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GUTE-NACHT/2226: Ausgesperrt (SB)


Den ganzen Tag über wartet Teddy auf Lisa. Aus dem kleinen Mädchen, mit dem Teddy einst eine Reise ins Kindererholungsheim unternommen hat, ist eine erwachsene Frau geworden. Teddy kann das gar nicht begreifen. War inzwischen so viel Zeit vergangen? Hatte er so lange in der Kiste mit den Kuscheltieren geschlafen? Und Lisa, was wird sie sagen, wenn sie Teddy wiedersieht? Nimmt sie ihn mit sich in die Wohnung? Wer hatte ihn damals überhaupt in den Karton gesteckt und auf den Dachboden geschafft. War das nicht auch schon Lisa selbst gewesen? Oder war es Lisas Mutter? Wer hatte ihm und den anderen Kuscheltieren das angetan, sie so einfach auf den Dachboden zu verfrachten? Kuscheltiere wollen geliebt und abends mit ins Bett genommen werden. Da sind sie nicht anders wie der Frosch aus dem Märchen "Froschkönig" oder "Der eiserne Heinrich".

Während Teddy so darüber nachdenkt, geht wirklich noch an diesem Tag die Bodentüre auf. Doch es ist nicht Lisa, die da erscheint. Hugo kommt mit dem Staubsauger und saugt im Eiltempo den ganzen Dachboden ab. Er soll Ausschau danach halten, ob sich hier oben Mäuse verstecken. Einmal steht Lisa kurz an der Bodentür. Teddy kann sie hoch oben vom Schrank her gut erkennen. "Na, schon was gefunden?" fragt sie. "Nein, nichts. Rein gar nichts. Ich sage doch. Hier oben gibt es keine Mäuse", entgegnet Hugo.

"Pah!" denkt Teddy und ergreift sofort Partei für Lisa. Schließlich hat Teddy selber zwei Mäuse hier oben gesehen. Er müßte nur den Karton vor Hugos Füße bugsieren, dann würde auch dieser die Tatsache begreifen, daß es hier oben doch Mäuse gibt. Wie aber soll Teddy das anstellen. Der Karton mit der Holzwolle, in dem das Nest der Mäuse steckt, steht auf einer Truhe. Wenn Teddy den Karton nun hinunterschubsen würde, fiele das doch wohl auf?

Vorsichtig klettert Teddy vom Schrank über die Kisten und Kartons hinunter auf die Truhe. Zum Glück ist der Karton mit der Holzwolle nicht schwer, sonst könnte Teddy ihn nicht fortbewegen. Noch ein Stück, dann ist der Karton genau abschußbereit. Die Mäuse hat Teddy ja in den letzten Tagen nicht wiedergesehen. Also macht es nichts aus, wenn der Karton von der Truhe herunterfällt. Niemand wird zu Schaden kommen.

Während Lisa und Hugo sich unten am Treppenabsatz noch immer darüber streiten, ob es Mäuse auf dem Dachboden gibt oder nicht, schreitet Teddy zur Tat und gibt dem Karton den nötigen Schubs, daß er von der Truhe herunterstürzt. Fast wäre Teddy noch hinterhergeflogen. Aber er kann sich gerade noch rechtzeitig an dem Truhenverschluß festhalten, der nach oben steht.

Plötzlich vernimmt Teddy einen Aufschrei. "War da doch eine Maus in dem Karton?" fragt sich Teddy und legt sich schnell flach auf die Truhe, denn der Aufprall des Kartons hat auch die beiden Streithähne erschreckt, und sie drehen sich in die Richtung, aus der der Aufprall zu hören war. Nur eine kurze Pause. Dann geht die Streiterei schon wieder los. "Na, habe ich es nicht gesagt, hier oben sind Mäuse. Wer hätte sonst den Karton bewegen können?" sagt Lisa, die inzwischen die Stufen hinaufgestiegen ist und den Karton auf dem Boden entdeckt hat. Aufheben aber will sie ihn nicht. Sie hat Angst vor Mäusen und traut sich deshalb nicht. Schließlich könnte unter dem auf die Öffnung gefallenen Karton genau eine Maus hocken und sie anspringen.

Hugo dagegen hat keine Angst und würde - selbst wenn er dann Unrecht hätte - gerade jetzt eine Maus unter dem Karton begrüßen. Den Aufschrei, den Lisa dann loslassen würde, möchte er sich nicht entgehen lassen. Schnell hebt Hugo den Karton auf, noch bevor sich Lisa in Sicherheit bringen kann. Deshalb gibt sie auch einen Schrei von sich. Aber unter dem Karton kommt keine Maus hervor.

Teddy, der flach auf seinem Bauch auf der Truhe liegt, ist beruhigt. Hatte er sich den ersten Schrei wohl nur eingebildet. Doch was ist das? Liegt da nicht etwas Schwarzes auf den Brettern des Dachbodens gleich zwischen der Holzwolle?

Nicht nur Teddy hat den schwarzen Fleck entdeckt. "Aha, Mäuse!" sagt Hugo und hebt das schwarze Etwas auf." Teddy hält die Luft an. Denn Hugo hält den kleinen Maulwurf mit der roten Schaufel zwischen seinen Fingern. "Armer Maulwurf!" denkt Teddy. Das hatte er wirklich nicht gewollt. Aber woher sollte er auch wissen, daß sich der Maulwurf genau in der Mäusekiste verstecken würde?

"Hier hast du deine Mäuse!" sagt Hugo und wirft Lisa den kleinen Maulwurf hinüber. Lisa greift nicht zu, sondern hebt vor Schreck die Hände und so landet der kleine Maulwurf an diesem Tag gleich noch ein zweites Mal auf den Dachbodenbrettern. Lisa dagegen verläßt schimpfend den Boden. Und weil sie sich so über Hugo geärgert hat, sperrt sie ihm einfach die Tür vor der Nase zu. Da die Bodentür leider nur von einer Seite zu öffnen und zu schließen geht und zwar von der Wohnungsseite, kann Hugo nur hoffen, daß sich Lisa‹s Gemüt bald wieder beruhigt.


Gute Nacht