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 6/2018 - Juni 2018 / 17. Jahrgang
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2018

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