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MUSIKKOFFER - KOMPONISTEN/014: Peter Iljitsch Tschaikowsky. Ouvertüre 1812 (SB)


P J O T R   I L J I T S C H   T S C H A I K O W S K Y

Teil 3

Ouvertüre 1812



Zahlreiche Komponisten haben Ereignisse aus früheren Zeiten in ihren Musikstücken verarbeitet. So auch Peter Tschaikowsky mit seiner "Ouvertüre 1812", mit der er ein großes Ereignis der russischen Geschichte beschrieben hat - die Schlacht bei Borodin im Jahre 1812.

Der Name des Stücks, das Wort Ouvertüre, kommt aus dem Französischen. Ihr müßt es wie `Uwertüre' aussprechen. Es bedeutet soviel wie `Eröffnung' oder auch `Vorspiel'. Man hatte nämlich in Frankreichs Hauptstadt Paris begonnen, vor einem Theaterabend ein festliches Orchesterstück zu spielen. Dieses mußte nicht im Zusammenhang zu dem Theaterstück stehen, und so entstanden viele Ouvertüren. Manche Werke aber wurden auch zu Festen komponiert oder zum Repräsentieren, das heißt, damit das festliche Ereignis, für das das Stück geschrieben wurde, einen guten Eindruck hinterließ. So auch die "Ouvertüre 1812". Sie wurde für eine große Ausstellung in Moskau geschrieben.

Peter Tschaikowsky erzählt uns auf musikalische Art und Weise wie der große französische Feldherr Napoleon Bonaparte im Jahre 1812 in Rußland einmarschierte. Vorher hatte Bonaparte schon einen Großteil Europas erobert und wollte sich nun auch noch das riesige Rußland aneignen. Wenn ihr in unserer Serie über Komponisten den 2. Teil von Ludwig van Beethoven gelesen habt, konntet ihr Napoleon bereits ein klein wenig kennenlernen.

Auf jeden Fall marschierte Napoleon mit einem 100.000 Mann starken Heer auf Moskau, die russische Hauptstadt, zu. Klar, daß das russische Volk bei einer solchen militärischen Macht und Bedrohung, die sich auf sie zuwälzte, zitterte. Die Menschen sandten viele angstvolle Gebete zu Gott. Wie würde dieser Kampf wohl enden?

*

Tschaikowski beginnt sein Stück mit einer russischen Weise, die, von Streichern gespielt, feierlich erklingt. Wir befinden uns also in Rußland, mitten unter den Menschen mit ihrer volkstümlichen Musik. Zuerst hören wir die so gemächlichen Streicher, die immer lauter und allmählich etwas schneller werden. Flöten kommen hinzu, das Orchester wird voller. Dann plötzlich ein dunkler Paukenschlag. Ihm folgt deutlich erkennbar eine Oboe, und der tiefe Klang des Cellos führt uns in eine unheimliche Atmosphäre. Das schnelle Tempo des Streichorchesters und die tiefe Tonlage der Blechbläser lassen keinen Zweifel daran, daß das Geschehen dramatischer wird, die Gefahr zunimmt.

Eindeutig wechselt nun die Musik: Ein Trommler schlägt den Rhythmus des Marsches, das Horn unterstreicht diese Bewegung. Wir wissen, die französischen Truppen rücken Richtung Moskau vor. Der folgende Einsatz der Streicher läßt uns wieder die Bedrohung spüren. Dieser Streichereinsatz leitet über zu einem Trompetenstück aus der "Marseillaise". Das ist die französische Nationalhymne. Jedes Land hat eine eigene Hymne, die bei besonders festlichen Anlässen oder jemandem zu Ehren gespielt wird. Das heißt für uns, die wir der Musik lauschen, daß hier die französischen Truppen gemeint sind, die weiter und weiter auf Moskau zumarschieren. Ihre Übermacht wälzt sich voran.

Mit einem fließenden Übergang durch das Streichorchester läutet der helle Triangelklang eine liebliche russische Melodie ein. Die hohe Tonlage der Streicher geleitet uns, bildlich betrachtet, ein Stück nach Rußland hinein. Es erklingt eine Oboe, die die Melodie des Stücks spielt. Die Schellen des Tamburins scheppern und die Flöten führen die Melodie weiter. Oboe, Klarinette, das tief tönende Fagott und dann das dunkle Cello, das uns wieder auf den Wechsel vorbereitet. Schon ist die Stimmung unheimlich und so bedrohlich wie der Vormarsch der französischen Truppen. Wir hören wieder die Blechbläser, das Orchester spielt ein kleines Stück aus der "Marseillaise", so daß wir an die französischen Soldaten und den drohenden Kampf erinnert werden.

Dieser Wechsel zwischen "Marseillaise" und "russischer Volksweise" ermöglicht uns, die sich im Kampf gegenüberstehenden Heere auf dem Schlachtfeld vorzustellen. Die Übergänge zwischen den beiden verschiedenen Themen sind fließend, aber deutlich. Haben wir es mit den Franzosen zu tun, tauchen die gewaltigen Blechbläser (Trompeten, Posaunen usw.) und die Schlaginstrumente (Trommeln, Pauken usw.) auf. Den Zusammenhalt des russischen Volkes, ihre unbezwingbare Kraft, will Peter Tschaikowski durch das Erklingen der russischen Volksweise mit der Triangel und den Schellen darstellen.

Sicher habt ihr schon einmal eine Trompetenfanfare gehört: traratrari, trarartrari, traratrari. Eigentlich kündigt man mit einer Fanfare ein besonderes Ereignis an. Hier hören wir nun deutlich die Hörner erklingen und ihnen folgend die Trompeten. Sie blasen zwar keine Fanfare, aber mit ihrem Blaseinsatz wird ebenfalls ein wichtiges Ereignis angekündigt.

Kanonendonner, der mit der großen Pauke erzeugt wird, und der Klang des Beckens erschallt, was nun bedeuten soll: Die Schlacht bei Borodin hat begonnen. Hier bei der Stadt Borodin hat die russische Armee auf Napoleon gewartet - die beiden Heere stehen sich gegenüber. Mit Beginn der Schlacht eilen die Streicher auf ihren Saiten dahin. Dann werden sie wieder langsamer, die Spannung nimmt ab. Das russische Volk kämpft wie besessen ...

Am Ende verkünden Glockenklang und die Blechbläser den Sieg der russischen Truppen. Wer die alte russische Nationalhymne der Zarenzeit kennt, weiß, nun wird hier ein kleines Stückchen aus dieser Hymne gespielt. Die Franzosen sind besiegt, die Marseillaise kommt nicht mehr vor.

Die Glocken läuten, die Bläser blasen, die Streicher eilen auf ihren Saiten dahin. Die eigentliche Erkennungsmelodie des Stücks beendet die "Ouvertüre 1812". Eindeutig geht in diesem Musikstück ein dramatisches Ereignis für die eine Seite freudig aus - für die Russen. (Von der napoleonischen Armee überlebten nur 5.000 Soldaten.) Eine Trompetenfanfare und ein anhaltender Trommelhagel beenden diese Ouvertüre.

14. März 2014