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TIERE/116: Tiergenie und Lebenskunst - Teilen wenn jeder gewinnt ... (SB)



Dank der immer weiter verbesserten Aufnahmetechnik von Unterwasserkameras gelingt es Forschern, die Meerestiere besser zu beobachten. So wurde es möglich, beispielsweise einen Einblick in das Leben der vielen verschiedenen Bewohner in einem Korallenriff zu erlangen und ihre Verhaltensweisen und Gewohnheiten zu studieren.


Keine leichte Beute im Korallenriff

In dem australischen Großen Barriere Riff (Great Barrier Riff) wurden Tierfilmer Zeugen eines merkwürdigen Zusammenspiels zwischen Meerestieren verschiedener Arten. Der über einen Meter große Leopard-Zackenbarsch ist dort zu Hause und hier ist auch sein Jagdgebiet. Seine Beute sind kleine Fische. So ein Korallenriff gleicht einer Unterwasserstadt mit vielen hohen Bauten, tiefen Schluchten, dunklen Buchten und winkeligen Spalten, alles Orte, in denen sich der Gejagte gut vor den spitzen Zähnen im riesigen Maul des Leopard-Zackenbarsch verstecken kann. Der ist zu groß, passt nicht in die engen Schluchten und muss oft genug ohne Erfolg hungrig sein Jagdglück an anderer Stelle versuchen.


Ein Krake, der seine Fangarme dich am Körper hält, in der Mitte ragt sein großer Kopf hervor - Foto: 2007, by Albert Kok at Dutch Wikipedia (Original text: Albert Kok) [Public domain], via Wikimedia Commons

Foto: 2007, by Albert Kok at Dutch Wikipedia (Original text: Albert Kok)
[Public domain], via Wikimedia Commons

Ähnlich ergeht es einem anderen Tier, das ebenfalls in Korallenriffen beheimatet ist, dem Großen Kraken, ein Tintenfisch. Er zählt eigentlich nicht einmal zu den Fischen, sondern zu den Weichtieren und zu den Kopffüßlern. Ein anderer Name lautet "Octopus" und weist auf seine acht (octo = acht) Fangarme hin. Auch er bevorzugt, wie der Leopard-Zackenbarsch, kleinere Fische als Nahrung, doch ist es für ihn nicht so leicht, sie zwischen den Korallen ausfindig zu machen. Mit seinen Fangarmen wäre es ihm schon möglich, auch in tiefe Spalten hineinzureichen und den Fisch aus seinem Versteck zu treiben oder gar zu erfassen, doch oftmals tastet er vergeblich und greift mit seinem Arm ins Leere.


Der Krake legt seine Arme dicht und langgestreckt nebeneinander, stromlinienförmig, damit er schneller fliehen kann - Foto: by albert kok (ma photo) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by- sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Ein fliehender Krake
Foto: by albert kok (ma photo) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Wenn zwei Schwierigkeiten mit dem Beutefang haben, könnte man sich da nicht zusammentun und die Fähigkeiten des einen und die des anderen nutzen? Der Leopard-Zackenbarsch und der Krake sind jedenfalls zu beider Vorteil eine Jagdgemeinschaft eingegangen. Ob sie nur kurzfristige Gültigkeit hat, oder ob es sich um eine feste Jagdstrategie der beiden Tiere handelt, und ob dieses Verhalten für alle Tiere dieser beiden Arten und überall in den Riffen gilt, kann nicht sicher gesagt werden. Auch kann man nicht wirklich sagen, ob sie dieses Verhalten erst neu erlernt haben. Wie dem auch sei, im Folgenden nun eine Beschreibung ihrer Zusammenarbeit.


