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GUTE-NACHT/2911: Der Hexentanzplatz (SB)


Gute Nacht Geschichten


Die Sonne brennt heiß herunter und das im April. Doch der kräftige Wind nimmt der Hitze das Drückende und erfrischt. Fast ist es Schriftsteller Egon sogar zu kalt auf seinem Balkon, wo er die Geschichten von Oma Gerda mit seiner Schreibmaschine tippt.


*


In der Nähe unseres Dorfes war ein Platz, umsäumt von Bäumen, der der Hexentanzplatz genannt wurde. Vor vielen hundert Jahren sollen hier die Hexen in der Nacht zusammen gekommen sein und getanzt haben. Sie übten sich in ihrer Hexenkunst und wollten herauszufinden, welche von ihnen diejenige mit den überragendsten Hexenkünsten war, so wird erzählt. Jedes Jahr in der Walpurgisnacht sollen sie ihren Wettstreit ausgetragen haben.

Am Tag war es für uns Kinder kein Problem dort in dem Schatten der Bäume zu spielen. Doch am Abend wollte hier keiner mehr sein und schon gar nicht in der Nacht. Aber niemand gab zu, daß er hier Angst hatte. So kam es uns ganz gelegen, daß wir alle, wenn die Glocken der Kirche sechs Uhr Abend einläuteten, nach Hause aufbrechen mußten. Wir schimpften auf unsere Eltern, waren aber doch ganz froh, nicht mehr länger hier zu sein.

Manchmal spielten wir auch, wir seien Hexen und banden uns gegenseitig an den Baum. Einmal war ich an der Reihe, am Baum angebunden zu werden. Die anderen Kinder spielten etwas abseits und wollten mir Angst einjagen, daß sie mich nicht mehr losbinden würden. Zuerst lachte ich. Dann aber ließen sie mich zappeln, indem sie über den Platz jagten und sich gegenseitig fingen, mich aber nicht beachteten. Plötzlich läuteten die Kirchenglocken. Das war das Zeichen zum Aufbruch. Ich sah die Kinder weglaufen und schrie hinter ihnen her. Doch keiner schien mich zu hören. Es dauerte nicht lange, da war der Hexentanzplatz verlassen, und ich noch immer am Baum festgebunden.

Ich versuchte mich zu befreien, aber die anderen hatten ganze Arbeit geleistet. Langsam begann es schon dunkel zu werden. Ich schrie natürlich. Aber dieser Platz lag abseits unseres Dorfes. "Sie werden schon nach dir suchen", dachte ich, "Mutter und Vater werden es nicht hinnehmen, daß ich nicht nach Hause komme. Sie werden die Kinder von nebenan fragen." Ich hoffte nur, daß die so viel Mut hatten, zu sagen, wo ich war. Denn eigentlich durften wir hier gar nicht spielen. Die Bäume waren schon so alt. Es konnte leicht sein, daß Äste abbrachen. Hier sollte demnächst erst einiges Geschehen, um den Platz sicherer zu machen.

Es dauerte und dauerte, mir war schon ganz kalt und ich weinte. Immer wieder versuchte ich loszukommen. Dann hatte ich mich endlich befreit. Doch jetzt war es so dunkel, daß ich mich gar nicht mehr traute, vom Platz wegzulaufen. Die Geschichten erzählten von einem Kreis, den die Hexen um den Platz gelegt hätten und der jede Nacht wieder wirksam werden würde. Geriete ich in diesen Kreis, würde es mir schlecht ergehen. Meine Mutter und mein Vater hatten zwar gesagt, das seien alles Märchen, dennoch traute ich mich nicht den Baumkreis zu durchbrechen. Ich mußte wohl die Nacht hier verbringen, wenn niemand kam, um mich zu retten.

Fortsetzung folgt

18. April 2009

Gute Nacht