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GUTE-NACHT/3103: Wichtel beim Fest (SB)


Gute Nacht Geschichten

"Was ist denn das?", wundern sich die Wichtel auf dem Flur im Bauernhaus. "Da kommt doch tatsächlich ein Tannenbaum ins Haus gelaufen!"

Nunja, laufen ist nicht der richtige Ausdruck. Er wird nämlich gefahren. Ein Tannenbaum in einem Topf mit Erde steht auf einem kleinen Rollwägelchen, das die beiden Wichtel nicht sehen können.

Hinter dem Tannenbaum kommen der Bauer und die Bäuerin herein. Sie schieben den Baum ins Wohnzimmer. Die offene Haustür wäre für die beiden Wichtel eine passende Gelegenheit, nach draußen zu entwischen. Aber sie sind von dem Geschehen hier im Haus viel zu angetan, als daß sie jetzt an Flucht denken würden.

Neugierig blicken sie dem fahrenden Baum hinterdrein. Da kommt von oben die Treppe herunter das Enkelkind gesprungen. "Langsam", scheltet die Bauersfrau, "du willst doch nicht am Heiligen Abend noch die Treppe herunterfallen." - "Ich will den Baum sehen!", ruft der Knirps. Ein mahnender Blick der Großmutter und ein entscheidendes "Nein" des Großvaters. "Den Baum siehst du erst später zum Fest, wenn er geschmückt ist. Jetzt dürfen wir im Wohnzimmer nicht stören, sonst kann das Christkind nicht kommen und alles so schön vorbereiten. Geschenke bekommen wir dann auch nicht."

All das, was die Großmutter gerade an Argumenten vorgebracht hat, findet der Junge als tatkräftige Gründe, um nicht weiter zu drängeln. Er hockt sich auf die Treppe, weil er von hier aus doch ein bißchen näher am Geschehen ist, als wenn er jetzt wieder nach oben ins Besucherzimmer zu seiner Mutter ginge. Die ist sowieso noch am Geschenkeeinpacken und ganz froh, den Jungen unten zu wissen.

Was macht ein kleiner Junge, wenn er auf etwas wartet? Ihm fallen bestimmt so einige Dummheiten ein. Sein Platz auf der Treppe ist gleich bei den Wichteln. Er blickt sie an. "Müßt ihr auch hier draußen warten?", fragt er sie. Gerade schon will einer der beiden Wichtel eine Antwort geben, da zuckt ein strenger Blick in den Augen des anderen auf.

"Ich habe geglaubt, ihr seid zwei Erdmännchen in einer Tonhülle wie der König Kallewirsch und wolltet gerettet werden. Aber leider gibt es sowas wohl nicht. Sonst hätte ich jetzt zwei tolle Freunde zum Spielen." Aus seiner Hosentasche zieht der Junge ein Kartenspiel. Dann teilt er drei Stapel Karten ein und legt davon auch den Wichteln je einen vor ihre Füße. "Vielleicht können wir ja auch so Karten spielen."


*


Den ganzen Nachmittag bezieht der Junge die beiden Wichtel in sein langes Warten mit ein. Draußen ist es bereits dunkel geworden. Großmutter hat ihrem Enkel ein paar Schnittchen gemacht. "Ist es bald soweit?", fragt er. "Ja", flüstert die Großmutter, "wir brauchen nur noch auf das Glöckchen zu warten." - "Und wo ist Opa?"

"Der muß doch die Tiere noch versorgen. Ob Sommer, ob Winter; ob Wochentag, Sonntag oder ob ein Fest ansteht, stets muß ein Bauer zur gleichen Zeit seine Tiere versorgen. Wenn er gleich zurück ist, geht es los."

Der Junge blickt die beiden Wichtel an. "Na, seid ihr auch schon gespannt?" - "Was fragst du denn die Gartenzwerge?", möchte Großmutter wissen. "Oma, ich habe einen Wunsch!", sagt der Junge. "Nur einen?", lacht sie. Zögernd antwortet der Enkel: "Darf ich die Zwerge nachher mitnehmen. Irgendwie möchten die ja auch Weihnachten feiern." Großmutter lacht gleich noch einmal, doch sie erlaubt dem Jungen den Spaß.

Auf diese Weise erleben die beiden Wichtel in ihrem schon so langen Leben zum ersten Mal ein Weihnachtsfest bei den Menschen mit. Ob es ihnen wohl gefällt?


24. Dezember 2009

Gute Nacht