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TIERE/081: Bienenverständigung - Ohne Worte, ohne Licht (SB)


Bienenverständigung

Ohne Worte, ohne Licht



Das Leben des Menschen ist eng mit dem der Bienen verknüpft. Er ist sogar auf diese Insekten angewiesen, denn sie bestäuben die Pflanzen, so dass zum Beispiel Obst, Getreide und Blumen wachsen können. Schätzungsweise ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hängt von der Bestäubungstätigkeit der Bienen und anderer Insekten ab.

Ohne die Bienen würden die Ernten stark zurückgehen, die Menschen hätten nur noch wenig zu essen. Außerdem stellen Bienen Honig her, den der Mensch als Nahrung und zu Heilzwecken nutzt. Seit langen Zeiten beschäftigten sich Menschen mit der Beobachtung von Bienen. Ihr Verhalten wurde untersucht. Die Forscher staunten über die Fähigkeiten dieser kleinen Tiere und suchten nach Erklärungen für ihr Verhalten, das sie zu solch erstaunlichen Leistungen befähigt.

Eine Biene auf einer Wabe mit verschlossenen und einigen leeren Zellen - Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Biene auf Wabe
Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Ein bekannter Wissenschaftler auf diesem Gebiet war der Österreicher Karl Ritter von Frisch, der 1886 in Wien geboren wurde und 1982 in München starb. Hier arbeitete er als Verhaltensforscher und war Professor für Zoologie. Sein Forschungsinteresse galt der Honigbiene. Er versuchte zu erklären, auf welche Art und Weise sich die Bienen untereinander verständigen.

Die Untersuchungen fanden unter schwierigen Bedingungen statt, denn aufgrund des fehlenden Lichts im Bienenstock, ist der Forscher darauf angewiesen, eine Lichtquelle zu benutzen, um etwas zu erkennen. Dazu mussten die Bienen in einen präparierten Stock gelockt werden. An diesem befand sich an einer Seite eine Glasscheibe. Durch sie konnte der Wissenschaftler auf eine Wabenfläche schauen und die geschäftigen Bienen beobachten. Damit wurden allerdings schon die natürlichen Lebensbedingungen der Bienen beeinflusst. Es wäre ja denkbar, dass sie durch diese leicht geänderten Lichtverhältnisse schon verunsichert wurden und sich dadurch auch etwas anders verhielten.

Jedenfalls meinte Karl von Frisch herausgefunden zu haben, dass die Bienen, die unterwegs waren, um Nektar und Pollen zu sammeln, nach ihrer Rückkehr in den Stock ein besonderes Verhalten aufwiesen. Er beobachtete sie und nannte die Bewegungen, die sie vollführten, einen Tanz. Noch wusste er nicht, was das zu bedeuten hatte. Aber als er bemerkte, dass von den Bienen, die späterhin den Stock verließen, um Nektar zu suchen, viele in eine bestimmte Richtung flogen, stellte er eine Vermutung an.

Er meinte, es gäbe einen Zusammenhang zwischen dem Tanz der ersten zurückgekehrten Biene und dem relativ gerichteten Flug der nachfolgenden Tiere. Vielleicht diente der Tanz als eine Art Wegbeschreibung? Fortan lenkte Karl von Frisch seine Aufmerksamkeit auf diese Bienentänze und die Futtersuche. Er konnte verschiedene Arten von Tänzen erkennen und vermutete, dass jeder eine andere Mitteilung enthielt. Bekannt geworden ist der von ihm als "Schwänzeltanz" bezeichnete Bewegungsablauf.

Doch eine Frage blieb nach wie vor offen: Wie schaffen die Bienen es, im Dunkeln einen solchen Tanz zu erkennen und zu deuten?

Inzwischen beschäftigten sich viele andere Wissenschaftler mit den Bienen. Den heutigen Forschern stehen Hightech-Untersuchungsgeräte zur Verfügung, wie auch eine hochfeine und winzig kleine Technik zur Beobachtung der Tiere. Zum Beispiel können einige der Insekten mit Minichips ausgestattet werden, die über Scanner ausgewertet werden, um ihre Flüge und Bewegungen zu kontrollieren, oder die Bienen können mit Farbpigmenten markiert werden, um die einzelnen Tiere besser unterscheiden zu können.

