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GUTE-NACHT/3375: Der kleine Nachtwächter entdeckt den Huflattich am Wegesrand (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter


Munter begeben sich der kleine Nachtwächter mit seiner Laterne in der einen und der Taschenlampe in der anderen Hand und Rebell auf den Weg durch die Straßen. Anton - Herr Zucker - winkt ihnen hinterher. Er wird jetzt bald zu Bett gehen und sich warm halten, denn er hustet schon den ganzen Tag. Ins Bett gekuschelt wird er noch ein bißchen lesen, und wenn es richtig dunkel geworden ist, zu träumen beginnen, bis er am Morgen von dem kleinen Nachtwächter geweckt wird und sie die Plätze tauschen. Dann nämlich wird der kleine Nachtwächter schlafen gehen. Doch jetzt ist er erst einmal mit Rebell auf Streifzug durch die Stadt unterwegs.

Von Haus zu Haus schlendern sie und schauen genau hin, ob alles in Ordnung ist. Sie gelangen an eine Kreuzung und biegen in die kleine Seitenstraße ein. Hier in dieser Gasse ist die Straße nicht asphaltiert, sondern noch geplastert. Die alten Pflastersteine wurden schon vor langer Zeit gelegt. Zwischen ihnen beginnt Gras und Löwenzahn zu wachsen.

Bald endet das Kopfsteinpflaster, und die Gasse wird zum Feldweg. Zwischen zwei festgefahrenen Streifen wächst auch hier Gras sowie Löwenzahn. Und sogar Huflattich zeigt sich hier und da.

Es ist noch nicht dunkel, sodaß der kleine Nachtwächter auch ohne Taschenlampe sich diese Pflanze genauer betrachten kann. Er bückt sich und streicht ganz vorsichtig über die gelben Blütenblätter. "Was bist denn du für ein hübsches Blümchen?", staunt er.

"Hübsch?", fragt da ein feines Stimmchen. "Ja", antwortet der kleine Nachtwächter noch erstaunter, "fast wie Federn fühlen sich deine Blütenblätter an und du leuchtest wie meine Laterne." - "Bin ich dir nicht zu nackt? So ganz ohne Blätter?" - "Ach, was", entgegnet der kleinen Nachtwächter, "sei beruhigt, auch wenn du den Spruch der Menschen kennst, der besagt, 'eine Blume ohne Blatt, schenkt man dem, der keine Ehre hat'. Das finde ich Quatsch. Schau dir doch einmal deinen Stengel an. Er gleicht, mhm, ja er gleicht dem Stiel einer Palme."

Auch wenn das Blümchen eine Palme nicht kennt, scheint es dennoch aufzuatmen und beginnt zu erzählen: "Es ist ja nicht so, daß wir keine Blätter bekommen. Wir, das ist unsere Familie Huflattich. Zuerst kommen unsere Blüten. Damit locken wir die ersten Insekten an. Sie können sich an uns laben. Wenn unsere Blüten verblühen, erst dann tauchen die Blätter hervor. Unsere Familie ist nicht so gut angesehen. Wir werden zu den Unkräutern gezählt. Vielleicht weil man uns an Böschungen und Wegrändern, im Ödland und in Kiesgruben findet. Aber man darf uns nicht unterschätzen. Denn auch wir haben unsere Stärken."

Der kleine Nachtwächter möchte mehr darüber erfahren. "Pst, das ist unser Geheimnis. Wenn du einmal Husten hast, dann kannst du dir aus unseren Blüten und Blättern einen Tee kochen." - "Oh, das ist aber ein wunderbares Geheimnis", freut sich der kleine Nachtwächter, "denn ich habe einen Freund, der gerade jetzt von starkem Husten befallen ist. Darf ich mir ein paar der Blüten, die hier wachsen, für ihn mit nach Hause nehmen?" - "Gern", bejaht das leise Stimmchen, "du warst nett zu mir und darum helfe ich deinem Freund."

Der kleine Nachtwächter pflückt von den Huflattichblüten und bedankt sich bei dem leisen Stimmchen. "Gern geschehen." Nun verabschiedet sich der kleine Nachtwächter und verspricht: "Ich komme bald wieder. Hab' vielen Dank!" Da entgegnet das feine Stimmchen: "Dann werde ich wohl nicht mehr hier sein. Denn die Blätter dringen bald aus der Erde hervor. Nimm nur reichlich von meinen Blüten und später auch von den Blättern. Ein Tee von beidem zusammen gemischt, kann Wunder wirken."

Huflattich - Copyright 2011 by MA-Verlag

16. April 2011