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PFLANZEN/066: Selbstverteidigung der Pflanzen - Der Sandbüchsenbaum, Gift und Medizin ... (SB)



Pflanzen können sich nicht wie Tiere und Menschen fortbewegen, sie sind an ihren Standort gebunden. Um sich vor Fressfeinden schützen zu können, haben viele eine spezielle Abwehrtechnik entwickelt. Einige sichern das Überleben ihrer Art, indem sie sich in enormer Zahl vermehren, andere verströmen unangenehme Düfte oder sondern gefährliche, giftige Substanzen ab. Wieder andere, oft sind es Bäume, benachrichtigen die Nachbarbäume über Signalsubstanzen, die sich über die Luft hin zum nächsten Baum verbreiten. Dort lösen sie die Produktion von Abwehrstoffen aus, so dass die Feinde rechtzeitig abgewehrt werden können. Allerdings gibt es auch wirklich angriffslustige und gefährliche Pflanzen. Im Folgenden betrachten wir hier den Sandbüchsenbaum. Er kann sich nicht nur gut verteidigen, sondern greift seine möglichen Feinde auch an, was für sie im schlimmsten Fall tödlich enden kann, oder aber zu Verletzungen führt.


Welche Abwehrmaßnahmen nutzt der Sandbüchsenbaum

Bei dem Sandbüchsenbaum handelt es sich um einen immergrünen Baum, der bis zu 40 Meter hoch wachsen kann. Die Dicke Umfang seines Stammes beträgt ca. zwei Meter. Das Besondere an diesem Stamm mit der glatten braun-grauen Borke sind die Stacheln, die ein bis zwei Zentimeter lang und konisch geformt sind. Das heißt, sie sind direkt am Stamm etwas dicker und laufen spitz zu.



Der grau schimmernde Stamm ist dicht an dicht mit spitzen Dornen besetzt - Foto: 2010 by Paul Bolstad, University of Minnesota, United States, CC BY 3.0 US [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/us/deed.en], via Wikimedia Commons

Stamm des Sandbüchsenbaums
Foto: 2010 by Paul Bolstad, University of Minnesota, United States, CC BY 3.0 US [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/us/deed.en], via Wikimedia Commons


Da sehr viele, dicht beieinanderstehende Stacheln die gesamte Oberfläche des Stammes bedecken, dienen sie nicht nur der Abwehr von Feinden, sondern bieten zudem noch einen Schutz gegen zu starke Sonneneinstrahlung. Das Licht wird vielfach gebrochen und abgelenkt, so dass die Wärmestrahlen die Borke nicht direkt erreichen können. Der Sandbüchsenbaum ist voller Gift. Sein giftiger Milchsaft befindet sich unter der Borke, wie auch in den Blättern, den Früchten und den Samen. Bekommt man die milchige Flüssigkeit in die Augen, kann es zur Erblindung kommen, werden die Früchte oder Blätter gegessen, führt das zum Erbrechen, zu Durchfall und unter Umständen zu starken Krämpfen. Hält man sich zur Reifezeit der Früchte in der Nähe dieses Baumes auf, kann es gefährlich werden.
Die Früchte, die wie kleine Kürbisse oder wie eine geschälte Mandarine aussehen und im Laufe der Reifung eine sehr harte Schale entwickeln, explodieren mit hoher Sprengkraft und wirken wie kleine Geschosse, die zu Verletzungen führen können. Die dabei freigewordenen Samen werden mit einer Geschwindigkeit von bis zu 240 Stundenkilometern durch die Luft geschleudert und erreichen Entfernungen bis zu 45 Meter, weit genug entfernt vom Mutterbaum, um selbst mit genügend Licht und Platz wachsen zu können.



In einer alten Grafik sind die kleine kürbisähnliche Frucht, die kleinen flachen Samen, die rote Blüte und die Stacheln am Stamm abgebildet - Foto: by Descourtilz, J. Theodore.; Descourtilz, M.E.; Bessin (engraver), Public domain, via Wikimedia Commons

Blüte, Frucht und Samen des Sandbüchsenbaums
Grafik: by Descourtilz, J. Theodore.; Descourtilz, M.E.; Bessin (engraver), Public domain, via Wikimedia Commons


Die Samen des Sandbüchsenbaums sind besonders kompakt, da sie reichlich Nährstoffe in sich tragen, denn sie fallen auf dunklen Waldboden und müssen versorgt sein, bis sie groß genug sind, um an ausreichend Licht zu gelangen. Sie ähneln flachen, kupferfarbenen Bohnen von der Größe einer 50 Cent-Münze und fliegen aufgrund der hohen Explosionskraft der Frucht wie Frisbee-Scheiben durch die Luft.


