Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

KALENDERGESCHICHTEN/034: 10-2013   Wie kam der Zauberbesen in den Garten? (SB)


Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick


Jonathan, Rupert und Käpt'n Carlo

Wie kam der Zauberbesen in den Garten?

Rupert hatte alles gründlich falsch verstanden, als er dem Telefonat lauschte. So kam es, dass er und Käpt'n Carlo flüchten wollten und sich im Flur unter einer Decke versteckt hielten. Doch Herr Becker ließ sich nicht täuschen. Nachdem er ihr Versteckt aufgedeckt hatte, nahm er die beiden Flüchtlinge mit ins Wohnzimmer, um ihnen dort mitzuteilen, dass Käpt'n Carlo nun für immer bleiben dürfe. Danach unternahm Herr Becker mit Hund und Papagei einen Spaziergang.

Es war ein warmer Nachmittag, die Sonne schien und Herr Becker hielt mal hier und mal dort am Gartenzaun eines Nachbarn an, um ein Schwätzchen zu halten. Dabei erntete er viel Bewunderung für den großen, roten Vogel auf seinem Arm. Er wurde nicht müde, über die Erlebnisse mit dem Papagei und seinem Hund zu berichten. So gab es immer wieder Anlass zum Lachen, und nach einer Ewigkeit kehrte das Dreiergespann wieder nach Hause um.

Herr Becker setzte Käpt'n Carlo im Wohnzimmer auf der Sitzstange ab und ging in die Küche, um sich einen Kaffee aufzubrühen. Mit Kaffeekanne, Tasse und einem Teller Keksen auf dem Tablett steuerte er die Treppe hinauf ins Arbeitszimmer.

Rupert wartete, bis sein Herrchen verschwunden war, dann eilte er ins Wohnzimmer zu Käpt'n Carlo, sprang mit allen Vieren gleichzeitig in die Höhe, drehte sich und wedelte heftig mit dem Schwanz. "Hey, das ist ja irre toll, du bleibst für immer hier ...", freute er sich.

"Oh, ja, ich muss schon sagen, damit hätte ich nicht gerechnet. Doch es bekümmert mich schon etwas, nicht zu wissen, was mit Kapitän Svenson geschehen ist. Schließlich verbrachte ich die meiste Zeit meines Lebens bei ihm. Zunächst auf seinem Schiff und später dann in seinem Haus. Eigentlich kann ich mich gar nicht daran erinnern, jemals irgendwo anders gelebt zu haben. Stets war ich in seiner Nähe. Und nun ..."

"Bist du traurig? Willst du lieber wieder fort von hier, von mir ...?", schluckte Rupert leise den Rest des Satzes hinunter. Auf einmal war er nicht mehr so sicher, ob der Papagei überhaupt für immer bleiben mochte. Er hörte auf herumzutoben, setzte sich und ließ den Kopf hängen.

"Rupert, du darfst das nicht falsch verstehen. Natürlich bin ich gern hier und ich darf wohl behaupten, dass ich nie zuvor so einen wie dich getroffen habe. Sei versichert, dass ich nicht fort möchte, doch gerade in diesem Moment treiben viele, viele Erinnerungen in meinem Herzen und ich wünsche mir doch sehr, dass mein Kapitän Svenson wohlauf ist. So, und nun genug davon. Schließlich habe ich noch viel, viel Zeit an ihn zu denken, wenn ich des nachts auf meinem Steuerrad sitzen werde?"

"Ach, ja, da sagst du was. Das wollten wir doch hierher holen?"

"Wir? Wir beide? Nein, das, glaube ich, wird nichts. Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie schwer und wie riesig so ein echtes Schiffssteuerrad ist? Niemals wären wir in der Lage ...", erklärte Käpt'n Carlo und wurde jauchzend von Rupert unterbrochen.

" ... das rollen wir, ja, genau, wir rollen es. Ein Rad ist rund, ein Steuerrad auch - oder?"

"O je, Rupert, du bist wahrlich eine Landratte. Ein echtes Steuerrad ist zwar rund, aber rundherum sind Griffe angebracht, die herausstaken(?), damit der Steuermann es auch bei starker See gut festhalten und drehen kann!", klärte der Papagei ihn auf. "Ich denke, wir gedulden uns, bis Herr Becker es mit seinem Auto hierher transportiert."

Plötzlich spitzte Rupert die Ohren. Was war das? Ein merkwürdiges Geräusch erweckte seine Aufmerksamkeit. Ein leises Rascheln, ein Knistern. "Hörst du das auch?", flüsterte er und sah den Käpt'n erwartungsvoll an.

"Ja", hauchte der Papagei ebenso leise zurück.

Rupert war immer alarmiert, wenn Käpt'n Carlo nur ganz kurz antwortete, denn meistens hielt er einen längeren Vortrag über dies oder das. Er war sich noch nicht sicher, was es zu bedeuten hatte, wenn der Papagei nur knappe Antworten gab.

Ganz still und gebannt saßen beide im Wohnzimmer, doch nun blieb alles ganz ruhig. Nach einer Weile sprach Käpt'n Carlo immer noch ganz leise: "Weißt du was, Rupert, ich dachte im ersten Moment, da ich dieses Geräusch vernommen hatte, dass vielleicht Jonathan der Urheber gewesen sein könnte."

