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GUTE-NACHT/3512: Im Schuhschrank ist die Hölle los - Teil  7 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

I m   S c h u h s c h r a n k   i s t   d i e   H ö l l e   l o s


Noch immer ist es dunkel im Haus. Der Wind pfeift um die Mauern. Aber der kleine Turnschuh läßt sich weder von der Dunkelheit, noch von dem Sturm da draußen beirren, seinen Bruder zu suchen. Zielstrebig schreitet er auf Tonis Zimmer zu. Dort vermutet er seinen Bruder. Da nachts die Türen im Haus offen stehen, damit der Junge keine Angst zu haben braucht, ist es für den kleinen Turnschuh ein leichtes Unterfangen, in Tonis Zimmer zu gelangen.

Der Weg führt die knappe Eingangstreppe hinauf, den Flur entlang und an Vaters und Mutters Schlafzimmer vorbei. Aus dem Zimmer der Eltern sind Schnarchgeräusche zu hören. Der kleine Turnschuh weiß wohin er will und stapft unbeirrt an dem Schlafzimmer vorbei. Die nächste geöffnete Tür führt schon in Tonis Zimmer. Der kleine Turnschuh ist einer von Tonis Lieblingsschuhen - genau wie sein Bruder, der seit ein paar Tagen verschollen ist.

Leise schleicht der kleine Turnschuh über den Flur und betritt Tonis Zimmer. Er hält inne und lauscht. Wenn sein Bruder hier wäre, würde er sicher um Hilfe rufen. Doch er ist schon so lange fort, als daß er die ganze Zeit hätte Hilfeschreie ausstoßen können. Deshalb ist es wohl sicherer, wenn zuerst einmal der kleine Turnschuh seinem hier vermuteten Bruder ankündigt, daß er nun eingetroffen ist. "Hallo! Ist da wer?", ruft der kleine Turnschuh leise.

Nichts rührt sich. So ruft der kleine Turnschuh noch einmal. Diesmal traut er sich, seine Stimme um einiges lauter erschallen zu lassen. Diesmal rührt sich was - Knistern, Knacken und Quietschen ist zu vernehmen. Doch diese Töne können unmöglich alle von dem Bruder des kleinen Turnschuhs stammen.

Dann ein lautes Brummen. "Wer stört da die Nachtruhe meines kleinen Tonis!", will eine tiefe Stimme wissen. Der kleine Turnschuh erschrickt und rückt gleich ein paar Schritte zurück. Dann aber wagt er sich mutig wieder vor und fragt in den Raum hinein: "Wer hat da gesprochen?" - "Ich, Tonis Bett! Und wer spricht mit mir?" Der kleine Turnschuh geht ein paar Schritte auf das Brummige Bett zu und antwortet: "Ich, ich bin Tonis linker Turnschuh und suche meinen Bruder, den rechten Turnschuh."

Nun wechseln der kleine Turnschuh und das Bett ein paar Sätze miteinander. Das Bett zeigt sich recht verständnisvoll. Als der kleine Turnschuh dann auch noch zu weinen anfängt, ist Tonis Bett klar, hier braucht jemand Hilfe.

In der Zwischenzeit sind auch die anderen Gegenstände im Zimmer aufgewacht und alle sprechen durcheinander. "Ruhe! Ruhe!", die Stimme von Tonis Bett erfüllt den ganzen Raum. Alle werden plötzlich still. Das Bett erklärt den anderen Gegenständen, was ihm der kleine Turnschuh berichtet hat.

"Das ist ja traurig", brummt der Sessel, "aber wie können wir dem Turnschuh helfen?" Der Kleiderständer in der Ecke sagt, er könne mal von oben Ausschau nach dem zweiten Turnschuh halten. Doch das ginge erst wieder morgen früh, wenn die Sonne aufgehe und wieder Licht im Zimmer sei. Da fängt der kleine Turnschuh schon wieder an zu weinen. Er will nicht bis morgen warten. Wenn sein Bruder hier im Zimmer ist, müßte er auch im Dunkeln auffindbar sein. Das scheint allen einzuleuchten. Neben dem Bett liegen ein paar Dominosteine. Einer davon hat eine geniale Idee. Er weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell man von einem Ziel an ein anderes kommen kann, wenn man zusammenhält und es dabei nicht so wichtig ist, wer am Ziel ankommt. Nun, der Dominostein schlägt vor, daß alle Gegenstände hier im Raum genau ihre Umgebung betrachten. So könnte der Bruder doch schnell gefunden werden.

Die Gegenstände sehen sich im Raum um. Es ist zwar dunkel. Doch da sich alle an diese Dunkelheit gewöhnt haben, ist es ihnen ein Leichtes, ihr kleines Umfeld gründlich zu erkunden. Leider entdeckt keiner den Bruder des kleinen Turnschuhs. Nach einer Weile stellt das Bett fest: "Wenn bisher keiner von uns - und wir haben das ganze Zimmer abgesucht, auch alle Schlupfwinkel -, also wenn keiner bisher den fehlenden Turnschuh erblickt hat, dann ist er nicht hier!"

Doch jetzt meldet sich der rote Schaukelstuhl zu Wort: "Er ist wohl jetzt nicht mehr hier, aber er könnte hier gewesen sein, denn ich vermisse so einige Dinge im Zimmer, die heute Nacht fehlen und schon morgen wieder hier sein können." - "Sprich nicht so in Rätseln", mahnt das Bett. Der Schaukelstuhl, auf dem Mutter immer sitzt, wenn sie Toni aus dem dicken Märchenbuch vorliest, wird deutlicher: "Gestern abend war der Wäschekorb noch hier im Zimmer und stand genau neben mir. Jetzt ist er nicht mehr da. Es könnte doch sein, daß der Turnschuh sich im Wäschekorb versteckt hat und nun auch nicht mehr hier ist."

"Klever!", muß das Bett zugeben, "und wo steckt der Wäschekorb jetzt?" Die Antwort gibt der Schaukelstuhl sofort: "Na, in der Waschküche!" Der kleine Turnschuh ist dem ganzen Geschehen genau gefolgt. Er ist ganz aufgeregt und begibt sich sogleich auf den Weg in die Waschküche. Doch er ist ein höflicher kleiner Turnschuh. Deshalb bedankt er sich noch schnell bei den Gegenständen in Tonis Zimmer und winkt sogar zum Abschied mit seinen Schnürsenkeln. "Bis auf bald! Wir sehen uns bestimmt mal wieder!", grüßt der kleine Turnschuh und wünscht allen Helfern noch eine:

"Gute Nacht."

Gute Nacht

zum 12. Januar 2012