Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/2455: Erschreckende Fratzen (SB)


"Was hast du denn da für schrumpelige Äpfel!" fragt Marco seine kleine Schwester, als er sie zum Abendbrot holt. Leonie ist verärgert. Die drei ulkigen Äpfel, die ihr Oma Lotte gestern überlassen hat, sind für sie wie drei kleine Leute, denn auf der Schale zeichnet sich jeweils ein Gesicht ab.

Leonie sagt nur "Pah!" und geht in die Küche. Während des Essens überlegt Leonie, wie sie ihrem Bruder eins auswischen kann. Ihre drei kleinen Kerle sollten ihrem Bruder mal einen gehörigen Schreck einjagen.

Zurück in ihrem Zimmer beleuchtet Leonie die drei Äpfel mit der Taschenlampe und läßt sie Schatten an die Wand werfen. Von allen Seiten beleuchtet Leonie die drei Kerlchen. Der eine hat eine Ausbuchtung, die aussieht wie eine lange Nase. Der zweite ist so geformt als hätte er gerade seine Wangen aufgeblasen und der dritte wirft einen solchen Schatten, daß es einem wirklich kalt den Rücken hinunterlaufen kann.

Leonie probiert die erschreckendsten Schatten aus. Dann schleicht sie sich auf den Flur und sucht dort eine Ecke in der Nähe von Marcos Zimmer, wo sie sich verstecken und dennoch die drei Kerle so beleuchten kann, daß sie Marco erschrecken.

Dann hört sie jemanden die Treppe heraufkommen. Doch das scheint nicht Marco zu sein. Da ruft auch schon Mama nach Leonie. Wo sie denn schon wieder stecke, sie solle doch die Zähne putzen und ab ins Bett. Als Mama Leonie nicht findet und noch einmal in der Küche sucht, huscht Leonie ins Bad. Dann schaut Mama ein zweites Mal im Bad nach und wundert sich, daß sie Leonie hier vorhin nicht angetroffen hat. Leonie aber läßt es so scheinen, als stecke sie schon die ganze Zeit hier.

"Du weißt, Papa und ich gehen heute noch einmal fort. Marco paßt auf dich auf", sagt Mama. Leonie läßt ein leises Stöhnen vernehmen, damit Mama denkt, sie sei gar nicht damit einverstanden. In Wirklichkeit aber freut sich Leonie. So kann sie ihren Bruder viel besser eins auswischen.

Nachdem Mama und Papa fort sind, wartet Leonie in ihrem Zimmer. Bei solchen Gelegenheiten kommt Marco immer bei ihr vorbei und versichert sich, daß sie auch wirklich im Bett bleibt. Als großer Bruder kann er dann nämlich endlich einmal im Fernsehen gucken, was er will. Leonie legt sich auf die Seite und scheint sehr müde zu sein. "Schaltest du mir noch die Kassette an?" fragt sie schläfrig.

Marco ist froh, daß Leonie heute mal kein Theater macht. Er denkt, daß sie wohl noch sauer wegen der häßlichen Äpfel ist. Ihm kann es nur recht sein, so wird ihn Leonie an diesem Abend in Ruhe lassen. Er schaltet den Kassettenrekorder ein und geht hinunter ins Wohnzimmer zum Fernsehen. Leonie hört die Sendung bis hinauf in ihr Zimmer.

"Ah, dir werde ich es zeigen!" sagt Leonie und überlegt, ob sie ihren Bruder auf der Treppe oder im Wohnzimmer überraschen soll. Mit Papa hat sie schon öfter Schattenspiele gemacht. Daher weiß sie, wie sie im Wohnzimmer große Schatten an die Wand bekommt. Sie geht leise in den Flur, die dort noch liegenden drei ulkigen Äpfel zu holen. Danach schleicht sie bis zur Wohnzimmertür. Zum Glück sitzt Marco in Mamas Lieblingssessel. Er hat ihr also den Rücken zugekehrt und sein Blick fällt auf den Flimmerkasten. Vorsichtig kriecht Leonie hinter das im Zimmer freistehende Sofa und positioniert die drei Äpfel auf der Rückenlehne. Auweiha, beinahe wäre einer wieder auf den Fußboden gefallen. Doch Leonie kann ihn gerade noch auffangen. Noch einmal legt sie den Apfel nach oben. Vorsichtig dreht sie die Äpfel in die richtige Position. Im Fernsehen läuft gerade ein spannender Film. Bei einer passenden Szene und erschreckender Musik will Leonie ihre Taschenlampe einschalten. Eine Weile hat sie darauf noch zu warten und nicht nur das. Jetzt wird Leonie auch noch müde.

Doch nun wird die Musik schon angsteinjagend und Leonie denkt, daß sie es gleich wagen kann, die Taschenlampe einzuschalten. Plötzlich steht Marco auf. Er geht zum Fernseher hinüber. Die Fernbedienung scheint mal wieder nicht zu funktionieren. Deshalb hat Marco am Gerät selber die Knöpfe zu bedienen. Er dreht die Musik etwas leiser. Dann setzt er sich wieder in den Sessel. Genau diesen Moment, da er wieder auf den Bildschirm schaut, nutzt Leonie und knipst die Taschenlampe an. Über dem Fernseher erscheint ein riesiges Monster und gleich noch eins und ein drittes.

Im ersten Moment weiß Marco wirklich nicht, wo dieser Schatten plötzlich herkommt und erschreckt sich über alle Maßen. Leonie lacht laut, schnappt sich ihre Äpfel und läuft in ihr Zimmer. Schnell verschließt sie noch die Tür, damit Marco nicht hereinkommen kann. Da pocht er auch schon energisch gegen die Tür. "Na warte, das wirst du mir büßen!" sagt Marco.

"Gut, daß er nicht weiß, womit ich ihn erschreckt habe", denkt Leonie, "sonst würde er vielleicht seinen Ärger an meinen drei Freunden auslassen!" Leonie legt die drei wieder auf das Schränkchen neben ihrem Bett und sagt leise: "Gut gemacht!"

19. Oktober 2007

Gute Nacht