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GUTE-NACHT/3351: Der kleine Nachtwächter vermißt Rebell (SB)


Gute Nacht Geschichten von dem kleinen Nachtwächter


"Wo bin ich?", fragt sich der kleine Nachtwächter, als ihn ein merkwürdiges Stechen im Rücken weckt. Er zieht sich die Decke vom Kopf und starrt in zwei riesige Augen. "Ach, du bist es Grauer!", grüßt der kleine Nachtwächter und setzt sich vorsichtshalber auf. Dann greift er an seinen Rücken und befördert einen Halm Stroh nach vorne. "Also du hast mich die Nacht über so gequält! Du kannst einen mächtig piksen." Mit diesen Worten hält er den Halm dem Grauen zum Fressen hin. Aber dieser ist nicht interessiert. Er mag nur Heu und Wurzeln, sowie Äpfel oder Birnen, am liebsten aber Rübenschnitzel und frisches Gras. Gegen ein Stückchen trockenes Brot oder ein Pferdeleckerlie hat er auch nichts einzuwenden. Doch das bekommen die Pferde hier nur selten.

Noch einen Moment bleibt der kleine Nachtwächter auf den Strohballen sitzen und weicht dem Atem des vorwitzigen Grauen aus. Plötzlich fällt dem kleinen Nachtwächter etwas ein und er blickt um sich. "Wo steckt dieser kleine Hund nur schon wieder?", mit diesen Worten steigt der kleine Nachtwächter von den Strohballen herunter und pfeift. Der Graue schrickt zurück und läuft davon. Nur das kleine Pony schiebt seinen Kopf neugierig um den Stallpfosten. "Gibt es was zu Futtern?"

"Hey, kleines Pony, hast du Rebell gesehen?" Das Pony schüttelt den Kopf und wiehert. "Das bedeutet wohl ein klares Nein. Aber wo ist er nur geblieben? Ich mache mir wirklich Sorgen um diesen frechen Hund. Gestern abend hatte er nichts besseres zu tun, als einer kleinen Hundedame nachzulaufen. Ob er wohl die Nacht bei ihr verbracht hat?"

Der kleine Nachtwächter nimmt seine Laterne und seine Taschenlampe von einem Balken der Hütte herunter und geht mitten auf die Wiese, wo er die Laterne abstellt. Von hier hat er einen guten Rundumblick. Aber Rebell kann er auch von hier aus nicht entdecken. Noch einmal pfeift er. Da gesellt sich der schwarze Wallach zu ihm. "Hast du mich gerufen?" Der kleine Nachtwächter klopft dem Wallach freundschaftlich auf den Hals. "Entschuldige, nein! Ich vermisse meinen Hund. Er kommt sonst immer, wenn ich pfeife!"

Nun blicken beide um sich. Hinten bei den Bäumen, abseits der Weide, scheint sich etwas zu bewegen. "Das muß er sein!" Freudig pfeift der kleine Nachtwächter noch einmal. Jetzt ist deutlich eine Bewegung unter den Bäumen zu erkennen. "Das muß Rebell sein! Warum kommt er bloß nicht?"

"Hast du schon einmal daran gedacht, daß dein Hund vor uns großen Pferden Angst haben könnte?", erklärt der schwarze Wallach. "Ja, so könnte es sein!", staunt der kleine Nachtwächter und kann das dennoch nicht wirklich verstehen. Schließlich hat er selbst ja auch keine Angst vor ihnen. "Es ist schon nicht ungefährlich zu uns Pferden auf die Weide zu gehen, wenn ihr Menschen uns nicht kennt! Ihr wißt ja nicht, was wir alles erlebt haben und ob wir gelernt haben, keine Angst vor euch zu haben. Wenn nicht, sind wir leicht schreckhaft und schlagen mit den Hufen aus. Deshalb gebe ich dir einen guten Rat, nähere dich niemals einem Pferd von hinten!"

"Vielen Dank für deinen Hinweis, schwarzer Wallach! Ich werde euch jetzt verlassen und mit Rebell weiterziehen!" - "Ja", stöhnt der schwarze Wallach, "ich glaube, dein Hund wartet schon sehnsüchtig auf dich!" - "Und ich glaube, du wirst hier immer noch gebraucht. So wie der Graue eben davongestürmt ist bei meinem Pfeifen, kann er noch eine Menge von dir lernen." Der Schwarze wiehert freudig und fragt: "Es wird schon dunkel. Willst du nicht noch eine Nacht bleiben?" Der kleine Nachtwächter schüttelt den Kopf: "Ich bin ein Nachtwächter und wache in der Nacht, wenn die anderen schlafen. Meine Zeit zu schlafen ist der Tag. Doch ihr werdet jetzt sicher müde sein." - "Ja, aber wir schlafen abwechselnd. Auch bei uns hält immer einer Wache, während die anderen vor sich hindösen. Da du nicht bleiben willst, sage ich nur 'Auf Wiedersehen'. Denn das ist es, was ich mir wünsche." - "Und ich sage dir 'Gute Nacht!'"

Dann geht der kleine Nachtwächter mit seiner Laterne in der einen und der Taschenlampe in der anderen Hand los und dreht sich nicht mehr um. Als er weit genug von der Pferdeweide entfernt ist, hält es Rebell nicht mehr unter den Bäumen aus, sondern läuft auf den kleinen Nachtwächter zu. Es wird ein stürmisches Wiedersehen.

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18. Februar 2011