"O ja", seufzte Rupert, "Jonathan, wie es ihm wohl geht? Ob er je wieder zurück kommt? Er hat es versprochen, stimmt doch, oder? Er hat gesagt, er würde uns finden. Glaubst du, er schafft das?" Mit diesen Gedanken, die in seinem Kopf noch eine Weile hin- und herwogten, mal in die eine Richtung strebten, dann wieder in ganz anderen Überlegungen wechselten, schlief Rupert allmählich ein.

Käpt'n Carlo sah hinab und schmunzelte: "Die Ereignisse scheinen ihn ebenso ermüdet zu haben wie mich. Ich denke, ich werde es ihm gleichtun und ebenfalls ein Schläfchen halten." Dann wurde es ganz still im Haus, denn auch Herr Becker war inzwischen von seinem Schreibtisch zum Sofa gegangen und dort halb liegend, halb sitzend eingeschlafen.

Am nächsten Morgen wurde Rupert ganz früh durch lautes Rufen geweckt: "Rupert, du Schlafmütze, komm, wir wollen ausgehen!"

Erschrocken hob Rupert den Kopf, blickte sich etwas verwundert um und begriff, dass er gestern direkt im Wohnzimmer unter Käpt' Carlos Sitzstange eingeschlafen sein musste.

Herr Becker schritt energisch in die Stube, entdeckte Ruperts Decke, aber keinen Hund und rief erneut: "Rupert, wo steckst du?" Dann ging er ins Wohnzimmer und lachte: "Oh, ihr seid ja unzertrennlich, wie es scheint. Möchtest du auch mit hinaus, Käpt'n?", dabei bot er dem Papagei wieder seinen Arm an. Rupert sprang auf seine vier Pfoten und wedelte und hüpfte hin und her, während Carlo hinab flatterte und es sich auf Herrn Beckers Arm bequem machte.

"Also, dann mal los, auf geht 's!", mit diesen Worten verließen die drei das Haus. Während Herr Becker die Tür sorgfältig verschloss, stürmte Rupert schon hinaus in den Garten, rannte um die Obstbäume und wieder zurück, sprang an seinem Herrchen hoch und ließ sich wieder fallen. Er war so ausgelassen und wild, vor lauter Freude.

Käpt' Carlo hob seine Flügel leicht an und suchte sein Gleichgewicht, dann krakeelte er laut: "Einbrecher, Piraten."

Da musste auch Herr Becker lachen. "Nun, ist ja gut, beruhigt euch wieder. Wir werden jetzt einen ganz gesitteten, ruhigen Spaziergang machen, verstanden?"

Rupert setzte sich neben sein Herrchen und gab ein leises "Wuff" von sich. Gerade wollte er artig los laufen, als ihm ein bekannter Geruch in die Nase stieg. "Jonathan", durchfuhr es ihn. "Jonathan war hier!" Seine Nase dicht über dem Boden, schnüffelte er aufgeregt den Rasen ab. Ja, es war eindeutig, er täuschte sich bestimmt nicht. Jonathan war hier längs gelaufen, hier im Garten! Der Duft war frisch und kräftig. Er musste vor gar nicht langer Zeit hier gewesen sein. Als Herr Becker die Gartenpforte öffnete, raunte Rupert dem Papagei zu: "Jonathan war bei uns im Garten, kann noch nicht lange her sein, wir sollten ihn suchen!"

Noch bevor Käpt'n Carlo antworten konnte, kreischte Rupert laut auf, viel lauter, als er wollte: "Der Besen, verdammt, hier liegt Jonathans Besen!"

Käpt'n Carlo wäre fast vom Arm geplumpst, schaffte es aber gerade noch sich mit erheblichen Flügelgeflatter oben zu halten.

"Na, na", beruhigte Herr Becker ihn, "du brauchst dich nicht zu fürchten. Wir gehen ganz langsam und vorsichtig! Du musst dich erst mal an Spaziergänge gewöhnen, nicht wahr? Der alte Kapitän Svenson wird wohl kaum mit dir hinaus gegangen sein." Er sprach ganz lieb und sanft mit dem Vogel, weil er annahm, dass er sich beim Öffnen der Pforte zu ruckartig bewegt und Käpt'n Carlo sich deswegen erschrocken hatte. Herr Becker wollte just die Gartenpforte schließen, als er sah, dass Rupert immer noch im Gras schnüffelte und auch noch anfing zu buddeln. "Rupert! Spinnst du, lass das, lass den Rasen in Ruhe und komm sofort her!"

Rupert gehorchte, aber er konnte es kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen. Das war alles doch sehr merkwürdig. Das musste untersucht werden. Am liebsten wäre er sofort umgekehrt. Stattdessen trottete er artig neben seinem Herrchen und beobachtete ihn, wie er jedem, der seinen neuen Vogel noch nicht in Augenschein genommen hatte, stolz den Papageien vorstellte. Die Leute waren begeistert von dem riesigen, roten Vogel. Wenn Käpt'n Carlo dann auch hin und wieder sein "Einbrecher, Piraten" krächzte, waren sie ganz aus dem Häuschen.

Rupert fand nur manchmal Beachtung, denn ihn kannten alle Dorfbewohner schon. Ihm war das ganz recht, so konnte er sich Gedanken darüber machen, wie der Besen in den Garten gelangt war, ob das etwas Gutes oder Schlechtes bedeutete, ob der Besen vielleicht Hilfe holen wollte, oder, oder? In Ruperts Kopf kreiselten Gedankenbilder, ihm wurde übel und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass dieser blöde Spaziergang sein Ende finden möchte. Er musste unbedingt in Ruhe mit Käpt'n Carlo sprechen.

Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Fortsetzung folgt ...

zum 1. Oktober 2013