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GUTE-NACHT/2880: Der Geist in Pantoffeln und die Spuren im Staub (SB)


Gute Nacht Geschichten


"Nur noch eine Woche, dann hat Mama Geburtstag", freut sich Paddy. Bepackt mit alten Büchern, die in das Museumszimmer gebracht werden sollen, geht Paddy vorwärts. Großmutter trägt einen noch höheren Stapel. Vorsichtig steigen die beiden die alte Treppe hinauf. Sie knarrt. Gut, daß es jetzt noch heller Tag ist, sonst könnte ein solches Knarren einem schon einen mächtigen Schreck versetzen.

Die beiden sind in der oberen Etage angelangt. Nun geht es in das besagte Zimmer, das für Mutter in ein Museum verwandelt wird. Heute wollen die beiden alles noch einmal gründlich auf den Kopf stellen, um dem Raum sein entgültiges Aussehen zu geben. Dazu tragen Großmutter und Paddy verschiedene Dinge hinauf wie beispielsweise die Bücher.

Vorsichtig öffnet Paddy die Tür. Sie läßt ihrer Großmutter den Vortritt beim Betreten des Zimmers. Paddy bereitet der Raum jedesmal Unbehagen. Auch Großmutter gruselt es, aber nur wenn sie noch spät abends das Zimmer betritt. Alle Bücher werden erst einmal auf den Boden gelegt. "Wir brauchen ein Regal", stellt Großmutter fest. Sie überlegt, welches Regal oder welcher Bücherschrank im Haus entbehrlich ist. "Am besten wir nehmen meinen kleinen Bücherschrank. Die meisten Bücher kommen sowieso hier hoch", schlägt Großmutter vor. "Aber wie wollen wir den Schrank bewegen?", fragt Paddy.

"Stimmt, laß uns mal nebenan schauen, ob da etwas Brauchbares herumsteht", schlägt Großmutter vor. Großmutter faßt Paddy an die Hand und sie gehen in den Nebenraum. Der Nebenraum ist ein Teil des Dachbodens. Hier herauf sind Mutter und Großmutter noch gar nicht zum Aufräumen gekommen. Deshalb ist alles noch völlig staubig. "Bestimmt ist der Bauer seit langem nicht mehr hier oben gewesen", fällt Großmutter dazu ein, "das scheint ja der Staub vieler Jahre zu sein. Da könnte man glatt ein archäologisches Team heraufschicken." Paddy möchte wissen, was das für ein Team ist, sowas wie das A-Team aus dem Fernsehen? Großmutter lacht: "Nein. Archäologen arbeiten auf Ausgrabungsstätten. In der Gegend, in der ich früher gelebt habe, gab es Ausgrabungen. Da wurde Schicht für Schicht die Erde ganz vorsichtig abgetragen und dann jeder Quadratmeter aufgemalt. Jede Verfärbung des Bodens wurde festgehalten und jedes Steinchen oder eine Tonscherbe eingezeichnet. Diese Staubschichten hier erinnern mich an die Ausgrabungsarbeit."

Paddy besieht sich den verstaubten Dachboden unter einem ganz anderen Blickwinkel. Der Staub erinnert sie irgendwie an einen Sandkasten. "Hier könnte Mama mir ein Spielzimmer einbauen." Paddy zeigt auf die Giebelspitze: "Von da oben bis hier herunter könnte ich eine Rutsche bekommen und eine Stange zum Wiederhinaufklettern."

"Das sollten wir mit deiner Mutter wirklich einmal besprechen. Aber jetzt komm, in diesem Staub finden wir doch kein passendes Regal", stellt Großmutter fest. "Aber Fußspuren", staunt Paddy, "wo kommen denn die kleinen Fußspuren her, wie von einem Kind?" Auch Großmutter wundert sich: "Die sehen noch sehr frisch aus. Du bist doch nicht etwa allein hier oben gewesen?" - "Nein, überhaupt nicht", protestiert Paddy. "Es wird schwer sein, deine Mutter davon zu überzeugen. Schließlich weiß sie, daß der Bauer keine Kinder gehabt hat." - "Aber vielleicht Besuch?", schlägt Paddy als Lösung vor. "Nein, der alte Griesgram soll nie Besuch gehabt haben. Die Leute aus dem Dorf haben ihn gemieden."

"Mutti würde jetzt bestimmt wieder sagen, das war wohl der Geist in Pantoffeln", meint Paddy. "Ja", stimmt Großmutter zu, "und dann würde sie sagen, sind aber ziemlich kleine Pantoffeln." Jetzt hat Paddy einen Geistesblitz: "Meinst du der Bauer hat sich aufgehängt, weil es hier gespukt hat?" Großmutter schüttelt den Kopf: "Bevor ich an Spuken glaube, schließe ich erst einmal alle normalen Möglichkeiten aus und derer gibt es so einige." Großmutter zieht Paddy hinter sich her und schließt die Tür wieder. Dann öffnet sie die nächste Tür. Sie führt zu einer Abstellkammer ohne Fenster. Großmutter holt die Taschenlampe, die sie am Fenster im Flur deponiert hat. Dann leuchtet sie die Kammer aus. Hier findet sich, was die beiden benötigen, ein Regal. Darauf stehen noch alte Lampen und auch Kerzenständer. Verrostetes Werkzeug ist ebenfalls dabei und so einiges mehr.

Paddy und Großmutter räumen das Regal leer. Jetzt ist es so leicht, daß es durch Schieben bewegt werden kann. Bevor wir es nebenan hineinstellen, wischen wir es aber sauber. Großmutter holt den Putzeimer, den sie vorhin als erstes hierher hochgetragen hat, noch vor den Büchern. Das Regal ist bald wieder zu gebrauchen. Nun schieben es die beiden weiter in das Zimmer des Erhängten. "Kommt alles wieder zu dir", sagt Großmutter, als spreche sie mit dem Unsichtbaren. Paddy ist das unheimlich. Ob hier vielleicht doch ein Geist herumspukt? Während das Regal nun trocknet, wollen die beiden Paddys gemalte Bilder aufhängen.

"Schön wäre es, wenn wir sie in Rahmen hängen könnten", findet Großmutter, "das sähe aus wie eine Ahnengalerie voller Geister. Doch wo bekommen wir so schnell so viele Rahmen her?" - "Vielleicht stehen welche auf dem anderen Dachboden", ist Paddys Idee. "Das könnte sein. Doch bevor wir durch das ganze Haus auf die andere Seite hinüberrennen, können wir jetzt doch schon die Bücher ins Regal stellen und dann sollten wir den Abendbrottisch decken. Mutter ist sicher bald vom Einkauf zurück und sie soll uns nicht hier oben finden."

Das Regal wird eingeräumt und der Abendbrottisch gedeckt. An diesem Abend sieht auch Paddy ein, daß sie sich vor dem Essen die Hände waschen muß. Die sind ja voll dreckig. Mutter ist zum Abendbrot nicht pünktlich zurück. Auch als Paddy ins Bett geht, ist sie noch nicht wieder zuhause. Wo sie nur steckt? Paddy macht sich Sorgen und will gar nicht einschlafen. Doch mit dem Willen einerseits und mit dem Schlaf andererseits sind es zwei verschiedene Dinge.

12. März 2009

Gute Nacht