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GUTE-NACHT/3153: In Bewegung gebracht (SB)


Gute Nacht Geschichten

Der Student Edgar, die Leseratte Benjamina und der Bücherwurm haben es sich in der Kuschelecke für die Kinder in der Kelleretage der Bücherei gemütlich gemacht. Bevor Edgar mit seiner Nachtarbeit beginnt, gibt es erst einmal einen kleinen Imbiß. Für den Bücherwurm hat Edgar ein Kochbuch mitgebracht. Dieses hatte er in doppelter Ausführung zuhause. Eins davon kann er auf jeden Fall entbehren. Ein Kochbuch mit Bildern und Rezepten findet Edgar geradezu passend zum Stillen des Hungers des Bücherwurms.

Er selbst teilt sich ein Schmalzbrot mit Benjamina. Die ist ganz gespannt, wie Schmalz schmeckt. Auch eine saure Gurke hat Edgar dabei und selbstverständlich eine Papierserviette, um sich dann vor der Arbeit die Hände daran abzuwischen. Schließlich sollen in die benutzten Bücher keine Fettflecken hineingelangen.

Edgar breitet die bunte Serviette wie ein Deckchen auf dem niedrigen Tisch aus. Das bunte Bild darauf fesselt gleich Benjaminas Aufmerksamkeit. "Was ist denn da Spannendes los?", fragt sie und faßt es gleich selbst zusammen, "ein grünes Auto inmitten einer Landschaft und einige Tiere, die es neugierig anschauen?"

Jetzt besieht sich Edgar die Szene auf dem Papiertuch und stellt fest: "Die Tiere schauen sich das Auto nicht bloß anschauen. Der große Hund hat sich gleich auf das Autodach gelegt. Ob er sich sonnen will? Nein, es ist ja gar keine Sonne da."

Durch diese Unterhaltung angeregt, streckt der Bücherwurm seinen Kopf wieder aus dem neuen Buch heraus. "Was gibt es?", möchte er wissen. "Eine Serviette!", antwortet Egon. "Ach so", sagt der Bücherwurm und will sich schon gleich wieder in sein Kochbuch zurückziehen. Da meint Benjamina: "Eine besonders schöne - aus Papier." Bei dem Wort Papier, schleckt sich der Bücherwurm sein Mäulchen und fragt: "Gibt es da auch Buchstaben?" - "Schau selbst!", beantwortet Edgar die Frage und schiebt das Kochbuch ganz dicht an das Deckchen heran. So kann der kleine Wurm inmitten die Landschaft kriechen.

Die Tiere dort nehmen keine Notiz von ihm. Sie sind viel zu sehr mit dem Auto beschäftigt. Jetzt in der Landschaft drin ist alles viel lebendiger. Zuerst klettert der Bücherwurm auf den kleinen Baumstumpf, der einst ein richtig großer Baum gewesen sein mag. Von hier aus hört der Bücherwurm zu, was die Tiere von sich geben.

"Wuff", macht der große schwarze Hund, der es sich auf dem Dach des Autos gemütlich gemacht hat. Der Hund mit dem fuchsfarbenen Fell steht auf seinen Hinterbeinen und versucht ebenfalls auf das Dach des Autos zu gelangen. Immer wieder springt er daran hoch. Aber es gelingt ihm nicht. Er ist einfach zu klein. Das ärgert ihn und so bellt er den schwarzen Hund an. Von diesem Lärm läßt sich der kleine Vogel auf der Antenne des Wagens nicht beeindrucken. Er federt gern ein bißchen auf und ab und wähnt sich in sicherer Entfernung von dem Geschehen. Neugierig läuft eine Gans herbei und schnattert. "Was ist denn hier los? Kann ich mitfahren?"

"Mitfahren?", denkt der Bücherwurm, "da sitzt doch gar kein Fahrer hinter dem Steuer." Der Bücherwurm kennt sich mit so etwas aus, fraß er sich doch einige Zeit durch die bebilderten Unterlagen, die für eine Führerscheinprüfung gebraucht wurden.

Der kleine braune Hund ärgert sich immer mehr. Auch er möchte einmal auf das Dach des Wagens und so bellt er den großen schwarzen Hund an. Dieser weicht keinen Millimeter von seinem Dachplatz. "Was soll das!", schimpft er nur. Der kleine Vogel hält sich krampfhaft an der Antenne fest, denn irgendwie bewegt sich diese jetzt viel wilder als zuvor. Plötzlich beginnt die Gans viel lauter und aufgeregter zu schnattern und auch der kleine Vogel beginnt zu schimpfen. Wollen sie etwa die beiden Streithähne auseinander bringen?

Nein, der Bücherwurm sieht es jetzt genau. Der Wagen scheint sich durch das Geruckele in Bewegung gesetzt zu haben und beginnt zu rollen. "Hilfe! Wer kann euch retten", piepst der Vogel und erhebt sich in die Lüfte. Die Gans schnattert: "Gebt Acht, gebt Acht!" Doch die beiden Hunde, der Gefahr jetzt ins Auge sehend, wissen nicht, was sie tun können.

Da kann nur der Bücherwurm helfen. Er kriecht von dem Deckchen herunter, geradewegs wieder in das Kochbuch hinein, das zum Glück mit einer Kante genau am Rande des Baumstumpfs liegt. Das war knapp.

Benjamina, die Leseratte, und Edgar schauen verblüfft zu dem Bücherwurm hin. Dann erst blicken sie auf das Deckchen. Irgendwas hat sich da verändert. Aber das kann doch nicht sein, oder?


5. März 2010

Gute Nacht