Man erkannte inzwischen, dass einige wenige Bienen als Kundschafterbienen die Umgebung des Bienenstocks auf Futterangebote hin absuchen. Es handelt sich um etwas ältere Tiere, da die Futtersuche nicht ungefährlich ist. Schließlich werden Bienen auch gern von Vögeln und anderen Tieren gefressen (Braunbär, Hornisse, Bienenfresser, Buntspecht, Gemeiner Bienenkäfer etc.). Erst wenn sie mit einem guten Fund aufwarten können, kehren sie in den Stock zurück und benachrichtigten die im Nest verbliebenen Sammelbienen. Die ankommenden Bienen werden von denen im Stock befühlt. Außerdem liefern die Bienen, einigen der im Bienenstock wartenden Sammelbienen Proben von dem Nektar, den sie mitgebracht haben. Der angelieferte Nektar wird aber eigentlich von Stockbiene zu Stockbiene weitergereicht und dabei mit Speichel und darin enthaltenen Fermenten versetzt. Dadurch bleibt der Nektar und spätere Honig lange haltbar. So wird er dann in eine Vorratszelle gefüllt. Wieder andere Bienen aus dem Stock verschließen diese, sobald sie voll ist, mit einem Wachsdeckel.



Also: Bislang wurden die Beobachtungen so gedeutet

Wenn sich die Blüten in der Nähe des Bienenstocks befinden, tanzt die Biene den sogenannten "Rundtanz". Durch diesen Tanz wird den anderen Bienen mitgeteilt, dass die Nahrungsquelle sich in der Nähe des Stocks befindet (bis ca. 100 Meter im Umkreis). Wenn die Sammelbienen ausschwärmen, orientieren sie sich hauptsächlich an dem mitgeteilten Duft. Bienen können sehr gut riechen und Blütenfarben erkennen. Wenn sie nun den Bienenstock verlassen, folgen sie diesem bestimmten Duft.


An dieser Stelle gibt es etwas zu bedenken bzw. zu überprüfen:

Wird aus der "Kundschafterbiene", die doch eigentlich eine Sammelbiene ist, im Stock dann eine "Tanzbiene"?

Wenn viele Bienen zugleich die tanzende Biene befühlen und betasten, berühren sie das Tier immer nur für wenige Augenblicke. Wie können sie daraus die Form des Rundtanzes ableiten? Ein Wissenschaftler sieht die Biene bei Licht und von oben. Er kann in seiner Beobachtungsposition die Form eines Runds erkennen. Aber können die Bienen das auch - im Dunkeln und bei nur kurzen Berührungskontakten?


Mit den oben erwähnten Hightech-Methoden erhielt man ein anderes Verständnis

Die heimkehrenden Sammelbienen laufen über die Wabe und lassen ihren Körper dabei in ungeheurer Geschwindigkeit vibrieren (zittern). Die Forscher stellten fest, dass die Bienen mit ihrer Flugmuskulatur eine Frequenz von 270 Schwingungen pro Minute erzeugen. Über die dicken Stege der Waben setzen sich diese Schwingungen fort. Andere Sammelbienen im Stock werden durch die Vibrationen angelockt. Neugierig geworden, befühlen sie die Tänzerin. Mit ihren Fühlern schmecken sie, den Nektar und sie riechen den Pollen, der sich in den Haaren der Sammlerin festgesetzt hat. Im direkten Kontakt erfühlen sie die Angaben über Entfernung und Richtung der Futterquelle. Um die Schwingungen zu spüren, brauchen die Bienen kein Licht. Das spricht für diese Vermutung.

Mit den neuen Untersuchungsmethoden ergeben sich wieder neue Überlegungen über das Bienenverhalten und die Bienenverständigung. Doch selbst mit diesen Methoden konnte nicht verstanden werden, wie die Bienen, von denen jede einzelne viele verschiedene Aufgaben im Bienenstock übernehmen kann, immer wissen, wo sie gebraucht werden, bzw. welche Fähigkeit gerade gefragt ist. Sie sind Meister in der Klimatisierung ihres Nestes. Sie arbeiten dafür in einem ausgeklügelten System - aber woher wissen sie, was zu tun ist? Woher wissen sie, welche Biene was zu leisten hat, damit im Bienenstock alles so funktioniert, wie es für das Überleben wichtig ist? Müssen sie sich überhaupt verständigen? Mag sein, dass sie es tun, doch heißt das nicht unbedingt, dass wir ihr System verstehen können.

Es bleiben Fragen über Fragen und man könnte meinen, dass keine Antwort wirklich genügend ist. Denn Wissenschaftler bemühen sich stets, eine Ordnung, eine Systematik in das Beobachtete zu bringen - eine Ordnung, die sie aus ihrem eigenen menschlichen Leben kennen - möglicherweise ist das eine Fehlerquelle?

15. August 2013