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GUTE-NACHT/2380: Von der Mondfeder (SB)


Der neue Sandmann (6)

Es ist der Tag der Aufführung des Puppenstücks "die Mondfeder". Im kleinen Saal ist die Puppenbühne bereits aufgebaut und die ersten kleinen und großen Zuschauer treten ein. Leicht hebt der Puppenspieler den Vorhang an, um zu sehen, wieviel Publikum bereits erschienen ist. Aber das ist nicht der wahre Grund. Dem Puppenspieler ist es eigentlich immer egal, wie viele Gäste dem Spiel zuschauen. Selbst wenn nur ein einziger Zuschauer anwesend wäre oder auch keiner. Wenn der Puppenspieler seinen Puppen versprochen hat, daß sie wieder einmal die Bühne betreten können, hält er auch sein Versprechen. Vielleicht ist das der Grund, warum er heute hinter dem Vorhang hervor schaut. Er hofft inständig, der seltsame Besucher aus seiner Werkstatt möge hier heute lieber nicht auftauchen. Die Begegnung mit ihm in der Kellerwerkstatt war schon unangenehm genug. Aber daß er scheinbar auch in der letzten Nacht die Träume des Puppenspielers besucht hat, beunruhigt den Spieler.

Das Zeichen ertönt. Alle Besucher haben Platz genommen. Noch ein Blick von hinter dem Vorhang in die Menge. Der seltsame Gast ist nicht aufgetaucht. Der Puppenspieler atmet auf. "Warum mache ich mir bloß Sorgen? Es ist doch nichts, es ist doch nichts."

Der Vorhang öffnet sich. Der kleine Theaterdirektor an seinen Fäden begrüßt das Publikum und läd die großen und kleinen Gäste zu einer Reise zum Mond ein. Ein Geheimnis soll gelüftet werden. Bislang wissen die Kinder nur von dem Mondmann, der da oben auf dem Mond seine Zeit verbringt. Aber daß da oben auch der Sandmann lebt und sein schöner weißer Sand von dort herkommt, der sowohl schöne wie üble Träume bewirken kann, ist den meisten Menschen unbekannt. Das liegt daran, daß der Sandmann auf der dunklen Seite des Mondes lebt, die keiner zu Gesicht bekommt.

Einmal wagte sich der Sandmann auf die andere Seite des Mondes. Es war das Gebiet, das der Mondmann bewohnt. Der war nicht erfreut über den Besuch des Sandmannes. Was sollten die Menschen nun von ihm denken? Bisher hatten sie ja immer so viel Mitleid mit ihm, dem einsamen Mondmann. Wer aber würde ihn noch bemitleiden, wenn er gar nicht mehr einsam da oben war, sogar einen weitumhergereisten Sandmann seinen Freund nennen konnte? Nein, die Menschen sollten von dem Sandmann nichts erfahren. Deshalb lockte der Mondmann den Sandmann auch an den Rand des Mondes, dort wo das Licht und der Schatten zusammentreffen, und stieß ihn herunter. Das hatte der Mondmann selbstverständlich so geschickt angezettelt, daß es keiner auf der Erde bemerkt hatte. Doch damit der Sandmann, der jetzt auf die Erde gefallen war, ja niemandem erzählen konnte, wer er war, raubte der Mondmann dem Sandmann noch vor dem Sturz seine weiße Mondfeder. Nun konnte der Sandmann jedem erzählen, wer er wahr. Doch keiner würde ihm glauben. Denn nur wenn er die Mondfeder bei sich trug, würden die Menschen ihn erkennen.

Nun, so ein trauriges Ende wollen die Zuhörer nicht, schon gar nicht die Kleinen. Tränen treten ihnen bei so einem Ende nur in die Augen. Deshalb hat der Puppenspieler auch das Mädchen erschaffen, das dem Sandmann glaubt und ihm hilft. Doch das ist eine andere Geschichte.

19. Juli 2007

Gute Nacht