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TIERGESCHICHTEN/022: Unerwartete Verstärkung ... (SB)



Ausgerechnet heute war die Gartenpforte abgeschlossen, er konnte nicht einfach hinaus. Aber er musste unbedingt seinen Freund, den Dachs Rudi, aufsuchen, denn er hatte eine schreckliche Botschaft zu überbringen. Also buddelte er nun schon eine ganze Weile in der Erde unter dem Maschendrahtzaun. Bald würde das Loch groß genug sein, damit er unterdurch krabbeln konnte. Endlich war es ihm gelungen. Mit einigem Ächzen und Stöhnen quetschte er sich durch die Öffnung. Dann rannte er los, so schnell wie seine kleinen Rauhaardackelbeine ihn trugen, eilte er in den Wald hinein. Mit der Nase dicht am Boden fand er schnell den Weg zum Bau von Rudi Dachs.

Theo lugte in das dunkle Eingangsrund und wuffte hinein. Es dauerte einen Moment, dann erschien Rudi im Eingang zu seinem Bau. "Hey, Theo, was gibt es, dass du so spät noch zu mir kommst?"

Theo war etwas aus der Puste und hechelte: "Morgen, morgen soll die Jagd losgehen. Die Jäger planen eine Fuchsjagd!"

Das ist ja furchtbar! Die armen Füchse! Denk nur an die schlimme Verletzung von Rupert Fuchs. Wenn wir ihn nicht beschützt und gesundgepflegt hätten, wäre er jetzt bestimmt tot", erinnerte sich Rudi.

"Ich weiß, mein Freund, das darf nicht noch einmal passieren. Aber diesmal wird es schwierig, denn die Jägersleute wollen, dass ich ihnen dabei helfe die Füchse aufzuspüren, zusammen mit all den anderen Jagdhunden, den großen und den kleinen."

Rudi schob sich nun ganz aus seinem Bau heraus und hockte sich vor Theo: "Das ist schlimm, sehr schlimm sogar, denn Ruperts kleine Fuchsfamilie lebt, wie du ja weißt, seit seiner Verletzung in meinem Bau. Sie haben gerade ihre Babys bekommen, drei an der Zahl."

"O weh, das ist gar nicht gut, denn ich soll auf der Suche nach Füchsen auch in jeden Dachsbau hineinschauen!"

"Aber doch nicht in meinen, das geht nicht. Rupert Fuchs kann doch mit seinen Kindern gar nicht so schnell flüchten. Was machen wir jetzt nur?" Theo blickte besorgt auf den Boden: "Vielleicht kann ich die anderen Hunde heute Nacht überreden, nicht mit auf die Jagd zu gehen?"

Rudi überlegte: "Das ist eine tolle Idee. Und ich mache mich auf den Weg und sage den anderen Dachsfamilien Bescheid, dass sie ihre Eingänge bis auf einen Notausgang sicher verschließen sollen."

Obgleich es schon spät war, machten sich beide sofort auf den Weg. Theo rannte zuerst zu den drei großen Jagdhunden, die nachts auf dem Hof in einem Zwinger schliefen. Er bellte leise: "Hey, ihr da, aufwachen. Ich muss etwas mit euch besprechen!"

Müde hoben sie fast gleichzeitig ihre Köpfe, näherten sich dem Drahtzaun und sahen Theo fragend an: "Was willst du denn? Warum störst du uns, ist etwas passiert?"

"Morgen soll die Jagd auf Füchse beginnen."

"O ja, das wissen wir doch und wir freuen uns schon auf das wilde Treiben", wuffte der eine und ein anderer begeisterte sich: "Ja, das macht total viel Spaß!"

"Nein, nein", Theo war erschrocken, "wir dürfen da nicht mitmachen, das geht nicht."

Die drei Hunde blickten ihn verständnislos an: "Was redest du denn da? Wir sind Jagdhunde, das Jagen ist unser Beruf."

Da war nichts zu machen. Enttäuscht setzte Theo seinen Weg fort und dachte: "Die sind ohnehin viel zu groß, um in einen Dachsbau zu kriechen, diese blöden Kerle."

Bald erreichte er den Stall, in dem vier Dackel lebten. Theo kratzte an der Tür, die bald darauf von innen aufgestupst wurde, dahinter standen aufgereiht die vier Dackel und wedelten ihn freundlich an: "Na, Theo, was treibt dich denn zu uns?" "Hallo ihr, morgen beginnt die Fuchsjagd und wir sollen den Jägern dabei helfen."

"Aber Theo, das ist doch wohl selbstverständlich! Wir freuen uns schon darauf!", entgegnete der älteste von ihnen. "Das stimmt doch gar nicht", widersprach der Jüngste. "Ich will da gar nicht mitmachen. Was gehen mich die Füchse an? Ich begreife nicht, warum ich sie jagen sollte."

"Ja, ich habe auch keine Lust dazu", schloss sich ein weiterer Dackel an. Dino, der Älteste der Dackelbande, war erstaunt: "Ich dachte das Jagen würde euch Spaß machen. Genau dazu sind wir doch auf der Welt, oder nicht?" Die beiden kleinen Dackel fanden es viel lustiger mit den Kindern auf dem Hof herumzutollen, Pantoffel anzuknabbern oder Socken zu zerfetzen. Nun mischte sich der Dritte ein und meinte zu dem Ältesten: "Dino, ich glaube, du hast kein Verständnis für uns, die wir nicht mehr jagen wollen, weil du schon seit Ewigkeiten nichts anderes getan hast, weil du es so gelernt hast. Aber sag mal ehrlich, was haben dir die Füchse angetan, dass du ihnen Böses willst?"