Nutznießer des gefährlichen Baumes

Es gibt dennoch Tiere, die sich dem gefährlichen Baum nähern und auch von ihm fressen. Da wären zum Beispiel Ameisen, die zu Beginn des Reifungsprozesses der Früchte durch Spalten in sie eindringen. Dort nisten sie in den Hohlräumen und ziehen ihren Nachwuchs auf, sicher geschützt vor Fressfeinden. Die Samenhülse selbst greifen die Ameisen nicht an, denn dann würde der klebrige, ätzende Milchsaft austreten und sie töten. Darüber, ob die Ameisen ihre Behausung verlassen, bevor sie aufgesprengt wird, gaben die uns zugänglichen Quellen keinen Aufschluss.
Dann wären da noch die Soldaten-Ara-Papageien. Sie fliegen den Baum an und fressen die Früchte, denn ihr Schnabel ist kräftig genug, um die Schale zu knacken. Nach ihrer Mahlzeit müssen sie unbedingt Tonerde zu sich nehmen, denn die schwächt das Gift darin ab, so dass den Vögeln nichts geschieht. Damit haben sie sich eine Nahrungsquelle gesichert, die ihnen keiner streitig macht.

Warum muss sich gerade dieser Baum auf so aggressive Art zur Wehr setzen? Ist er besonders bedroht? Hat er besonders viele Feinde? Leider ist nicht viel über Feinde des Baumes bekannt. Tiere, wie beispielsweise Vögel, Schlangen oder Affen, können den Baum nicht erklimmen, da die spitzen Stacheln des Stammes ihnen keine Möglichkeit zum Festhalten oder Abstützen bieten. So könnte die enorme Abwehrtechnik des Sandbüchsenbaums auch als Schutz für die Tiere angesehen werden, die ansonsten die giftigen Früchte oder Blätter fressen und daran vielleicht sogar sterben würden.


Der Mensch und der Sandbüchsenbaum

Der Mensch versteht es, diesen giftigen Baum zu seinem Vorteil zu nutzen. Er nimmt sich die Stachel, die Rinde, die Früchte oder die Blätter und verarbeitet sie zu unterschiedlichen Zwecken. Aus dem weißen, giftigen Pflanzensaft kann ein Pfeilgift hergestellt werden, das einst für die Jagd mit dem Blasrohr auf Fische oder andere Tiere benutzt wurde. Aus den Blättern und der Rinde können Arzneien hergestellt werden. Dabei wird das Gift in ganz geringen Mengen verwendet, so dass keine Schädigungen aufkommen, sondern beispielsweise eine Schmerzlinderung eintreten kann. Angepflanzt wird der Baum auch, um aus seinen Inhaltsstoffen Drogen herzustellen, die einen Rausch und Wahnvorstellungen hervorrufen. Sein relativ leichtes Holz wird zumeist zur Herstellung von Möbelstücken verwendet. Aus den harten Schalen der Früchte werden verschiedenartige Schmuckstücke gefertigt.

Zu Zeiten als noch mit Feder und Tinte geschrieben wurde und es keine Löschblätter gab, um die Feuchtigkeit der Tinte aufzusaugen, damit die Schrift nicht verläuft, hatte man feinen Sand zu diesem Zweck benutzt. Er wurde auf das Schriftstück gestreut und dann wieder weggepustet oder -gewedelt. Um Sand am Schreibtisch parat zu haben, wurde eine Hälfte der unreifen und noch ungiftigen Fruchtschale mit Sand gefüllt, die andere als Deckel benutzt - so erhielt man eine Büchse mit Sand - und der Baum seinen deutschen Namen "Sandbüchsenbaum". In den Ländern, in denen der Baum beheimatet ist, wird er auch "Teufelsbaum" oder "Pistole der Affen" genannt.

Der Sandbüchsenbaum ist nicht vom Aussterben bedroht, da er auch als Nutzpflanze angebaut wird. Ob er auch in seinem natürlichen Umfeld weiter bestehen kann und nicht der weit verbreiteten Waldvernichtung anheimfällt, bleibt diesem eigenartigen Baum zu wünschen.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.baumkunde.de/forum/viewtopic.php?t=4531

https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/kuriose-pflanzenwelt-hura-creptians


9. Juni 2023

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 179 vom 22. Juli 2023


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