Hilfst du mir, helf' ich dir

Der Leopard-Zackenbarsch sucht sich einen Beutefisch aus, der in großer Hast flüchtet und sich in einem tiefen Spalt des Riffs versteckt, so dass er für seinen Jäger nicht zu erreichen ist. Doch der merkt sich nun die Stelle, an der der Fisch verschwunden ist und macht genau über dem Eingang Halt, seine Körperzeichnung wird blasser, dann vollführt er einen Kopfstand und wackelt kräftig mit der Schwanzflosse. Auf diese Weise wird die Aufmerksamkeit des Kraken auf diese Stelle gelenkt, der daraufhin genau dorthin schwimmt. Der Leopard-Zackenbarsch weicht aus, macht dem Kraken Platz und der langt mit seinem Fangarm in den Spalt hinein. Der kleine Fisch versucht zu entkommen und verlässt fluchtartig sein Versteck. Das ist die Gelegenheit für den Zackenbarsch, ihn sich zu schnappen. Danach wiederholt sich diese Art der Jagd an irgendeinem anderen Ort im Korallenriff und diesmal erhält der Krake die Beute. Abwechselnd bekommt mal der eine, mal der andere den Fisch. Da sich diese Jagdmethode bewährt hat, wiederholen die Tiere die Zusammenarbeit.


Die Zeichnung der Schuppen mit Flecken und Tupfen sind wahrscheinlich der Grund für den Namen Leopard-Zackenbarsch - Buntstiftzeichnung: © 2018 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2018 by Schattenblick

Dass Tiere der gleichen Art Jagdgemeinschaften bilden wie beispielsweise Löwen, Wölfe, Tümmler (Delfine) und Schwertwale oder sich gegenseitig schützen und sich die Nahrung teilen, ist bekannt. Man könnte vermuten, dass es unter ihnen eine Verständigung gibt, die ihnen das gemeinsame Jagen ermöglicht. Doch wenn zwei verschiedene Arten gemeinsam auf Beutefang gehen, ist das schon erstaunlich. Wie tauschen sie sich aus? Woher wissen sie, was am besten zu tun ist? Vermutlich ist die Verständigung zwischen verschiedenen Arten nicht einfach, da jedes Tier arteigene Laute äußert oder bestimmte Verhaltensmuster verwendet. Der Krake müsste also gelernt haben, das auffällige Verhalten (Kopfstand, Schwanzflossenwackeln) des Leopard-Zackenbarsches richtig zu deuten und genau an die angezeigte Stelle schwimmen, um seinen Fangarm dort hineinzuführen und so den Fisch zu greifen oder aufzuscheuchen, auf das der sein Versteck verlässt. Der Zackenbarsch wartet ganz in der Nähe auf das Auftauchen des Beutefisches, um ihn sich sogleich zu schnappen. Viele Verhaltensweisen der Unterwassertiere werden bestimmt nicht richtig gedeutet oder sie treffen nur auf wenige Tiere zu, die sich zufällig in einem bestimmten Umfeld zusammengetan haben, um ihr Überleben zu sichern. Lange Zeit wurden Fischbestände erforscht in Hinblick auf ihr Vorkommen, um gezielter die Fangschiffe loszuschicken. Das Interesse an den Tieren selbst wurde erst jüngst entwickelt. Sicherlich hat es schon immer Wissenschaftler gegeben, die sich für die Unterwassertiere begeistern konnten und ihre Lebensweise erforscht haben. Doch erst langsam setzt sich die Idee durch, dass Fische mehr sind als nur eine Nahrungsquelle.


Viele bunte blumenartige Korallen mit einem leuchtend blauen Seestern in der Mitte - Foto: © 2004 by Richard Ling [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Korallen im Great Barrier Riff (Australien)
Foto: © 2004 Richard Ling [CC BY-SA 2.5
(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Fortsetzung folgt ...


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.meerwasser-lexikon.de/tiere/2863_Cephalopholis_leopardus.htm

http://www.biologie-schule.de/tintenfisch-steckbrief.php

TV-Dokumentation
"Der Blaue Planet"
Teil 3: Faszination Korallenriff
Dokumentarfilm-Reihe, Großbritannien, 2017
45 Min.


16. April 2018


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