Dino überlegte einen Augenblick und gab zu, dass er nie in der Weise darüber nachgedacht hatte und eigentlich immer nur artig das tun wollte, was der Jäger von ihm verlangt hatte.

"Siehst du", meinte Theo, "wir können doch unseren eigenen Kopf benutzen. Wenn du nicht willst, musst du auch nicht mit auf die Jagd gehen." Dino brummte: "Meinst du wirklich? Ich denke darüber nach, aber mir macht das Schnüffeln, das Suchen und Jagen Spaß."

Theo war enttäuscht und traurig, versuchte aber dennoch eine andere Dackelbande darum zu bitten, nicht bei der Jagd mitzumachen. Doch die meisten hielten nichts davon, sie fanden das Jagen toll. Nach einer ganzen Weile, es war bereits dunkel, kehrte Theo zum Dachsbau von Rudi zurück und berichtete ihm. Rudi hatte mehr Erfolg. Die Dachsfamilien im Umkreis waren gern bereit, ihre Eingänge zu verschließen. Sie wollten auf keinen Fall, dass ein Hund dort hineingelangen konnte.


Rudi Dachs hockt vor seinem Bau, vor ihm steht Theo ratlos, was sie nun tun sollen - Buntstiftzeichnung: © 2023 by Schattenblick

Dachs und Rauhaardackel
Buntstiftzeichnung: © 2023 by Schattenblick


"Was machen wir denn nun? Wie können wir verhindern, dass Rupert Fuchs entdeckt wird?", fragte Theo.

"Ich habe eine Idee. Du hältst einfach hier Wache, bleibst die ganze Zeit über an meinem Dachsbau. Wenn ein anderer Jagdhund sich nähert, dann musst du ihn vertreiben. Du kannst ja einfach sagen, dass du dich schon um diesen Bau kümmerst und selbst hineingehen willst und dass sie sich zum Teufel scheren sollen oder so etwas in der Art!"

Theo war einverstanden: "Ich glaube, ich bin wütend genug auf meine Kumpels, die unbedingt jagen wollen, dass ich sie wirklich gut verscheuchen kann."

Theo bezog seinen Posten vor Rudis Dachsbau. Im Morgengrauen erwartete er gespannt die ankommende Jagdgesellschaft. Mit lautem Halali und Gebell fiel eine Meute von Hunden, Pferden und Jägern in den Wald ein. Theo machte sich bereit: "Hier kommt keiner rein!"

Die großen Hunde waren zuerst angekommen: "Hey Theo, du schon wieder. Was machst du hier, geh aus dem Weg!"

"Nein, ich bleibe hier, genau hier! Verschwindet, zieht weiter, hier gibt es nichts zu jagen!", brüllte unser Rauhaardackel ihnen entgegen. Die Jagdhunde waren erstaunt und knurrten böse: "Das geht zu weit, mach sofort den Weg frei. Wir durchsuchen jetzt diesen Dachsbau - die kleinen Dackel sind gleich zur Stelle, sie warten schon begierig auf ihren Einsatz!"

"Nein!", kläffte Theo so laut er konnte, doch die großen Hunde beeindruckte das wenig. Aber Theo bewegte sich nicht von der Stelle. Auf einmal hörte er mehrere Stimmen hinter sich. Eine ganze Horde von Dachsen hatte sich versammelt. Sie standen angriffslustig, dicht an dicht, vor dem Dachsbau. Nun, das verunsicherte die Jagdhunde dann doch, die berieten sich und beschlossen, lieber weiterzuziehen. Mit so vielen Gegnern wollten sie sich nicht anlegen. "Kommt Jungs, wir suchen den nächsten Fuchsbau auf oder Dachsbau, los gehts!"

Als die kleinen Dackel eintrafen hetzten sie ohne zu zögern den großen Hunden hinterher.

Spät am Abend, als die Jagd vorbei war, traute sich Rupert Fuchs aus dem Bau heraus. Er bedankte sich herzlich bei seinen Beschützern. Vorsichtig lugten nun auch die kleinen Fuchskinder hervor und schnupperten die kühle Luft, gefolgt von Mutter Fuchs, die froh war, dass sie wieder hinaus ins Freie gehen konnten, jedenfalls für diesen Moment. Eine Weile würden sie noch vorsichtig sein müssen, bis die Jagdzeit vorüber war.

Rudi Dachs und Theo freuten sich, dass alles gutgegangen war und dass sie die Fuchsfamilie beschützen konnten. Theo verabschiedete sich. Müde und zufrieden machte er sich auf den Heimweg, krabbelte unterm Zaun hindurch, legte sich in seine Hundehütte und schlief schnell ein. Bald schon würden sich Theo und Rudi Dachs wiedertreffen, sich vor dem Dachsbau in die Sonne legen, durch den Wald streifen oder Ausschau halten nach kleinen Abenteuern.

Ende


13. Oktober 2023

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 180 vom 4. November 2023


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