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GUTE-NACHT/3576: Der kleine Nachtwächter im Puppentheater (SB)


Der kleine Nachtwächter im Puppentheater

Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter

"Liebe Gäste", begrüßt der Puppentheaterdirektor die Zuschauer. Darunter befinden sich auch der kleine Nachtwächter und Rebell, sein Hund. "Es ist mir eine Ehre, Sie alle hier begrüßen zu dürfen. Heute zeigen wir das Stück vom Nachtwächter Gruselmich. Eigentlich hat er einen ganz anderen Namen. Aber da er sich bei seiner Arbeit stets gruselt, wird er von allen nur Gruselmich genannt." Mit diesen Worten verschwindet die hölzerne Puppe von der Bühne.

Es wird dunkel im Zelt. Denn das Licht, das die Bühne bisher angestrahlt hat, erlischt. Dann geht ein Strahler an, der einen kleinen Bereich der Puppenbühne beleuchtet. Eine neue Figur erscheint im Lichtkegel. Sie sieht sehr ängstlich aus, denn sie blickt sich ständig nach allen Seiten hin um. Dann beginnt sie sehr leise zu sprechen, ja zu flüstern.

"Ist da wer?" Kurze Pause. "Ist da niemand?", eine neue Frage. Und dann: "Ist da auch wirklich keiner?" Plötzlich erscheint ein lautes "Doch" aus dem Publikum. Die Figur auf der Bühne erschrickt und schlägt die Hände vor das Gesicht. Einige Kinder im Publikum lachen. Da zieht die Figur eine ihrer Hände vor dem Gesicht fort, als wolle sie hinausspähen, um zu sehen, wer da gelacht habe. Dann fällt auch die zweite Hand herunter und ein tiefer Seufzer ist zu hören. Die Figur nimmt eine kleine Taschenlampe und leuchtet in den Saal hinein. "Ihr habt gelacht, ihr Kinder. Na da bin ich aber froh. Ich bin nämlich Gruselmich und grusele mich vor allen Geräuschen, außer vor Lachen. Das könnt ihr gleich noch einmal wiederholen, euer Lachen." Und schon ist ein wenig Lachen zu hören.

"Lauter bitte!", fordert Gruselmich die Kinder auf. Anschließend fragt er, ob die Kinder auch solche Angst hätten wie er. Manche antworten leise "Ja", andere rufen um einiges lauter "Nein". "Da könnt ihr aber froh sein", meint Gruselmich. Dann schaut er sich wieder ängstlich um und verrät: "Ich habe ständig Angst, daß ich verfolgt werde. Denn ich höre stets so merkwürdige Geräusche. Aber wenn ich mich umschaue, ist niemand da."

In diesem Moment huscht ein niedriger Schatten hinten an der Bühnenwand entlang. Die Kinder rufen: "Hinter dir!" Und: "Da ist was! Ein Schatten!" Schon beginnt Gruselmich sich wieder zu ängstigen und blickt sich nervös um, kann aber niemanden mehr entdecken.

"Ach, wenn ich nur nicht solche Angst hätte. Könnt ihr mir denn nicht helfen?" Selbstverständlich schreien alle Kinder: "Ja!" - "Aber wie soll das gehen?", fragt Gruselmich. Da läuft erneut etwas hinter ihm entlang. Es sieht aus wie ein riesiges Monster auf vier Beinen. Die Kinder schreien. "Mit diesem Lärm helft ihr mir aber nicht gerade. Da grusele ich mich doch glatt noch mehr", sagt Gruselmich. Doch den nächsten Schrei der Kinder hält er nicht mehr für ein Hilfsangebot und versteckt sich hinter dem Vorhang.

Kurze Zeit später lugt er dahinter wieder hervor und fragt, ob die Gefahr vorbei sei. Ja- und Neinrufe ertönen aus dem Publikum. "Na, dann verstecke ich mich doch schnell wieder", sagt er und ist auch schon verschwunden. In dem Moment taucht das Schattenmonster erneut auf der Bühne auf. Die Kinder schreien. Von Gruselmich ist nur seine Hand, die sich am Vorhang festhält zu entdecken.

Plötzlich wird der Schatten auf der Bühne immer kleiner. Dafür aber taucht eine vierbeinige Gestalt auf und drängt sich immer weiter an den Bühnenrand vor. Hier angekommen meinen die Kinder den bösen Wolf vor sich zu haben und können jetzt Gruselmichs Angst gut verstehen. Alle sind ganz gespannt, was nun geschieht und keines sagt ein Wort.

Da startet der Vierbeiner auf der Bühne ein herzzerreißendes Geheul. Einige der Kinder halten sich die Ohren zu. Plötzlich springt eine Gestalt aus dem Publikum auf und läuft auf die Bühne zu, hechtet daran hoch, schnappt sich den Wolf von der Bühne und läuft damit davon. Alles dreht sich nach dem Räuber um.

Noch niemals ist dem Puppenspieler so etwas während einer Vorstellung passiert. Durch einen Spalt im Vorhang kann er erkennen, daß die Aufmerksamkeit des Publikums nicht auf die Bühne gerichtet ist. Um das Stück zu retten, muß ihm jetzt schnell etwas einfallen.

Gruselmich verläßt sein Versteck hinter dem Vorhang und erscheint laut rufend am Bühnenrand: "Hurra, ihr habt mich gerettet." Jetzt drehen sich die Köpfe wieder der Bühne zu. Der Puppenspieler überlegt, wie er das Stück schnell beenden lassen kann. Denn eigentlich war der vermeintliche Wolf bloß ein Hund, den Gruselmich zum Freund gewinnt, und er bald keine Angst mehr hat.

Da erhält der Puppenspieler wieder einmal Hilfe aus dem Publikum. Der kleine Nachtwächter tritt nach vorne an die Bühne heran. Ihm folgt wie stets sein Hund Rebell. Der war es auch, der zuvor an die Bühne gestürzt war und den Hund von derselben heruntergerissen hatte. Noch immer hält er die Puppe im Maul. Durch den Spalt im Vorhang klärt sich für den Puppenspieler das Geschehene auf und er atmet tief durch.

Auch Gruselmich atmet tief ein und aus. Das Publikum ist stumm vor Erstaunen. "Hier, Gruselmich", sagt da der kleine Nachtwächter, nimmt Rebell die reglose Tierpuppe aus dem Maul und läßt sie hinter der Bühne verschwinden. "Danke sehr, mein Freund. Du hast mich gerettet", stöhnt Gruselmich leise und fragt dann wieder laut, "wie heißt du eigentlich?" - "Ich bin der kleine Nachtwächter von der Burg!" - "Ah, ein Kollege von mir", sagt Gruselmich und fährt fort, "wie ich sehe hast du immer einen Helfer dabei." - "Ja, Rebell begleitet mich auf all meinen Wegen." - "So einen Helfer könnte ich auch gebrauchen. Da müßte ich mich nicht mehr gruseln", meint Gruselmich und verabschiedet sich von seinem Publikum, "ich werde mir schnell auch einen Wachhund suchen, dann habe ich keine Angst mehr und keiner wird mich mehr Gruselmich rufen. Bis bald Kinder. Ich wünsche euch eine

Gute Nacht!"



zum 16. Mai 2012